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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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Die Kategorie ”Modus” wird in zwei Unterkategorien eingeteilt: ”Distanz”, die die Frage<br />

”Wieviel narrative Information wird gegeben?” beantwortet und ”Perspektive”, die die Frage<br />

”Über welchen Kanal kommt die Information?” beantwortet. Was sagt nun Genette zum<br />

Begriff ”Distanz”? Zuerst diskutiert er das Gegensatzpaar ”Diegesis/Mimesis” und kommt zu<br />

dem Schluß, daß ”Diegesis” in diesem Zusammenhang mit dem narrativen Modus äquivalent<br />

sei und ”Mimesis” mit dem dramatischen Modus. ”Diegesis” steht dabei für eine größere<br />

Distanz als ”Mimesis”.<br />

Genette meint weiter, daß es nötig sei, eine Einteilung in ”Erzählung von Worten” und<br />

”Erzählung von Ereignissen” zu machen, um die Distanzfrage zufriedenstellend zu klären. Bei<br />

der Erzählung von Worten unterscheidet er drei Distanzstufen, die den Grad der<br />

Buchstäblichkeit in der Wiedergabe der Reden angeben: erstens gibt es die ”narrativisierte”<br />

Rede, die die distanzierteste ist und meistens auch die am stärksten reduzierte, zweitens die<br />

”transponierte” Rede, die indirekte und erlebte Rede umfaßt, wobei die indirekte Rede die<br />

distanziertere Variante ausmacht und drittens die ”berichtete” Rede, was im konventionellen<br />

Sprachgebrauch direkte Rede heißt. Als Unterabteilung dieser ”berichteten” Rede definiert er<br />

die ”unmittelbare” Rede (den inneren Monolog), die auch den Mimesispol der Erzählung von<br />

Worten in seinem Modell bildet.<br />

Wenn es um die Erzählung von Ereignissen geht, kann nicht von ”Mimesis” im gleichen Sinn<br />

wie bei der Erzählung von Worten die Rede sein, weil es um eine Umsetzung von<br />

Nichtsprachlichem in Sprachliches geht; Genette spricht hier stattdessen von einer ”Mimesis-<br />

Illusion”, wenn es um den mimetischen Pol des Modells geht. Er gibt drei Wege für die<br />

Erzeugung einer mimetischen Illusion an: Ein Weg ist die vorgebliche Ausschaltung der<br />

narrativen Instanz; der Erzähler macht sich so wenig wie möglich im Text bemerkbar. Ein<br />

zweites Verfahren ist ein ausführliches Erzählen, das sich gerade durch den Detailreichtum<br />

dem Tempo der ”Szene” annähert. Eine dritte Möglichkeit ist das Einsetzen von<br />

”Wirklichkeitseffekten” (ein Begriff, der von Roland Barthes stammt), d.h. von Details, die für<br />

die Erzählung funktional überflüssig sind oder zu sein scheinen.<br />

Gehen wir jetzt zu der Frage der Perspektive über: Die narrative Perspektive ist eine Form<br />

der Informationsregulierung, die von der Wahl (oder Nicht-Wahl) eines einschränkenden<br />

”Blickwinkels” abhängt. Genette benutzt den Terminus ”Fokalisierung”, um die visuelle Seite<br />

der Wahrnehmung nicht zu stark zu betonen. In ”Neuer Diskurs der Erzählung” hat er aus<br />

diesem Grund die Frage ”Wer sieht?” in ”Wer nimmt wahr?” oder ”Wo liegt der Fokus der<br />

Wahrnehmung?” (Der Fokus befindet sich nämlich seiner Meinung nach nicht immer in einer<br />

Person.) verwandelt. Genette unterscheidet drei Typen der Fokalisierung. Der erste Typ ist<br />

die ”Nullfokalisierung” - eine Erzählung mit allwissendem Erzähler, also keine Einschränkung<br />

des ”Wahrnehmungsfeldes”. Der zweite Typ ist die ”interne Fokalisierung” - eine Erzählung<br />

mit Reflektor. Der Leser erfährt nur, was die eine oder andere Figur wahrnimmt. Dieser<br />

Fokalisierungstyp kann ”fest” (eine einzige fokale Figur), ”variabel” (wo der Fokus von der<br />

einen Figur zu der anderen ”wandert”) oder ”multipel” (wo der Fokus in mehreren Figuren<br />

stationiert ist, wie in Briefromanen mit mehreren Briefschreibern) sein. Der dritte Typ ist die<br />

”externe Fokalisierung” - eine objektive, behavioristische Technik, wo der Leser keinen

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