Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

24.12.2012 Aufrufe

pizbewegung habe und an das, was sich hier in Deutschland entwickelt oder sich noch entwickeln kánnte. Was wir in Deutschland brauchen, sind vollstÑndig arbeitsfÑhige, finanziell und personell gut ausgestattete Hospizmodelle. Wir brauchen mehr Modelle, die mit dem nátigen finanziellen Aufwand auch gefordert werden mÇssen. Das heiÖt aber nicht, daÖ wir irgendwelche abstrakten Perfektionen suchen mÇssen. Wir brauchen Modelle, die genau an das angepaÖt sind, was der jeweilige Ort braucht. Dazu ist Phantasie und KreativitÑt erforderlich, und wir mÇssen auch Çber das, was an bestehenden Modellen im Gesundheitswesen vorhanden ist, eventuell hinausgehen. Was ich mir fÇr die Deutsche Hospizbewegung auch wÇnsche ist, daÖ wir uns auf den Weg machen kánnen, einen Schritt weiter zu gehen und den Hospizgedanken, wie wir ihn aus dem englischsprachigen Bereich kennengelernt haben, weiterentwickeln und dabei eine Hospizlásung fÇr die Bereiche finden, fÇr die weltweit bisher keine befriedigenden Lásungen entwickelt worden sind. Ich denke da in erster Linie an die groÖe Gruppe stÑndig zunehmende Anzahl der chronisch-kranken alten Menschen, das heiÖt, die Menschen, die dahinsiechen und an gar keiner spezifischen Krankheit leiden, sondern in erster Linie an ihrem Alter dahinsiechen. Das ist nÑmlich eine sehr groÖe Zahl, vielleicht sogar inzwischen schon die Mehrheit. Sie sterben Çber eine lange Zeit, Çber einen nicht absehbaren Zeitraum, von dem wir eigentlich nur wissen, daÖ er irgendwann, in nicht all zu weiter Ferne, aber es kann Jahre gehen, mit dem Tod endet. Hier haben wir auch weltweit keine Hospizlásung. Es gibt einige Modelle, die es versuchen, auch gerade das Hospiz in Aachen, aber es gibt kein Modell, von dem wir sagen kánnen, es hat diese Schwierigkeit, die damit zusammenhÑngt, daÖ es eben einen Unterschied gibt, ob ich einen Menschen begleite, von dem ich weiÖ, in einem halben Jahr ist das auch fÇr mich bestehende Leiden zu einem Ende gekommen, oder ob ich sage, ich weiÖ Çberhaupt nicht, auf was ich mich hier einlasse, vielleicht begleite ich diesen Menschen noch in drei oder vier Jahren. Das macht einen groÖen Unterschied, auch fÇr die EmotionÑlitÑt der Helfenden, und hier mÇssen wir Çberlegen, was fÇr eine UnterstÇtzung wir fÇr alle Beteiligten anbieten kánnen. Ein zweiter Bereich, der zwar am anderen Ende des Spektrums liegt, ist die FÇrsorge im Sinne der Hospizlásung fÇr die relativ kleine, aber emotional bedeutsame Zahl der sterbenden Kinder und Jugendlichen. Auch hier gibt es weltweit nur wenige AnsÑtze und keineswegs Modelle, die sich ohne weiteres Çbertragen lieÖen. Das muÖ unser Ziel sein, Modelle zu schaffen, die eine Sogwirkung haben, denn, meine Damen und Herren, das Sterben wird auch Çber das Jahr 2000 hinaus Çberwiegend in Kliniken stattfinden. Das hat GrÇnde, die einfach in der Organisation des Krankenwesens in unserer Zeit liegen, die wir auch gar nicht Ñndern kánnen, vielleicht auch gar nicht ohne weiteres unbedacht Ñndern sollten. Was wir tun sollten, ist, daÖ wir Çberlegen und daran arbeiten, wie wir mehr von dem Hospizgedanken in die bestehenden Institutionen, vor allem in die KrankenhÑuser, in die Pflegeheime hinein transportieren kánnen. Einer der Wege dafÇr ist – das zeigt die Entwicklung in den Vereinigten Staaten – das Schaffen guter Modelle, die wirken einfach ansteckend. Und Ansteckung brauchen wir an dieser Stelle. Das andere ist die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung im Umgang mit dem Themenbereich von Sterben, Tod und Trauer. Wir brauchen gute Aus- und Weiterbildung als wesentliche MaÖnahme der QualitÑtssicherung in Hospizen. Diese geht nicht Çber Labortests, wie sie in klinischen Einrichtungen vielleicht Çblich sind, und Tests von der FunktionsfÑhigkeit bestimmter Apparaturen, sondern es geht um gute Ausbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Es ist gleichzeitig ein Weg, den Wissenstransfer von den Hospizen hin zu anderen bestehenden Institutionen zu schaffen und zu erleichtern. Wenn wir uns in Deutschland der Herausforderung der Hospizidee stellen wollen, dann bedeutet das in erster 36

Linie die Bereitschaft, sich neuen Zielen und neuen Ideen zu áffnen, und das ist nicht immer ganz leicht, weil diese Ideen ja unbequem sein kánnen. Das bedeutet, sich auf den Weg zu machen, dessen Ende wir nicht sicher absehen kánnen und der durchaus mit Risiken belastet ist. Wir brauchen den Mut wirklich zu leben, um es einfach und kurz zu sagen. Ich danke Ihnen! Diskussion nach dem Vortrag In der Diskussion wurde auf den „quasi-religiásen“ Anspruch der Hospizbewegung hingewiesen. Man bekomme den Eindruck, als ob es um eine Aufgabenteilung gehen wÇrde: die einen machen gesund, wir aber machen heil. Wenn dieser Eindruck auch als falsch zurÇckgewiesen wurde, so wurde doch darauf verwiesen, daÖ in schweren Gesundheitskrisen von den Betroffenen wie auch von Angehárigen immer wieder zusammen mit der Sinnfrage die religiáse Frage gestellt werde. Da die Medizin hier oft nur Pseudoantworten zu bieten habe, gehe es in diesem Bereich tatsÑchlich um eine „Entmachtung der Medizin“ (Student). Die gegenÇber Fragen des Sinns und der Seelsorge Çbergewichtige Rolle der Medizin zeige sich im Krankenhaus in der „Omegaposition“ des Seelsorgers, der selbst bei einfachen medizinischen Diensten in der Regel den Krankenraum zu verlassen habe. Als weiteres Problem wurde die mágliche Konkurrenz von Hospizinitiativen gegen- Çber bestehenden Einrichtungen wie Diakonie-/Sozialstationen genannt. Um ein Gegeneinander zu vermeiden sei hier Austausch nátig. Zudem gehe es in der Regel auch nicht um den Aufbau neuer, sondern eher um eine StÑrkung und ErgÑnzung bereits bestehender Dienste. Schon jetzt werde gerade im lÑndlichen Bereich auch viel ambulante Sterbebegleitung von den Sozialstationen, aber auch innerhalb von KrankenhÑusern geleistet. Nur beruhten diese Leistungen bisher allein auf einem Sonderengagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem seien solche Angebote nach dem Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes insgesamt schwieriger geworden. Hier sei es nátig, diese bisherigen Sonderleistungen in den Bereich der regulÑren Hilfen einzugliedern und gegebenenfalls auch um Beratungsangebote zu ergÑnzen. Die Einrichtung besonderer, stationÑrer Hospize sei vor allem ein Stadtproblem. In den anonymisierten GroÖstÑdten hÑtten die Schwerkranken oft niemanden mehr, der sich in ihrem Haushalt um sie kÇmmern kánnte. Dieser immer gráÖer werdenden Zahl von Menschen gelte es zu helfen. In den USA gelte als Regel, daÖ fÇr je 1.000.000 Einwohner 25 HospizplÑtze notwendig seien. Bei der Entscheidung Çber die Einrichtung eines stationÑren Hospizes stehe man aber auch in den StÑdten immer neu vor der Gratwanderung: ErgÑnzung und Ausbau bestehender Angebote oder Neuaufbau eines Hospizangebotes. Wenn die Entscheidung zugunsten eines Neuangebotes fallen sollte, mÇÖten diese Neueinrichtungen dann aber auch modellhaften Charakter als „Zugpferd“ fÇr eine ganze Region gewinnen kánnen. Angesichts der Entwicklung in einigen GroÖstÑdten, in denen die Rate der Singlehaushalte bereits 50% Çbersteige, wurde angefragt, ob das Ideal der Hospizbewegung, ein Zuhausesterben zu ermáglichen, nicht utopisch sei. Prof. Student rÑumte einen utopischen Charakter des Zieles, 80 % der Menschen ein Sterben zuhause zu ermáglichen, ein. Doch das Ziel, mehr Menschen als bisher ein Sterben zuhause zu ermáglichen, bleibe damit doch bestehen. Ein Weg dieses Ziel zu erreichen fÇhre Çber eine StÑrkung des GesprÑches Çber das Sterben in Gemeinden, Schulen, Familien und Altenkreisen. Es gehe darum Ge- /ba 37

Linie die Bereitschaft, sich neuen Zielen und neuen Ideen zu áffnen, und das ist nicht<br />

immer ganz leicht, weil diese Ideen ja unbequem sein kánnen. Das bedeutet, sich<br />

auf den Weg zu machen, dessen Ende wir nicht sicher absehen kánnen und der<br />

durchaus mit Risiken belastet ist. Wir brauchen den Mut wirklich zu leben, um es einfach<br />

und kurz zu sagen. Ich danke Ihnen!<br />

Diskussion nach dem Vortrag<br />

In der Diskussion wurde auf den „quasi-religiásen“ Anspruch der Hospizbewegung<br />

hingewiesen. Man bekomme den Eindruck, als ob es um eine Aufgabenteilung gehen<br />

wÇrde: die einen machen gesund, wir aber machen heil. Wenn dieser Eindruck<br />

auch als falsch zurÇckgewiesen wurde, so wurde doch darauf verwiesen, daÖ in<br />

schweren Gesundheitskrisen von den Betroffenen wie auch von Angehárigen immer<br />

wieder zusammen mit der Sinnfrage die religiáse Frage gestellt werde. Da die Medizin<br />

hier oft nur Pseudoantworten zu bieten habe, gehe es in diesem Bereich tatsÑchlich<br />

um eine „Entmachtung der Medizin“ (Student). Die gegenÇber Fragen des Sinns<br />

und der Seelsorge Çbergewichtige Rolle der Medizin zeige sich im Krankenhaus in<br />

der „Omegaposition“ des Seelsorgers, der selbst bei einfachen medizinischen Diensten<br />

in der Regel den Krankenraum zu verlassen habe.<br />

Als weiteres Problem wurde die mágliche Konkurrenz von Hospizinitiativen gegen-<br />

Çber bestehenden Einrichtungen wie Diakonie-/Sozialstationen genannt. Um ein Gegeneinander<br />

zu vermeiden sei hier Austausch nátig. Zudem gehe es in der Regel<br />

auch nicht um den Aufbau neuer, sondern eher um eine StÑrkung und ErgÑnzung<br />

bereits bestehender Dienste. Schon jetzt werde gerade im lÑndlichen Bereich auch<br />

viel ambulante Sterbebegleitung von den Sozialstationen, aber auch innerhalb von<br />

KrankenhÑusern geleistet. Nur beruhten diese Leistungen bisher allein auf einem<br />

Sonderengagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem seien solche Angebote<br />

nach dem Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes insgesamt schwieriger<br />

geworden. Hier sei es nátig, diese bisherigen Sonderleistungen in den Bereich der<br />

regulÑren Hilfen einzugliedern und gegebenenfalls auch um Beratungsangebote zu<br />

ergÑnzen.<br />

Die Einrichtung besonderer, stationÑrer Hospize sei vor allem ein Stadtproblem. In<br />

den anonymisierten GroÖstÑdten hÑtten die Schwerkranken oft niemanden mehr, der<br />

sich in ihrem Haushalt um sie kÇmmern kánnte. Dieser immer gráÖer werdenden<br />

Zahl von Menschen gelte es zu helfen. In den USA gelte als Regel, daÖ fÇr je<br />

1.000.000 Einwohner 25 HospizplÑtze notwendig seien. Bei der Entscheidung Çber<br />

die Einrichtung eines stationÑren Hospizes stehe man aber auch in den StÑdten immer<br />

neu vor der Gratwanderung: ErgÑnzung und Ausbau bestehender Angebote<br />

oder Neuaufbau eines Hospizangebotes. Wenn die Entscheidung zugunsten eines<br />

Neuangebotes fallen sollte, mÇÖten diese Neueinrichtungen dann aber auch modellhaften<br />

Charakter als „Zugpferd“ fÇr eine ganze Region gewinnen kánnen.<br />

Angesichts der Entwicklung in einigen GroÖstÑdten, in denen die Rate der Singlehaushalte<br />

bereits 50% Çbersteige, wurde angefragt, ob das Ideal der Hospizbewegung,<br />

ein Zuhausesterben zu ermáglichen, nicht utopisch sei. Prof. Student rÑumte<br />

einen utopischen Charakter des Zieles, 80 % der Menschen ein Sterben zuhause zu<br />

ermáglichen, ein. Doch das Ziel, mehr Menschen als bisher ein Sterben zuhause zu<br />

ermáglichen, bleibe damit doch bestehen.<br />

Ein Weg dieses Ziel zu erreichen fÇhre Çber eine StÑrkung des GesprÑches Çber das<br />

Sterben in Gemeinden, Schulen, Familien und Altenkreisen. Es gehe darum Ge-<br />

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