Nr. 82 - Frühling 2022
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!" Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume Rezept: La Madeleine de Proust
Land-Art XXL: Saype, von Belfort in die weite Welt
Château des Milandes: "Mein Leben, das ist Joséphine!"
Brouage: die Zitadelle der geplatzten Träume
Rezept: La Madeleine de Proust
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ON LIT<br />
ROMAN<br />
So reich wie der König<br />
Abigail Assor, Originaltitel: Aussi riche que le Roi, übersetzt aus dem Französischen<br />
von Nicola Denis, Insel, 218 Seiten, 23 €, ISBN 978-3458642848.<br />
Der erste Roman der jungen Marokkanerin Abigail Assor So reich wie der König erschien 2021 in Frankreich<br />
und war sehr erfolgreich. Die junge Sarah, die in den 1990er-Jahren in der sehr « geldversessenen »<br />
marokkanischen Stadt Casablanca lebt und von allen nur « die Französin »<br />
genannt wird, bekommt die sozialen Ungerechtigkeiten ihres Landes am eigenen<br />
Leib zu spüren. Einige Jahre zuvor kam sie mit ihrer Mutter von der Côte d’Azur<br />
nach Marokko, da diese einem Mann folgte, der sich zwischenzeitlich jedoch<br />
verflüchtigt hat. Jeden Morgen läuft Sarah zwei Stunden zu Fuß von ihrem Haus<br />
am Rande der Elendsviertel bis ins französische Gymnasium. Sie ist stolz und<br />
macht ihren Schulkameraden glaubhaft, der Chauffeur habe sie in der Nähe<br />
abgesetzt … Eines Tages trifft Sarah Driss, einen überhaupt nicht attraktiven<br />
Marokkaner, der jedoch sagt, er sei « so reich wie der König ». Sofort beschließt<br />
Sarah, ihn zu heiraten. Zwischen ihnen bahnt sich eine stillschweigende<br />
Vereinbarung an, die die Autorin scharfsinnig und bewegend beschreibt. Es<br />
ist das gelungene Porträt einer entschlossenen und mutigen jungen Frau, die<br />
nach einem besseren Leben strebt. Darüber hinaus ist es aber auch das Porträt<br />
komplexer und gewalttätiger sozialer Beziehungen in einer faszinierenden Stadt.<br />
Ein Buch, das den Leser nicht nur mit auf Reisen nimmt, sondern auch zum<br />
Nachdenken anregt, wie die frankophone Literatur es so vorzüglich versteht.<br />
Bücher, die wir Ihnen beim Erscheinen<br />
in französischer Sprache<br />
vorstellten und die nun in der<br />
deutschen Übersetzung vorliegen<br />
Sie erinnern sich vielleicht an unsere Rubrik<br />
On lit en France in der letzten Ausgabe<br />
(<strong>Nr</strong>. 81 Winter 2021/<strong>2022</strong>), die ganz dem<br />
Prix Goncourt 2021 gewidmet war. Darin<br />
haben wir Ihnen nicht nur den Preisträger,<br />
nämlich das Buch La plus secrète mémoire<br />
des hommes von Mohamed Mbougar Sarr,<br />
vorgestellt, sondern auch die acht anderen<br />
Romane, die es bis in die Endauswahl<br />
für diesen renommierten Literaturpreis<br />
geschafft haben. Es gibt gute Nachrichten,<br />
denn zwei dieser Bücher werden demnächst<br />
in der deutschen Übersetzung im<br />
Buchhandel erhältlich sein. Die Gelegenheit<br />
möchten wir nutzen, sie Ihnen erneut<br />
ans Herz zu legen! Selbstverständlich<br />
halten wir Sie auf dem Laufenden, wenn<br />
weitere Übersetzungen verfügbar sind, vor<br />
allem natürlich die deutsche Version des<br />
Preisträgers des Prix Goncourt, die in den<br />
kommenden Monaten im Hanser Verlag<br />
erscheinen soll.<br />
Tanguy Viel<br />
Das Mädchen, das man ruft<br />
Originaltitel: La fille qu’on appelle, aus dem Französischen<br />
von Hinrich Schmidt-Henkel, Wagenbach Verlag, 176 Seiten,<br />
20 €, ISBN 978-3803133458, erscheint im Februar.<br />
Tanguy Viel, der hier sein neuntes Werk veröffentlicht,<br />
stammt aus Brest (Bretagne). Sein Debütroman, Le Black<br />
Note, den er im Alter von 24 Jahren veröffentlichte, wurde<br />
für seinen präzisen, wirkungsvollen Stil gelobt, der nur<br />
wenige Worte braucht: Die Sätze sind kurz, kommen immer<br />
aufs Wesentliche. Dadurch entsteht ein dynamisches Werk,<br />
das man – nicht zuletzt auch durch die gut eingesetzte<br />
Spannung – oft an einem Stück liest.<br />
Präziser als je zuvor, mit einer nahezu<br />
« chirurgischen » Schreibweise, durch<br />
die dem Leser manchmal kalte Schauer<br />
über den Rücken laufen, zeigt Tanguy<br />
Viel in diesem Werk die Mechanismen<br />
von Macht, sozialem Einfluss und<br />
männlicher Vorherrschaft. Das Buch<br />
handelt von einem Bürgermeister in der<br />
Bretagne, der sich durch seinen Status<br />
sexuelle Vorrechte erhofft.<br />
12 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2022</strong>