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FINE - Das Festivalmagazin

Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival

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JÜRGEN DOLLASE<br />

Taunus-Reh – Schwarzwurzel, Rosenkohl, Brombeere<br />

Was bei diesem Gericht wie eine Art neoklassische<br />

Kombination klingt, entpuppt sich im Detail wieder<br />

als die überzeugende Leistung eines sehr guten Kochs.<br />

Wie beim Heilbutt geht es nicht nur um die Produkte,<br />

sondern vor allem um deren präzise Positionierung<br />

in den Akkorden, also um die Proportionen, die sich<br />

ja immer aus der aromatischen und der texturellen<br />

Wirkung zusammensetzen. Die Basis aus einem vorzüglich<br />

schmeckenden Rehrücken wird durch ein<br />

abermals fein-rustikales Spiel erweitert, bei dem<br />

weder die Kohlnoten noch die Fruchtnoten zu stark<br />

in den Vordergrund rücken, sondern sich vor allem<br />

ein süffges, angereichertes Bild ergibt. Durch die<br />

ungewöhnlich gute Einbindung der Fruchtnoten<br />

wird dieses Bild auch durchaus individuell.<br />

WEIN 1 Ein 2001er Barbaresco, Giorgio<br />

Pelissero, Piemont. Serviertemperatur: 16 Grad. In<br />

der Nase zeigt sich schnell eine große Kirschnote,<br />

aber auch Komplexität und Tiefe. Am Gaumen<br />

schmeckt man zwar den reifen Nebbiolo mit dunklen<br />

Noten aller Art, aber zugleich nach wie vor eine<br />

gewisse jugendliche Kraft, die noch viele gute Jahre<br />

erwarten lässt. An der Luft entwickelt sich mehr<br />

Vielfalt, die in Richtung eleganter Zwischennoten<br />

geht. Mit dem Fleisch allein zeigt sich schon in<br />

der Nase eine sehr angenehme Ähnlichkeit zum<br />

Essen. Der Wein ist insgesamt ein echter Mitspieler,<br />

auch wenn er in der Intensität manchmal vielleicht<br />

einen Tick dominant wird. In allen Akkorden einschließlich<br />

einem Vollakkord kommt es zu engen<br />

Verzahnungen, bei denen allgemein ein wenig Luft<br />

nach dem Bissen (etwa Kontaktstelle plus zehn<br />

Sekunden) von Vorteil ist.<br />

WEIN 2 Ein 2015er Pinot Noir »Caroline«<br />

vom Schlossgut Diel, Nahe. Serviertemperatur:<br />

16 Grad. Dieser noch jugendlich wirkende Wein<br />

ist von der Charakteristik »Blut« geprägt, also einer<br />

Fruchtnote, die ein wenig in diese Richtung geht. Er<br />

wirkt nicht so tief wie der Barbaresco, entwickelt<br />

aber im Glas schnell deutlich kräftigere, zunächst<br />

sehr kulinarisch wirkende Noten. Auch der Pinot<br />

Noir schmeckt mit dem Fleisch zusammen sehr ähnlich,<br />

passt also sehr gut. Mit anderen Elementen<br />

greift die Frucht jeweils schnell, verliert sich dann<br />

aber mangels weiterer Substanz ebenso zügig. Auch<br />

eine deutliche Verlegung der Kontaktstelle um etwa<br />

20 Sekunden bringt die Aromen des Weins nicht<br />

komplett zurück.<br />

Die anfängliche Affnität des Pinot Noir zu dem<br />

Gericht kann dazu führen, dass man ihn im ersten<br />

Moment für sehr gut geeignet hält. Ein solcher Effekt<br />

kann sich immer wieder ergeben, und zwar sowohl<br />

bei der Auswahl der Weine als auch bei der späteren<br />

Einschätzung. Dieser Wein ist dennoch für dieses<br />

Essen letztlich keine gute Lösung. Der Barbaresco<br />

dagegen ist eine exzellente Wahl, bei der die ganze<br />

Komplexität inklusive der Reifenoten in eine klare<br />

kulinarische Funktion kommt und die Kraft gleichzeitig<br />

sicherstellt, dass er in der Handhabung durch<br />

den Gast immer seine Struktur und Funktion behält.<br />

Manjari-Schokolade –<br />

Rote Bete, Himbeere, Malz<br />

Desserts mit Roter Bete gehören zu jenen Crossover-Kombinationen,<br />

die in den letzten Jahren sehr<br />

viel an Selbstverständlichkeit gewonnen haben.<br />

Neben der Schokoladencreme steht hier quasi eine<br />

Variation von Roter Bete im Mittelpunkt, die eng an<br />

Variationen von Himbeere gekoppelt ist. Die Aromen<br />

verzahnen sich zu einem engen, aber immer in sich<br />

changierenden Spektrum, das von den unterschiedlichen<br />

Texturen und Temperaturen aufgelockert<br />

wird. <strong>Das</strong> Himbeer-Sorbet hat eine kräftige Frucht<br />

und Säure, es wirkt dadurch vor allem sehr frisch.<br />

WEIN 1 Ein 1995er Vintage Port, Guimaraens,<br />

Fonseca Cellars, Vila Nova de Gaia, Portugal. Serviertemperatur:<br />

16 Grad. Schon in der Nase zeigt er<br />

neben einer dezenten Reife noch viele frische<br />

Noten, was bei einem Vintage Port dieses Alters<br />

nicht ungewöhnlich ist. Am Gaumen entwickelt<br />

sich zügig ein komplexer Körper mit so etwas wie<br />

einem Hauch von Whiskyfass-Noten im Hintergrund.<br />

Die Affnität zu Schokoladenaromen ist wegen der<br />

Komplexität nicht so deutlich wie bei jüngeren Portweinen,<br />

etwa Ruby Ports. Mit dem frischen Himbeer-<br />

Sorbet entsteht wegen der Kälte zuerst einmal eine<br />

Wand von Kontrast, die sich in eine Art vorsichtige<br />

Annäherung an die Aromen verwandelt. Im Vollakkord<br />

dominiert zuerst ein alkoholischer Eindruck,<br />

ehe der Portwein mit etwas Distanz zum Essen eine<br />

gut harmonierende, aromatische Charakteristik zeigt.<br />

WEIN 2 Ein 1994er Assmannshäuser Höllenberg,<br />

Spätburgunder Weißherbst Trockenbeerenauslese<br />

vom Weingut August Kesseler, Rheingau. Serviertemperatur:<br />

12 Grad. Schon in der Nase zeigt sich<br />

eine erstaunliche Präsenz mit einer präzisen, aber<br />

noch längst nicht beendeten Reife. Am Gaumen wird<br />

klar, dass man sich von der Rebsorte weniger beeinflussen<br />

lassen sollte als vom Terroir und der Machart<br />

einer gut gereiften Rheingau-Trockenbeerenauslese.<br />

Wegen seiner Kraft und sozusagen eines<br />

eigenen Säurespiels wirkt der Wein immer üppig –<br />

auch im Zusammenhang mit dem Sorbet. In diversen<br />

Akkorden gibt er teilweise einen guten Rahmen, zeigt<br />

manchmal aber auch eine gewisse Dominanz, die<br />

jedoch immer als angenehm erlebt wird.<br />

Zwei hochinteressante Empfehlungen, die ein<br />

ganz unterschiedliches Spiel mit diesem kulinarisch<br />

so homogenen, aber komplexen Dessert zeigen.<br />

Der Akkord mit dem Vintage Port hat dabei eher<br />

mentalen Charakter, man genießt den Port als eine<br />

Art von distanziertem Begleiter. Die Trockenbeerenauslese<br />

ist da ganz anders, sie verträgt eine enge<br />

Begleitung und kann sich in den Akkord einmischen.<br />

Natürlich lässt sich auch ein solcher Wein als Dessertbegleiter<br />

ein Stück von der direkten Auseinandersetzung<br />

entfernen und als »vin de méditation« mit<br />

Distanz genießen. Gerade bei Desserts liegt eine<br />

solche Funktion immer sehr nahe.<br />

WEIN & SPEISEN<br />

FAZIT Die Kombination von Wein und Speisen<br />

findet im »Kronenschlösschen« eine exzellente<br />

Basis: Dank einer der besten Weinkarten Deutschlands<br />

können die Gäste nicht nur mit Weinen jeglicher<br />

Provenienz, sondern auch in ganz unterschiedlichen<br />

Reifegraden rechnen. Die Küche unter Roland<br />

Gorgosilich ist nicht nur gut, sondern hat den Weg<br />

zu einer hervorragenden Entwicklung eingeschlagen.<br />

Die Weine treffen so auf Differenzierungen und<br />

aromatische Schattierungen, die für eine adäquate<br />

Wirkung der Empfehlungen die Voraussetzung<br />

sind. Die Weinbegleitung dieses Menüs war ebenso<br />

spannend wie kurzweilig und in ihren unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln immer auch anspruchsvoll. Die<br />

Möglichkeiten des »Kronenschlösschens« zu nutzen,<br />

bedeutet hier immer auch, die Spezialisten machen<br />

zu lassen.<br />

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