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Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival
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Foto: Alex Habermehl<br />
Weine aus dem Bernkasteler<br />
Doctor können<br />
vielleicht nicht heilen,<br />
aber das körperliche und<br />
seelische Wohlbefinden<br />
seiner Getreuen verbessern<br />
sie allemal.<br />
BERNKASTELER DOCTOR<br />
Der Bernkasteler Doctor ist ein Monument unter den deutschen Weinbergen. Wohl kein<br />
zweiter hat in der Geschichte des deutschen Weins mehr für das weltweite Ansehen von<br />
Riesling und der Mosel als Anbaugebiet getan als diese schon vom Namen her faszinierende<br />
Lage. »Nomen est Omen«, und der Doctor deutet allein mit seinem Titel schon darauf<br />
hin, dass der von dort stammende Wein der Förderung des körperlichen und geistigen<br />
Wohlbefindens dient.<br />
Wie er zu seinem Namen kam, darüber gibt<br />
es mehr als eine Sage. Am bekanntesten<br />
ist wohl die Geschichte vom Kurfürsten<br />
und Erzbischof Bohemund II von Trier, der angeblich<br />
durch den Genuss eines oder mehrerer Becher<br />
Bernkasteler Weins von einem langen und schweren<br />
Gebrechen geheilt wurde. Der Erzbischof soll<br />
daraufhin verfügt haben, dass der Weinberg, aus<br />
dem der Wundertrank stammte, von da an den<br />
Namen »Doctor« tragen sollte. Berechtigte Zweifel<br />
an der Wahrheit dieser Legende sind jedoch allein<br />
schon deswegen angebracht, weil Bohemund im<br />
14. Jahrhundert lebte, die Bezeichnung »Doctor«<br />
für die ursprünglich als »Weißenstein« bekannte<br />
Lage aber erst 1677, also 300 Jahre später, erstmals<br />
auftaucht.<br />
Historisch belegt ist, dass die Bernkasteler<br />
Lage, die später einmal als Doctor bekannt werden<br />
sollte, im 16. Jahrhundert zum Weinbergsbesitz des<br />
rheinisch moselländischen Adelsgeschlechts Cratz<br />
von Scharfenstein gehörte, bevor sie um die Zeit<br />
des Dreißigjährigen Krieges in das Eigentum des<br />
Reichsritters und Kurfürsten Philipp Christoph<br />
von Soetern überging. 1656 wurde der Weinberg<br />
dann durch kaiserlichen Beschluss den Erben des<br />
Geistlichen Rats Dr. Heinrich von Linden als Entschädigung<br />
für dessen zuvor erfolgte mehrjährige<br />
Einkerkerung durch von Soetern zugesprochen.<br />
1663 veräußerte die Familie Linden ihren Weinbergsbesitz<br />
an den Trierer Grafen Carl Caspar von<br />
der Leyen, in den Akten bezüglich dieses Verkaufs<br />
findet sich 1677 erstmals die Bezeichnung Doctor<br />
für eine bestimmte Anzahl von Parzellen, die zu der<br />
Gesamtlage »in der badstub« gehörten. Weniger<br />
kurzweilig als die Bohemund Legende, aber wahrscheinlicher<br />
ist daher auch die Vermutung, dass das<br />
Umtaufen des besagten Weinbergs auf Doctor im<br />
Gedenken an Dr. Linden von dessen Erben vorgenommen<br />
wurde.<br />
Nach einer Erhebung 50 Jahre später umfasste<br />
der Doctor geschätzte 6000 Rebstöcke, wobei sich<br />
neben Riesling auch noch rote Trauben im Anbau<br />
befanden. <strong>Das</strong>s der daraus hergestellte Wein schon<br />
besondere Wertschätzung genoss, lässt sich daraus<br />
ersehen, dass es zu dem Weinberg einen verschließbaren<br />
Eingang gab. Da man aber aus der bestehenden<br />
Anlage nicht mehr als ein Fuder Wein gewinnen<br />
konnte, wurde die Rebfläche des Doctors in den<br />
folgenden Jahren von den Grafen von der Leyen<br />
mit großem finanziellen Aufwand durch Zukäufe<br />
angrenzender Parzellen und den Abbruch des<br />
Weißensteins, eines massiven Schieferfelsens im<br />
oberen Bereich, verdoppelt.<br />
Krieg den Palästen<br />
Nach der Besetzung der Region durch die<br />
französische Revolutionsarmee Ende des 18. Jahrhunderts<br />
wurde jeglicher Adelsbesitz – und somit<br />
auch der Doctor – erst konfisziert und anschließend<br />
versteigert. So gelangte er in den Besitz des Bürgermeisters<br />
von Bernkastel, Anton Cetto. Der verstarb<br />
1823, nach dem Tod seiner Frau 1855 wurden im<br />
Flurbuch seine Söhne Nicolaus Carolus und Otto<br />
Franciscus mit jeweils 5982 und 4000 Quadratmeter<br />
als Eigentümer eingetragen, womit die Gesamtfläche<br />
des Doctors zu diesem Zeitpunkt 9982 Quadratmeter<br />
betrug. Bevor Otto 1863 starb, hatte er in<br />
seinem Testament seiner Frau Angela für ihre Lebzeiten<br />
zwar das Nutzungsrecht an seinem Anteil<br />
vermacht, das Eigentum daran jedoch auf seinen<br />
Bruder übertragen, sodass dieser zum Alleinbesitzer<br />
des Doctors wurde. Ottos Witwe Angela wiederum<br />
heiratete 1871 den Bernkasteler Bürgermeister<br />
Peter Wilhelm Kunz, der von da an im Rahmen<br />
des seiner Frau zugesprochenen Nutzungsrechts<br />
den ehemaligen Doctoranteil ihres ersten Gatten<br />
bewirtschaftete. <strong>Das</strong> Eigentum am Doctor hingegen<br />
ging nach dem Tod von Nicolaus Cetto zunächst<br />
auf seine Schwägerin Franziska Griebler über und<br />
nach deren Ableben 1873 auf deren drei Söhne.<br />
Diese wiederum veräußerten am 5. Juni 1882 die<br />
vormals Nicolaus Carolus Cetto gehörende Rebfläche<br />
an Dr. Hugo Thanisch, einen Angehörigen<br />
der schon seit 1636 in Bernkastel bekannten Winzerfamilie,<br />
deren ursprünglicher Name Taners Anfang<br />
des 18. Jahrhunderts in Thanisch umgewandelt<br />
worden war. Schien der Kaufpreis von 17,24 Mark<br />
pro Quadratmeter für damalige Verhältnisse schon<br />
außergewöhnlich hoch, so sollten die Gebrüder<br />
Griebler Jahre später ein noch wesentlich besseres<br />
Geschäft machen, als sie die verbliebenen 4 Ar, den<br />
früheren Anteil von Franciscus Otto Cetto, an den<br />
Ehegatten seiner Witwe Angela, Peter Wilhelm<br />
Kunz, verkauften. Dieser bezahlte für die von ihm<br />
schon über viele Jahre hinweg bewirtschaftete<br />
Fläche 60 Mark pro Stock.<br />
Diese Preise ließen sich nur erzielen, weil die<br />
Rieslingweine aus dem Bernkasteler Doctor zu jener<br />
Zeit bereits Kult waren – und somit nicht nur vorteilhaft<br />
für das Renommee der Besitzer, sondern auch<br />
eine gewinnbringende Geldanlage. Mit der ersten<br />
Bestellung aus dem britischen Königshaus 1892 stieg<br />
die Nachfrage im Ausland rasant an, besonders beim<br />
englischen Adel. Edward VII, der Sohn von Queen<br />
Victoria und später selbst König, war als bekennender<br />
Liebhaber und regelmäßiger Genießer von Weinen<br />
aus dem Doctor bekannt. Auch in den USA, wo<br />
man sich zu jener Zeit den Weingeschmack des Vereinigten<br />
Königreichs zum Vorbild nahm, bildete<br />
sich eine regelrechte Liebhabergemeinde um den<br />
Doctor. Internationale Spitzenhotels wie das Savoy<br />
in London und das Ritz in Paris führten die Bern-<br />
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