Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
gieren, sich durch deutliche Merkmale fÇr eine seelische Gesundheit auszeichnen im Vergleich zu Menschen, die abgeschlossen, abgegrenzt vom sozialen Geschehen, ihr Leben leben. Freiwillige Mitarbeit, freiwilliges Helfen ist auch ein Merkmal und Ausweis fÇr eigene seelische Befindlichkeit und eigene seelische Gesundheit. Sicherlich wÑre fÇr viele Menschen das Beste, wenn sie in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben und dort, unterstÇtzt von hilfreichen Angehárigen, freiwilligen und beruflichen Helfern, die letzten Wochen ihres Lebens verbringen kánnten. Das war auch der deutliche Wunsch von 75 % der befragten Stuttgarter Beválkerung, wie wir 1987 durch eine Umfrage haben feststellen lassen. 75 % haben sich eindeutig geÑu- Öert, daÖ der Ort des Lebens der Ort ihres Sterbens sein soll. Die Situation ist in der RealitÑt in Stuttgart genau umgedreht und dort liegt unter anderem unser Auftrag. Die Erfahrungen in unserer ambulanten Hospizarbeit zeigen jedoch, daÖ dies hÑufig in Stuttgart nicht máglich ist. In den letzten 2 è Jahren muÖte fast ein Drittel der von uns begleiteten schwerkranken Menschen dennoch im Krankenhaus sterben. Die GrÇnde waren folgende: Manche waren alleinstehend, wir haben in Stuttgart die Situation, daÖ fast 50 % der Haushalte Single-Haushalte sind, Tendenz steigend. Bei vielen Erkrankten fÇhlten sich die Angehárigen durch die kraftzehrende und schwierige Pflege – hÑufig neben ihrer BerufstÑtigkeit oder eigener Erkrankung – Çberfordert. Bei 36 % der Patienten waren medizinische Schwierigkeiten, meist die Einstellung der Schmerztherapie, der Grund zur stationÑren Einweisung. Diese Patienten kamen ins Krankenhaus, obwohl sie eigentlich keiner hochtechnisierten Medizin bedurften, sondern einen in der Schmerztherapie erfahrenen Arzt. Diese Erfahrungen und die Tatsache, daÖ derzeit in Stuttgart Çber 65 % der BÇrger im Krankenhaus sterben, zeigen deutlich die Erfordernisse eines teilstationÑren und stationÑren Hospizes als wichtige ErgÑnzung oder UnterstÇtzung der ambulanten Hospizarbeit und zur Reduzierung der hohen Behandlungskosten im Krankenhaus. Eine Untersuchung ergab, daÖ die Betreuung sterbender Menschen in Hospizen deutlich kostengÇnstiger ist als in normalen KrankenhÑusern. Unsere derzeitige Planung fÇr die nÑchsten Schritte unserer Arbeitsgemeinschaft Hospiz ist, daÖ wir auf der einen Seite die SÑule eines ambulanten Hospizes als die Mitte des Hospizdienstes sehen, als zweite SÑule den Bereich der Bildungsarbeit und dann die dritte SÑule, die sich aufgliedert in ein teilstationÑres und und stationÑres Hospiz; es ist so geplant, daÖ insgesamt 23 Betten in diesem stationÑren Bereich zur VerfÇgung stehen sollten, 15 davon vollstationÑr und 8 teilstationÑr. Den derzeit kalkulierten tÑglichen Pflegesatz haben wir fÇr das teilstationÑre Hospiz bei DM 140 errechnet, im stationÑren Bereich liegen wir bei DM 360. Insgesamt sollen von der PlanungsgráÖe her 60 Patienten vorwiegend im ambulanten Bereich betreut werden. Wir haben errechnet, daÖ wir dazu 180 freiwillige Helfer brauchen, die im ambulanten Bereich tÑtig sein sollen. Den PersonalschlÇssel haben wir fÇr den stationÑren Bereich bei der Pflege mit eins zu eins geplant. Das Merkmal der Hospizarbeit – ob ambulant, teilstationÑr oder stationÑr – ist die VerlÑÖlichkeit und KontinuitÑt in der Beziehung. Vor allem die freiwilligen Helfer wÇnschen, den Patienten in den jeweiligen Bereichen seines Lebens und seines Sterbens begleiten und ihm dort Partnerschaft anbieten zu kánnen. In der Finanzierungsfrage dieses Hospizes hat der Landeswohlfahrtsverband angeregt, daÖ wir unser Einzugsgebiet Çber die Stadt Stuttgart hinaus vergráÖern. Wir haben deshalb das Einzugsgebiet der S-Bahn gewÑhlt, weil sich dann unter UmstÑnden die umliegenden Landkreise mitbeteiligen kánnen und auch der Landeswohlfahrtsverband mit in die Finanzierung eintreten kann. 74
Im Augenblick ist die Finanzsituation allgemein denkbar ungÇnstig. Trotzdem habe ich die Hoffnung oder den Traum, daÖ Hospiz ein Teil unseres Sozial- und Gesundheitssystems wird. Wir mÇssen deshalb unsere Vorstellungen in Richtung Hospiz so formulieren und konkret darstellen kánnen, daÖ sie auch fÇr die politischen Gremien verstÑndlich und annehmbar sind. Die Finanzierung ist grundsÑtzlich mit Hilfe von vier Modellen vorstellbar (vgl. dazu auch Diskussion vom Dienstagabend, S. 65): - Von seiten der Bundesgesetzgebung durch eine Erweiterung des Sozialgesetzbuches. - Durch die Krankenkassen, die die Máglichkeit haben, neue Modelle zu erproben. - Auch der Landesgesetzgeber hat die Aufgabe, die soziale Infrastruktur weiterzuentwickeln. - Daneben tritt ein Konzept der Mischfinanzierung, bei dem die Krankenkassen, die SozialhilfetrÑger, Kirche und Diakonie gemeinsam Hospizarbeit finanzieren wÇrden. Diese vier Punkte scheinen mir im Augenblick als die Máglichkeiten, die wir anstreben sollten. Dabei hat der Hospizgedanke zur Zeit aber keine politische Mehrheit, weder auf Landes noch auf Bundesebene. Politische Mehrheit findet der onkologische Bereich und die palliative Medizin. Aber die spirituellen, religiásen und psychosozialen Leistungen und Aufgaben, die der Hospizdienst erbringt, sind im Augenblick nicht mit politischen Mehrheiten besetzt. Ich máchte Ihnen jetzt gerne noch einige Gremienentscheidungen vortragen. Auf der wÇrttembergischen Landessynode vom 27. Juni 1991 wurde folgender BeschluÖ gefaÖt: „Die AnstáÖe aus der Hospizarbeit in Stuttgart, die fÇr den GroÖraum Stuttgart geschieht, sind insgesamt fÇr die diakonische Gemeindearbeit, die Erwachsenenbildung und die theologisch-seelsorgerlichen Dienste so bedeutend, daÖ Kirchengemeinden und Kirchenbezirke ermutigt werden, sich intensiver damit zu befassen. Der Oberkirchenrat und das Diakonische Werk werden gebeten, die AnstáÖe aus diesem diakonischen Lernfeld in Stuttgart aufzunehmen und in die Kirchenbezirke und Kirchengemeinden hineinzutragen und weiter zu fárdern. Der Oberkirchenrat wird gebeten, einen Finanzbeitrag zur baldigen Absicherung einer exemplarischen stationÑren Einrichtung in der Hospizbewegung in Stuttgart im Sinne einer Anschubfinanzierung fÇr den Haushalt 1992 vorzusehen.“ Dazu máchte ich mir noch eine Anmerkung erlauben: Es fÑllt mir immer wieder schwer, die ambulante Hospizarbeit als die eigentliche Hospizarbeit darzustellen, gerade in Kirchenkreisen. Wenn wir das Hospiz als GebÑude hÑtten, dann fÑnden wir mehr Anerkennung, und das finde ich sehr bedauerlich. Aber das hat auch etwas mit der Geschichte der Diakonie nach dem Kriege zu tun. Diakonie war so etwas wie die Baudiakonie der 60er Jahre, wenn ich die Altenheime anschaue, die Jugend- und Erziehungsheime. Man hat viel gemauert, viel erstellt und damit Diakonie prÑsentiert. Ich meine, wir mÇÖten auch dieser Erwartung, das Hospiz sei ein gemauertes Haus, ein StÇck weit Widerstand leisten und immer wieder auf die Gemeinde als Ort des Handelns des Hospizdienstes hinweisen. Es ist uns natÇrlich klar, daÖ das geplante Hospiz mit seinen 23 Betten keinen Versorgungsauftrag fÇr die Region Çbernehmen kann. Aber unsere Vorstellung ist, daÖ es eine Modelleinrichtung werden kánnte, die dann die umliegenden Kirchenbezirke 75
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Ausweis fÇr eigene seelische Befindlichkeit und eigene seelische Gesundheit.<br />
Sicherlich wÑre fÇr viele Menschen das Beste, wenn sie in ihrer gewohnten Umgebung<br />
verbleiben und dort, unterstÇtzt von hilfreichen Angehárigen, freiwilligen und<br />
beruflichen Helfern, die letzten Wochen ihres Lebens verbringen kánnten. Das war<br />
auch der deutliche Wunsch von 75 % der befragten Stuttgarter Beválkerung, wie wir<br />
1987 durch eine Umfrage haben feststellen lassen. 75 % haben sich eindeutig geÑu-<br />
Öert, daÖ der Ort des Lebens der Ort ihres Sterbens sein soll. Die Situation ist in der<br />
RealitÑt in Stuttgart genau umgedreht und dort liegt unter anderem unser Auftrag.<br />
Die Erfahrungen in unserer ambulanten Hospizarbeit zeigen jedoch, daÖ dies hÑufig<br />
in Stuttgart nicht máglich ist. In den letzten 2 è Jahren muÖte fast ein Drittel der von<br />
uns begleiteten schwerkranken Menschen dennoch im Krankenhaus sterben. Die<br />
GrÇnde waren folgende: Manche waren alleinstehend, wir haben in Stuttgart die Situation,<br />
daÖ fast 50 % der Haushalte Single-Haushalte sind, Tendenz steigend. Bei<br />
vielen Erkrankten fÇhlten sich die Angehárigen durch die kraftzehrende und schwierige<br />
Pflege – hÑufig neben ihrer BerufstÑtigkeit oder eigener Erkrankung – Çberfordert.<br />
Bei 36 % der Patienten waren medizinische Schwierigkeiten, meist die Einstellung<br />
der Schmerztherapie, der Grund zur stationÑren Einweisung. Diese Patienten<br />
kamen ins Krankenhaus, obwohl sie eigentlich keiner hochtechnisierten Medizin bedurften,<br />
sondern einen in der Schmerztherapie erfahrenen Arzt.<br />
Diese Erfahrungen und die Tatsache, daÖ derzeit in Stuttgart Çber 65 % der BÇrger<br />
im Krankenhaus sterben, zeigen deutlich die Erfordernisse eines teilstationÑren und<br />
stationÑren Hospizes als wichtige ErgÑnzung oder UnterstÇtzung der ambulanten<br />
Hospizarbeit und zur Reduzierung der hohen Behandlungskosten im Krankenhaus.<br />
Eine Untersuchung ergab, daÖ die Betreuung sterbender Menschen in Hospizen<br />
deutlich kostengÇnstiger ist als in normalen KrankenhÑusern.<br />
Unsere derzeitige Planung fÇr die nÑchsten Schritte unserer Arbeitsgemeinschaft<br />
Hospiz ist, daÖ wir auf der einen Seite die SÑule eines ambulanten Hospizes als die<br />
Mitte des Hospizdienstes sehen, als zweite SÑule den Bereich der Bildungsarbeit<br />
und dann die dritte SÑule, die sich aufgliedert in ein teilstationÑres und und stationÑres<br />
Hospiz; es ist so geplant, daÖ insgesamt 23 Betten in diesem stationÑren Bereich<br />
zur VerfÇgung stehen sollten, 15 davon vollstationÑr und 8 teilstationÑr. Den derzeit<br />
kalkulierten tÑglichen Pflegesatz haben wir fÇr das teilstationÑre Hospiz bei DM 140<br />
errechnet, im stationÑren Bereich liegen wir bei DM 360. Insgesamt sollen von der<br />
PlanungsgráÖe her 60 Patienten vorwiegend im ambulanten Bereich betreut werden.<br />
Wir haben errechnet, daÖ wir dazu 180 freiwillige Helfer brauchen, die im ambulanten<br />
Bereich tÑtig sein sollen. Den PersonalschlÇssel haben wir fÇr den stationÑren<br />
Bereich bei der Pflege mit eins zu eins geplant.<br />
Das Merkmal der Hospizarbeit – ob ambulant, teilstationÑr oder stationÑr – ist die<br />
VerlÑÖlichkeit und KontinuitÑt in der Beziehung. Vor allem die freiwilligen Helfer wÇnschen,<br />
den Patienten in den jeweiligen Bereichen seines Lebens und seines Sterbens<br />
begleiten und ihm dort Partnerschaft anbieten zu kánnen.<br />
In der Finanzierungsfrage dieses Hospizes hat der Landeswohlfahrtsverband angeregt,<br />
daÖ wir unser Einzugsgebiet Çber die Stadt Stuttgart hinaus vergráÖern. Wir<br />
haben deshalb das Einzugsgebiet der S-Bahn gewÑhlt, weil sich dann unter UmstÑnden<br />
die umliegenden Landkreise mitbeteiligen kánnen und auch der Landeswohlfahrtsverband<br />
mit in die Finanzierung eintreten kann.<br />
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