Nr. 82 - Frühling 2022
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Nouvelle Aquitaine / Périgord<br />
Am 30. November 2021 erwies Frankreich mit einer<br />
grandiosen Zeremonie, die auf mehreren Fernsehsendern<br />
live ausgestrahlt wurde, einer schwarzen<br />
Amerikanerin eine der bewegendsten Hommagen, die man<br />
sich vorstellen kann: An diesem Tag zog Joséphine Baker<br />
ins Pariser Pantheon ein. Der französische Staatspräsident<br />
Emmanuel Macron hielt aus diesem Anlass eine aufrüttelnde<br />
Rede über die « Kriegsheldin. Kämpferin. Tänzerin.<br />
Sängerin. Schwarze, die die Schwarzen verteidigte, vor<br />
allem aber Frau, die die Menschheit verteidigte ». Im Sarg,<br />
der anschließend feierlich in das prestigeträchtige Monument<br />
getragen wurde, befanden sich jedoch nicht ihre<br />
sterblichen Überreste – diese werden weiterhin auf dem<br />
Marinefriedhof von Monaco ruhen –, sondern er war symbolisch<br />
mit Erde von vier verschiedenen Orten gefüllt: mit<br />
Erde aus Saint-Louis – ihrer Heimatstadt in Missouri<br />
(USA) –, aus Paris – einer ihrer « zwei Lieben » – aus dem<br />
Dordognetal – wo sie über 30 Jahre im Château des Milandes<br />
lebte – und aus Monaco – wo Joséphine von Prinzessin<br />
Grace Kelly (1929-19<strong>82</strong>) aufgenommen wurde,<br />
nachdem sie aus finanziellen Gründen Les Milandes räumen<br />
musste. « Sie ziehen in unser Pantheon ein, und mit<br />
Ihnen strömt ein Wind von Fantasie und Kühnheit herein.<br />
Ja, zum ersten Mal zieht auch eine gewisse Vorstellung von<br />
Freiheit, die Vorstellung von einem Fest ein », präzisierte<br />
der Präsident und fuhr fort: « Sie ziehen in unser Pantheon<br />
ein, weil Sie Frankreich geliebt haben, weil Sie [Frankreich]<br />
einen Weg gezeigt haben, der unbestritten der Seine<br />
war, an dem [Frankreich] dennoch zweifelte. » Damit erinnerte<br />
er an die wesentliche Rolle, die Joséphine Baker in<br />
der Résistance spielte. Während des Zweiten Weltkriegs<br />
riskierte sie mehrere Male ohne zu zögern ihr Leben und<br />
nutzte ihre Bekanntheit dafür, die Nazis auszuhorchen und<br />
zahlreiche Informationen nach London zu übermitteln.<br />
Zudem bot sie Widerstandskämpfern auf Les Milandes<br />
Unterschlupf. Aber es war höchstwahrscheinlich einer der<br />
letzten Sätze der berührenden Rede, die den Menschen am<br />
längsten im Gedächtnis bleiben wird: « Sie ziehen in unser<br />
Pantheon ein, weil Sie zwar als Amerikanerin geboren<br />
wurden, weil es aber niemanden gibt, der französischer ist<br />
als Sie. Am Ende Ihrer Karriere änderten Sie den Text<br />
Ihres größten Erfolges und beteuerten, ‹Mein Land, das ist<br />
Paris›. Heute Abend summt jeder von uns den Refrain, der<br />
wie eine Hymne an die Liebe klingt: ‹Mein Frankreich, das<br />
ist Joséphine›. »<br />
Unter den aus diesem Anlass im Pantheon Versammelten<br />
– die Eingeladenen waren sorgfältig ausgewählt<br />
worden, anwesend waren im Wesentlichen die Kinder und<br />
andere Nahestehende von Joséphine Baker, Vertreter des<br />
französischen Staates und anderer Länder, Persönlichkeiten<br />
aus Politik und Kultur – befand sich auch eine diskrete<br />
Frau, die den Worten des Präsidenten andächtig lauschte.<br />
Zu Beginn der Zeremonie, als der Sarg von Joséphine die<br />
Rue Soufflot in Richtung Pantheon hochgetragen wurde,<br />
schnürte es ihr die Kehle zu. Ebenso, als die Klänge der<br />
Chansons von Joséphine in den Pariser Nachthimmel<br />
emporstiegen. Bewegt dachte sie, dass es dieselben Ausschnitte<br />
sind, die sie selbst vor Jahren ausgewählt hatte,<br />
um den Rundgang der Besucher im Château des Milandes,<br />
im Périgord, zu untermalen. Als dann auf der Straße<br />
Französinnen und Franzosen spontan applaudierten, wurde<br />
sie endgültig von ihren Emotionen überwältigt. Diese<br />
Begeisterung der Menschen schien für sie die schönste<br />
Hommage überhaupt zu sein.<br />
Am 30. November 2021 trugen sechs Mitglieder der Luftwaffe (in der die Sängerin sich engagiert hatte) den Sarg von<br />
Joséphine Baker feierlich über die Rue Soufflot (V. Pariser Arrondissement) bis ins Pantheon, wo er im Rahmen einer<br />
bewegenden Zeremonie vom Staatspräsidenten empfangen wurde. Folgende Worte Joséphines wurden an die Wand<br />
projiziert: « Frankreich hat mich zu dem gemacht, was ich bin, ich werde dem Land ewig dankbar sein. »<br />
40 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong>