Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
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ihm dafÇr, ihn ein StÇck nÑher an sein Ziel, nÑmlich mehr Gesundheit heranzubringen.<br />
All dies mag Çberall dort seinen Stellenwert haben, wo es um Wiedergesundmachen<br />
geht, aber es verliert seinen Sinn dort, wo Heilung ausgeschlossen ist, wo der<br />
Mensch stirbt. An dieser Stelle ist die Reduktion auf die Krankheit nicht nur sinnlás,<br />
sondern sie lÑÖt auch die Helfenden hilflos, weil, wenn ich nichts mehr tun kann, was<br />
in Richtung meines Handlungszieles, also die Gesundheit geht und ich keine Handlungsalternativen<br />
habe, dann kann ich mich eigentlich nur noch zurÇckziehen von<br />
demjenigen, der sich den Heilungsmáglichkeiten entzieht. So ist auch zu beobachten,<br />
daÖ in der Klinik der sterbende Mensch, manchmal schon der Schwerkranke,<br />
von den dort TÑtigen weitgehend gemieden wird, das haben die Soziologen schon<br />
sehr sorgfÑltig untersucht, indem sie einfach Zeiten ausgezÑhlt haben, wie hÑufig die<br />
Besuche am Krankenbett sind bei einem Menschen bei dem noch Heilung in Aussicht<br />
steht, und bei einem bei dem dies nicht mehr máglich geworden ist. So etwas<br />
kann man also auch in dieser Form messen und objektivieren. Das ist nicht ein Ausdruck<br />
von Báswilligkeit, sondern es ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Die Schwester,<br />
der Pfleger, der Arzt und die Érztin kommen in eine hilfsose Situation, die sie zwingt,<br />
dem sterbenden Menschen gegenÇber auf Ressourcen des Verhaltens zurÇckzugreifen,<br />
die aus ihrem Laienstatus stammen. Das heiÖt, das was sie aus ihrem Alltag,<br />
aus ihrer persánlichen Erfahrung, vielleicht Erfahrung mit sterbenden Familienmitgliedern<br />
oder auch aus ihrer Unerfahrung in diesem Gebiet mitbringen, auf das sind<br />
sie in der Regel in der Klinik insbesondere angewiesen, und das ist etwas, was zusÑtzlich<br />
auch bei den Betroffenen, bei den Angehárigen ebenso wie bei den Schwerkranken<br />
und sterbenden Menschen Unsicherheit erzeugt, weil er spÇrt, hier tritt mir<br />
jemand gegenÇber, der plátzlich seine ProfessionalitÑt verloren hat. Das erklÑrt auch,<br />
warum Schwestern und Érzte und alle Pflegenden Ñngstlicher dem Tod und dem<br />
Sterben gegenÇberstehen als der Durchschnitt der Beválkerung. Auch das sind Untersuchungen,<br />
die nicht nur fÇr die Bundesrepublik gelten, sondern generell offensichtlich<br />
fÇr die westlichen Industriestaaten zu gelten scheinen. Die Folgen dieser<br />
Situation sind, daÖ der sterbende Mensch nicht nur sozial, sondern auch rÑumlich in<br />
der Klinik verdrÑngt wird, hÑufig mit dem Argument, daÖ man ihm mehr Ruhe verschaffen<br />
máchte, also einem sehr wohlmeinenden Anliegen eigentlich, was aber faktisch<br />
dazu fÇhrt, daÖ er stÑrker isoliert wird und seine Angst, die gerade ja in der Isolationsangst<br />
besteht, verstÑrkt ist. Die Klinik ist also ein Ort, an dem das Sterben au-<br />
Öerordentlich schwer ist, weil der sterbende Mensch sich dem typischen Handlungsziel<br />
der Klinik nicht mehr einzufÇgen vermag.<br />
Wir haben mit diesem BÇndel von Ursachen eine Spur gefunden, die miterklÑrt, weshalb<br />
das Sterben in unserer Zeit so verwildert ist, wobei es sicherlich nicht nur eine<br />
Ursache ist, die im medizinischen Bereich liegt. Aber das ist ein Bereich, den ich am<br />
besten Çbersehe, und vielleicht ist ja nachher in der Diskussion noch einiges dazu<br />
beizutragen. Folgen dieser Verwilderung, gerade auch der Angst vor einem Sterben,<br />
vor einer Situation, die Menschen nicht mehr so erleben máchten, sind eigentlich in<br />
allen westlichen Industriestaaten in Bewegung; in Amerika tragen sie auch den passenden<br />
Namen exit, das heiÖt, die Suche nach einem Notausgang aus dieser Situation,<br />
die hÑufig darin besteht, daÖ diese Menschen den Tod als das, was sie fÇrchten,<br />
und das Sterben als das, was ihnen Schreckliches begegnet, dadurch zu umgehen<br />
zu versuchen, daÖ sie sich selbst táten. Ein sozusagen logisch sehr seltsames<br />
Verhalten, den Tod zu vermeiden, indem ich ihn schneller herbeifÇhre, das aber aus<br />
dieser schwierigen Situation des Sterbens heraus sicherlich erklÑrlich ist.<br />
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