Gut Aiderbichl Magazin Herbst/Winter 2021: Leben lieben
Lesen Sie herzerwärmende Tierrettungsgeschichten und erfahren Sie allerlei Wissenswertes rund um Gut Aiderbichl.
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Deggendorf<br />
Jerry lernt<br />
vertrauen<br />
Wie ein Lama aus der Einsamkeit herausfindet<br />
Was braucht ein Haustier, um<br />
gesund und zufrieden zu<br />
sein? Klar, gute Pflege, liebevolle<br />
Zuneigung, genügend<br />
abwechslungsreiches Futter, viel<br />
Freilauf und ein trockenes Plätzchen zum<br />
Schutz vor Wind und Wetter. Aber was häufig<br />
übersehen wird: Wenn die Besitzer<br />
selbst Hilfe brauchen, sind sie oft auch<br />
nicht mehr in der Lage, für ihr Tier da zu<br />
sein. Jerry weiß genau, wie das ist.<br />
Das Lama steht fast immer ganz allein in<br />
seinem Stall in der Eifel. Das Paar, dem Jerry<br />
gehört, ist krank und restlos überfordert<br />
mit der Pflege eines Tieres. Von wem soll<br />
Jerry erfahren, dass er eigentlich zu einer<br />
sehr sozialen, ruhigen Tierart gehört, für die<br />
es nichts Schöneres gibt, als gemeinschaftlich<br />
über die Wiesen zu trappeln oder einfach<br />
nur vertraut die Köpfe zusammenzustecken.<br />
Niemand hat ihn je kastriert,<br />
geschoren wird er ganz selten – das ist bei<br />
dem scheuen und ängstlichen Tier nur mit<br />
Vollnarkose möglich. Auch am Halfter lässt<br />
Jerry sich nicht führen.<br />
Dabei sollte Jerry lernen zu vertrauen. Er<br />
sollte wissen, was es heißt, wenn jemand<br />
für ihn da ist und nichts anderes als sein<br />
Wohlergehen im Sinn hat. Eine solche mitfühlende<br />
Seele lebt in der Nachbarschaft<br />
seines Stalls und beobachtet immer wieder,<br />
wie schlecht es doch um das Lama steht. Sie<br />
fragt sich sorgenvoll, ob diese Gegend<br />
überhaupt die richtige ist für ein Tier, das<br />
doch eigentlich aus den Anden stammt.<br />
Schließlich ist die Eifel sehr nass und kalt,<br />
und das Lama würde bestimmt viel lieber<br />
im Trockenen stehen.<br />
Nachdem sie von den Besitzern die Erlaubnis<br />
erhält, wendet sie sich hilfesuchend mit<br />
einem Brief an <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong>: Wäre es nicht<br />
vielleicht möglich, Jerry aufzunehmen? Ihn<br />
zu ka strieren und in eine Gruppe mit seinen<br />
Artgenossen einzugliedern? Die Schreiberin<br />
weiß, dass die Besitzer schon mehrfach<br />
versucht haben, das Tier abzugeben, aber<br />
niemand ist inter essiert. Vielleicht, weil Jerry<br />
keiner besonderen Rasse angehört und<br />
dazu auch noch ein Hengst ist.<br />
Aber Rasse, Herkunft oder Geschlecht spielen<br />
keine Rolle, wenn es darum geht, auf<br />
<strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> ein neues Zuhause zu finden.<br />
Und auch die kompliziertesten Zeitgenossen<br />
finden hier ein offenes Ohr, geduldigen,<br />
liebevollen Zuspruch und zärtliche<br />
Streicheleinheiten. Seit Juli hat Jerry sein<br />
Für-immer-Zuhause auf <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong><br />
Deg gendorf, erfährt hier, was es heißt, gewollt<br />
und willkommen zu sein. Und lässt<br />
sich, wie unser Foto beweist, von Tierpflegerin<br />
Jessica Zoppelt auch bereitwillig am<br />
Halfter führen. Doch sein allerbester Freund<br />
in Deggendorf ist Koch Hans Peter geworden,<br />
der stets ein Sträußchen Petersilie bereithält<br />
– das ist nämlich Jerrys Lieblingskraut.<br />
Das lange Zeit so misstrauische Lama<br />
hat endlich gelernt zu vertrauen: den Menschen<br />
wie auch dem <strong>Leben</strong>.<br />
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