Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
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Wenn aber die kárperlichen Anzeichen zunehmen, die Reaktionen der Umwelt un-<br />
Çbersehbar werden, die Anzahl der Ñrztlichen Diagnosen sich hÑuft, dann kann die 2.<br />
Spiralphase „Gewiáheit“ nicht ausbleiben, in der wir mit dem so vertrauten „Ja,<br />
aber ..., das kann doch gar nicht sein“ die Wirklichkeit abzuleugnen versuchen. Wir<br />
alle wissen, daÖ unser „Ja, aber ...“ dem „Nein“ gleichzusetzen ist; das aber umschreibt<br />
ganz genau unseren Zustand am Ende des EINGANGS-STADIUMS: Unser<br />
Verstand, unser Kopf wissen „Ja“, aber unsere Seele, unser Herz fÇhlen „Nein“, weil<br />
doch nicht sein kann, was nicht sein darf.<br />
Biographen beschreiben anschaulich, daÖ bereits hier fÇr manche der LernprozeÖ<br />
abbricht. Diese brauchten ein Leben lang alle ihre Kraft, um der fÇr sie so bedrohlichen<br />
Wahrheit auszuweichen, sie zu verleugnen, oft nur, weil sie in ihrem LernprozeÖ<br />
Krisenverarbeitung mutterseelenallein nur sich ausgeliefert waren: ihnen fehlte<br />
ein Mensch, der mit ihnen ging und im DURCHGANGS-STADIUM mit ihnen aushielt.<br />
Im Durchgangs-Stadium sickert die verstandesmÑÖig erfaÖte Kopf-Botschaft ganz<br />
allmÑhlich und tropfenweise zur gefÇhlsmÑÖigen Herz-Erfahrung durch. Das bedeutet,<br />
daÖ die fast bedrohlich angestauten GefÇhle oft vulkanartig und vállig ungesteuert<br />
in alle Richtungen ausbrechen. Es ist nur zu leicht vorstellbar, daÖ mancher Betroffene<br />
instinktiv aus Angst vor seinen ungesteuerten GefÇhlsausbrÇchen einen Abwehrpanzer<br />
gegen Auseinandersetzungen aufbaut und darin im LernprozeÖ Krisenverarbeitung<br />
stagniert. Es bricht aus dem Betroffenen heraus: „Warum gerade ich<br />
...?“.<br />
Ich erwÑhne auch die folgenden Spiralphasen der Aggression (3), Verhandlung (4)<br />
und Depression (5), im vollen BewuÖtsein dessen, daÖ im ProzeÖ des Sterbens, der<br />
TodesnÑhe nur selten noch sich solche Phasen abzeichnen.<br />
In der 3. Spiralphase der „Aggression“ richtet er sich gegen alles und nichts, eben<br />
alles, was sich ihm anbietet (Familie, Freunde, Kollegen, Umwelt), weil der eigentliche<br />
Gegenstand der Aggression, seine Behinderung/Krise, ja nicht an-greifbar ist. In<br />
der Analyse der Biographien fand ich neun typische Deutungsmuster der Aggression<br />
heraus, von denen hier nur eines genannt sein soll, das von zwei Dritteln der Biographen<br />
beschrieben wurde, nÑmlich die Aggression als Todeswunsch gegen das eigene<br />
behinderte Kind oder gegen sich selbst. Tragisch in der dritten Spiralphase ist der<br />
unauflásliche Teufelskreis der Aggression: Der Betroffene klagt an: „Warum gerade<br />
ich ...?“ und ist aggressiv, daraufhin klagt seine Umwelt zurÇck: „Warum verhÖltst Du<br />
Dich so zu uns, wir sind doch nicht schuld daran ...?“ und reagiert mit Gegenaggressionen.<br />
Das verstÑrkt beim Betroffenen seine sich selbst erfÇllte Prophezeiung: „Alles<br />
ist gegen mich!“, was erneut das Teufelsrad antreibt. Das Rad kann angehalten werden,<br />
wenn wir verstehen lernen, daÖ hier jedes persánliche Verletztsein einer MiÖdeutung<br />
der Situation entspringt. Nicht wenige fragen sich in dieser Phase nach dem<br />
Sinn ihres bisherigen Lebens. Bedrohlich beschwert sie die Frage „Habe ich Çberhaupt<br />
gelebt oder nur mehr oder weniger „funktioniert“ und das getan, von dem ich<br />
glaubte, das andere erwarteten, daÖ ich es tun sollte“.<br />
Parallel dazu oder auch darauf aufbauend wird in der 4. Spiralphase „Verhandlung“<br />
oft mit Érzten, Schicksal, Gott und der Welt verhandelt, etwa nach dem Motto:<br />
„Wenn ... , dann ... muÜ doch ...?“. Sind Kranke noch nicht in der TodesnÑhe, dann<br />
wird gereist durch das „Érzte-Welt-Warenhaus“ (Biographen berichten von durchschnittlich<br />
dreiundzwanzig Konsultationen) oder man versucht sich auf „Wunder-<br />
Such-Wegen“ (zwei Drittel der Biographen schildern Wallfahrten). Nicht selten erscheint<br />
es wie der letzte Versuch, bisher ungelebtes Leben nachtrÑglich einzukaufen.<br />
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