Nr. 82 - Frühling 2022
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Nouvelle Aquitaine / Charente-Maritime<br />
Die Ankunft in Brouage, egal ob mit dem Auto, mit<br />
dem Fahrrad oder zu Fuß, versetzt immer in Erstaunen:<br />
Nach Kilometern durch ein mehr als<br />
11 000 Hektar großes Sumpfgebiet, wo der Blick lediglich<br />
eine immense, grüne Fläche und einen wie mit dem Lineal<br />
gezogenen Horizont erfasst hat, taucht plötzlich in der<br />
Ferne ein Punkt auf, der unweigerlich die Aufmerksamkeit<br />
auf sich zieht. Ein Baum? Beim Näherkommen sagt man<br />
sich, dass der « Punkt » viel zu groß und vor allem viel zu<br />
breit für einen Baum ist. Also muss es sich wohl um ein<br />
Haus oder um eine Gruppe von Häusern handeln. Doch<br />
auch dieser Gedanke verflüchtigt sich schnell, denn das erscheint<br />
inmitten dieser sumpfigen Landschaft mit friedlich<br />
weidenden Kuhherden und Vogelschwärmen – darunter<br />
viele Störche –, die immer wieder auffliegen, sehr unwahrscheinlich.<br />
Der Anblick bleibt also nach wie vor geheimnisvoll,<br />
die Neugier wird größer. Je mehr man sich annähert,<br />
desto weniger kann man den Blick davon lösen. Und<br />
irgendwann ist es offensichtlich: Der « Punkt » am Horizont,<br />
den man vor einiger Zeit erblickt hat, ist in der Tat<br />
ein Dorf, und zwar ein ganz besonderes Dorf. Es ist von<br />
einer hohen und solide gebauten Befestigungsmauer umgeben,<br />
hinter der lediglich ein paar Dächer und ein Kirchturm<br />
hervorragen. Wir sind in Brouage, einer erstaunlichen<br />
Zitadelle, die inmitten des Sumpfgebiets im wahrsten<br />
Sinne des Wortes « gestrandet » zu sein scheint.<br />
Dem Meer sei Dank<br />
Kommt man an diesen Ort im Herzen der grünen<br />
und ruhigen Ebene ist es nur schwer vorstellbar, dass die<br />
Wellen des heute zwei Kilometer entfernten Ozeans einst<br />
dröhnend an der Befestigungsmauer zerschellten, hinter<br />
der sich damals eine vor Aktivität nur so brodelnde Stadt<br />
verbarg, die als einer der wichtigsten französischen Häfen<br />
galt. Alles begann in der Zeit der Römer. Zu jener Zeit<br />
gab es Brouage in der heutigen Form noch nicht, die Stelle,<br />
an der sich der Ort heute befindet – und der in der Folge<br />
Golfe de Saintonge genannt wurde – war von Meerwasser<br />
umgeben. Die Menschen, die dort lebten, bemerkten jedoch,<br />
dass sich durch die Gezeiten, die außergewöhnliche<br />
Sonneneinstrahlung und die vorherrschenden Winde<br />
regelmäßig eine feine weiße Schicht am Boden absetzte.<br />
Sie kosteten davon und stellten fest, dass sie mit diesem<br />
Salz den Geschmack ihrer Nahrung verbessern konnten<br />
und dass es vor allem für die Konservierung von Lebensmitteln<br />
sehr nützlich war. Allmählich verbesserten sie<br />
den Prozess der Salzgewinnung, es entstanden die ersten<br />
Salinen. Die Produktion wurde im Laufe der Zeit immer<br />
ausgereifter, was zu Beginn des Mittelalters mehreren Abteien<br />
in der Gegend zu Reichtum verhalf und damit bei<br />
einigen Lehnsherren Neid und Missgunst weckte.<br />
Die Zitadelle des weißen Goldes<br />
Um das Jahr 1555 beschloss einer dieser Lehnsherren,<br />
Jacques de Pons (um 1490-1563), Seigneur de Brouage,<br />
die Dinge voranzutreiben. Er gründete eine Stadt, die<br />
ausschließlich dem « weißen Gold » geweiht sein und eine<br />
« Handelshauptstadt » werden sollte. Der Einfachheit halber<br />
und sich selbst zu Ehren nannte er sie « Jacopolis-sur-<br />
Brouage ». Offensichtlich brachte der Name Glück, denn<br />
innerhalb weniger Jahre waren die Geschäfte erfolgreich.<br />
Handelsschiffe aus ganz Europa – vorwiegend jedoch aus<br />
England, Flandern und der Hanse – deckten sich hier mit<br />
Salz ein, sodass der Reichtum von Brouage – die Stadt<br />
nahm später diesen vereinfachten Namen an – augenfällig<br />
wurde. 1569 errichteten italienische Architekten<br />
34 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong>