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Mut und Liebe 422022 Wurzeln

"...In unseren Schuhen tragen wir unsere Heimat mit uns, unsere Wurzeln, auch unbewusst als spürbares Erbe." (Petra Maria Mühl aka Mia Pelenco). Erinnerung, Wurzeln und Heimat/Heimatlosigkeit sind Themen der Offenbacher Künstlerin Petra Maria Mühl. Das Foto ihrer Installation „kein ort. weiter weg“ auf unserem Titel zeigt Tanzschuhe der 1920er, mit Einlagen aus Landkarten von Böhmen und auf der umgebenden Folie die Handschrift ihrer Großmutter.

"...In unseren Schuhen tragen wir unsere Heimat mit uns, unsere Wurzeln, auch unbewusst als spürbares Erbe." (Petra Maria Mühl aka Mia Pelenco).
Erinnerung, Wurzeln und Heimat/Heimatlosigkeit sind Themen der Offenbacher Künstlerin Petra Maria Mühl. Das Foto ihrer Installation „kein ort.
weiter weg“ auf unserem Titel zeigt Tanzschuhe der 1920er, mit Einlagen aus
Landkarten von Böhmen und auf der umgebenden Folie die Handschrift
ihrer Großmutter.

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MUT&LIEBE / THEMA /<br />

karin nedela zog 1984 nach Offenbach.<br />

Studium an der Hochschule für Gestaltung /<br />

Ausgedehnte Reisen in vier Kontinenten /<br />

Photokünstlerin <strong>und</strong> Autorin / Übersetzerin von<br />

Texten aus dem Kunstbereich / Sprachvermittlerin<br />

in der Erwachsenenbildung / Langjähriges<br />

Mitglied <strong>und</strong> im Vorstand des BOK<br />

Karin 1962<br />

Die nächsten Jahren waren schön, ich hatte viele Fre<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> war eine jede Woche den Eid auf die Queen <strong>und</strong><br />

Fahne schwörende Australierin. Das stellte niemand<br />

in Frage. Umso größer der Schock, als es dann wieder<br />

zurück nach Deutschland ging.<br />

Also ich wäre in an deiner Stelle<br />

in Australien geblieben!<br />

– Und was hätte ich tun sollen, mit elf Jahren? In<br />

Sydney King’s Cross auf den Kinderstrich gehen?<br />

(Augenverdreh Emoji)<br />

<br />

Ich litt fürchterlich. Erst als ich aufs Gymnasium durfte,<br />

änderte sich das. Wieder schloss ich Fre<strong>und</strong>schaften<br />

<strong>und</strong> ging gern zur Schule. Ihr ahnt schon, was dann<br />

kam.<br />

Kinder sind doch so resilient.<br />

Die passen sich schnell an.<br />

– Klar, wenn einem der Boden unter den Füßen<br />

weggerissen wird, das steckt man leicht weg. Nicht.<br />

(Augenverdreh Emoji)<br />

Man wird stattdessen sehr<br />

vorsichtig, jemanden emotional richtig an sich heran<br />

zu lassen. Wenn man es doch tut, leidet man am<br />

Ende fürchterlich, das weiß man aus Erfahrung <strong>und</strong><br />

so ist es dann auch. Also hält man sich an Dinge, die<br />

nicht weggenommen werden können, Phantasien<br />

oder Literatur.<br />

Als ich vierzehn war, bekam mein Vater ein Arbeitsangebot<br />

nach Detroit. Mein erster Flug, für mich direkt<br />

in die Katastrophe. Ein Jahr hielt ich es aus <strong>und</strong> setzte<br />

dann meine Rückkehr nach Deutschland durch.<br />

Als Teenager ist man halt nicht mehr so pflegeleicht.<br />

Aber Amerika ist doch gar nicht so<br />

anders als Australien! – Denkste! In<br />

beiden Ländern spricht man eine Art Englisch, aber<br />

sonst… Geh’ mal ein Jahr auf eine amerikanische<br />

Highschool, dann reden wir wieder. (Augenverdreh<br />

Emoji)<br />

<br />

Warum warst du nicht auf Woodstock?<br />

– Mit vierzehn? – Also ich... (Doppeltes Augenverdreh<br />

Emoji)<br />

<br />

So kam ich zurück nach Braunschweig <strong>und</strong> schließlich<br />

landete ich in Offenbach.<br />

Australien war aber immer am Horizont. Mit 42 kam<br />

ich endlich nach einer langen Reise durch Asien in<br />

Sydney an.<br />

Du bist alleine gereist? Du bist<br />

so stark <strong>und</strong> selbständig <strong>und</strong> hast<br />

keine Angst vor anderen Kulturen!<br />

– Es blieb mir ja nichts anderes übrig, als so zu<br />

werden.<br />

Australien muss so spirituell sein!<br />

Die Aborigines! – Du hast zu viel esoterischen<br />

Quatsch gelesen. (Dreifaches Augenverdreh Emoji)<br />

<br />

Nach Australien gehörte ich aber nicht mehr, wie ich<br />

schnell erkannte. Meine Gefühle für dieses Land beruhten<br />

hauptsächlich auf Nostalgie. Ich kehrte also<br />

zurück, nicht nach Deutschland, sondern ganz bewusst<br />

nach Offenbach. Hier stehen viele Menschen zwischen<br />

mehreren Kulturen, hier sind meine Fre<strong>und</strong>e, meine<br />

Arbeit. Als deutsch empfinde ich mich nicht.<br />

Aber ich bin zu Hause.<br />

MÄRZ / APRIL / MAI 2022<br />

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