NK 03_2022-Schulenberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
WWW.NETWORK-KARRIERE.COM <strong>03</strong>.<strong>2022</strong><br />
4,75 €<br />
EUROPAS GRÖSSTE WIRTSCHAFTSZEITUNG FÜR DEN DIREKTVERTRIEB<br />
Initiative<br />
Nebentätigkeit 20 22<br />
ZKZ 66685<br />
CORONA-BILANZ:<br />
Es gibt immer eine<br />
Geschichte hinter<br />
der Geschichte<br />
Im Interview: Intensivpfleger Ricardo Lange<br />
Intensiv: Wenn der Ausnahmezustand Alltag ist<br />
Nik Gleim, Centropix Global AG:<br />
Ein Jahr später: CENTROPIX<br />
Health Management.<br />
Dr. Sven Göbel:<br />
Alles gut gemacht:<br />
30 Jahre erfolgreich im<br />
Network-Marketing.<br />
HAKA Vertrieb<br />
Doppelspitze:<br />
Matthias Niefer und<br />
Rafael Seixas bilden die<br />
neue Doppelspitze des<br />
HAKA Direktvertriebs.<br />
Markus Miller:<br />
Identitätsmissbrauch:<br />
Aktuelle Maschen<br />
der Krypto-Betrüger!<br />
www.seitz-mediengruppe.de<br />
NETWORK-<br />
KARRIERE<br />
VERBINDET
RECHT<br />
25<br />
SCHEINSELBSTSTÄNDIGKEIT IM<br />
DIREKTVERTRIEB UND NETWORK-<br />
MARKETING<br />
Die Einstellung von Mitarbeitern ist<br />
laut der Deutschen Rentenversicherung<br />
ein starkes Indiz für eine selbstständige<br />
Tätigkeit. Wird allerdings allein<br />
durch Einstellung von Mitarbeitern<br />
eine tatsächlich bestehende<br />
Scheinselbstständigkeit umgangen,<br />
ist regelmäßig keine selbstständige<br />
Tätigkeit anzunehmen.<br />
Vermeidung von Scheinselbstständigkeit<br />
durch Gründung einer<br />
Kapitalgesellschaft<br />
Durch Gründung einer Kapitalgesellschaft<br />
können Sie den Verdacht der<br />
Scheinselbstständigkeit regelmäßig<br />
vermeiden. Beliebt sind dabei die<br />
Rechtsformen der GmbH oder der<br />
UG. Auch die Gründung einer Kapitalgesellschaft<br />
bietet allerdings keinen<br />
hundertprozentigen Schutz vor<br />
Schein selbstständigkeit. Daher sollte<br />
man auch bei dem Betrieb eines Geschäfts<br />
möglichst darauf achten, für<br />
mindestens zwei Auftraggeber langfristig<br />
tätigzusein oder dass jedenfalls<br />
keine Wettbewerbsverbotsklausel<br />
im Vertriebsvertrag enthalten ist.<br />
Scheinselbstständige<br />
sind Personen, die im<br />
Rechtsverkehr als Selbstständige<br />
auftreten, tatsächlich aber zu den<br />
abhängig Beschäftigten gem. § 7<br />
Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV<br />
zählen. Laut einer Studie des Instituts<br />
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
(IAB) und des Bundesministeriums<br />
für Arbeit und Soziales<br />
gibt es ca. 235.000 Scheinselbstständige<br />
in Deutschland.<br />
Bereits im Jahr 2017 hat die<br />
Deutsche Rentenversicherung<br />
ihre Kriterien zur Feststellung<br />
ob ein Arbeitnehmerverhältnis oder<br />
Selbstständigkeit vorliegt verändert,<br />
sodass auch Scheinselbstständige<br />
als Arbeitnehmer gelten.<br />
Wird der sozialversicherungsrechtliche<br />
Status durch die Deutsche<br />
Rentenversicherung von „selbstständig“<br />
zu „abhängig“ geändert,<br />
hat dies weitreichende sozialrechtliche<br />
und ggf. auch steuerliche<br />
Konsequenzen für die Betroffenen<br />
und den Arbeitgeber bzw. Auftraggeber<br />
und kann sogar strafrechtliche<br />
Folgen nach sich ziehen.<br />
AdobeStock©chokniti<br />
Abgrenzung<br />
der Selbstständigkeit<br />
von der Scheinselbstständigkeit<br />
Ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt,<br />
ist in vielen Fällen nicht leicht<br />
festzustellen. Die selbstständige Tätigkeit<br />
zeichnet sich durch freie Gestaltung,<br />
eine selbstbestimmte Arbeitszeit<br />
und Verfügbarkeit über die<br />
eigene Arbeitskraft aus. Selbstständige<br />
tragen das unternehmerische Risiko<br />
und verfügen zudem über unternehmerische<br />
Entscheidungsfreiheit,<br />
wie z. B. im Hinblick auf Warenbezug,<br />
Einkaufs- und Verkaufspreise oder<br />
die Einstellung von Personal. Eine<br />
Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen<br />
Kranken-, Renten-, Pflege-<br />
und Arbeitslosenversicherung<br />
besteht für Selbstständige nicht.<br />
Scheinselbstständige werden dagegen<br />
zunächst laut Geschäftsbesorgungsvertrag<br />
als selbstständig eingestuft<br />
und beauftragt. Objektiv sind<br />
die Kriterien der Selbstständigkeit jedoch<br />
nicht erfüllt, sondern es liegen<br />
die Merkmale eines Arbeitnehmers<br />
vor. Dabei stützt sich die Rechtsprechung<br />
des Bundesarbeitsgerichts<br />
(BAG) auf die Merkmale der persönlichen<br />
Abhängigkeit, der Weisungsgebundenheit<br />
und der Eingliederung<br />
in die Betriebsorganisation. Unterliegt<br />
der formal Selbstständige zum Beispiel<br />
Weisungen des Auftraggebers<br />
hinsichtlich Zeit, Ort, Inhalt oder Organisation<br />
der Tätigkeit, so wird vom<br />
BAG eine Scheinselbstständigkeit angenommen.<br />
Auch die Tätigkeit für<br />
lediglich einen Auftraggeber oder die<br />
Nutzung von Arbeitsmitteln des Auftraggebers<br />
stellen Indizien für ein abhängiges<br />
Beschäftigungsverhältnis dar.<br />
In den Bereichen Franchise, Direktvertrieb,<br />
Network-Marketing und<br />
Multi-Level-Marketing ist Scheinselbstständigkeit<br />
selten der Fall. Hier<br />
wird die Tätigkeit auf eine Vielzahl<br />
von Auftraggebern gestützt. Die<br />
Merkmale der Selbstständigkeit wie<br />
die freie Gestaltung bezüglich Inhalt,<br />
Organisation, Ort und Zeit der Tätigkeit<br />
sind hier meist erfüllt.<br />
Wenn man hingegen nur für einen<br />
Auftraggeber tätig ist und selbst keine<br />
Angestellten hat, die mehr als 450 Euro<br />
im Monat verdienen, kann man dennoch<br />
als Selbstständiger eingestuft<br />
werden, ist aber verpflichtet, Beiträge<br />
zur gesetzlichen Rentenversicherung<br />
zu leisten. Dies trifft regelmäßig auf<br />
den Strukturvertriebler zu.<br />
So können Sie Scheinselbstständigkeit<br />
verhindern<br />
Die Annahme der Scheinselbstständigkeit<br />
stützt die Deutsche Rentenversicherung<br />
auf verschiedene Indi-<br />
AdobeStock©tierney<br />
zien. Um nicht unter den Verdacht<br />
der Scheinselbstständigkeit zu geraten,<br />
können Sie auf folgende Dinge<br />
achten:<br />
Als Selbstständiger sollten Sie für<br />
mindestens zwei Auftraggeber in jeweils<br />
relevantem Auftragsvolumen<br />
tätig sein. Arbeiten Sie in Ausnahmefällen<br />
nur für einen Auftraggeber,<br />
sollte der Vertrag nur von kurzer Dauer<br />
sein. Eine lange Vertragsdauer<br />
kann das Indiz einer Scheinselbstständigkeit<br />
bekräftigen.<br />
Die Nutzung eigener Arbeitsräume<br />
spricht für die Ausübung einer<br />
selbstständigen Tätigkeit. Das Arbeiten<br />
vor Ort beim Arbeitgeber sollte<br />
daher nur in begrenztem Umfang<br />
stattfinden, wie zum Beispiel zweimal<br />
wöchentlich.<br />
Eines der wichtigsten Indizien zur<br />
Annahme einer selbstständigen Tätigkeit<br />
ist, dass Sie nicht in die Betriebsorganisation<br />
des Auftraggebers<br />
eingegliedert sind. Anhaltspunkte<br />
sind unter anderem die Nutzung<br />
von eigenen Arbeitsmitteln,<br />
keine vom Auftraggeber festgelegten<br />
Arbeitszeiten, keine Pflicht zu<br />
einem regelmäßigen Reporting,<br />
keine Wahrnehmung von Weiterbildungsangeboten<br />
des Auftraggebers<br />
sowie keine Integration in die<br />
betriebliche Urlaubsplanung. Auch<br />
die Regeln des Vertriebsvertrages<br />
können hier helfen, wenn entsprechende<br />
Regelungen dort formuliert<br />
sind.<br />
Folgen der Scheinselbstständigkeit<br />
Bewertet die Deutsche Rentenversicherung<br />
im Rahmen ihrer turnusmäßigen<br />
Prüfung den sozialversicherungsrechtlichen<br />
Status abweichend<br />
von dem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber<br />
als abhängig, ist der Arbeitgeber<br />
verpflichtet, die üblichen Anteile zur<br />
Sozialversicherung abzuführen. Dies<br />
kann bis zu vier Jahre rückwirkend<br />
festgelegt werden.<br />
Sofern der Arbeitnehmer von seinem<br />
Arbeitgeber in die Scheinselbstständigkeit<br />
gedrängt wurde, kann er unter<br />
Umständen seinen Arbeitnehmerstatus<br />
einklagen. Das Arbeitsgericht<br />
prüft dann die Gesamtsituation und<br />
kann dem Scheinselbstständigen<br />
den Arbeitnehmerstatus zusprechen,<br />
sodass diesem Kündigungsschutz,<br />
Urlaubsansprüche und Lohnfortzahlungsansprüche<br />
im Krankheitsfall zustehen<br />
sowie die hälftige Zahlung der<br />
Sozialversicherungsbeiträge.<br />
Wie kann ich den sozialrechtlichen<br />
Status feststellen lassen?<br />
In einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren<br />
kann gem. § 7a Abs. 1<br />
Satz 1 SGB IV der sozialversicherungsrechtliche<br />
Status des Betroffenen<br />
durch die Deutsche Rentenversicherung<br />
überprüft werden. Sowohl<br />
der Auftraggeber als auch der Erwerbstätige<br />
können die Feststellung<br />
schriftlich oder elektronisch bei der<br />
Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung<br />
beantragen und damit<br />
zusätzliche Sicherheit über ihr<br />
Auftragsverhältnis erhalten.<br />
Quelle: SBS Legal Rechtsanwälte<br />
https://sbs-legal.de<br />
© Alle Rechte auf Inhalt. Konzept und Gestaltung: Seitz-Mediengruppe GmbH. Vervielfältigungen jeglicher Art (print & online)<br />
nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Seitz-Mediengruppe GmbH. Anfragen unter: verlag@network-karriere.com