Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
AktivitÇten von Hospizgruppen am Beispiel Hannover (Herr Weiberg) (Die Darstellung von Herrn Weiberg, dem Beauftragten fÇr die Hospizbewegung im Evangelisch-lutherischen Stadtkirchenverband Hannover, entsprach in groÖen Teilen seinem Arbeitsbericht „Nach 100 Tagen“, dessen zentrale Teile hier wiedergegeben werden.) 1. Aufgabenbeschreibung: 22 Erster Bericht: „Nach 100 Tagen“ I. BESTANDSAUFNAHME Der Dienstauftrag lautet, im Umfeld des Themas „Hospiz“ eine Bestandsaufnahme aller Personen, Initiativgruppen, Selbsthilfegruppen, kirchlichen und kommunalen Institutionen und Gremien vorzunehmen. Ziel ist die Kontaktaufnahme, gegebenenfalls Vernetzung und gemeinsame Suche nach Máglichkeiten und Grenzen der Kooperation. Ziel ist es auch, eine fÇr den GroÖraum Hannover angemessene Form des Hospizes zu finden und an deren Realisierung zu arbeiten. 2. Zum Hospizbegriff: Der Begriff Hospiz, beziehungsweise was er beinhaltet, hat sich in der Diskussion der letzten zwanzig Jahre – zumal in Deutschland – stark verÑndert. Stand am Anfang noch fast ausschlieÖlich das Haus im Blickfeld fÇr die stationÑre Behandlung und damit die Begleitung von Patienten, die im Sinne kurativer Medizin „austherapiert“ sind und deren Erkrankung sich bereits in einem terminalen Zustand befindet (Terminalpatienten, Finalpatienten) – der Begriff „Sterbeklinik“ ist symptomatisch fÇr diesen Stand der Erárterungen –, haben sich die Akzente inzwischen deutlich verschoben. Wegweisend in dieser Entwicklung ist der hannoversche Professor Christoph Student mit seiner programmatisch benannten Arbeitsgruppe „Zuhause sterben“ an der Evangelischen Fachhochschule. „Hospiz“ ist nicht mehr lÑnger in erster Linie ein GebÑude, sondern eine Haltung, sich fÇr die BedÇrfnisse Schwerstkranker und vermutlich bald sterbender Menschen einzusetzen, ihre Angehárigen zu unterstÇtzen, ob sie nun aktiv an der Pflege beteiligt sind oder nicht, und sie auch spÑter in ihrer Trauer zu begleiten. „Dem Sterben ein Zuhause geben“ habe ich dies neulich in einem Interview der Evangelischen Zeitung genannt, und diese Formulierung gefÑllt mir auch heute noch. Handlungsleitende Idee aller in der Hospizbewegung TÑtigen ist es, sich an den WÇnschen der Patienten zu orientieren. (Hier sage ich bewuÖt nicht: „Sterbenden“; denn sie leben – wenn auch mit einer schlechten Prognose –, und die Gestaltung dieses Lebens ist Sinn und Ziel der Hospizbewegung.) Da circa 80 bis 90 v. H. der Patienten, die fÇr eine Hospizbetreuung in Frage kommen, den Wunsch ÑuÖern, zuhause, also in ihrer gewohnten Umgebung sterben zu dÇrfen – umgeben von geliebten Menschen, Tieren, GegenstÑnden –, muÖ es Ziel unserer BemÇhungen sein, das im gráÖtmáglichen Umfang zu ermáglichen. Realistischerweise werden wir aber auch festhalten mÇssen, daÖ immer ein kleiner Prozentsatz von Patienten/Menschen bleibt, denen dieser Wunsch nicht erfÇllt werden kann,
weil die hÑuslichen VerhÑltnisse es nicht zulassen und diese auch in der gebotenen Zeit nicht verÑndert werden kánnen oder weil die notwendigen palliativen MaÖnahmen teilweise nur in der Klinik beziehungsweise einem dafÇr eingerichteten Hospiz angeboten werden kánnen. Zusammenfassung: 1. „Hospizbewegung“ meint nach meiner Wahrnehmung einen weiteren Ausbau beziehungsweise eine bessere Vernetzung der verschiedenen ambulanten Dienste mit dem Ziel, immer mehr Menschen den Wunsch erfÇllen zu kánnen, zu Hause zu sterben. 2. Die Hospizbewegung arbeitet fÇr die Errichtung einer kleinen stationÑren Einheit von circa 10 Betten fÇr die Menschen, bei denen eine hÑusliche Begleitung und Pflege aus den erwÑhnten GrÇnden nicht in Frage kommt. Auch ein stationÑres Hospiz schlieÖt die Begleitung der Angehárigen und spÑter der Trauernden ein. 3. Weiterungen: Das verstÑrkte BemÇhen, dem Sterben „austherapierter“ Patienten – in der Regel nach lÑngerer Erkrankung an Tumoren oder AIDS etc. – ein Zuhause zu geben, darf die Orte nicht auÖer acht lassen, an denen schon jetzt Sterben immer wieder stattfindet und oft in einer Weise und Umgebung stattfindet, die fÇr alle Beteiligten – Érzte, Pflegende, Angehárige, und vermutlich auch Patienten – absolut unbefriedigend ist. Ein groÖer Teil Hospizbewegung engagierten Menschen ist gerade nach besonders deprimierenden Erfahrungen des Sterbens eines nahen Angehárigen in einem Krankenhaus oder Pflegeheim zur Hospizbewegung gestoÖen. Übrigens sind dort auch professionelle Helfer/Pflegende zu finden, die unter den Bedingungen massiv leiden und die oft in einer Weise arbeiten mÇssen, die ihrem eigenen Berufsethos zutiefst zuwiderlÑuft. Die Studie der FESt „Patientenorientierung als Aufgabe“ weist darauf eindrÇcklich hin. Zitat (von Seite 297): „Wenn Schwestern und Érzte Sterben und Tod nicht als Niederlage und persánlichen MiÖerfolg erleben sollen, dann muÖ im Konzept pflegerischer und Ñrztlicher Zuwendung Sterbebegleitung einen legitimen Platz bekommen.... Bisher jedenfalls kann kein Arzt damit Karriere machen, wenn er am Sterbebett sitzt.“ Damit ist eine Ursache benannt. Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang heiÖt „Pflegenotstand“. Auch wenn wir hier und da von sehr befriedigenden Erfahrungen mit Sterben im Krankenhaus háren, kánnen wir wohl noch auf lange Zeit nicht davon ausgehen, daÖ daraus auf den Allgemeinzustand der KrankenhÑuser geschlossen werden dÇrfte. Auch in den Alters- und Pflegeheimen sind die Pflegenden oft Çberfordert – physisch wie psychisch (!) –, wenn es um die Begleitung Sterbender geht, was nicht zuletzt am PersonalschlÇssel abzulesen ist. Zusammenfassung: Wenn wir also im Stadtkirchenverband Hannover unter dem Stichwort „Hospizbewegung“ Çber Angebote zur Begleitung Sterbender nachdenken, máchte ich mich nicht nur fÇr einen besonderen Ort einsetzen, an dem gleichsam ein „Sterben 1. Klasse“ ermáglicht wird, sondern gleichzeitig die Wohnungen, KrankenhÑuser, Alten- und Pflegeheime und die dort tÑtigen Menschen im Blick behalten, um auch dort wieder dem „Sterben ein Zuhause“ zu geben. In der zahlreichen Literatur zum Hospiz-Thema wird immer wieder beklagt, daÖ wir in unserem Kulturkreis das Sterben verlernt haben, daÖ wir verlernt haben, mit Tod und Sterben umzugehen. Wenn die Begleitung Sterbender aber eine Aufgabe der Gemeinde ist, nicht nur einiger weniger professioneller Helfer – wovon ich fest Çber- 23
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Evangelisch-lutherischen Stadtkirchenverband Hannover, entsprach in groÖen Teilen<br />
seinem Arbeitsbericht „Nach 100 Tagen“, dessen zentrale Teile hier wiedergegeben<br />
werden.)<br />
1. Aufgabenbeschreibung:<br />
22<br />
Erster Bericht: „Nach 100 Tagen“<br />
I. BESTANDSAUFNAHME<br />
Der Dienstauftrag lautet, im Umfeld des Themas <strong>„Hospiz“</strong> eine Bestandsaufnahme<br />
aller Personen, Initiativgruppen, Selbsthilfegruppen, kirchlichen und kommunalen<br />
Institutionen und Gremien vorzunehmen. Ziel ist die Kontaktaufnahme, gegebenenfalls<br />
Vernetzung und gemeinsame Suche nach Máglichkeiten und Grenzen der Kooperation.<br />
Ziel ist es auch, eine fÇr den GroÖraum Hannover angemessene Form des Hospizes<br />
zu finden und an deren Realisierung zu arbeiten.<br />
2. Zum Hospizbegriff:<br />
Der Begriff Hospiz, beziehungsweise was er beinhaltet, hat sich in der Diskussion<br />
der letzten zwanzig Jahre – zumal in Deutschland – stark verÑndert. Stand am Anfang<br />
noch fast ausschlieÖlich das Haus im Blickfeld fÇr die stationÑre Behandlung<br />
und damit die Begleitung von Patienten, die im Sinne kurativer Medizin „austherapiert“<br />
sind und deren Erkrankung sich bereits in einem terminalen Zustand befindet<br />
(Terminalpatienten, Finalpatienten) – der Begriff „Sterbeklinik“ ist symptomatisch fÇr<br />
diesen Stand der Erárterungen –, haben sich die Akzente inzwischen deutlich verschoben.<br />
Wegweisend in dieser Entwicklung ist der hannoversche Professor Christoph Student<br />
mit seiner programmatisch benannten Arbeitsgruppe „Zuhause sterben“ an der<br />
Evangelischen Fachhochschule.<br />
<strong>„Hospiz“</strong> ist nicht mehr lÑnger in erster Linie ein GebÑude, sondern eine Haltung, sich<br />
fÇr die BedÇrfnisse Schwerstkranker und vermutlich bald sterbender Menschen einzusetzen,<br />
ihre Angehárigen zu unterstÇtzen, ob sie nun aktiv an der Pflege beteiligt<br />
sind oder nicht, und sie auch spÑter in ihrer Trauer zu begleiten.<br />
„Dem Sterben ein Zuhause geben“ habe ich dies neulich in einem Interview der<br />
Evangelischen Zeitung genannt, und diese Formulierung gefÑllt mir auch heute noch.<br />
Handlungsleitende Idee aller in der Hospizbewegung TÑtigen ist es, sich an den<br />
WÇnschen der Patienten zu orientieren. (Hier sage ich bewuÖt nicht: „Sterbenden“;<br />
denn sie leben – wenn auch mit einer schlechten Prognose –, und die Gestaltung<br />
dieses Lebens ist Sinn und Ziel der Hospizbewegung.)<br />
Da circa 80 bis 90 v. H. der Patienten, die fÇr eine Hospizbetreuung in Frage kommen,<br />
den Wunsch ÑuÖern, zuhause, also in ihrer gewohnten Umgebung sterben zu<br />
dÇrfen – umgeben von geliebten Menschen, Tieren, GegenstÑnden –, muÖ es Ziel<br />
unserer BemÇhungen sein, das im gráÖtmáglichen Umfang zu ermáglichen. Realistischerweise<br />
werden wir aber auch festhalten mÇssen, daÖ immer ein kleiner Prozentsatz<br />
von Patienten/Menschen bleibt, denen dieser Wunsch nicht erfÇllt werden kann,