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Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

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Es kann nicht ausbleiben, daÖ fast alle am Ende dieses finanziellen wie geistigen<br />

Ausverkaufs zwangslÑufig vor einem materiellen wie seelischen Bankrott stehen.<br />

Dann erreicht sie die 5. Spiralphase der „Depression“: „Wozu, alles ist sinnlos ...!“<br />

Auch hier veranschaulichen die Biographien zwei typische Deutungsmuster. Zum<br />

einen wird getrauert um das schon Aufgegebene (die Gesundheit, die Geburt eines<br />

nichtbehinderten Kindes), die „rezipierende Trauer“, zum anderen wird getrauert um<br />

das, was vermutlich noch aufgegeben werden muÖ (Freunde, Kollegen, Status), die<br />

„antizipierende Trauer“. Wieder kann ich hier nur kurz darauf verweisen, daÖ die<br />

Analysen der Biographien zeigen, daÖ zwei Drittel aller Biographen hier ihren LernprozeÖ<br />

abbrechen und in Aggression, Verhandlung oder Depression verharren, was<br />

dem Zustand einer sozialen Isolation gleichzusetzen ist.<br />

AbriÖartig soll das ZIEL-STADIUM skizziert werden: Nur ein Drittel der Biographen<br />

erreicht die 6. Spiralphase „Annahme“: „Ich erkenne jetzt erst ...! Ich kann ...!“Jetzt<br />

wird nicht mehr gefragt, was schon verloren ist, jetzt wird vielmehr erkannt, was man<br />

mit dem, was noch da ist, tun kann, denn es ist ja weniger wichtig, was ich habe, als<br />

was ich mit dem, was ich habe, gestalte! Daraus kann sich die 7. Spiralphase „AktivitÇt“<br />

entwickeln: „Ich tue das ...!“, in der alle Selbsthilfe- und alle Initiativgruppen<br />

sowie spÑter entstehende Organisationen wurzeln; denn sie mÇndet schlieÖlich ein in<br />

die 8. Spiralphase „SolidaritÇt“: „Wir handeln ...!“. Das Ich beginnt von sich selbst<br />

abzusehen und trÑgt im Wir gesellschaftspolitische Verantwortung.<br />

Diese beiden letzten Spiralphasen AktivitÑt und SolidaritÑt gelten nicht fÇr die TodesnÑhe,<br />

wÑhrend die Frage der Annahme des Todes sich vielen Kranken auf dem<br />

Sterbebett mehr oder weniger deutlich stellt. Die TodesnÑhe enthÑlt, wie wir wissen,<br />

auch die unausweichliche Frage an die Angehárigen: „Bejahst Du, daÜ dieser geliebte,<br />

befreundete Mensch sterben muÜ ...?“<br />

AbschlieÖend sei noch einmal auf die Pyramidenartigkeit der Spirale hingewiesen,<br />

die eine Mehrheit im Eingangs-Stadium und nur eine Minderheit im Ziel-Stadium anzeigt,<br />

weil die meisten – allein auf sich gestellt – ohne jede Hilfe ihren LernprozeÖ<br />

Krisenverarbeitung durchleben muÖten.<br />

Lassen Sie mich noch einmal betonen: Krisenverarbeitung im Leben ist nur eine<br />

Vorerfahrung des Sterbens. Sterben bleibt einzigartig, individuell einmalig, bleibt ein<br />

unverfÇgbarer Dialog zwischen den Sterbenden und ihrem Schápfer; es gibt keine<br />

erklÑrende, verfÇgbar machende Theorie. Es gibt einzig den Zuspruch, sich also mitten<br />

im Leben auch dieser Krise als Herausforderung und Chance, Leben zu lernen,<br />

zu stellen. Das kann in der GewiÖheit der Zusage Gottes geschehen: „Ich bin bei Dir<br />

alle Tage bis an der Welt Ende“. Vor diesem Hintergrund erscheint uns der LernprozeÖ<br />

Krisenverarbeitung als ein Angebot, das Leben an Grenzen anzunehmen.<br />

Wie dieser LernprozeÖ Krisenverarbeitung bei unterschiedlichen Behinderungsarten<br />

in den Biographien aussieht, welche Faktoren einen EinfluÖ haben und welche<br />

SchlÇsselfunktion insbesondere die Aggression hat, das alles muÖ hier unerwÑhnt<br />

bleiben. Auch auf die Umsetzung in Praxismodelle kann im Rahmen dieses Beitrages<br />

nicht eingegangen werden (vgl. dazu E. SCHUCHARDT: Biographische Erfahrung<br />

und wissenschaftliche Theorie. Soziale Integration Band I und E. SCHU-<br />

CHARDT: Weiterbildung als Krisenverarbeitung. Soziale Integration Band II, Bad<br />

Heilbrunn, 6., erw. Aufl. i. V., 1992).<br />

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