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Mut und Liebe 422022 Wurzeln

"...In unseren Schuhen tragen wir unsere Heimat mit uns, unsere Wurzeln, auch unbewusst als spürbares Erbe." (Petra Maria Mühl aka Mia Pelenco). Erinnerung, Wurzeln und Heimat/Heimatlosigkeit sind Themen der Offenbacher Künstlerin Petra Maria Mühl. Das Foto ihrer Installation „kein ort. weiter weg“ auf unserem Titel zeigt Tanzschuhe der 1920er, mit Einlagen aus Landkarten von Böhmen und auf der umgebenden Folie die Handschrift ihrer Großmutter.

"...In unseren Schuhen tragen wir unsere Heimat mit uns, unsere Wurzeln, auch unbewusst als spürbares Erbe." (Petra Maria Mühl aka Mia Pelenco).
Erinnerung, Wurzeln und Heimat/Heimatlosigkeit sind Themen der Offenbacher Künstlerin Petra Maria Mühl. Das Foto ihrer Installation „kein ort.
weiter weg“ auf unserem Titel zeigt Tanzschuhe der 1920er, mit Einlagen aus
Landkarten von Böhmen und auf der umgebenden Folie die Handschrift
ihrer Großmutter.

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MUT&LIEBE / THEMA /<br />

nur um eine Art Neubesiedlung bzw. Einwanderung<br />

handelte, sondern um sich verändernde Herrschaftssysteme.<br />

Weg von Stammesstrukturen hin zu einem<br />

Staatsgebilde im weitesten Sinne unter Herrschaft<br />

des Römischen Imperiums mit „moderner“ Verwaltung<br />

<strong>und</strong> Einbringung von Kultur <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

(siehe „Asterix <strong>und</strong> die Trabantenstadt“). Die Siedlungen<br />

wachsen zu Dörfern <strong>und</strong> Städten an, aber die<br />

Bevölkerung bleibt weitestgehend homogen. Es ist<br />

für lange Zeit von einer Siedlungskontinuität auszugehen.<br />

Auch die Völkerwanderung darf man sich, aus<br />

neuerer Rezeption der Historie, nicht als umherziehende<br />

Menschenmengen vorstellen.<br />

Die Gruppen von Menschen, die seit Ende des 4. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

vermehrt die Grenzen des römischen Reiches<br />

überquerten, lassen sich nicht als einheitliche<br />

Ethnie beschreiben. Die Forschungen von Migrationssoziologen<br />

<strong>und</strong> Ethnologen belegen, dass mobile<br />

Menschengruppen wie die Alamannen, Vandalen, Goten<br />

oder Franken nicht unbedingt gemeinsame Vorfahren<br />

hatten oder eine lange gemeinsame Kulturtradition.<br />

Es waren eher kriegerische Überschreitungen<br />

des römischen Limes, die zu veränderten Machtstrukturen<br />

in den Eliten der Regionen führten.<br />

„So gehen die griffigen Völkernamen auf römische Autoren<br />

zurück. Es bildeten sich auf weströmischem Boden<br />

neue Reiche mit neuen Mächtigen – aber dennoch erwies<br />

sich die römische Kultur als der Kitt, der die Antike<br />

<strong>und</strong> das Mittelalter verbindet. Eine katholische Kirche,<br />

die die lateinische Sprache als Sprache der Liturgie<br />

wie aber auch der Bildung, der Überlieferung, weiter<br />

verwendet. Die Kirche ist die spätantike bürokratische<br />

Struktur, die kontinuierlich fortbesteht – der Papst residiert<br />

in Rom, die Übergangsphase – früher „Völkerwanderung“<br />

genannt – zog sich ca. vom 4. bis ins 6. Jh. hin.“<br />

(Römisches Reich <strong>und</strong> Mittelalter „Völkerwanderung“<br />

Deutschlandfunk von Matthias Hennies, 2020)<br />

Die Ansiedlung jüdischer Bevölkerungsgruppen in<br />

den Städten im 12. Jh. könnte als erste wirkliche Migration<br />

in der Geschichte gelesen werden, da das dem<br />

Charakter nach „hybride Kollektiv namens Judentum“<br />

als Minderheit in der städtischen Bevölkerung mit<br />

abweichenden eigenen kulturellen, religiösen, wirtschaftlichen<br />

Eigenschaften integriert wird.<br />

Hugenotten bereichern Offenbach<br />

Auch der Dreißigjährige Krieg, der zwar ein verwüstetes<br />

Europa hinterlässt, führt zu keiner nennenswerten<br />

Veränderung in der Bevölkerung. Erst als zu Beginn<br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts die ersten Hugenotten (evangelische<br />

Glaubensflüchtlinge aus Frankreich) kommen,<br />

ändert sich das Bild. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen<br />

erreicht um 1699 Offenbach. Die Herrschaft<br />

im Schloss, die selbst schon seit 1587 reformierten<br />

Glaubens ist, erklärt sich bereit, sie aufzunehmen. Besonders<br />

gut gelitten sind sie allerdings nicht <strong>und</strong> bekommen<br />

Land zur Urbarmachung im Isenburg Wald<br />

zugewiesen. Die nächste Welle der französischen<br />

Zuwanderer – es sind Handwerker, Wollfabrikanten,<br />

Strumpfweber, Seidenweber, Leinweber, Hutmacher,<br />

Posamentierer, Perückenmacher, Knopfmacher, Gerber,<br />

Gießer, Goldwirker, <strong>und</strong> Färber – wird in die<br />

Stadtgesellschaft integriert. Sie beschleunigen erheblich<br />

den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt.<br />

Deutlich wird das in der Entwicklung der Bevölkerungszahl.<br />

Hatte Offenbach um 1700 gerade einmal<br />

ca. 790 Einwohner so sind es 1715 schon 1.500 <strong>und</strong><br />

bis 1790 steigt die Zahl auf über 6.000.<br />

Französisch-Reformierte-<br />

Kirche vor 1874,<br />

© Gemeinfrei<br />

Stadtmodell, Häuser im<br />

Hugenottenstil mit<br />

Mansarddach,<br />

© J. Baumann<br />

MÄRZ / APRIL / MAI 2022<br />

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