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Nr. 82 - Frühling 2022

Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust

Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust

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Ich begann, alles Mögliche darüber zu lesen, nachzuforschen,<br />

um mich schließlich mit Kreide, Kohle, Kalk und<br />

natürlichen Pigmenten zu befassen. All das war für mich<br />

neu, doch es fesselte mich sofort. Die Mischungen, die ich<br />

auf das Gras im elterlichen Garten auftrug, basierten auf<br />

richtiggehenden « Rezepten ». Bei den Versuchen ging ich<br />

in zwei auf zwei Meter großen Quadraten vor. Ich kann<br />

Ihnen versichern, dass meine Eltern mich manchmal für<br />

verrückt hielten. Doch sie merkten, dass ich entschlossen<br />

war, eine Lösung zu finden, und sie vertrauten mir. Mein<br />

Ziel war, dass diese « hausgemachte Farbe » – die mehr wie<br />

ein Crêpeteig als wie eine Farbe aussah – auf dem Gras<br />

haften bleibt, dass sie nicht beim ersten Morgentau oder<br />

bei den ersten Regentropfen verschwindet, sondern eine<br />

minimale Zeit den Einflüssen widersteht … Das war nicht<br />

leicht, ich brauchte ein ganzes Jahr, bis ich sie gefunden<br />

hatte. Doch das Ergebnis war die Mühe wert: Die Farbe<br />

entsprach den Anforderungen und war 100 % biologisch<br />

abbaubar. Für die Anfangsphase war sie perfekt, sodass<br />

ich auf dieser Basis beginnen konnte. Seitdem habe ich<br />

sie allerdings noch weiter optimiert und vor allem meinen<br />

ökologischen Ansatz ausgeweitet. Mir wurde nämlich<br />

klar, dass die Umwelt zwar nicht von der biologisch abbaubaren<br />

Farbe beeinträchtigt wird, sondern vielmehr dadurch,<br />

dass die jeweilige Fläche abgemäht werden muss,<br />

bevor ich mit dem Malen beginne. Vor allem in den Bergen<br />

kann das Mähen je nach Jahreszeit bestimmte Pflanzenarten<br />

am erneuten Wachstum hindern. Also passe ich<br />

meinen Zeitplan entsprechend an und wähle Flächen, die<br />

bereits durch den Menschen bearbeitet oder durch Schafe<br />

beziehungsweise Kühe abgefressen wurden.<br />

2015 realisierten Sie Ihr erstes Land-Art-Werk « L’Amour »,<br />

das 1200 Quadratmeter große Gesicht einer Frau auf einer<br />

Grasfläche im Skigebiet Clusaz. Die Poesie, die es vermittelte,<br />

wirkte frappierend und katapultierte Sie ins Rampenlicht.<br />

Es folgten zahlreiche andere riesige Werke, wie « Qu’est-ce<br />

qu’un grand Homme ? » (Leysin, Schweiz, 2016), « Un grand<br />

Homme et l’Avenir » (Senningen, Luxemburg, 2017), « Story<br />

of Future » (Rocher de Naye, Schweiz, 2017) und « Take care<br />

for Future » (Guadalupe, Kolumbien, 2018). Welche Botschaft<br />

möchten Sie mit diesen Werken vermitteln?<br />

Wie bei allen Kunstwerken ist es so, dass jeder sie auf<br />

seine Art interpretieren kann, abhängig von seinen Erfahrungen,<br />

seiner Kultur oder ganz einfach seinem Geschmack.<br />

Das ist wesentlich. Mir ist wichtig, immer ein<br />

optimistisches Bild der Zukunft und humanistische Wertvorstellungen<br />

zu zeigen. Die Werke sind bereits durch ihre<br />

Größe ein starkes Kommunikationsmittel und werden von<br />

sehr vielen Individuen betrachtet. Wenn es damit gelingt,<br />

die Menschen zum Nachdenken anzuregen, sie einander<br />

näher zu bringen, bin ich der glücklichste Mensch auf<br />

Erden. Ich glaube, Kunst kann und muss mobilisieren.<br />

Darin liegt der Sinn meiner Arbeit. « Beyond Walls » ist<br />

beispielsweise ein weltweites Projekt, das 2019 begann<br />

und sich über mehrere Jahre erstreckt. Es wurde bereits<br />

in Paris, Andorra, Genf, Berlin, Istanbul und Kapstadt<br />

realisiert. Es zeigt ineinander verschlungene Hände, die<br />

sich in gemeinsamer Anstrengung vereinigen und damit<br />

trennende Mauern überwinden. Es ist ein Aufruf zu einer<br />

Art von Universalität. Und ich glaube, das funktioniert.<br />

Darin liegt die Stärke der Kunst.<br />

Ihre Werke haben auch oft einen Bezug zum Alltag beziehungsweise<br />

zu aktuellen Ereignissen …<br />

Ja, es ist sehr wichtig für mich, im alltäglichen Leben<br />

verankert zu sein. Auch das ist Universalität. « Beyond Crisis<br />

» entstand beispielsweise 2020 in Leysin, in der Schweiz,<br />

also mitten in der Pandemie, in einer Zeit, in der ein großer<br />

Teil der Weltbevölkerung im Lockdown war. Ich wollte den<br />

Lockdown thematisieren, aber unter einem positiven Blickwinkel.<br />

Das Bild zeigte ein Mädchen, das alleine mit kleinen<br />

Figuren spielt. Das könnte traurig erscheinen. Doch es<br />

ist nicht alleine in seinem Zimmer, sondern draußen in der<br />

Natur, es betrachtet den Horizont, die Sonne. Darin liegt<br />

Hoffnung. Die Figuren halten sich alle an der Hand, um gemeinsam<br />

diese Krise durchzustehen. Etwas Ähnliches gilt<br />

für « Rock the grass », das Werk wurde im selben Jahr realisiert,<br />

zu einem Zeitpunkt, als Corona den künstlerischen<br />

Ausdruck abwürgte. Es entstand am Lac de Malsaucy, auf<br />

dem Gelände des Festivals Eurockéennes in Belfort. Eine<br />

Person schreit in ein Megafon, als wolle sie den Ton in alle<br />

Häuser der Erde tragen …<br />

Apropos Aktualität. Das Territoire de Belfort feiert in diesem<br />

Jahr als einziges französisches Departement sein 100-jähriges<br />

Bestehen. Aus diesem Anlass sollen zahlreiche Veranstaltungen<br />

und Aktivitäten stattfinden. Dazu gehört auch die Enthüllung<br />

eines Ihrer Werke. Können Sie uns etwas mehr darüber verraten?<br />

Das ist zurzeit noch etwas zu früh. Ich habe mehrere<br />

Ideen im Kopf. Sicher ist, dass ich an einem unerwarteten<br />

Ort ein Kunstwerk kreieren möchte. Ich habe bereits an<br />

so symbolträchtigen Plätzen des Departements wie am<br />

Lac de Malsaucy und in der Zitadelle von Belfort gemalt.<br />

Diesmal will ich an einem neuen Ort eine echte Überraschung<br />

kreieren, ich möchte, dass die Einwohner von<br />

Belfort sich mit dem Werk identifizieren können … Wir<br />

haben gerade einmal Januar, mir bleibt also noch etwas<br />

Zeit, um das genau auszuarbeiten. Ich halte Sie auf dem<br />

Laufenden!<br />

Gerne, wir werden dann die Leserinnen und Leser von<br />

Frankreich erleben darüber informieren. Saype, wir danken<br />

Ihnen für das Gespräch.<br />

Die Werke von Saype gefallen Ihnen? Dann besuchen Sie seine<br />

Website www.saype-artiste.com/. Dort erfahren Sie mehr<br />

über seine Arbeit und erhalten aktuelle Informationen. Darüber<br />

hinaus können Sie nummerierte und vom Künstler signierte<br />

Abzüge (inklusive Echtheitszertifikat) bestellen und ihn auf diese<br />

Art bei der Finanzierung seiner nächsten Projekte unterstützen.<br />

Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong> · 61

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