02.03.2022 Aufrufe

FINE - Das Festivalmagazin

Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival

Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

JÜRGEN DOLLASE<br />

WEIN & SPEISEN<br />

Hummer – Butternut, Grünkohl, Kürbiskern<br />

Die seltene Kombination von Hummer und Grünkohl<br />

ist hier eher mild inszeniert. Es gibt die Hälfte<br />

eines in Gänsefett konfierten Hummerschwanzes,<br />

daneben einen Streifen von Kürbismousse mit<br />

diversen kleinen Elementen obendrauf und zwischen<br />

beiden eine Emulsion von Verjus, die ebenfalls einen<br />

sehr mild schmeckenden Anteil an Grünkohl enthält.<br />

Der Hummer zeigt eine dezent individuelle<br />

Aromatisierung, der im Prinzip ebenfalls milde<br />

Ergänzungen gegenüberstehen. Mit der krossen<br />

Textur der frittierten Grünkohlstücke muss man<br />

im Akkord allerdings etwas vorsichtig sein, weil<br />

sie schnell dominant wird. Es empfiehlt sich eher,<br />

Hummer und Begleitung im Wechsel zu essen, um<br />

alle Nuancen präzise auskosten zu können.<br />

WEIN 1 Ein 2019er Chenin Blanc, Luddite<br />

Wines, Bot River, Südafrika. Serviertemperatur: 10<br />

Grad bei einer Raumtemperatur von 23 Grad. Der von<br />

einem winzigen Gut stammende Chenin blanc wirkt<br />

in der Nase ausgesprochen seriös, mit begrenzten<br />

Spuren seiner acht Monate im Holz. Am Gaumen<br />

zeigt er eine klare Frucht und schmeckt sehr viel<br />

gemüsiger, als anhand der Nase zu erwarten wäre.<br />

Insgesamt ist dies ein wirklich als Chenin blanc entwickelter<br />

Wein und kein Versuch, in irgendwelche<br />

probaten Weißweinmuster zu verfallen. Mit dem<br />

Hummer und etwas Sauce ergibt sich schon in der<br />

Nase ein breiterer, angereicherter Akkord. Mit<br />

den anderen Aromen gibt es eine leichte Blockade<br />

durch die Süße der Kürbismousse. Ein Vollakkord<br />

mit einem großen Hummeranteil und einer um etwa<br />

zehn Sekunden verlegten Kontaktstelle schmeckt<br />

ebenfalls breiter, aber einen Tick weniger elegant<br />

als der Wein allein.<br />

WEIN 2 Ein 2016er As Sortes, Val do Bibei/<br />

Valdeorras von Rafael Palacios, A Rúa, Spanien.<br />

Serviertemperatur: 10 Grad. Dieses Weißwein-Flaggschiff<br />

aus dem Priorat duftet als reiner Rebsorten-<br />

Wein (Godello) deutlich individuell und kräftig. Am<br />

Gaumen verstärkt sich eine mittige Frucht, und das<br />

Holz tritt zurück. Der Wein zeigt im Glas eine weitere<br />

Zunahme der Fruchtnoten und schmeckt dann –<br />

bei aller Anmutung eines großen Weißweins – vor<br />

allem kräftig. Mit dem Hummer und etwas Sauce<br />

ist der Wein eindeutig der kräftigere Partner, der<br />

vom Essen angereichert wird. Die Süße der Kürbismousse<br />

ergibt aber auch bei ihm eine gewisse Verschlankung.<br />

Wenn man im Vollakkord den Mousse-<br />

Anteil reduziert und eine gute Balance zwischen<br />

Hummer und den begleitenden Aromen sucht,<br />

ergibt sich wieder ein gutes, aber nicht unbedingt<br />

spektakuläres Zusammenspiel.<br />

Die Begleitung durch diese beiden interessanten<br />

Weine bringt klar unterschiedliche Schwerpunkte.<br />

Eine Konstante ist allerdings die Reaktion beider<br />

Weine auf die Kürbismousse. Hier empfiehlt sich<br />

ganz einfach, die Masse an Mousse zu reduzieren,<br />

vielleicht auf etwa die halbe Höhe des Streifens. Die<br />

Koordination von Küche und Wein kann es in solchen<br />

Fällen dem Gast leichter machen, der ansonsten<br />

Gefahr läuft, sich einfach ein Stück von dem Aromenund<br />

Texturstreifen abzuschneiden und damit zu viel<br />

Süße für einen optimalen Akkord zu bekommen.<br />

Beide Empfehlungen sind also gut, könnten aber<br />

von etwas mehr Feinabstimmung noch profitieren.<br />

Heilbutt – Topinambur, Spitzkohl, Boudin Noir<br />

Mit dem Heilbutt und seiner sehr feinen Integration<br />

auch rustikaler Aromen wie der Blutwurst und eines<br />

Sauerkraut-Cannelono ist Gorgosilich ein großer<br />

Wurf gelungen. <strong>Das</strong> Filet ist angenehm fest gegart<br />

und hat ein exzellentes Aroma. Die Topinambur-<br />

Emulsion als Sauce schmeckt wie eine Beurre-blanc-<br />

Variante. Die Begleitung hat aromatisch und texturell<br />

eine große Bandbreite, glänzt aber vor allem durch<br />

hervorragend abgestimmte Proportionen, die nachhaltig<br />

beweisen, dass es eben zwischen allen möglichen<br />

Zutaten Schnittstellen gibt – wenn man die<br />

denn durch optimale Dosierung genau triff. Im<br />

Akkord mit den fein dosierten rustikalen Aromen<br />

(die Blutwurstscheiben sind hauchdünn) profitiert<br />

der Fisch von seiner guten Festigkeit. Er bleibt<br />

immer das Hauptprodukt.<br />

WEIN 1 Ein 2017er Macon-Chardonnay »Les<br />

Crays«, Bret Brothers, Vinzelles, Burgund. Serviertemperatur:<br />

11 Grad. In der Nase geht es erst einmal<br />

um eine klare Chardonnay-Fruchtigkeit, nicht<br />

um Holznoten. Der von 35 Jahre alten Stöcken<br />

stammende Wein ist spontan vergoren, entwickelt<br />

am Gaumen aber dennoch nur eine begrenzte Säure.<br />

Die Fruchtnoten zeigen sich anfangs eher als dezente<br />

Kopfnote, nehmen dann aber im Glas in wenigen<br />

Minuten deutlich zu. Mit der Sauce ergibt sich erst<br />

einmal eine sehr schöne Trockenreaktion, bei der<br />

die Frucht reduziert wird und die Noten aus der<br />

spontanen Gärung eine größere Rolle spielen. Mit<br />

dem Fisch und dann auch den rustikalen Elementen<br />

bleibt es in dem »Trockenbereich«, der sich als ein<br />

Mix aus den Noten von Frucht und Gärung ergibt.<br />

Der Wein verändert sich also mit dem Essen.<br />

WEIN 2 Ein 2011er Oestricher Doosberg Riesling<br />

trocken vom Weingut Peter Jakob Kühn, Rheingau.<br />

Serviertemperatur: 11 Grad. Er zeigt eine<br />

leichte Reifenote bei der Farbe und in der Nase,<br />

dort mit einer Art individueller Petroleum-Note.<br />

Am Gaumen beginnt es mit Fruchtigkeit, es folgt<br />

etwas Petroleum und dann eine elegante Süße.<br />

Der Wein wirkt dabei so stabil, dass man ihn wohl<br />

eher angereift als reif nennen muss. Mit der Sauce<br />

ergibt sich für einige Sekunden ein überraschendes<br />

Tabak-Aroma, das wohl im Zusammenhang mit dem<br />

Topinambur-Anteil entsteht. Mit Sauce, Fisch und<br />

den rustikalen Elementen gibt es eine gleichbleibend<br />

schöne Ergänzung, die nicht plakativ wirkt, sondern<br />

sich eher harmonisch in das Gesamtbild einfügt.<br />

Zwei gute Empfehlungen, mit denen man zu<br />

ganz unterschiedlichen Geschmackserlebnissen<br />

kommt, die sich aber jeweils in großer Präzision<br />

und Stabilität einstellen. Der Riesling passt dabei<br />

besser zu den rustikalen Elementen, also zum<br />

eher regionalen Anteil, der Chardonnay mehr zum<br />

französisch-internationalen Bild vom Fisch und der<br />

einer klassischen Beurre blanc ähnlichen Sauce. Die<br />

größere Flexibilität hat der Riesling, auch wenn<br />

der Chardonnay eine eigene, neue Note entwickelt.<br />

26 <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN | WEIN & SPEISEN WEIN & SPEISEN | <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!