Nr. 82 - Frühling 2022
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust
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FRANKREICH HEUTE Land-Art<br />
« Message from Future », Genf (Schweiz) 2018.<br />
Dinge aus, so lange, bis ich das Gefühl hatte, vorwärtszukommen.<br />
Und allmählich entwickelte ich mich weiter.<br />
Nach den Graffiti und Tags begann ich nun, filigranere<br />
und realistischere Dinge wie Objekte, Personen und<br />
Landschaften zu malen. Irgendwann stellte ich erstmals<br />
in einer Galerie aus. Ich hatte etwas gefunden, was mir<br />
Spaß machte, und vor allem, womit ich mich ausdrücken<br />
konnte.<br />
Damals waren Sie 23 Jahre alt und machten Ihr Diplom zum<br />
Krankenpfleger. Die künstlerische Arbeit erfolgte parallel dazu.<br />
Vor allem aber stellten Sie sich Fragen darüber, welchen Sinn<br />
Sie dieser Arbeit geben wollten …<br />
Genau. Umso mehr, als dass mich 2012 die Aufstände<br />
des Arabischen <strong>Frühling</strong>s prägten. Sie waren der Auslöser<br />
dafür, dass ich mir noch mehr Fragen über den Sinn unseres<br />
Lebens und unseren Platz in der Gesellschaft stellte.<br />
Ich verspürte das Bedürfnis, mich künstlerisch auszudrücken<br />
und damit Aufmerksamkeit zu erregen. Doch<br />
mir wurde klar, dass dafür die Arbeit im Atelier nicht<br />
ausreichte. Damit erreichte ich zu wenige Menschen. Mit<br />
den Graffiti und Tags war es allerdings nicht anders: Sie<br />
gingen oft in einem visuell überladenen urbanen Umfeld<br />
unter, sodass man sie manchmal gar nicht bemerkte, geschweige<br />
denn richtig betrachtete. Mir wurde klar, dass<br />
ich etwas Neues erfinden musste, eine Form der Kunst,<br />
mit der ich die Menschen todsicher ansprechen würde.<br />
Dann verhalf Ihnen das Territoire de Belfort, genauer gesagt,<br />
der Garten Ihrer Eltern, zu einer Idee …<br />
Genau! Meine Eltern hatten einen acht Hektar großen<br />
Garten, den ich liebte. Als ich eines Tages die ausgedehnten<br />
Grasflächen betrachtete, kam mir urplötzlich die Idee,<br />
direkt darauf zu malen. Da ich jedoch großflächig malen<br />
wollte, brauchte ich Abstand, um die Arbeit zu betrachten.<br />
Also holte ich eine kleine Bockleiter und stieg hinauf,<br />
um die Wirkung zu beurteilen. Das Resultat erschien mir<br />
vielversprechend, war aber offensichtlich verbesserungsfähig.<br />
Ich wollte den Maßstab vergrößern und ausladender,<br />
noch viel ausladender malen. Dafür musste natürlich der<br />
Abstand größer sein. Da kam es gerade recht, dass Drohnen<br />
populärer wurden. Ich kaufte eine und machte die<br />
ersten Versuche. Da Drohnen zur damaligen Zeit noch<br />
nicht mit Fotoapparaten ausgestattet waren, bastelte ich<br />
ein System mit einer GoPro-Kamera, die alle drei Sekunden<br />
ein Bild schoss. Das war zwar dürftig, funktionierte<br />
aber und bestätigte mich darin, dass ich ein Mittel gefunden<br />
hatte, um mich wirklich auszudrücken.<br />
Mit dem Ansatz, riesige Fresken auf den Boden zu malen,<br />
lancierten Sie im Grunde eine neue Bewegung in der Land-<br />
Art. Doch auch damit gaben Sie sich noch nicht zufrieden,<br />
sondern Sie erlegten sich selbst den Zwang auf, die Umwelt mit<br />
Ihrer Arbeit absolut zu respektieren …<br />
Das war für mich oberste Priorität. Die ersten Versuche<br />
machte ich zwar mit einer normalen Farbsprühdose,<br />
doch es kam nicht infrage, dass ich mein Vorhaben in<br />
einem größeren Maßstab umsetzen würde, ohne eine<br />
100 % biologisch abbaubare und widerstandsfähige Farbe<br />
gefunden zu haben. Allerdings gab es so etwas nicht.<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong>