Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

24.12.2012 Aufrufe

Wege und Ziele der konkreten Hospizarbeit im Bereich des evangelischen Krankenhauses Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus TÑbingen (Dr. Schlunk) Man hat mich gebeten, auf dieser Hospiz-Tagung des Diakonischen Werkes die Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus zu vertreten. DaÖ von unserem Krankenhaus ein Beitrag zum Thema „Hospiz“ gewÇnscht wird, freut mich sehr. Wir sind allerdings kein Hospiz, sondern nur ein evangelisches Krankenhaus der Grundversorgung, das von den Hospizen gelernt hat und weiter lernen máchte. Ich selbst arbeite seit drei Jahren als Arzt am Paul-Lechler-Krankenhaus. An den Anfang máchte ich meinen eigenen Bezug zur Hospiz-Idee stellen. Ich erfuhr im April 1984 erstmals von Dr. Elisabeth KÇbler-Ross, daÖ es Hospize gibt und daÖ in ihnen eine gute Palliativmedizin praktiziert wird. Ich war spontan von dieser Idee begeistert und wollte diese Arbeit selbst kennenlernen. Im September 1985 war ich zwei Wochen lang Gast im „St. Barnabas’ Home“ in Worthing/SÇdengland. Dort sah und erlebte ich gute Schmerztherapie, wie sie in meiner internistischen Facharztausbildung noch nicht vorgekommen war. Mit der BegrÇndung, daÖ ich langfristig in der Betreuung schwerkranker und sterbender Patienten arbeiten wolle, bewarb ich mich bei Prof. Frommhold an das Medizinische Strahleninstitut der UniversitÑt TÇbingen und erhielt zum Oktober 1985 eine Assistenzarztstelle in der Strahlentherapie. Dort setzte ich mich beharrlich fÇr die EinfÇhrung der Schmerztherapie nach dem Vorbild der englischen Hospize ein. Die Ergebnisse sind in einem Artikel „Schmerz und Schmerztherapie bei Tumorpatienten“ (Med. Welt 41 (1990) 297-303) veráffentlicht. AuÖerdem habe ich 1988 eine BroschÇre „Schmerzbehandlung bei Tumorpatienten“ verfaÖt, die vom Tumorzentrum der UniversitÑt gedruckt und verbreitet wird (6., neu bearbeitete Auflage Januar 1992). WÑhrend meiner Zeit in der TÇbinger Strahlenklinik arbeitete ich – trotz der Entfernung – im Vorstand des Christophorus Hospiz- Vereins in MÇnchen mit. SchlieÖlich war es aber fÇr mich doch nÑherliegend, mich um eine Arztstelle im Paul-Lechler-Krankenhaus zu bewerben. Konkret gelernt habe ich von den Hospizen vor allem durch die hervorragenden BÇcher von Robert Twycross. Er lud mich im Dezember 1991 fÇr zwei Wochen in das Sir Michael Sobell House nach Oxford ein, davon fÇnf Tage zu einem Grundkurs: „Betreuung des Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung“. Nach dem Grundsatzreferat von Prof. Student Çber die Ziele der Hospiz-Bewegung bietet es sich fÇr mich an, daÖ ich anhand wichtiger Charakteristika eines Hospizes aufzeige, in welchen Bereichen wir am Paul-Lechler-Krankenhaus Öhnlich wie ein Hospiz arbeiten, in welchen Bereichen wir nichts Entsprechendes anbieten und tun (kÅnnen) und schlieÜlich wo die Unterschiede liegen. 48 Auffassung unseres Krankenhauses von seiner Aufgabe an Schwerkranken und Sterbenden Unser Krankenhaus stellt insofern eine Besonderheit dar, als wir gleichzeitig nebeneinander als Fachklinik Tropen-Patienten – vorwiegend junge Menschen, oft Familien mit Kindern – und als Krankenhaus der Grundversorgung Ñltere internistische Patienten betreuen. Dadurch sehen wir nicht einseitig nur alte oder unheilbar kranke Menschen, sondern haben immer auch Familien in der aktiven Lebensphase im Blick. Bei den Ñlteren internistischen Patienten sehen wir viele Diagnosen, und zwar vor allem

die hÑufigen: Patienten nach Schlaganfall, mit arteriellen Durchblutungsstárungen, nach Schenkelhalsfraktur, mit Herzinsuffizienz, mit Morbus Parkinson usw. Patienten mit unheilbaren (Tumor-)Leiden, z. B. fortgeschrittenem Bronchial-, Magen-, Pankreas- oder Dickdarm-Carcinom, Leber-Cirrhose, Lymphom, Hirntumor, werden oft bewuÖt in unser Krankenhaus eingewiesen, weil wir uns ihnen mehr widmen kánnen als das UniversitÑtsklinikum. Die Palliativpflege und -medizin haben bei uns seit Jahren ihren festen Platz. Um diese Kranken kÇmmern wir uns in vergleichbarer Weise, wie es ein stationÑres Hospiz tun wÇrde. Sterbende Patienten werden in unserem Krankenhaus manchmal Çber viele Wochen bis zu ihrem Tode gepflegt, wenn sie keine Angehárigen haben, wenn ihre Pflege aufwendig oder schwierig ist oder wenn eine Entlastung der oft selbst alten pflegenden Angehárigen geboten erscheint. Im medizinischen Bereich haben wir von den Hospizen schon lange gelernt, daÖ viele Schwerkranke von ihren Érzten in erster Linie eine sorgfÑltige und prophylaktische Schmerztherapie brauchen. Wir lernen weiter von den Hospizen dazu – dem diente mein Besuch in Oxford im Dezember 1991 –, wie auch die anderen belastenden Symptome (Übelkeit/Erbrechen, Atemnot, Unruhe, Angst) medikamentás erleichtert werden kánnen. Wir stellen uns stets die Frage, welche MaÖnahme fÇr den einzelnen Patienten im jeweiligen Stadium seiner Erkrankung angemessen ist. Wir versuchen, die Ziele und Máglichkeiten unserer Behandlung immer realistisch einzuschÑtzen, um dem Kranken Çbertriebene, sinnlose MaÖnahmen zu ersparen. Wie die Hospize betrachten auch wir den Kranken und seine Angehárigen und Freunde als eine Einheit. Offenheit und Wahrhaftigkeit in der Kommunikation erleichtern allen Beteiligten die Annahme, das Aushalten und die Begleitung des Sterbens. Wo jedoch eine VerdrÑngung oder Leugnung jahrelang praktiziert wurde, gelingt dies oft nicht. Die Angehárigen werden in die Betreuung der Kranken einbezogen. Freiwillige Helfer begleiten z. B. einen Schwerkranken zu einer Untersuchung oder Behandlung im UniversitÑtsklinikum. Die Krankenzimmer erhalten manchmal gerade bei den sterbenden Patienten durch persánliche GegenstÑnde eine hÑusliche, private AtmosphÑre. Es wird ermáglicht und ermutigt, daÖ ein Mitglied der Familie auch Çber Nacht bei dem Kranken bleibt, indem eine Liege oder ein Bett im Krankenzimmer angeboten wird. Das gemeinsame Ziel ist dabei, in der noch verbleibenden Zeit eine máglichst gute LebensqualitÑt fÇr den Schwerkranken und fÇr seine Familie zu erreichen. Im Ñrztlichen Bereich kánnte einem Besucher aus einer aktiver eingestellten Klinik auffallen, daÖ wir nur selten bei Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen eine parenterale ErnÑhrung oder eine Chemotherapie durchfÇhren. Intravenáse Infusionen – erst recht solche Çber zentrale Venenkatheter – sind die Ausnahme, meist genÇgt die subkutane Gabe von FlÇssigkeit. Zur Symptomkontrolle bei Patienten, die zu schwach geworden sind fÇr orale Medikation oder die unter Übelkeit und Erbrechen leiden, verwenden wir neuerdings die subkutane Verabreichung von Medikamenten mit einer Spritzenpumpe, weil dieses Verfahren auch vom Hausarzt in die Weiterbetreuung zu Hause Çbernommen werden kann (Beispiel). Von den Krankenschwestern und -pflegern wird die „Zimmerpflege“ praktiziert, damit zwischen Patienten und Krankenpflegepersonal eine máglichst stabile Beziehung entstehen kann. Im Bereich der Seelsorge sind wir glÇcklich, daÖ wir fÇr „nur“ 101 Betten eine viertel Seelsorge-Stelle haben, hinzu kommen noch zwei weitere ehrenamtliche Seelsorger! 49

die hÑufigen: Patienten nach Schlaganfall, mit arteriellen Durchblutungsstárungen,<br />

nach Schenkelhalsfraktur, mit Herzinsuffizienz, mit Morbus Parkinson usw.<br />

Patienten mit unheilbaren (Tumor-)Leiden, z. B. fortgeschrittenem Bronchial-, Magen-,<br />

Pankreas- oder Dickdarm-Carcinom, Leber-Cirrhose, Lymphom, Hirntumor,<br />

werden oft bewuÖt in unser Krankenhaus eingewiesen, weil wir uns ihnen mehr widmen<br />

kánnen als das UniversitÑtsklinikum. Die Palliativpflege und -medizin haben bei<br />

uns seit Jahren ihren festen Platz. Um diese Kranken kÇmmern wir uns in vergleichbarer<br />

Weise, wie es ein stationÑres Hospiz tun wÇrde. Sterbende Patienten werden<br />

in unserem Krankenhaus manchmal Çber viele Wochen bis zu ihrem Tode gepflegt,<br />

wenn sie keine Angehárigen haben, wenn ihre Pflege aufwendig oder schwierig ist<br />

oder wenn eine Entlastung der oft selbst alten pflegenden Angehárigen geboten erscheint.<br />

Im medizinischen Bereich haben wir von den Hospizen schon lange gelernt, daÖ viele<br />

Schwerkranke von ihren Érzten in erster Linie eine sorgfÑltige und prophylaktische<br />

Schmerztherapie brauchen. Wir lernen weiter von den Hospizen dazu – dem diente<br />

mein Besuch in Oxford im Dezember 1991 –, wie auch die anderen belastenden<br />

Symptome (Übelkeit/Erbrechen, Atemnot, Unruhe, Angst) medikamentás erleichtert<br />

werden kánnen. Wir stellen uns stets die Frage, welche MaÖnahme fÇr den einzelnen<br />

Patienten im jeweiligen Stadium seiner Erkrankung angemessen ist. Wir versuchen,<br />

die Ziele und Máglichkeiten unserer Behandlung immer realistisch einzuschÑtzen,<br />

um dem Kranken Çbertriebene, sinnlose MaÖnahmen zu ersparen.<br />

Wie die Hospize betrachten auch wir den Kranken und seine Angehárigen und<br />

Freunde als eine Einheit. Offenheit und Wahrhaftigkeit in der Kommunikation erleichtern<br />

allen Beteiligten die Annahme, das Aushalten und die Begleitung des Sterbens.<br />

Wo jedoch eine VerdrÑngung oder Leugnung jahrelang praktiziert wurde, gelingt dies<br />

oft nicht. Die Angehárigen werden in die Betreuung der Kranken einbezogen. Freiwillige<br />

Helfer begleiten z. B. einen Schwerkranken zu einer Untersuchung oder Behandlung<br />

im UniversitÑtsklinikum. Die Krankenzimmer erhalten manchmal gerade bei den<br />

sterbenden Patienten durch persánliche GegenstÑnde eine hÑusliche, private AtmosphÑre.<br />

Es wird ermáglicht und ermutigt, daÖ ein Mitglied der Familie auch Çber<br />

Nacht bei dem Kranken bleibt, indem eine Liege oder ein Bett im Krankenzimmer<br />

angeboten wird. Das gemeinsame Ziel ist dabei, in der noch verbleibenden Zeit eine<br />

máglichst gute LebensqualitÑt fÇr den Schwerkranken und fÇr seine Familie zu erreichen.<br />

Im Ñrztlichen Bereich kánnte einem Besucher aus einer aktiver eingestellten Klinik<br />

auffallen, daÖ wir nur selten bei Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen eine parenterale<br />

ErnÑhrung oder eine Chemotherapie durchfÇhren. Intravenáse Infusionen –<br />

erst recht solche Çber zentrale Venenkatheter – sind die Ausnahme, meist genÇgt die<br />

subkutane Gabe von FlÇssigkeit. Zur Symptomkontrolle bei Patienten, die zu<br />

schwach geworden sind fÇr orale Medikation oder die unter Übelkeit und Erbrechen<br />

leiden, verwenden wir neuerdings die subkutane Verabreichung von Medikamenten<br />

mit einer Spritzenpumpe, weil dieses Verfahren auch vom Hausarzt in die Weiterbetreuung<br />

zu Hause Çbernommen werden kann (Beispiel).<br />

Von den Krankenschwestern und -pflegern wird die „Zimmerpflege“ praktiziert, damit<br />

zwischen Patienten und Krankenpflegepersonal eine máglichst stabile Beziehung<br />

entstehen kann.<br />

Im Bereich der Seelsorge sind wir glÇcklich, daÖ wir fÇr „nur“ 101 Betten eine viertel<br />

Seelsorge-Stelle haben, hinzu kommen noch zwei weitere ehrenamtliche Seelsorger!<br />

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