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Nr. 82 - Frühling 2022

Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust

Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust

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In Meymac findet man<br />

immer noch Zeugnisse<br />

der erstaunlichen<br />

Verbindung zwischen<br />

der Stadt und dem<br />

Wein: Beispiele sind<br />

das Museum im Chai<br />

des Moines Larose<br />

und die prächtige<br />

Architektur einiger<br />

Häuser, unter anderem<br />

der ehemalige<br />

Wohnsitz von Jean<br />

Gaye-Bordas, ein<br />

« kleines Schloss »<br />

mitten im Zentrum.<br />

Winkel teilen können,<br />

nämlich landwirtschaftlichen<br />

Grund und Boden zu<br />

übernehmen und so gut es<br />

geht zu bestellen. In dieser<br />

armen Region Frankreichs<br />

wäre dies naturgemäß ein<br />

beschwerliches Leben gewesen.<br />

Doch er wurde im<br />

Zeitalter der industriellen<br />

Revolution geboren, und<br />

es sollte ihm gelingen,<br />

sich dieser Bestimmung<br />

zu entziehen. Er konnte zwar weder lesen noch schreiben,<br />

besaß jedoch einen scharfen Verstand, Mut und einen ausgeprägten<br />

Geschäftssinn. Dank des Baus der Eisenbahn<br />

und der damit verbundenen wirtschaftlichen Entwicklung<br />

auf nationaler Ebene entdeckte Jean Gaye-Bordas<br />

die « Großstadt » Bordeaux, wo er sich als Hausierer,<br />

Regenschirmhändler und Lumpensammler betätigte und<br />

alles Mögliche verkaufte. Man erzählt sich sogar, dass er<br />

erfolgreich mit den Öllampen handelte, die später zum<br />

Reichtum des amerikanischen Milliardärs Rockefeller<br />

(1839-1937) beitragen sollten. Er verstand es, die Konsumgewohnheiten<br />

seiner Zeitgenossen zu beobachten.<br />

Dabei fiel ihm auf, dass ein Gerichtsschreiber regelmäßig<br />

Bordeaux-Wein an seine Brüder in Lille schickte. Dies<br />

brachte ihn auf eine Idee. Obwohl er keine Reben besaß,<br />

beschloss er, auf seinen Verkaufsreisen im Norden Frankreichs,<br />

nicht nur Lampen zu verkaufen, sondern gleichzeitig<br />

für Wein aus Bordeaux zu werben. Er kam dabei<br />

auf die schlaue Idee, sich nicht nur als Hausierer, sondern<br />

auch als Winzer vorzustellen,<br />

der seine eigene<br />

Produktion vertreibt.<br />

Diesen « kommerziellen<br />

Bluff » trieb Jean Gaye-<br />

Bordas insofern auf die<br />

Spitze, indem er die fiktive<br />

Appellation « Meymac-près-Bordeaux<br />

»<br />

erfand, was bei seinen<br />

Kunden den Eindruck erwecken sollte, die vermeintlichen<br />

Reben lägen ganz in der Nähe von Bordeaux. Den Mut<br />

dazu muss man erst einmal haben!<br />

Ein unerwarteter Handelserfolg<br />

Aufgrund des<br />

Vertrauens, das der<br />

« falsche Winzer »<br />

mit seiner Begabung<br />

für Täuschungsmanöver<br />

bereits bei seinen<br />

Kunden genoss,<br />

erhielt er schnell<br />

Bestellungen, die<br />

meist formlos auf<br />

einem Blatt Papier<br />

festgehalten wurden.<br />

Gaye-Bordas<br />

war selbst darüber<br />

erstaunt, wie einfach<br />

es war, die Verkäufe abzuschließen. Man muss wissen,<br />

dass er zudem ein findiges System entwickelte, mit<br />

dem er die Transaktionen in Ruhe organisieren konnte.<br />

Zurück in der Corrèze kaufte er in der Tat Bordeaux-<br />

Wein, den er in Fässern an die Kunden schicken ließ. Die<br />

Abfüllung in Flaschen oblag den Käufern, wobei Gaye-<br />

Bordas die notwendigen Etiketten dafür lieferte. Die<br />

Abnehmer waren beruhigt, da sie davon ausgingen, es mit<br />

einem echten Winzer zu tun zu haben. Den Verkaufspreis<br />

kassierte Gaye-Bordas dann bei seiner nächsten Reise in<br />

den französischen Norden, was oftmals erst ein Jahr später<br />

war. Auf diese Weise entstand zwischen ihm und seinen<br />

Kunden ein richtiggehendes Vertrauensverhältnis, eine<br />

besondere Beziehung.<br />

300 Weinhändler, eine Etikettendruckerei,<br />

eine Korkenfabrik …<br />

Das Geschäftsmodell von Gaye-Bordas erwies sich in<br />

kürzester Zeit als überaus erfolgreich. Bestellungen gingen<br />

zuhauf ein, die Kassen füllten sich. Vor allem in Belgien<br />

Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong> · 51

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