PORNOGRAFIE UND IHR EINFLUSS AUF JUNGE FRAUEN

PORNOGRAFIE UND IHR EINFLUSS AUF JUNGE FRAUEN PORNOGRAFIE UND IHR EINFLUSS AUF JUNGE FRAUEN

21.09.2012 Aufrufe

Kerstin Pirker, Juni 2010 PORNOGRAFIE UND IHR EINFLUSS AUF JUNGE FRAUEN Pornografie ist eine Realität im Leben junger Frauen und Männer heute. Sie werden damit durch ihre Peergroup, mehr oder weniger zufällig beim Surfen im Internet oder durch Pop-ups auf ihrem Computer konfrontiert. Das Ziel sexualpädagogischer Intervention muss es in erster Linie sein, Mädchen zu unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse kennen zu lernen und diese ihren Partnern gegenüber ausdrücken zu können. Für die BRAVO Dr. Sommer-Studie 2009 wurden insgesamt 1228 Mädchen und Burschen im Alter von 11 bis 17 Jahren befragt. 57 Prozent aller befragten Mädchen und 67 Prozent der Burschen hatten bereits Kontakt mit pornografischen Bildern oder Filmen. Der Konsum nimmt ab 13 Jahren deutlich zu. 35 Prozent der 11- bis 12-Jährigen kannten Pornos, allerdings schon 74 Prozent der 13- bis 17-Jährigen. 38 Prozent der Jugendlichen surfen aktiv entsprechende Seiten im Internet an, 18 Prozent haben pornografische Bilder auf dem Handy gesehen. Die Hälfte der Jugendlichen konsumiert Pornografie mit FreundInnen, 33 Prozent allein. 1 Prozent der Mädchen und 8 Prozent der Burschen schauen regelmäßig pornografische Bilder oder Filme. 35 Prozent der Burschen geben zu, sie "hin und wieder" zu konsumieren. 1 Das Wiener Institut für Sexualpädagogik kam 2008 zu folgenden Ergebnissen: 72 Prozent der Mädchen und 91 Prozent der Burschen geben an, im Internet mit sexuellen Seiten in Kontakt gekommen zu sein. In der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen sind es 27 Prozent der Mädchen und 73 Prozent der Burschen. Es wurden 129 Mädchen und 133 Burschen befragt. 2 Was ist Pornografie? Auf Wikipedia findet sich folgende Definition: „Pornografie ist die direkte Darstellung menschlicher Sexualität oder des Sexualakts mit dem Ziel, den Betrachter sexuell zu erregen, wobei die Geschlechtsorgane in ihrer sexuellen Aktivität bewusst betont werden. Darstellungsformen der Pornografie sind hauptsächlich Texte, Tonträger, Bilder und Filme.“ 3 Im Gegensatz zur Erotik, die sowohl zwischenmenschliche Aspekte (Verführung, Sinnlichkeit) als auch Körperästhetik umfasst und oft von der Andeutung lebt, konzentriert sich die Pornografie auf die Darstellung der Geschlechtsteile und des Geschlechtsakts. 1 http://www.presseportal.de/pm/13440/1403570/bravo 2 Präsentation der Untersuchung auf dem Kongress Sexualmedizin Oktober 2008, Fotoprotokoll K.P. im Anhang 3 http://de.wikipedia.org/wiki/Pornografie 1

Kerstin Pirker, Juni 2010<br />

<strong>PORNOGRAFIE</strong> <strong>UND</strong> <strong>IHR</strong> <strong>EINFLUSS</strong> <strong>AUF</strong> <strong>JUNGE</strong> <strong>FRAUEN</strong><br />

Pornografie ist eine Realität im Leben junger Frauen und Männer heute. Sie werden<br />

damit durch ihre Peergroup, mehr oder weniger zufällig beim Surfen im Internet<br />

oder durch Pop-ups auf ihrem Computer konfrontiert. Das Ziel sexualpädagogischer<br />

Intervention muss es in erster Linie sein, Mädchen zu unterstützen, ihre eigenen<br />

Bedürfnisse kennen zu lernen und diese ihren Partnern gegenüber ausdrücken zu<br />

können.<br />

Für die BRAVO Dr. Sommer-Studie 2009 wurden insgesamt 1228 Mädchen und Burschen<br />

im Alter von 11 bis 17 Jahren befragt. 57 Prozent aller befragten Mädchen und 67 Prozent<br />

der Burschen hatten bereits Kontakt mit pornografischen Bildern oder Filmen. Der Konsum<br />

nimmt ab 13 Jahren deutlich zu. 35 Prozent der 11- bis 12-Jährigen kannten Pornos,<br />

allerdings schon 74 Prozent der 13- bis 17-Jährigen.<br />

38 Prozent der Jugendlichen surfen aktiv entsprechende Seiten im Internet an, 18 Prozent<br />

haben pornografische Bilder auf dem Handy gesehen. Die Hälfte der Jugendlichen<br />

konsumiert Pornografie mit FreundInnen, 33 Prozent allein. 1 Prozent der Mädchen und 8<br />

Prozent der Burschen schauen regelmäßig pornografische Bilder oder Filme. 35 Prozent<br />

der Burschen geben zu, sie "hin und wieder" zu konsumieren. 1<br />

Das Wiener Institut für Sexualpädagogik kam 2008 zu folgenden Ergebnissen: 72 Prozent<br />

der Mädchen und 91 Prozent der Burschen geben an, im Internet mit sexuellen Seiten in<br />

Kontakt gekommen zu sein. In der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen sind es 27<br />

Prozent der Mädchen und 73 Prozent der Burschen. Es wurden 129 Mädchen und 133<br />

Burschen befragt. 2<br />

Was ist Pornografie?<br />

Auf Wikipedia findet sich folgende Definition:<br />

„Pornografie ist die direkte Darstellung menschlicher Sexualität oder des Sexualakts mit<br />

dem Ziel, den Betrachter sexuell zu erregen, wobei die Geschlechtsorgane in ihrer<br />

sexuellen Aktivität bewusst betont werden. Darstellungsformen der Pornografie sind<br />

hauptsächlich Texte, Tonträger, Bilder und Filme.“ 3<br />

Im Gegensatz zur Erotik, die sowohl zwischenmenschliche Aspekte (Verführung,<br />

Sinnlichkeit) als auch Körperästhetik umfasst und oft von der Andeutung lebt, konzentriert<br />

sich die Pornografie auf die Darstellung der Geschlechtsteile und des Geschlechtsakts.<br />

1<br />

http://www.presseportal.de/pm/13440/1403570/bravo<br />

2<br />

Präsentation der Untersuchung auf dem Kongress Sexualmedizin Oktober 2008, Fotoprotokoll K.P. im<br />

Anhang<br />

3<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Pornografie<br />

1


Der deutsche Bundesgerichtshof definiert Pornografie folgendermaßen:<br />

„Als pornografisch ist eine Darstellung anzusehen, wenn sie unter Ausklammerung aller<br />

sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer<br />

Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend<br />

auf das lüsterne Interesse des Betrachters an sexuellen Dingen abzielt.“ 4<br />

Die deutsche Zeitschrift Emma eröffnet ihr Dossier über Pornografie mit der Erklärung:<br />

Pornografie sei die „Verknüpfung von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt.<br />

Es geht bei der Kritik an Pornografie nicht um Kritik an Nacktheit, Erotik oder Sexualität“. .5<br />

Stellungnahme des Grazer Frauengesundheitszentrums<br />

Im Regelfall richtet sich Pornografie an den männlichen Betrachter. Sie ist gekennzeichnet<br />

durch Darstellungen, die den sexuellen Kontakt auf männliche Bedürfnisbefriedigung<br />

reduzieren. Der vorgeführte heterosexuelle Sexualverkehr orientiert sich am Erleben des<br />

Mannes, an der Erektion des Penis, Fellatio, Penetration und Samenerguss. Sehr häufig<br />

werden „zum Vorspiel“ Frauen gezeigt, die Sex miteinander haben.<br />

Beobachten lässt sich durchgängig die Sexualisierung des weiblichen Körpers, während<br />

das körperliche, seelische und interaktive Erleben von Frauen vernachlässigt werden. Die<br />

Beziehungssituation der SexualpartnerInnen ist irrelevant. Wahrnehmungen von Frauen,<br />

ihre Erregung und Lust, die Stimulierung der Klitoris, ihr Orgasmus sowie die weibliche<br />

Ejakulation bleiben vage oder fehlen zur Gänze.<br />

Liebe und Beziehungen kommen in pornografischen Darstellungen nicht vor. Das ist dem<br />

Wert unter Jugendlichen, rein sexuelle Kontakte abzulehnen, völlig entgegengesetzt. Viele<br />

Studien zur Jugendsexualität zeigen, dass die meisten Jugendlichen ihre Sexualität in<br />

festen Beziehungen organisieren – wie erwachsene Männer und Frauen auch. Jedoch<br />

sind feste Beziehungen im Jugendalter oft kurz und aufeinander folgend. 6<br />

Pornografie unterscheidet nicht zwischen Schmerz und Lust und verherrlicht häufig<br />

Gewalt. Dies widerspricht den Menschenrechten und im Besonderen „verletzt es das<br />

Recht auf sexuelle Autonomie und auf Unverletzlichkeit und den Schutz des sexuellen<br />

Körpers“, wie es im Rahmen der Sexuellen Rechten 1999 von der World Association for<br />

Sexual Health formuliert wurde.<br />

Dieses Recht beinhaltet die Fähigkeit, im Zusammenhang mit einer persönlichen und<br />

sozialen Ethik autonome Entscheidungen über das eigene Sexualleben zu treffen. Es<br />

4 www.bka.de/profil/faq/fragen01.html<br />

5 www.emma.de/hefte/ausgaben-2007/septemberoktober-2007/dossier-por-no-5-2007/<br />

6 www.jugendsex-forschung.de/projektbeschreibung.php<br />

www.presse.uni-oldenburg.de/20027.html<br />

2


umfasst auch die Kontrolle und den Genuss des eigenen Körpers ohne Folter,<br />

Verstümmelung und Gewalt jedweder Art. 7<br />

Wie wirkt Pornografie auf Mädchen?<br />

In den sexualpädagogischen Workshops der letzten Jahre hat Kerstin Pirker als Referentin<br />

des Frauengesundheitszentrums tendenziell zwei Gruppen junger Frauen kennengelernt:<br />

Die eine Gruppe reagiert „cool“. Für sie gilt es als sexuell aufgeschlossen, locker über<br />

Pornografie zu reden und den - meist männlichen, weniger ihren eigenen - Pornokonsum<br />

als etwas Selbstverständliches zu betrachten. Die Konfrontation mit einer kritischen<br />

Bewertung von Pornografie bezeichnen sie als“ prüde“ und „altmodisch“. Sie betonen:<br />

„Pornos sind normal, alle sehen das ...“ Diese Mädchen hören nicht gerne, dass Pornos<br />

Gewalt verherrlichen, dass die dargestellte Sexualität den meisten Frauen keine Lust und<br />

Befriedigung bringt, sondern Schmerz.<br />

Die andere Gruppe junger Frauen lehnt Pornos als Ekel erregend ab. Sie mögen sowohl<br />

die gesehenen Darstellungen als auch die übergriffige Form nicht, in der sie damit<br />

konfrontiert werden: via SMS, meist von Burschen gesendet. Sie beklagen die<br />

herabwürdigende Darstellung von Frauen. Manche Mädchen äußern, dass sie sich von<br />

ihren Partnern zum Konsum von Pornos gedrängt fühlen.<br />

In letzter Zeit stellen junge Frauen in sexualpädagogischen Veranstaltungen vermehrt<br />

Fragen, die auf Pornokonsum hindeuten. Am Beispiel des Analverkehrs wird die<br />

pornografische Beeinflussung des Sexuallebens jugendlicher Mädchen (und Burschen)<br />

besonders deutlich. Fragten Mädchen vor einigen Jahren noch: „Wie geht Analsex?“,<br />

lautet die Frage jetzt häufig: „Was kann ich tun, damit der Analsex nicht so weh tut?“<br />

Thematisch geht es hier weniger um die sexuelle Praktik an sich als um den Umgang mit<br />

Grenzen und Grenzverletzungen.<br />

Auch das weibliche Schönheitsideal ist zunehmend durch Pornografie geprägt. Dies betrifft<br />

die gesamten Körper von jungen Frauen. Sie sollen dünn, fit und unbehaart sein und<br />

möglichst große Brüste haben. Das Ideal betrifft speziell ihren Intimbereich. Die meisten<br />

jungen Frauen entfernen nach Porno-Vorbild ihre genitale Behaarung zur Gänze. So<br />

werden die Labien deutlicher sichtbar. Mädchen in den Workshops äußern vermehrt<br />

Interesse an Genitalkorrekturen, weil sie ihre Schamlippen als zu groß empfinden. In<br />

pornografischen Darstellungen und Abbildungen herrscht das Ideal einer kindlichen,<br />

präpubertären Vulva vor: Diese muss rasiert werden und die inneren Labien dürfen<br />

keinesfalls hervortreten. 8<br />

Durch Pornokonsum beeinflusste Bilder erzeugen auch häufig falsche Erwartungen.<br />

7 www.rolf-gindorf.de/sexualrechte.htm<br />

8 Hilkens, Myrthe; Speelman, Cecile: McSex: Die Pornofizierung unserer Gesellschaft. Orlanda Verlag<br />

2010.<br />

3


Burschen meinen, mit einem aus den Pornos gelernten Verhalten Mädchen befriedigen zu<br />

können. Mädchen schätzen beim Sex aber manuelle und/oder orale Stimulation der<br />

Klitoris, die verlässlicher zum Orgasmus führt. Diese wird in Pornos weit seltener<br />

dargestellt als genitale oder anale Penetration. Oft bleibt die Klitoris in pornografischen<br />

Darstellungen völlig unbeachtet. Daher reagieren Mädchen und erwachsene Frauen mit<br />

Lustlosigkeit oder Orgasmusstörungen auf Verhalten von Männern, das aus Pornos<br />

stammt. Viele täuschen Orgasmen vor.<br />

Das Ziel sexualpädagogischer Intervention muss es in erster Linie sein, Mädchen zu<br />

unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse kennen zu lernen und diese ihren Partnern<br />

gegenüber ausdrücken zu können. Nein-Sagen ist dabei eine der Kernkompetenzen.<br />

Pädagogisches Handeln konkret<br />

Die weite Verbreitung von Pornografie fordert zum offenen Gespräch mit Mädchen (und<br />

Burschen) über Sexualität heraus. Pornografische Darstellungen müssen auf Basis der<br />

Menschenrechte und der Definition von Gewalt problematisiert werden.<br />

Sinnvoll ist es weiters, Inhalte und Darstellungen kritisch zu hinterfragen:<br />

� Männliche Sexualität – schneller, weiter, stärker; immer steif, immer penetrierend.<br />

� Weibliche Sexualität – keine eigenen Bedürfnisse erkennbar; immer bereit, sexy<br />

und geil.<br />

� Weibliche Lust und weiblicher Orgasmus bleiben diffus.<br />

Wesentlich geht es darum, die sexuellen Bedürfnisse der Mädchen herauszuarbeiten:<br />

� Welche sexuellen Erfahrungen (von Lust und Unlust) haben wir gemacht?<br />

� Was tut mir gut, welche Praktiken stimulieren mich?<br />

� Welche Bilder möchte ich sehen, um mich anzuregen?<br />

Die Mädchen sollen außerdem gestärkt werden, ihre Bedürfnisse und Wünsche erfolgreich<br />

mitzuteilen. Ungewünschte Forderungen und Praktiken des Partners oder der Partnerin<br />

abzulehnen, ist immer berechtigt.<br />

Angebote im Frauengesundheitszentrum<br />

Voraussetzungen für lustvolle Sexualität von jungen und älteren Frauen sind: eine Sprache<br />

für die sexuelle Kommunikation, Begriffe für die Sexualorgane, die Kenntnis über<br />

Sexualorgane, Sexualität und zwischenmenschliche Beziehungen, Kenntnis eigener<br />

sexueller Bedürfnisse und Vorlieben, Erfahrung in der Selbstbefriedigung, kompetente<br />

Verhütungspraxis, das Wahren persönlicher Grenzen, sexuelles Selbstvertrauen.<br />

Das Frauengesundheitszentrum bietet hierfür Empowerment, Beratung, Workshops,<br />

Methoden und Materialien.<br />

4


Im Frauengesundheitszentrum finden Sie kompetente Ansprechpartnerinnen für<br />

Jugendprojekte (auch zu Pornografie), Mädchengesundheitsförderung, die Workshops<br />

„Liebe, Sex und mehr“ sowie Weiterbildungen zu frauenspezifischer Sexualpädagogik.<br />

<strong>FRAUEN</strong>GES<strong>UND</strong>HEITSZENTRUM<br />

Joanneumring 3, 8010 Graz<br />

Tel: 0316/83 79 98<br />

E-Mail: frauen.gesundheit@fgz.co.at<br />

/www.fgz.co.at<br />

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