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Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival
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Der Scharzhofberg übt eine mystische<br />
Faszination auf eine Fangemeinde von Weinliebhabern<br />
aus. Die Art, wie sie dieser Lage<br />
huldigen, kommt einem religiösen Kult gleich.<br />
Foto: Arne Landwehr<br />
Angefangen hatte alles, wie könnte es anders<br />
sein, mit den alten Römern. Ausgrabungen<br />
haben ergeben, dass es in der Gegend der<br />
Gemeinde Wiltingen im 4. Jahrhundert mehrere<br />
römische Landgüter gegeben haben muss, und der<br />
nicht weit davon gemachte Fund eines Ringrebenmessers<br />
aus der gleichen Zeit lässt darauf schließen,<br />
dass man sich auch damals schon mit dem Anbau<br />
von Reben beschäftigte.<br />
Nach dem Abzug der Römer aus dem linksrheinischen<br />
Germanien begannen sich die verschiedenen<br />
religiösen Orden des Weinbaus anzunehmen.<br />
Möglicherweise gehörte der Scharzhof<br />
schon zur Grundausstattung des um 700 gegründeten<br />
Benediktinerklosters St. Marien ad martyres, nach<br />
einer anderen Theorie soll es sich um eine spätere<br />
Schenkung des Bistums Trier an das Kloster<br />
gehandelt haben. Die erste namentliche Erwähnung<br />
des eigentlichen Scharzhofbergers findet sich in<br />
einem Dokument aus dem Jahr 1314, in dem der<br />
Kanoniker Ulricus aus dem lothringischen Longyon<br />
dem Kloster vier Jurnalia Weinbergsland »in monte<br />
nuncupato schayrth« schenkte.<br />
Wie der Scharzhof die Wirrungen des Dreißigjährigen<br />
Krieges überstand, ist umstritten. In<br />
einer 1860 verfassten Abhandlung vermutete der<br />
Historiker Jakob Marx, dass mindestens ein Teil<br />
des Weinberggeländes der Verwüstung anheimfiel.<br />
Dagegen spricht, dass im Grundstein eines über dem<br />
Weinkeller errichteten Verwaltungsgebäudes die<br />
Jahreszahl 1709 eingemeißelt ist, was auf Weinbau<br />
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schließen<br />
lässt. <strong>Das</strong> Kloster St. Marien blieb bis 1795 Besitzer<br />
des Scharzhofbergs, wurde dann aber im Zuge der<br />
napoleonischen Säkularisierung enteignet, seine<br />
Ländereien von der französischen Verwaltung zum<br />
Staatseigentum erklärt. Am 29. Juli 1797 wurde das<br />
Gut in Luxemburg im Rahmen einer Versteigerung<br />
zum Kauf angeboten, und was sich mit Gewissheit<br />
sagen lässt, ist, dass es von dem Wiltinger Bürger<br />
und späteren Bürgermeister Jean Jacques Koch<br />
erworben wurde, der schon 1796 einen Pachtvertrag<br />
dafür abgeschlossen hatte. Aus welchen Quellen<br />
er den Kauf finanzierte, wurde zum Gegenstand eines<br />
jahrelangen Rechtsstreits, der damit endete, dass ihn<br />
die französische Gebietsverwaltung letztendlich als<br />
rechtmäßigen Eigentümer des Scharzhofs bestätigte.<br />
Es wird vermutet, dass der Scharzhofberg<br />
schon vor 1797 mit Rieslingreben bepflanzt war,<br />
denn mit einer minderwertigeren Sorte wie Elbling<br />
hätte Koch nicht die hohen Fuderpreise erzielen<br />
können, die es ihm ermöglichten, das Gut weiter<br />
SCHARZHOFBERG<br />
Der Scharzhofberg, auf Etiketten oft auch als Scharzhofberger bezeichnet, ist eine der aufzubauen und die Anbaufläche von 1796 bis zu<br />
seinem Ableben 1830 von 8 auf 16 Hektar zu verdoppeln.<br />
Die Leitung des Hauses hatte Koch schon<br />
berühmtesten Weißweinlagen der Welt. <strong>Das</strong> hat viel mit den astronomischen Preisen<br />
zu tun, die seine edelsüßen Rieslinge vom Wiltinger Weingut Egon Müller auf Weinversteigerungen<br />
über viele Jahrzehnte hinweg immer wieder erzielt haben. Aber bekannt übertragen. 1837 wurde der Scharzhof nach Jahren<br />
einige Jahre vor seinem Tod seinem Schwiegersohn<br />
Felix Müller, dem Mann seiner Tochter Elisabeth,<br />
gerichtlichen Tauziehens zwischen den fünf überlebenden<br />
Kindern Kochs aufgeteilt.<br />
war der Weinberg auch schon davor.<br />
Die Weine des Guts wurden zumeist auf den<br />
seit den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts regelmäßig<br />
in Trier stattfindenden Weinauktionen versteigert.<br />
Die damals noch Altscharzberger genannten<br />
Gewächse erfreuten sich höchster Wertschätzung.<br />
1834 wurden für ein Fuder (850 Liter) Scharzberger<br />
100 Friedrichsdor bezahlt, was auf heutige Verhältnisse<br />
umgelegt rund 29 000 Euro entspricht.<br />
Beginn einer Weltkarriere<br />
Mosel und Saar waren zwischen 1857 und 1862 mit<br />
hervorragenden Jahrgängen gesegnet, was dem<br />
Absatz ihrer Weine ungemein förderlich war. Bei den<br />
Weltausstellungen 1862 in London und 1867 in Paris<br />
wurden die vorgestellten Weine von Mosel und Saar<br />
mit hohen Ehren ausgezeichnet. Den wahren Grundstein<br />
für den Weltruhm des Scharzhofberger legte ab<br />
den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts Egon Müller<br />
I, der Sohn von Felix und Elisabeth Müller. 1892<br />
und 1893 waren schon sehr gute Jahre für ihn, aber<br />
1895 und 1897 übertrafen alles bisher Dagewesene.<br />
Der um die damalige Jahrhundertwende als<br />
unbestritten beste Weinbergslage der Saar geltende<br />
Scharzhofberg befand sich aber nur zu einem Fünftel<br />
im Besitz von Egon Müller. Weitere Eigentümer<br />
waren J. Koch und die Geschwister Appolinarius<br />
Koch aus Wiltingen sowie das Domkapitel Trier.<br />
Letzteres hatte Anfang der 1850er-Jahre die Anteile<br />
von Jean Jacques jüngster Tochter Clara wie auch die<br />
ihres verstorbenen Bruders Josef Koch erworben.<br />
Allerdings waren es die Scharzhofberger Egon<br />
Müllers I, die bei den Weltausstellungen von Paris<br />
1900, St. Louis 1904 und Brüssel 1911 jeweils erste<br />
Preise einheimsten. Für ein Fuder Scharzhofberger<br />
feinste Auslese 1895 wurden im Folgejahr 10 500<br />
Goldmark bezahlt, und der Scharzhofberger 1911,<br />
der sogenannte Kometenwein, brachte Müller<br />
1913 sogar 10 600 Goldmark ein. Auch das Rebland<br />
selbst wurde teuer gehandelt. Eine Parzelle<br />
von 3053 Quadratmeter (0,3 Hektar), die erst 1844,<br />
und dann wieder 1896 (zum Preis von 90 000 Goldmark)<br />
zum Verkauf kam, erfuhr binnen 52 Jahren<br />
eine sechzehnfache Wertsteigerung.<br />
Insgesamt war die Lage der Winzer Anfang des<br />
20. Jahrhunderts aber nicht rosig, und Egon Müller<br />
war der einzige renommierte Weingutsbesitzer an<br />
der Saar, der allein von den Erträgen seiner Weinberge<br />
leben konnte. Egon Müller II waren ab 1936<br />
nur fünf Jahre als Gutsleiter vergönnt, danach führte<br />
seine Witwe das Unternehmen weiter. Auch in diesen<br />
wirtschaftlich schwierigen Zeiten gab es hervorragende<br />
Jahrgänge, von denen 1921,1925, 1929,<br />
1934 und 1937 erwähnenswert sind. Egon Müller III<br />
wurde bei seinem Einstieg als Gutsleiter 1947 direkt<br />
von der Weinmuse geküsst, die ihm einen hervorragenden<br />
Jahrgang bescherte, der aber von dem als<br />
Jahrhundertwein apostrophierten 1949er noch einmal<br />
übertroffen wurde. Ein Fuder dessen feinster<br />
Auslese wurde 1951 für 10 150 D-Mark versteigert.<br />
Mit 1953 und 1959 folgten weitere Ausnahmejahrgänge.<br />
Eine 1959 Scharzhofberger Trockenbeerenauslese<br />
kam 1968 für unglaubliche 242 D-Mark pro<br />
Flasche unter den Hammer. Mit den Jahrgängen 1971<br />
und 1976 sollte Egon Müller III erneut ein großer<br />
Wurf gelingen. Seit 1991 wird das Gut von Egon<br />
Müller IV geführt, zu dessen Alleinbesitzer er 2001<br />
nach dem Tod seines Vaters aufstieg.<br />
Riesling auf Rekordjagd<br />
Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden.<br />
2015 erzielten 22 Flaschen Scharzhofberger Riesling<br />
Trockenbeerenauslese aus dem Jahrgang 2003<br />
einen Endpreis von 14 994 Euro pro Flasche, aber<br />
auch 240 Euro für eine Flasche »einfaches Kabinettchen«<br />
Riesling Alte Reben 2017 bei der Versteigerung<br />
2018 sind nicht zu verachten, wenn man bedenkt,<br />
dass 1200 Flaschen zu diesem Preis verkauft wurden.<br />
Durch das unselige Weingesetz von 1971<br />
wurde die 18 Hektar umfassende historische Lage<br />
des Scharzhofbergers auf 28,1 Hektar erweitert.<br />
Der größte Teilbesitzer ist heute Egon Müller IV<br />
mit 8,4 Hektar. Aber auch die Bischöflichen Weingüter<br />
Trier, Reichsgraf von Kesselstatt, von Hövel,<br />
van Volxem und die Vereinigten Hospitien sind mit<br />
mehreren Hektar vertreten. Während Egon Müller<br />
sich weiterhin auf die Erzeugung von Weinen mit<br />
Restsüße beschränkt, beweisen von Kesselstatt und<br />
von Hövel, besonders aber van Volxem mit ihren<br />
Großen Gewächsen, dass der Scharzhofberger<br />
auch im trockenen Bereich zur Crème de la Crème<br />
Deutschlands gehört.<br />
Der Scharzhofberger übt eine mystische<br />
Faszination auf eine Fangemeinde von Weinliebhabern<br />
aus, die man wegen ihrer Verehrung des Rieslings<br />
aus dieser Lage beinahe als religiösen Orden<br />
bezeichnen könnte. Auch einem erfahrenen Verkoster<br />
werden von edlen Gewächsen wie diesen<br />
immer wieder die Grenzen von Weinbeschreibungen<br />
aufgezeigt. Ihre Finesse und filigrane Struktur<br />
kommen durch das Zusammenwirken von Boden<br />
und Klima zustande. Sie setzen aber das Verständnis<br />
des Winzers voraus, der diese Vorgaben perfekt<br />
miteinander vereinen muss.<br />
Der Boden des Scharzhofbergs besteht aus<br />
devonischem Schieferverwitterungsmaterial<br />
mit hohem Eisenanteil, dazu kommen<br />
kleinere Anteile von Silt (Schluff ) und Lehm. Diese<br />
Beschaffenheit vereint gute Niederschlagsaufnahme<br />
mit hoher Wasserspeicherkapazität, was dem Weinberg<br />
besonders in trockenen Jahren zugutekommt.<br />
Die Lage ist hauptsächlich nach Süden ausgerichtet,<br />
einige Parzellen wölben sich nach Südsüdost und<br />
Südsüdwest. Im jährlichen Mittel fängt der bis zu 60<br />
Prozent steile und über 100 Meter hohe Hang 1600<br />
Sonnenstunden ein, deren Wärme tagsüber vom<br />
Schiefer gespeichert und nachts wieder abgegeben<br />
wird. Trotzdem ist der Scharzhofberg bedingt durch<br />
vom Hunsrück herüberwehende kalte Luftströme<br />
eine der kühlsten Spitzenlagen der Saar. Dabei<br />
gereicht ihm diese vermeintliche Widrigkeit nur<br />
zum Vorteil. Die einfallenden Winde bewirken eine<br />
schnelle Trocknung der Reben und Trauben nach<br />
Niederschlägen, und mit der von ihnen erzeugten<br />
Kühle sorgen sie für ein geruhsames Heranreifen der<br />
Frucht, was zu schnelle Zuckerbildung verhindert<br />
und damit die Entwicklung feiner und komplexer<br />
Aromen fördert.<br />
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