Nr. 82 - Frühling 2022
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Nouvelle Aquitaine / Périgord<br />
Einige Jahr später hatte Ihr Vater ebenfalls eine Begegnung mit<br />
ihr, aber unter ganz besonderen Umständen …<br />
Genau! Papa übte im Laufe der Zeit verschiedene<br />
Berufe aus, von 1961 bis 1967 war er Antiquitätenhändler<br />
in der Nachbarstadt Sarlat-la-Canéda. Eines Tages läutete<br />
das Telefon und man bat ihn, eine Expertise für Möbel<br />
von Joséphine im Château des Milandes zu erstellen. Das<br />
war 1964. Joséphine hatte große Geldprobleme und ihre<br />
Gläubiger wollten ihr Geld durch den Verkauf von Vermögensgegenständen<br />
eintreiben. Papa hatte damals im Prinzip<br />
keine Wahl, sein berufliches Pflichtbewusstsein erlegte<br />
es ihm auf, hinzugehen. Wie die meisten in der Gegend<br />
kannte er Joséphine Baker, allerdings nur vom Hörensagen.<br />
Bei seiner Ankunft wurde er von Joséphine nicht gerade<br />
sehr höflich empfangen. Papa erzählte mir, dass die beiden<br />
sich dennoch erst einmal setzten, um sich bei einer Tasse<br />
Kaffee zu unterhalten. Angesichts der Umstände war es<br />
eher ungewöhnlich, dass dieses Gespräch herzlich verlief.<br />
Sie sprachen ungefähr eine Stunde miteinander. Entgegen<br />
allen Erwartungen beschloss Papa am Ende, kein Gutachten<br />
für die Möbel zu erstellen! Auf diese Weise konnte<br />
Joséphine etwas Zeit gewinnen. Glücklicherweise war er<br />
nicht der Einzige, der sich damals für Joséphine einsetzte,<br />
so war beispielsweise die Schauspielerin Brigitte Bardot<br />
von Joséphines Situation ebenfalls bewegt – obwohl sie<br />
sie nicht persönlich kannte. Brigitte Bardot rief daher die<br />
Franzosen und den Staat spontan zur Hilfe auf, damit Joséphine<br />
ihr Hab und Gut und das Schloss behalten konnte.<br />
Dieser Aktion, dem Druck der Medien und den eingegangenen<br />
Spenden war es zum großen Teil zu verdanken, dass<br />
die erste Versteigerung 1964 annulliert wurde …<br />
Ein weiteres Zeichen des Schicksals war das Haus, das Ihre Eltern<br />
kauften, als sie von Paris ins Périgord zogen, und in dem<br />
Sie Ihre Kindheit verbrachten.<br />
Ja. Die Geschichte ist schon fast unglaublich: Meine<br />
Eltern heirateten 1967. Obwohl beide aus der Region<br />
stammten – meine Mutter aus Libourne und mein Vater<br />
aus Bergerac –, ließen sie sich zunächst in Paris nieder.<br />
1974 sollte es dann allerdings wieder in den Südwesten,<br />
Richtung Périgord, gehen. Papa war damals Architekt,<br />
insofern suchten sie nach einem Grundstück, auf dem sie<br />
ein Haus bauen konnten. Sie haben dann eines gefunden,<br />
raten Sie mal wo? Genau gegenüber dem Schloss Les<br />
Milandes! Von meiner Geburt an, im Jahr 1976, hatte<br />
ich quasi einen direkten Ausblick auf das Schloss. Da<br />
Joséphine Baker bereits 1969 zur Räumung gezwungen<br />
worden war, bin ich ihr leider niemals begegnet. Doch<br />
während meiner ganzen Kindheit erzählten mir meine Eltern<br />
von ihr: von ihrem Werdegang, ihren Kämpfen und<br />
ihrer « Regenbogenfamilie ». Meine Eltern hatten große<br />
Achtung vor ihr und ihrem Engagement.<br />
1988 ging das Abenteuer weiter: Ihre Eltern und Sie zogen<br />
letztendlich von diesem Haus in die Umgebung von Bordeaux,<br />
wo Sie Jura studierten. 1989 kauften Ihre Eltern Reben, die<br />
44 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong>