02.03.2022 Aufrufe

FINE - Das Festivalmagazin

Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival

Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Foto: Alex Habermehl<br />

Weine aus dem Bernkasteler<br />

Doctor können<br />

vielleicht nicht heilen,<br />

aber das körperliche und<br />

seelische Wohlbefinden<br />

seiner Getreuen verbessern<br />

sie allemal.<br />

BERNKASTELER DOCTOR<br />

Der Bernkasteler Doctor ist ein Monument unter den deutschen Weinbergen. Wohl kein<br />

zweiter hat in der Geschichte des deutschen Weins mehr für das weltweite Ansehen von<br />

Riesling und der Mosel als Anbaugebiet getan als diese schon vom Namen her faszinierende<br />

Lage. »Nomen est Omen«, und der Doctor deutet allein mit seinem Titel schon darauf<br />

hin, dass der von dort stammende Wein der Förderung des körperlichen und geistigen<br />

Wohlbefindens dient.<br />

Wie er zu seinem Namen kam, darüber gibt<br />

es mehr als eine Sage. Am bekanntesten<br />

ist wohl die Geschichte vom Kurfürsten<br />

und Erzbischof Bohemund II von Trier, der angeblich<br />

durch den Genuss eines oder mehrerer Becher<br />

Bernkasteler Weins von einem langen und schweren<br />

Gebrechen geheilt wurde. Der Erzbischof soll<br />

daraufhin verfügt haben, dass der Weinberg, aus<br />

dem der Wundertrank stammte, von da an den<br />

Namen »Doctor« tragen sollte. Berechtigte Zweifel<br />

an der Wahrheit dieser Legende sind jedoch allein<br />

schon deswegen angebracht, weil Bohemund im<br />

14. Jahrhundert lebte, die Bezeichnung »Doctor«<br />

für die ursprünglich als »Weißenstein« bekannte<br />

Lage aber erst 1677, also 300 Jahre später, erstmals<br />

auftaucht.<br />

Historisch belegt ist, dass die Bernkasteler<br />

Lage, die später einmal als Doctor bekannt werden<br />

sollte, im 16. Jahrhundert zum Weinbergsbesitz des<br />

rheinisch moselländischen Adelsgeschlechts Cratz<br />

von Scharfenstein gehörte, bevor sie um die Zeit<br />

des Dreißigjährigen Krieges in das Eigentum des<br />

Reichsritters und Kurfürsten Philipp Christoph<br />

von Soetern überging. 1656 wurde der Weinberg<br />

dann durch kaiserlichen Beschluss den Erben des<br />

Geistlichen Rats Dr. Heinrich von Linden als Entschädigung<br />

für dessen zuvor erfolgte mehrjährige<br />

Einkerkerung durch von Soetern zugesprochen.<br />

1663 veräußerte die Familie Linden ihren Weinbergsbesitz<br />

an den Trierer Grafen Carl Caspar von<br />

der Leyen, in den Akten bezüglich dieses Verkaufs<br />

findet sich 1677 erstmals die Bezeichnung Doctor<br />

für eine bestimmte Anzahl von Parzellen, die zu der<br />

Gesamtlage »in der badstub« gehörten. Weniger<br />

kurzweilig als die Bohemund Legende, aber wahrscheinlicher<br />

ist daher auch die Vermutung, dass das<br />

Umtaufen des besagten Weinbergs auf Doctor im<br />

Gedenken an Dr. Linden von dessen Erben vorgenommen<br />

wurde.<br />

Nach einer Erhebung 50 Jahre später umfasste<br />

der Doctor geschätzte 6000 Rebstöcke, wobei sich<br />

neben Riesling auch noch rote Trauben im Anbau<br />

befanden. <strong>Das</strong>s der daraus hergestellte Wein schon<br />

besondere Wertschätzung genoss, lässt sich daraus<br />

ersehen, dass es zu dem Weinberg einen verschließbaren<br />

Eingang gab. Da man aber aus der bestehenden<br />

Anlage nicht mehr als ein Fuder Wein gewinnen<br />

konnte, wurde die Rebfläche des Doctors in den<br />

folgenden Jahren von den Grafen von der Leyen<br />

mit großem finanziellen Aufwand durch Zukäufe<br />

angrenzender Parzellen und den Abbruch des<br />

Weißensteins, eines massiven Schieferfelsens im<br />

oberen Bereich, verdoppelt.<br />

Krieg den Palästen<br />

Nach der Besetzung der Region durch die<br />

französische Revolutionsarmee Ende des 18. Jahrhunderts<br />

wurde jeglicher Adelsbesitz – und somit<br />

auch der Doctor – erst konfisziert und anschließend<br />

versteigert. So gelangte er in den Besitz des Bürgermeisters<br />

von Bernkastel, Anton Cetto. Der verstarb<br />

1823, nach dem Tod seiner Frau 1855 wurden im<br />

Flurbuch seine Söhne Nicolaus Carolus und Otto<br />

Franciscus mit jeweils 5982 und 4000 Quadratmeter<br />

als Eigentümer eingetragen, womit die Gesamtfläche<br />

des Doctors zu diesem Zeitpunkt 9982 Quadratmeter<br />

betrug. Bevor Otto 1863 starb, hatte er in<br />

seinem Testament seiner Frau Angela für ihre Lebzeiten<br />

zwar das Nutzungsrecht an seinem Anteil<br />

vermacht, das Eigentum daran jedoch auf seinen<br />

Bruder übertragen, sodass dieser zum Alleinbesitzer<br />

des Doctors wurde. Ottos Witwe Angela wiederum<br />

heiratete 1871 den Bernkasteler Bürgermeister<br />

Peter Wilhelm Kunz, der von da an im Rahmen<br />

des seiner Frau zugesprochenen Nutzungsrechts<br />

den ehemaligen Doctoranteil ihres ersten Gatten<br />

bewirtschaftete. <strong>Das</strong> Eigentum am Doctor hingegen<br />

ging nach dem Tod von Nicolaus Cetto zunächst<br />

auf seine Schwägerin Franziska Griebler über und<br />

nach deren Ableben 1873 auf deren drei Söhne.<br />

Diese wiederum veräußerten am 5. Juni 1882 die<br />

vormals Nicolaus Carolus Cetto gehörende Rebfläche<br />

an Dr. Hugo Thanisch, einen Angehörigen<br />

der schon seit 1636 in Bernkastel bekannten Winzerfamilie,<br />

deren ursprünglicher Name Taners Anfang<br />

des 18. Jahrhunderts in Thanisch umgewandelt<br />

worden war. Schien der Kaufpreis von 17,24 Mark<br />

pro Quadratmeter für damalige Verhältnisse schon<br />

außergewöhnlich hoch, so sollten die Gebrüder<br />

Griebler Jahre später ein noch wesentlich besseres<br />

Geschäft machen, als sie die verbliebenen 4 Ar, den<br />

früheren Anteil von Franciscus Otto Cetto, an den<br />

Ehegatten seiner Witwe Angela, Peter Wilhelm<br />

Kunz, verkauften. Dieser bezahlte für die von ihm<br />

schon über viele Jahre hinweg bewirtschaftete<br />

Fläche 60 Mark pro Stock.<br />

Diese Preise ließen sich nur erzielen, weil die<br />

Rieslingweine aus dem Bernkasteler Doctor zu jener<br />

Zeit bereits Kult waren – und somit nicht nur vorteilhaft<br />

für das Renommee der Besitzer, sondern auch<br />

eine gewinnbringende Geldanlage. Mit der ersten<br />

Bestellung aus dem britischen Königshaus 1892 stieg<br />

die Nachfrage im Ausland rasant an, besonders beim<br />

englischen Adel. Edward VII, der Sohn von Queen<br />

Victoria und später selbst König, war als bekennender<br />

Liebhaber und regelmäßiger Genießer von Weinen<br />

aus dem Doctor bekannt. Auch in den USA, wo<br />

man sich zu jener Zeit den Weingeschmack des Vereinigten<br />

Königreichs zum Vorbild nahm, bildete<br />

sich eine regelrechte Liebhabergemeinde um den<br />

Doctor. Internationale Spitzenhotels wie das Savoy<br />

in London und das Ritz in Paris führten die Bern-<br />

42 <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN | DEUTSCHLANDS BESTE LAGEN DEUTSCHLANDS BESTE LAGEN | <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!