Nr. 82 - Frühling 2022
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Nouvelle Aquitaine / Charente-Maritime<br />
Oben: der Port de la Brèche mit dem Kai zum Entladen, die Kirche Saint-Pierre.<br />
Unten: das Fahrradmuseum und das Pulvermagazin Poudrière de la Brèche mit seinen dicken Wänden.<br />
Die befestigte Stadt<br />
Dennoch blieb Brouage ein strategischer Ort, der nach<br />
wie vor Begierde weckte. 1626 wollte Richelieu (1585-<br />
1642) der Region ein für alle Mal eine starke königliche<br />
– und katholische – Präsenz aufzwingen, um damit die<br />
wirtschaftlichen Interessen des Königreichs – und seine<br />
eigenen – zu schützen. Er beschloss, das Verteidigungssystem<br />
vollständig zu erneuern. Dazu rüstete er die Stadt<br />
mit Waffen aus und befestigte sie mit großem Aufwand.<br />
Die Ringmauer, auf der man heute spazieren gehen kann,<br />
bildet ein beeindruckendes Viereck mit einer Kantenlänge<br />
von 400 Metern. Sie ist mit sehr pittoresken – und seinerzeit<br />
nützlichen – Scharwachttürmen bestückt; diese<br />
kleinen Wächterhäuschen befinden sich an den Ecken der<br />
Ringmauer, sodass man die Gegend besser überwachen<br />
konnte. Abgesehen von dieser Befestigung ließ Richelieu<br />
beeindruckende militärische Infrastrukturen innerhalb<br />
der Stadt errichten: Pulvermagazin, Waffenarsenal, Gießerei.<br />
Viele dieser Gebäude sind heute ausgesprochen gut<br />
restauriert und legen ein Zeugnis von dieser Zeit ab. Dazu<br />
zählt beispielsweise die Poudrière de la brèche, wo rund 20<br />
Tonnen Pulver in kleinen Fässern gelagert waren. Heute<br />
dient das Gebäude, das durch seine dicken Mauern besonders<br />
beeindruckt, als Rahmen für Ausstellungen. Die erstaunliche<br />
Größe der Halle aux Vivres, in der sich nun ein<br />
Museum befindet, lässt ebenfalls nicht gleichgültig. Das<br />
Gebäude war ursprünglich für die Versorgung der Truppen<br />
bestimmt, und die Dimensionen lassen darauf schließen,<br />
welch große Anzahl an Mündern zu stopfen war!<br />
Spaziert man heute von Gebäude zu Gebäude, kann man<br />
sich kaum vorstellen, dass die Verwandlung des Ortes von<br />
der « Zitadelle des weißen Goldes » zur befestigten Stadt<br />
in so kurzer Zeit – in nur 25 Jahren – vonstattenging. Im<br />
Grunde genommen war die Stadt ein regelrechter Kriegsschauplatz,<br />
wo bis zu 6000 Männer fest entschlossen waren,<br />
endlich mit den Protestanten aufzuräumen, die zum<br />
großen Teil im nahe gelegenen La Rochelle lebten.<br />
Eine königliche Träne<br />
Das Schicksal von Brouage scheint im Laufe der Jahrhunderte<br />
zwar sehr bewegt und zuweilen sehr kriegerisch<br />
gewesen zu sein, nichtsdestotrotz lädt die Stadt – oder<br />
eher das Dorf mit seinen rund 600 Einwohnern – heute zu<br />
einem sowohl poetischen als auch melancholischen Spaziergang<br />
ein, für den man sich mindestens einen halben<br />
Tag Zeit nehmen sollte. Vor allem aber sollte man Brouage<br />
außerhalb der Hochsaison besuchen, beispielsweise im<br />
Frühjahr oder im Herbst, dann sind die Lichtverhältnisse<br />
unbestritten einmalig. Zu diesen Jahreszeiten kann man<br />
den wunderschönen Ausblick bei einem Spaziergang auf<br />
der Befestigungsmauer in Ruhe genießen. Sehenswert ist<br />
auch der erstaunliche Kontrast zwischen den zahlreichen<br />
Gebäuden, die der Verteidigung dienten, den sehr militärisch<br />
angelegten Straßen mit ihren rechten Winkeln<br />
und dem poetischen Charme, den viele Häuser mit ihren<br />
strahlend weißen Fassaden, ihrem Blumenschmuck und<br />
den für die Region so charakteristischen blauen Läden<br />
ausstrahlen. Brouage ist wirklich mehr als « nur » eine<br />
Stadt mit interessanten Kulturgütern, sie wartet heute mit<br />
unzähligen unerwarteten Entdeckungen auf, die neugie-<br />
36 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong>