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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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Schließlich identifiziert Genette in einem Unterkapitel zu dem Kapitel ”Stimme” fünf Funktionen<br />

des Erzählers. Diese benennt er narrative Funktion, Regiefunktion (Erzählerkommentare zur<br />

Gliederung oder inneren Organisation des Textes), Kommunikationsfunktion (das Herstellen<br />

oder Aufrechterhalten des Kontakts zwischen Erzähler und Adressaten),<br />

Beglaubigungsfunktion (der Erzähler gibt Aufschluß darüber, in welchem Verhältnis er zu<br />

seiner Geschichte steht) und ideologische Funktion (der Erzähler kommentiert auf belehrende<br />

Weise das Geschehen).<br />

1.4 Zusammenfassung von Petersens Theorie<br />

Das Buch ”Erzählsysteme” von dem Erzähltheoretiker Jürgen H. Petersen ist in vier<br />

Hauptkapitel eingeteilt: ”Grundriß”, in dem er ”allgemeine Fragen der Poesie und Poetologie”<br />

behandelt, ”Aufriß”, in dem er sich auf die Struktur epischer Werke konzentriert, ”Praxis”, wo er<br />

verschiedene Werke nach den Ideen in ”Aufriß” analysiert und schließlich das Kapitel ”Kritik”,<br />

wo er sich mit den Ideen anderer Erzähltheoretiker auseinandersetzt. Ich werde mich in dieser<br />

Zusammenfassung auf das Kapitel ”Aufriß” konzentrieren, weil dieses Kapitel für meine Arbeit<br />

von besonderem Interesse ist.<br />

In der Einleitung behauptet Petersen, daß er mit seinem Buch u.a. ”eine Tafel aller denkbaren<br />

Beschreibungsaspekte” erzählender Prosa entwerfen und außerdem diese Aspekte ”in einen<br />

funktionalen Zusammenhang” bringen will. Weiter schreibt er dazu: ”Ist eine solche<br />

Kategorientafel entwickelt, kann man einen erzählenden Text systematisch, nämlich nach der<br />

funktionalen Zuordnung bzw. Abhängigkeit der einzelnen Schichten beschreiben.” 10<br />

”Erzählformen” heißt das erste Teilkapitel in ”Aufriß”. Petersen unterscheidet drei Hauptformen<br />

des Erzählens: die Ich-Form, die Du-Form und die Er-Form (die auch die Sie-und Es-Form<br />

einschließt). In der Ich-Form erzählt der Erzähler von sich selbst, und in ihr kann nur solches<br />

dargestellt werden, was mit dem Erzähler-Ich eng zusammenhängt. Der Ich-Erzähler besitzt<br />

im Gegensatz zum Er-Erzähler Personalität. Über die Ich-Form behauptet Petersen weiter:<br />

”Der entscheidende Unterschied zur Er-Form ist [also] der, daß es zwischen Erzählendem und<br />

Handelndem nicht nur eine Differenz, sondern [eben] auch eine Identität gibt.” 11 Dieses führt<br />

zu einem Doppelaspekt in dem, was in der Ich-Form erzählt wird: Die Ich-Erzählung<br />

charakterisiert sowohl den Erzählgegenstand als auch den Erzähler. Die Du-Form, die sehr<br />

selten ist, erzählt rein formal von den Erlebnissen des Angesprochenen. Diese Form kann<br />

auch für das kollektive ”man” stehen oder das Ich kann zu sich selbst in der Du-Form sprechen.<br />

Schließlich kann das Du-Erzählen ”die Ausdehnung eines inneren Monologs zu einer<br />

Erzählung” 12 sein. In der Er-Form wird von Dritten erzählt. Der Erzähler in einer Er-Erzählung<br />

hat keine Personalität, was aber nicht bedeutet, daß er neutral, objektiv oder farblos sein muß;<br />

es bedeutet, daß der Leser ihn nicht als Person mit bestimmten Eigenschaften erlebt. Die Er-<br />

Erzählung bezieht sich nur auf das Erzählte, nicht auf den Erzähler. Petersen definiert die Er-<br />

Erzählung, im Gegensatz zur Ich-Erzählung, als eindimensional.<br />

10 Petersen 1993 S. 2-3<br />

11 Petersen 1993 S. 56<br />

12 Petersen 1993 S. 64

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