Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
Ausbildung auch nicht. NatÇrlich stáÖt diese Sterbebegleitung der „Graswurzeln“ oft auf schmerzhafte Grenzen, und ich erinnere mich an manche Situation, in der ich glÇcklich gewesen wÑre Çber eine organisierte Hospizinitiative in der NÑhe. So sollte sich eigentlich eine Zusammenarbeit, UnterstÇtzung und ErgÑnzung von gemeindlicher Sterbebegleitung und Hospizbewegung natÇrlich ergeben. Die Hospizinitiativen kánnten an diese Tradition und ihre menschlichen und geistlichen Ressourcen anknÇpfen und umgekehrt die Gemeinden nachdrÇcklich an ihre Aufgabe, selbst Hospiz zu sein, erinnern. Allerdings dÇrfte die Kooperation vor Ort auch auf erhebliche Probleme stoÖen, die ich sowohl auf der Ebene der Organisation wie der Haltung sehe. Wie etwa kann eine Hospizinitiative mit etwas wie „Graswurzeln“ zusammenarbeiten, das so amorph ist, nicht organisiert, sondern einfach nur da, wenn benátigt, wie es etwa bei guten Nachbarn zu sein pflegt? Schwieriger noch scheint mir die Frage der inneren Einstellung zu sein: Wie kann eine solche Bewegung, die allgemeine Standards aufstellt und mit Ministerien verhandelt, die HÑuser kauft, Konferenzen abhÑlt, eine hochqualifizierte Ausbildung anbietet und um die sich die Medien reiÖen: wie kann die Hospizbewegung etwas achten, wertschÑtzen und schÇtzen, das ausdrÇcklich nicht professionell, sondern rein alltÑglich ist? Graswurzeln kánnen durch das Auftreten professionell arbeitender und organisierter Gruppen auch zertreten, Traditionen des Alltags kánnen zerstárt werden. Unter den Stichwártern „Spezialisierung“ und „Professionalisierung“ wurde dies bereits kritisch angesprochen. Ich máchte also darauf aufmerksam machen, daÖ sich die geforderte Kooperation nicht nur auf das VerhÑltnis zu anderen professionellen Partnern und Organisationen beziehen darf, sondern auch die Zusammenarbeit mit den „Graswurzeln“ in den Blick nehmen muÖ. Dies setzt allerdings auf Seiten der Hospizbewegung ein hohes MaÖ an organisatorischer FlexibilitÑt, Anpassung an lokale Gegebenheiten und Respekt vor der alltÑglichen Sterbebegleitung voraus. Zur „Gemeinde als Hospiz“ gehárt auch der Gemeindepfarrer. Ich habe etwa 1/3 der Gemeindeglieder, die ich in den vergangenen Jahren bestattete, im Sterben seelsorgerlich begleitet, manchmal durch viele Besuche Çber einen langen Zeitraum hinweg; manchmal wurde ich nur einmal gerufen wenige Tage oder Stunden vor dem Tod. Die Sterbeseelsorge hatte zwei klare Zentren: Erstens ging es um die BewÑltigung der religiásen Fragen der VergÑnglichkeit, des Leidens und der Krankheit, des Todes und des „Danach“. Daneben aber, und wohl von gráÖerem Gewicht, war die seelsorgerliche Hilfe zum Sterben; ich máchte geradezu sagen: dem Kranken oder Alten die Erlaubnis zum Sterben zu geben, etwa gegen die eigene innere Tabuisierung des Todes, gegen das Klammern der Familie, aber auch gegen Schuld und Angst und das GefÇhl, nur Fragmentarisches zurÇckzulassen. Hier kommen also noch einmal die zentralen Aspekte des Evangeliums auf den Tisch, und das Sterben erweist sich als geistlicher Akt des Glaubens und Vertrauens gegen die Verzweiflung oder die stille Resignation des Verláschens. Der Pfarrer Çbernimmt also einerseits die Rolle des GlaubensgesprÑchspartners; noch mehr aber wird er zur „Symbolfigur im Übergangsfeld von Leben und Tod“ (Josuttis) und ist darin, im Zusammenhang mit der Symbolsprache der Sakramente, der Gesten, aber auch der vertrauten Worte des Katechismus und der Bibel, nur schwer zu ersetzen. Die „Gemeinde als Hospiz“ hÑlt die Themen von Tod und Leben, Sterben und Auferstehen, Zeit und Ewigkeit darÇber hinaus prÑsent, auch wo sie nicht in besonderen Veranstaltungen der Erwachsenenbildung traktiert werden; sie tut dies in ihren Gottesdiensten, an den Novembersonntagen oder am Karfreitag, sie tut es in Liedern, Bibeltexten, Gebeten und Predigten, in FÇrbitten und AbkÇndigung und Glaubensbekenntnis. Hier wird gelehrt, mindesten in dem Sinne, daÖ eine Haltung zu Tod und 70
Leben angemahnt und angeboten wird. Unsere Endlichkeit wird in den Gottesdiensten gerade nicht verdrÑngt, sondern bejaht. GewiÖ kánnte und sollte dies noch bewuÖter und deutlicher als eine der wichtigsten Aufgaben von den Kirchen wahrgenommen werden, gerade im Sinne eines humanen Lebens. Wieder gilt: die Hospizbewegung kánnte hier an etwas Bestehendes anknÇpfen und es zugleich verstÑrken. Tod und Sterben werden im Kontext einer christlichen Gemeinde freilich nicht „wertfrei“ thematisch. Es lÑÖt sich hier eben nicht von den Inhalten des christlichen Glaubens abstrahieren. Damit bringt das Konzept „Gemeinde als Hospiz“ letztendlich theologische Inhalte ins Spiel und stellt das Sterben in einen eschatologischen Horizont, in dem es nicht nur als Einschlafen oder Erláschen verstanden wird, sondern als Ende, das in die Ewigkeit Gottes hineinfÇhrt, im Wissen, daÖ auch die Toten unter der Herrschaft des gekreuzigten Christus bleiben. In diesem Kontext wird den Sterbenden gesagt, daÖ sie auf mehr zu hoffen haben als auf ein schmerzfreies Ende in WÇrde: nÑmlich auf den neuen Himmel und die neue Erde. Der Tod bleibt dann nicht mehr nur individuelle Erlásung oder auch individuelle Tragádie. Er geschieht im Rahmen einer viel gráÖeren Geschichte und lÑÖt sich in diesem Zusammenhang auch auf andere Weise bewÑltigen. Ich plÑdiere natÇrlich nicht dafÇr, diesen Horizont immer, bei jedem Sterben anzusprechen. Oft bleibt es bei Andeutungen; oft ist er ohne Worte gegenwÑrtig, in Menschen und Gesten. Er ist jedoch impliziert im VerstÑndnis der „Gemeinde als Hospiz“, denn die Gemeinde versteht sich selbst im Rahmen jener gráÖeren Geschichte. Dies ist ein unverzichtbarer Beitrag zum „rechten Sterben“. Literatur: Harald Wagner (Hg.): Ars moriendi. Herder, Freiburg u.a., 1989 Helmut Beutel/Daniela Tausch (Hg.): Sterben – eine Zeit des Lebens. Quell Verlag, Stuttgart 1989 Manfred Josuttis: „Der Pfarrer und der Tod“. In: Ders.: Der Pfarrer ist anders. Chr. Kaiser Verlag, MÇnchen 1982, S. 107-127 Nachfragen und Diskussion Durch die Nachfragen wurde klargestellt, daÖ Helmut Dopffel, M.Th. die Arbeit der Emmaus-Station in Herborn trotz eines anerkannten PflegeschlÇssels von 1:1,5 nur in ihrem Personalkostenanteil finanziert wird, Sach- und Investionskosten aber bisher allein aus Spenden gedeckt werden mÇssen. Weiter wird die Hospizarbeit noch durch ehrenamtliche FachkrÑfte unterstÇtzt; die direkte Sterbebegleitung wird durch einen Bereitschaftsdienst und durch Sitzwachengruppen gewÑhrleistet. FÇr die EinschÑtzung der Situation in den Kirchengemeinden wurde betont, daÖ es bereits einiges an Initiativen in Richtung Sterbe- und Trauerbegleitung in einzelnen Gemeinden geben wÇrde. Es kÑme nun darauf an, diese bereits vorhandenen AnfÑnge zu unterstÇtzen und zu stÑrken. Keinesfalls dÇrfe von einem Defizitbild ausgegangen werden. FÇr die Arbeit der Hospizhilfe des Dekanates Wiesloch wurde festgestellt, daÖ die hier aktiven Ehrenamtlichen nicht aus dem Bereich der Kerngemeinde stammen wÇrden, sondern oftmals eher Schwierigkeiten mit der Institution Kirche hÑtten. Es sei auch wichtig, diese Ehrenamtlichen in ihrem Engagement nicht zu Çberfordern 71
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Ausbildung auch nicht. NatÇrlich stáÖt diese Sterbebegleitung der „Graswurzeln“ oft<br />
auf schmerzhafte Grenzen, und ich erinnere mich an manche Situation, in der ich<br />
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sich eigentlich eine Zusammenarbeit, UnterstÇtzung und ErgÑnzung von gemeindlicher<br />
Sterbebegleitung und Hospizbewegung natÇrlich ergeben. Die Hospizinitiativen<br />
kánnten an diese Tradition und ihre menschlichen und geistlichen Ressourcen anknÇpfen<br />
und umgekehrt die Gemeinden nachdrÇcklich an ihre Aufgabe, selbst Hospiz<br />
zu sein, erinnern. Allerdings dÇrfte die Kooperation vor Ort auch auf erhebliche<br />
Probleme stoÖen, die ich sowohl auf der Ebene der Organisation wie der Haltung<br />
sehe. Wie etwa kann eine Hospizinitiative mit etwas wie „Graswurzeln“ zusammenarbeiten,<br />
das so amorph ist, nicht organisiert, sondern einfach nur da, wenn benátigt,<br />
wie es etwa bei guten Nachbarn zu sein pflegt? Schwieriger noch scheint mir die<br />
Frage der inneren Einstellung zu sein: Wie kann eine solche Bewegung, die allgemeine<br />
Standards aufstellt und mit Ministerien verhandelt, die HÑuser kauft, Konferenzen<br />
abhÑlt, eine hochqualifizierte Ausbildung anbietet und um die sich die Medien<br />
reiÖen: wie kann die Hospizbewegung etwas achten, wertschÑtzen und schÇtzen,<br />
das ausdrÇcklich nicht professionell, sondern rein alltÑglich ist? Graswurzeln kánnen<br />
durch das Auftreten professionell arbeitender und organisierter Gruppen auch zertreten,<br />
Traditionen des Alltags kánnen zerstárt werden. Unter den Stichwártern „Spezialisierung“<br />
und „Professionalisierung“ wurde dies bereits kritisch angesprochen.<br />
Ich máchte also darauf aufmerksam machen, daÖ sich die geforderte Kooperation<br />
nicht nur auf das VerhÑltnis zu anderen professionellen Partnern und Organisationen<br />
beziehen darf, sondern auch die Zusammenarbeit mit den „Graswurzeln“ in den Blick<br />
nehmen muÖ. Dies setzt allerdings auf Seiten der Hospizbewegung ein hohes MaÖ<br />
an organisatorischer FlexibilitÑt, Anpassung an lokale Gegebenheiten und Respekt<br />
vor der alltÑglichen Sterbebegleitung voraus.<br />
Zur „Gemeinde als Hospiz“ gehárt auch der Gemeindepfarrer. Ich habe etwa 1/3 der<br />
Gemeindeglieder, die ich in den vergangenen Jahren bestattete, im Sterben seelsorgerlich<br />
begleitet, manchmal durch viele Besuche Çber einen langen Zeitraum hinweg;<br />
manchmal wurde ich nur einmal gerufen wenige Tage oder Stunden vor dem Tod.<br />
Die Sterbeseelsorge hatte zwei klare Zentren: Erstens ging es um die BewÑltigung<br />
der religiásen Fragen der VergÑnglichkeit, des Leidens und der Krankheit, des Todes<br />
und des „Danach“. Daneben aber, und wohl von gráÖerem Gewicht, war die seelsorgerliche<br />
Hilfe zum Sterben; ich máchte geradezu sagen: dem Kranken oder Alten die<br />
Erlaubnis zum Sterben zu geben, etwa gegen die eigene innere Tabuisierung des<br />
Todes, gegen das Klammern der Familie, aber auch gegen Schuld und Angst und<br />
das GefÇhl, nur Fragmentarisches zurÇckzulassen. Hier kommen also noch einmal<br />
die zentralen Aspekte des Evangeliums auf den Tisch, und das Sterben erweist sich<br />
als geistlicher Akt des Glaubens und Vertrauens gegen die Verzweiflung oder die<br />
stille Resignation des Verláschens. Der Pfarrer Çbernimmt also einerseits die Rolle<br />
des GlaubensgesprÑchspartners; noch mehr aber wird er zur „Symbolfigur im Übergangsfeld<br />
von Leben und Tod“ (Josuttis) und ist darin, im Zusammenhang mit der<br />
Symbolsprache der Sakramente, der Gesten, aber auch der vertrauten Worte des<br />
Katechismus und der Bibel, nur schwer zu ersetzen.<br />
Die „Gemeinde als Hospiz“ hÑlt die Themen von Tod und Leben, Sterben und Auferstehen,<br />
Zeit und Ewigkeit darÇber hinaus prÑsent, auch wo sie nicht in besonderen<br />
Veranstaltungen der Erwachsenenbildung traktiert werden; sie tut dies in ihren Gottesdiensten,<br />
an den Novembersonntagen oder am Karfreitag, sie tut es in Liedern,<br />
Bibeltexten, Gebeten und Predigten, in FÇrbitten und AbkÇndigung und Glaubensbekenntnis.<br />
Hier wird gelehrt, mindesten in dem Sinne, daÖ eine Haltung zu Tod und<br />
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