FINE - Das Festivalmagazin
Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival
Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival
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Dazu sollte man ihn in der<br />
Flasche schon einige Tage vor<br />
dem geplanten Genuss aufrecht<br />
hinstellen, damit sich<br />
das Depot am Flaschenboden<br />
absetzen kann. Beim anschließenden<br />
Dekantieren ist es vor<br />
allem wichtig, die Flasche nur<br />
sehr vorsichtig zu bewegen,<br />
um den Bodensatz nicht wieder<br />
auf zu wirbeln. Klassisch<br />
hält man den Flaschen hals<br />
beim Umfüllen des Weins<br />
über eine Kerze – eine andere<br />
Lichtquelle tut es aber auch –<br />
und beobachtet so, wann sich<br />
die ersten Anzeichen des<br />
Depots im Flaschenhals zeigen. Da das Dekantieren in seiner<br />
ursprünglichen Form nichts mit Be atmen zu tun hat, sollte<br />
man dabei sehr umsichtig vorgehen und den Wein vorsichtig<br />
am Rand des Dekanters hinabfließen lassen. Beim Karafferen<br />
hingegen geht es um das gezielte Belüften des Weins, um ihn<br />
nach Wochen, Monaten oder Jahren in der Flasche mit viel<br />
Sauerstoff in Kontakt zu bringen. <strong>Das</strong> soll ihn dabei unterstützen,<br />
sich zu öffnen. Dazu wird der Wein mit Schwung in eine<br />
breite Karaffe geschüttet, die ein wenig an einen Eisstock erinnert<br />
und im unteren Drittel so breit ist, dass der Wein eine große<br />
Oberfläche für den Kontakt mit Sauerstoff hat.<br />
Die Meinungen über die Vor- und Nachteile dieses Verfahrens<br />
gehen weit auseinander. <strong>Das</strong>s Sauerstoff den Wein<br />
nach dem Öffnen, Dekantieren oder Karafferen beeinflusst,<br />
lässt sich aber nicht bestreiten:<br />
Sauerstoff verbindet sich<br />
mit den Tanninen, dem Alkohol,<br />
den Farbstoffen und den<br />
für die Aromen zuständigen<br />
Kohlenwasserstoffen. Tannine<br />
werden so im Idealfall<br />
weicher, Aromen komplexer<br />
und feiner. Ausschlaggebend<br />
für die Veränderung ist<br />
die Zeitspanne, die man dem<br />
Wein lässt, um den Sauerstoff<br />
zu verarbeiten. Die geruchsaktiven<br />
Aromastoffe im Wein<br />
reagieren unmittelbar mit<br />
dem Sauerstoff und zeigen<br />
daher auch eine relativ schnell<br />
wahrnehmbare Veränderung.<br />
Phenole hingegen benötigen<br />
länger Zeit, um den Sauerstoff<br />
Es ist von Bedeutung, wie sehr ein Wein<br />
während des Ausbaus und der Flaschenreife<br />
mit Sauerstoff in Kontakt kommt. Im<br />
Vergleich zu Kork verlängert ein Schraubverschluss<br />
– entgegen jeder romantischen<br />
Vorstellung – die Lebensdauer eines Weins.<br />
zu verarbeiten, und zeigen eine Transformation erst nach vielen<br />
Stunden oder auch Tagen. <strong>Das</strong>s ein Wein innerhalb weniger<br />
Stunden durch Luftkontakt eine geschmacklich wahrnehmbare<br />
Alterungsnote zeigt, ist eher unwahrscheinlich.<br />
In einer groß angelegten Verkostung haben wir zwölf verschiedene<br />
Weine unterschiedlich langem Sauerstoffontakt ausgesetzt<br />
und dann verkostet. Vier Weiß- und acht Rotweine aus<br />
unterschiedlichen Regionen und Jahrgängen wurden je 24 und<br />
12 Stunden vor der Verkostung doppelt karaffert, die dritte<br />
Flasche erst direkt vor der Probe geöffnet. Die Verkostung<br />
bestätigte vor allem den Einfluss des Karafferens auf den Wein –<br />
und zwar in unterschiedlicher Weise.<br />
Grundsätzlich profitierten alle mehr oder weniger stark vom<br />
Belüften. Zu den bemerkenswerten Beobachtungen gehörte<br />
die Entwicklung eines 2018er Chablis. Der deutliche Holzeinfluss<br />
blieb über die ganze Probe hinweg nahezu unberührt<br />
und bestätigte damit die wissenschaftliche Untersuchung, dass<br />
Tannine aus dem Holzfassausbau den Wein mehr vor Oxidation<br />
schützen als die flavonoiden. Ebenfalls auffällig war die Entwicklung<br />
eines 2013er Ornellaia. Direkt nach dem Öffnen<br />
zeigte der Wein eine deutlich überreife Note und war ohne<br />
jede Frucht und Aromatik eher uncharmant. Schon mit zwölf<br />
Stunden Luftkontakt waren die Alterungsnoten komplett verflogen<br />
– 24 Stunden nach dem Öffnen präsentierte sich der<br />
Wein mit großer Fülle, viel Frucht und wunderbar eleganter<br />
Struktur. Bei den Weißweinen vollzogen die beiden Rieslinge die<br />
positivste Entwicklung. Während der 2018er Kiedrich Gräfenberg<br />
vom Weingut Weil über die Zeit an Länge und Struktur<br />
zulegte, offenbarte der 2018er Bernkasteler Doctor der Weingüter<br />
Wegeler neben seiner süßlich geprägten Art zunehmend<br />
auch mineralische Komplexität.<br />
Bäder verkostet<br />
<strong>FINE</strong>TASTING|Kristine<br />
zwölf Weine nach<br />
2018 Kiedricher Gräfenberg GG Weingut Robert Weil, Rheingau<br />
NACH DEM ÖFFNEN<br />
Die Nase mit einer hellen Frucht von<br />
Pfirsich und grünem Apfel. Dazu deutliche<br />
Mineralität und eine Note von<br />
Schieferstein. Am Gaumen würzigpfeffrig,<br />
mit crisper Struktur. Betonte<br />
Säure und eine leichte, aber angenehme<br />
Bitternote im Abgang.<br />
NACH 12 STUNDEN<br />
Sehr fruchtige Nase, viel Exotik, am<br />
Gaumen füllig und mit viel Saft, immer<br />
noch betonte Säure und dabei sehr<br />
schlotzig. Die pfeffrig-würzige Art hat<br />
sich gehalten, der Abgang ist lang. Hoher<br />
Spaßfaktor.<br />
2018 Bernkasteler Doctor Riesling GG Weingüter Wegeler, Mosel<br />
NACH DEM ÖFFNEN<br />
Eine ganz klare Nase mit Aromen von<br />
reifem gelbem Steinobst wie Aprikose<br />
und Mirabelle, dazu eine mineralische<br />
Note. Am Gaumen mild und mit molligem,<br />
leicht süßlichem Körper, hat etwas von<br />
Honig und Karamell, auch Anflüge von<br />
Tabak. Ein warmer Wein mit guter Säurestruktur<br />
im Abgang.<br />
NACH 12 STUNDEN<br />
Die Nase mit einer deutlich pfeffrigen<br />
Note, dazu viel exotische Frucht.<br />
Am Gaumen mit viel Volumen und<br />
Mineralität; sehr saftig mit animierender,<br />
crisper Säure, dazu eine weiche Textur.<br />
Langer, fülliger Abgang.<br />
NACH 24 STUNDEN<br />
Aromen von süßer Zitrusfrucht, reifer<br />
Pink Grapefruit, aber auch etwas Tabak.<br />
Die Mineralität zeigt sich wieder deutlich.<br />
Am Gaumen mit Fülle und Eleganz.<br />
NACH 24 STUNDEN<br />
Entwickelt sich zunehmend zu einer<br />
salzig-mineralischen Art, verliert am<br />
Gaumen aber nicht sein Volumen und<br />
bleibt saftig und füllig. Die leichte Süße<br />
schlägt nun voll durch, zeigt Länge, Saft,<br />
Opulenz und wird von der crispen Säure<br />
getragen.<br />
2018 Montée De Tonnerre Chablis 1er Cru Domaine Louis Michel & Fils, Burgund<br />
NACH DEM ÖFFNEN<br />
Sofort als Chardonnay aus Burgund<br />
erkennbar. Wirkt reif mit Noten von<br />
kaltem Rauch in der Nase, eher würzig<br />
und mit wenig Frucht. Am Gaumen mit<br />
milder Säure, weicher Textur und einer<br />
deutlichen, geradlinigen Mineralität.<br />
Erdig im Abgang.<br />
NACH 12 STUNDEN<br />
<strong>Das</strong> Rauchige bleibt erhalten, es zeigt sich<br />
aber nun auch eine reife, gelbe Frucht,<br />
dazu kommen Aromen von hellem Tabak<br />
und Toffee. Am Gaumen mit viel Saft,<br />
mollig und sehr voluminös. Weiche<br />
Textur und die milde Säure werden durch<br />
die crispe Mineralität aufgefangen. Im<br />
Abgang erdig.<br />
2018 Vorberg Weißburgunder Cantina Terlan, Südtirol<br />
NACH DEM ÖFFNEN<br />
Duftet eher nach Muskateller als nach<br />
Weißburgunder: sehr ausdrucksstark mit<br />
floralen Noten von Rose. Am Mund sehr<br />
würzig und pfeffrig mit einem spürbaren,<br />
aber dezenten Holzeinfluss.<br />
NACH 12 STUNDEN<br />
Der Eindruck der Bukettsorte bleibt,<br />
der Wein wird aber komplexer: Aromen<br />
von Cassis, florale Noten. Am Gaumen<br />
salzig-jodig mit einer crispen Säure. <strong>Das</strong><br />
Ganze wirkt sehr geradlinig und ein wenig<br />
reduziert, der fast kalkig wirkende Abgang<br />
verleiht ihm eine zurückhaltende Eleganz.<br />
2018 Spätburgunder Centgrafenberg GG Weingut Rudolf Fürst, Franken<br />
NACH DEM ÖFFNEN<br />
Duftet sehr intensiv floral nach Veilchen,<br />
am Gaumen dominiert der Holzeindruck,<br />
die Tannine sind reif, aber jung, dazu<br />
kommt ein wenig Tabak. Alles in allem<br />
karg, reduziert und viel zu jung. Bleibt<br />
an der Oberfläche.<br />
NACH 12 STUNDEN<br />
Noch immer viel florale Aromatik, wirkt<br />
aber etwas offener mit einem kalkigmineralischen<br />
Charakter am Gaumen,<br />
salziger Frische und einer duftigen Art.<br />
Dazu etwas Grafit und eine sehr elegante<br />
Tanninstruktur.<br />
2017 Nuits-St-Georges Domaine Faiveley, Burgund<br />
NACH DEM ÖFFNEN<br />
Gibt sich verhalten und verschlossen,<br />
dezente Frucht von (Sauer-)Kirsche.<br />
Wirkt am Gaumen kalkig, der Holzeinfluss<br />
ist deutlich spürbar, dazu eine gute<br />
Säurestruktur.<br />
NACH 12 STUNDEN<br />
Eine weiche, mollige Nase, dazu auch<br />
etwas grünliche Aromatik, der Gaumen<br />
mit weicher Textur, immer noch Holz.<br />
Grünlicher Abgang, der noch etwas<br />
unharmonisch wirkt.<br />
ihrem Belüften<br />
NACH 24 STUNDEN<br />
Im Ausdruck geprägt von Holz, rauchigen<br />
Noten und Toffee und noch einer Spur<br />
der gelbfleischigen Frucht. Am Gaumen<br />
weiche Textur und milde Säure, weiterhin<br />
ausbalanciert mit der feinen Säurestruktur.<br />
Langer Abgang.<br />
NACH 24 STUNDEN<br />
Nun dominieren wieder florale Noten<br />
von Rose, Flieder und Veilchen, das geht<br />
fast schon ins Seifige. Am Gaumen wirkt<br />
der Wein mit seiner pfeffrigen Würze fast<br />
schon »laut«, eine reife Zitronenaromatik<br />
verleiht ihm etwas Frische.<br />
NACH 24 STUNDEN<br />
Die Frucht bleibt weiter im Hintergrund,<br />
dafür zeigt sich das Holz wieder deutlich.<br />
Am Gaumen rauchig, etwas ruppig, die<br />
Veilchenaromatik dominiert den langen<br />
Abgang.<br />
NACH 24 STUNDEN<br />
Die Nase zeigt sich jetzt mit viel Küchenkräutern<br />
wie Petersilie und Majoran, dazu<br />
kommt eine dezente Frucht. Am Gaumen<br />
eine anregende grünlich-fruchtige<br />
Mischung mit weicher Textur und guter<br />
Säurestruktur.<br />
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