Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

24.12.2012 Aufrufe

50 Teamwork Wie die Hospize machen auch wir die Erfahrung, daÖ die notwendige ganzheitliche Betreuung des Schwerkranken nicht von einem einzelnen, sondern nur vom Team geleistet werden kann. Wir bemÇhen uns, daÖ diese Teamarbeit nicht durch hierarchische Strukturen erschwert wird, sondern ein offener, unkomplizierter Umgang untereinander die Regel ist. Das Team umfaÖt Krankenschwestern und -pfleger, Arzt, Krankengymnastin, BeschÑftigungstherapeutin, Seelsorger und Sozialarbeiter. Die Stationsvisiten dienen auch der Kommunikation innerhalb des Teams, damit máglichst alle Mitglieder des Teams auf dem gleichen Informationsstand sind und sich gleiche Ziele setzen kánnen. TÄbinger Projekt: HÖusliche Betreuung Schwerkranker Seit Oktober 1991 wird vom Deutschen Institut fÇr Érztliche Mission und vom InterdisziplinÑren Tumorzentrum der UniversitÑt dieses neue gemeinsame Projekt getragen, dessen Finanzierung vom Krebsverband Baden-WÇrttemberg und von der Robert-Bosch-Stiftung Stuttgart fÇr zwei Jahre genehmigt wurde. Herr Dr. Kretschmer, der Chefarzt der Tropenklinik, wurde im Herbst 1988 vom Sozialministerium Baden- WÇrttemberg aufgefordert, fÇr den Kreis TÇbingen ein flÑchendeckendes „Hospice Care“-Konzept zu erarbeiten. Eine Besonderheit des TÇbinger Projekts ist es, daÖ es sich fÇr alle Schwerkranken zustÑndig fÇhlt, nicht nur fÇr solche mit Krebserkrankungen. In dem Projekt, das nach einer Vorlaufphase seit Februar dieses Jahres seine Dienste anbietet, arbeiten zwei Krankenschwestern, eine Psychologin, eine Érztin und eine Verwaltungskraft. Das Projekt ergÑnzt die Sozialstationen, indem es einen Pool von professionellen und Laien-Sitz- und Nachtwachen aufbaut, die zur UnterstÇtzung der hÑuslichen Pflege von pflegebedÇrftigen Schwerkranken angefordert werden kánnen. Daneben bietet das Projekt psychologische Begleitung im Zusammenhang mit der hÑuslichen Pflege von Schwerkranken an. SchlieÖlich geháren noch ein Örztlicher Konsiliardienst, Hospitationsangebote fÇr Érzte und Krankenpflegepersonal und ein kleiner GerÖte-Pool zum TÇbinger Projekt. Obwohl das Projekt in seinen ersten AnfÑngen steckt, die Gewinnung und Anleitung von LaienkrÑften noch gar nicht begonnen hat und die Weiterfinanzierung noch vállig offen ist, sind wir optimistisch, daÖ das TÇbinger Projekt ein wenig den Bereich ausfÇllen kann, den im Rahmen richtiger Hospiz-Programme der Hausbetreuungsdienst Çbernehmen wÇrde. Defizite im Vergleich zu einem Hospiz Am SchluÖ máchte ich die Bereiche benennen, in denen das Paul-Lechler-Krankenhaus sich nicht mit einem voll ausgebauten Hospiz vergleichen kann: 1) Die groÖe Zahl freiwilliger Helferinnen und Helfer, ohne die kein Hospiz auskommt, steht uns im Paul-Lechler-Krankenhaus nicht zur VerfÇgung. 2) Die individuellen BedÄrfnisse der Schwerkranken stehen nicht ganz so im Mittelpunkt wie in einem Hospiz, weil der „Krankenhaus-Ablauf“ dem entgegensteht. Oft haben die Schwestern und Érzte nicht genÇgend Zeit, um stundenlang bei einem Sterbenden zu bleiben. Vielfach sind die Kranken doch allein, wenn sie sterben. 3) In unserem therapeutischen Team am Krankenhaus fehlt bisher eine psychologische oder psychiatrische KonsiliarmÅglichkeit. Ich wÇrde sie mir fÇr diejenigen Kranken und ihre Familien wÇnschen, bei denen in der letzten Phase einer zum Tode fÇhrenden Erkrankung ein gravierender innerfamiliÑrer Konflikt spÇrbar oder gar offen-

ar wird, der von dem bestehenden Team nicht einer Lásung nÑhergebracht werden kann. 4) GroÖe Teambesprechungen, an denen alle Mitglieder des Teams regelmÑÖig teilnehmen kánnen, gibt es bisher nicht. Wir versuchen dies dadurch auszugleichen, daÖ vor der Krankenvisite Arzt und Schwester miteinander Çber den aktuellen Stand bei dem Kranken sprechen, wobei Beobachtungen der nicht anwesenden Teammitglieder mit einflieÖen oder aus der Krankenakte ersichtlich sind. Ein monatlicher GesprÑchskreis Çber unser Erleben im beruflichen Alltag von Krankheit, Leiden und Sterben bietet die Máglichkeit, Çber besondere Betreuungsprobleme auch mit Kollegen zu sprechen, die nicht selbst in die Betreuung dieses Kranken mit verwickelt sind. 5) Die in der Hospiz-Idee zentral wichtige KontinuitÖt der Krankenbetreuung zwischen stationÑrer und ambulanter Versorgung ist bei uns nicht befriedigend gelást. Das deutsche Gesundheitssystem bietet hier deutlich mehr HÇrden als das englische. Uns fehlt auch eine Tagesklinik (ein Day Care Centre), die die Máglichkeit bieten kánnte, Çber die Entlassung hinaus den Kontakt zu den Schwerkranken zu halten. NatÇrlich gibt es bei uns eine „Entlassung auf Probe“: Wenn die Krankenpflege zu Hause máglicherweise an unlásbaren Problemen scheitern kánnte, kánnen wir eine kurzfristige stationÑre Wiederaufnahme zusagen. 6) Wir haben bisher keinen „Bereavement Service“: Eine derartige (professionell geleitete!) Trauerbegleitung durch geschulte Freiwillige wÇrde ich mir fÇr die Betreuung der Familien wÇnschen, in denen das Team schon vor dem Tode des Kranken eine UnfÑhigkeit spÇrt, mit dem Verlust eines nahestehenden, geliebten Menschen umzugehen. (Weiteres Material zum Projekt „Érztliche und Pflegerische Betreuung schwerkranker Patienten zu Hause“ siehe S. A 53) Katharinen-Hospiz am Park, Flensburg (Sr. Thomsen) 1987 gab es im Vorstand der Ev.-Luth.-Diakonissenanstalt zu Flensburg Überlegungen, einer neu zu errichtenen Alteneinrichtung im zweiten Bauabschnitt auch ein Hospiz anzugliedern, dieser Plan konnte aber nicht durchgefÇhrt werden. UnabhÑngig davon beschlossen 1988 einige Mitarbeiter aus dem Ñrztlichen und pflegerischen Bereich unter der Leitung eines Oberarztes der Medizinischen Klinik eine onkologische Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen. Sie wollten sich auÖerhalb von Visiten und ÜbergabegesprÑchen Gedanken machen Çber die Behandlung und Betreuung der immer wiederkehrenden Tumorpatienten ihrer Station. In Kurzreferaten wurden Meinungen und Erfahrungen von Krankenschwestern und Pfleger, Érztinnen und Érzten vorgelegt, diskutiert und gemeinsam Ziele festgelegt. Máglichkeiten und Grenzen wurden deutlich. Der folgerichtige zweite Schritt dieser Mitarbeiter war die erklÑrte Absicht, ein Hospiz auf der Station einzurichten. Der Oberarzt, Herr Dr. Lorenzen hatte EindrÇcke in Oxford gesammelt Çber palliative Medizin allgemein und den rÑumlichen und personellen Rahmen insbesondere. Dieser Plan wurde von der Pflegedienstleitung nur mit bedingter Freude aufgenommen, denn wie sollte mehr Raum und mehr Personal beschafft werden. Doch die Gruppe plante weiter und fÇhrte im Juli 1989 drei Informationsreisen innerhalb von 4 Monaten durch, man besuchte insgesamt 10 Hospizgruppen, auÖerdem Frau Dr. Muschaweck-KÇrten und Herrn Prof. Student. 51

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Wie die Hospize machen auch wir die Erfahrung, daÖ die notwendige ganzheitliche<br />

Betreuung des Schwerkranken nicht von einem einzelnen, sondern nur vom Team<br />

geleistet werden kann. Wir bemÇhen uns, daÖ diese Teamarbeit nicht durch hierarchische<br />

Strukturen erschwert wird, sondern ein offener, unkomplizierter Umgang untereinander<br />

die Regel ist. Das Team umfaÖt Krankenschwestern und -pfleger, Arzt,<br />

Krankengymnastin, BeschÑftigungstherapeutin, Seelsorger und Sozialarbeiter. Die<br />

Stationsvisiten dienen auch der Kommunikation innerhalb des Teams, damit máglichst<br />

alle Mitglieder des Teams auf dem gleichen Informationsstand sind und sich<br />

gleiche Ziele setzen kánnen.<br />

TÄbinger Projekt: HÖusliche Betreuung Schwerkranker<br />

Seit Oktober 1991 wird vom Deutschen Institut fÇr Érztliche Mission und vom InterdisziplinÑren<br />

Tumorzentrum der UniversitÑt dieses neue gemeinsame Projekt getragen,<br />

dessen Finanzierung vom Krebsverband Baden-WÇrttemberg und von der Robert-Bosch-Stiftung<br />

Stuttgart fÇr zwei Jahre genehmigt wurde. Herr Dr. Kretschmer,<br />

der Chefarzt der Tropenklinik, wurde im Herbst 1988 vom Sozialministerium Baden-<br />

WÇrttemberg aufgefordert, fÇr den Kreis TÇbingen ein flÑchendeckendes „Hospice<br />

Care“-Konzept zu erarbeiten.<br />

Eine Besonderheit des TÇbinger Projekts ist es, daÖ es sich fÇr alle Schwerkranken<br />

zustÑndig fÇhlt, nicht nur fÇr solche mit Krebserkrankungen.<br />

In dem Projekt, das nach einer Vorlaufphase seit Februar dieses Jahres seine Dienste<br />

anbietet, arbeiten zwei Krankenschwestern, eine Psychologin, eine Érztin und<br />

eine Verwaltungskraft. Das Projekt ergÑnzt die Sozialstationen, indem es einen Pool<br />

von professionellen und Laien-Sitz- und Nachtwachen aufbaut, die zur UnterstÇtzung<br />

der hÑuslichen Pflege von pflegebedÇrftigen Schwerkranken angefordert werden<br />

kánnen. Daneben bietet das Projekt psychologische Begleitung im Zusammenhang<br />

mit der hÑuslichen Pflege von Schwerkranken an. SchlieÖlich geháren noch ein Örztlicher<br />

Konsiliardienst, Hospitationsangebote fÇr Érzte und Krankenpflegepersonal<br />

und ein kleiner GerÖte-Pool zum TÇbinger Projekt. Obwohl das Projekt in seinen ersten<br />

AnfÑngen steckt, die Gewinnung und Anleitung von LaienkrÑften noch gar nicht<br />

begonnen hat und die Weiterfinanzierung noch vállig offen ist, sind wir optimistisch,<br />

daÖ das TÇbinger Projekt ein wenig den Bereich ausfÇllen kann, den im Rahmen<br />

richtiger Hospiz-Programme der Hausbetreuungsdienst Çbernehmen wÇrde.<br />

Defizite im Vergleich zu einem Hospiz<br />

Am SchluÖ máchte ich die Bereiche benennen, in denen das Paul-Lechler-Krankenhaus<br />

sich nicht mit einem voll ausgebauten Hospiz vergleichen kann:<br />

1) Die groÖe Zahl freiwilliger Helferinnen und Helfer, ohne die kein Hospiz auskommt,<br />

steht uns im Paul-Lechler-Krankenhaus nicht zur VerfÇgung.<br />

2) Die individuellen BedÄrfnisse der Schwerkranken stehen nicht ganz so im Mittelpunkt<br />

wie in einem Hospiz, weil der „Krankenhaus-Ablauf“ dem entgegensteht. Oft<br />

haben die Schwestern und Érzte nicht genÇgend Zeit, um stundenlang bei einem<br />

Sterbenden zu bleiben. Vielfach sind die Kranken doch allein, wenn sie sterben.<br />

3) In unserem therapeutischen Team am Krankenhaus fehlt bisher eine psychologische<br />

oder psychiatrische KonsiliarmÅglichkeit. Ich wÇrde sie mir fÇr diejenigen Kranken<br />

und ihre Familien wÇnschen, bei denen in der letzten Phase einer zum Tode fÇhrenden<br />

Erkrankung ein gravierender innerfamiliÑrer Konflikt spÇrbar oder gar offen-

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