08.03.2022 Aufrufe

Gut Aiderbichl Magazin Herbst/Winter 2021: Leben lieben

Lesen Sie herzerwärmende Tierrettungsgeschichten und erfahren Sie allerlei Wissenswertes rund um Gut Aiderbichl.

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WENN DIE SEELE WEINT<br />

Je länger ein Tier in Angst leben muss,<br />

desto mehr Zeit benötigt es später,<br />

um diese Furcht und bestimmte<br />

Verhaltensmuster zu überwinden,<br />

weil sie zu einem körperlichen<br />

Automatismus geworden sind …<br />

60<br />

„Mche He sterben<br />

ihr Ast“<br />

Weit aufgerissene Augen. Jeder<br />

Muskel im Körper ist<br />

angespannt, bereit zur<br />

Flucht. Als die Kuh Lieni<br />

zum Schlachttransporter geführt wird und<br />

das verzweifelte Brüllen ihrer Artgenossen<br />

hört, ergreift sie Todesangst. In Panik, von<br />

einem unbändigen Überlebenswillen getrieben,<br />

reißt sie sich los und flieht.<br />

Als die Tierschützer von <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> von<br />

dem Vorfall erfahren, steht sofort fest: Lieni<br />

verdient eine zweite<br />

Chance. Kurzerhand<br />

wird das Rind dem<br />

Metzger abgekauft.<br />

Heute lebt Lieni auf <strong>Gut</strong><br />

<strong>Aiderbichl</strong> in Sicherheit.<br />

„Sie ist inzwischen<br />

mehr als neun Monate<br />

bei uns, und noch immer<br />

kämpft sie damit,<br />

Vertrauen zu fassen“, sagt Eva Zach. Die<br />

Chef-Tierpflegerin von <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong><br />

Henndorf hat schon mit vielen ängstlichen<br />

Tieren gearbeitet. „Die meisten Tiere, die zu<br />

uns kommen, bringen aus ihrem vorherigen<br />

<strong>Leben</strong> Ballast mit. Viele standen kurz<br />

vor dem Tod. Manche standen wie Lieni<br />

schon beim Schlachter. Ihre Angst war extrem.“<br />

Dass Tiere Emotionen wie Freude<br />

oder Angst empfinden, ist längst wissenschaftlich<br />

bewiesen. Es gibt resiliente Charaktere<br />

und andere, die an ihrem Schicksal<br />

zerbrechen. Josef Hellinger ist Hundesachverständiger<br />

und arbeitet seit Jahren mit<br />

Angsthunden. Er weiß, dass Angst ein Tier<br />

für sein <strong>Leben</strong> zeichnen kann. „Manche<br />

Hunde sterben an der Angst“, sagt er. Je<br />

mehr negative Erfahrungen ein Tier gesammelt<br />

hat, desto mehr Zeit braucht es<br />

oft, bis sein Trauma verblasst. Die Tierpfleger<br />

auf <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> bewerten jeden Fall<br />

individuell. Jeder Neuankömmling bekommt<br />

einen Betreuer. „Wir überlegen genau,<br />

wem wir wem zuteilen, damit die<br />

Tiere gerade am Anfang nicht zu viele verschiedene<br />

Menschen kennenlernen. Um<br />

Vertrauen zu knüpfen, arbeiten wir viel mit<br />

Futter, Ruhe und Geduld. Wir nähern uns<br />

nur sehr, sehr langsam. Jeder einzelne<br />

Schritt wird bedacht. Wenn wir den Eindruck<br />

haben, dass wir zu schnell waren –<br />

gehen wir wieder zurück“, erklärt die Chef-<br />

Tierpflegerin.<br />

Die Tierschützer von <strong>Aiderbichl</strong> wissen genau,<br />

welche Bedürfnisse Pferde, Schimpansen<br />

oder Hunde haben. Dieses Wissen<br />

ist notwendig für eine<br />

bestmögliche und artgemäße<br />

Fürsorge. „Zeit<br />

und Geduld sind bei<br />

der Rehabilitation eines<br />

Angst-Tieres am wichtigsten“,<br />

so Eva Zach.<br />

Die Tierpflegerin weiß<br />

aus Erfahrung, dass es<br />

manchmal Monate<br />

oder Jahre dauert, bis ihre Schützlinge beginnen,<br />

sich sicher zu fühlen. „Dabei spielen<br />

auch die Artgenossen eine große Rolle,<br />

denn die Tiere, die schon bei uns sind, vertrauen<br />

uns. Die Neuankömmlinge sehen<br />

das. Sie lernen so, dass sie uns vertrauen<br />

können.“<br />

Auch Kuh Lieni hat inzwischen ihren Platz<br />

in einer Herde auf <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> Henndorf<br />

gefunden. Sie wird vielleicht noch Zeit<br />

brauchen, bis auch sie Menschen wieder<br />

vertraut, doch Eva Zach ist zuversichtlich:<br />

„Diese Tiere haben oft viel durchgemacht<br />

und so große Angst verspürt, dass man sie<br />

fühlen konnte. Aber wenn man Geduld<br />

hat, kommt irgendwann der Punkt, an dem<br />

sie neugierig werden. Dann ist es schön zu<br />

beobachten, wie die Tiere langsam ihre<br />

Furcht ablegen, neue Freunde finden und<br />

wie ihre <strong>Leben</strong>senergie zurückkehrt.“<br />

GUT AIDERBICHL<br />

AKADEMIE<br />

Angsthunde im<br />

Alltag<br />

➤ Die <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> Akademie<br />

bietet eine Vielzahl von Seminaren<br />

in den Bereichen Tierhaltung,<br />

-pflege, -psychologie und -ethik<br />

an. Ziel ist es, für ein besseres<br />

Verständnis und Zusammenleben<br />

von Mensch und Tier zu sorgen.<br />

Der Hundetrainer und Sachverständige<br />

Josef Hellinger leitet an<br />

der Akademie ein Webinar, in dem<br />

es um Angst bei Hunden im Alltag<br />

geht. „Die Nachfrage ist vor allem<br />

wegen der vielen Hunde aus dem<br />

Auslandstierschutz so groß“, sagt<br />

Josef Hellinger. „Die Hunde haben<br />

nicht immer eine traumatische<br />

Vergangenheit. Aber sie haben in<br />

ihrem früheren <strong>Leben</strong> meist auf<br />

der Straße gelebt. Wenn sie zu uns<br />

kommen, kriegen sie einen regelrechten<br />

Kulturschock. Hier wird<br />

ihnen ein neues <strong>Leben</strong> übergestülpt,<br />

das macht ihnen Angst.“<br />

Damit möglichst vielen Menschen<br />

und auch Hunden geholfen werden<br />

kann, findet das zweiteilige Online-<br />

Seminar jeden Monat statt. In der<br />

interaktiven Veranstaltung werden<br />

Fragen geklärt wie: Was ist Angst,<br />

und wie entsteht sie? Wie erkenne<br />

ich Angst? Oder auch: Wie kann ich<br />

meinem ängstlichen Hund helfen<br />

und Sicherheit geben? Das Seminar<br />

richtet sich an Halter, die<br />

betroffen sind und einen Angsthund<br />

zu Hause haben, oder an<br />

Menschen, die mit Hunden arbeiten.<br />

Es wird erklärt, wie man auf<br />

einen ängstlichen Hund zugeht und<br />

wie man dessen Körpersprache<br />

richtig deutet. Jeden 4. (1. Teil)<br />

und 12. (2. Teil) des Monats.

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