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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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gehenden” Erzähler stammen, dann wäre ich ganz seiner Meinung, und ich würde auch<br />

Martinez-Scheffel und Vogt vorbehaltslos in ihren Einschätzungen zustimmen. Meiner<br />

Meinung nach ist es aber so, daß Vorausdeutungen, die von den Figuren in den Dialogen<br />

ausgesprochen werden, auch vom Erzähler stammen können. Es kann vorkommen, daß eine<br />

Figur etwas sagt, das ein Ereignis vorwegnimmt, von dem die Figur in dem Moment, wo sie<br />

dieses sagt, nichts wissen kann. Hier hat der auktoriale Erzähler seine Hand mit im Spiel.<br />

Natürlich gibt es auch Vorausdeutungen in Dialogen, die wirklich von den Figuren stammen, in<br />

denen z.B. Wünsche oder Befürchtungen zum Ausdruck kommen. Aber wenn wir davon<br />

ausgehen, daß Mittelbarkeit ein Merkmal erzählerischer Dichtung ist, dann muß der Erzähler<br />

auch auf irgendeine Weise zu den Dialogen Zutritt haben. Vorausdeutungen, die von den<br />

Figuren in den Dialogen ausgesprochen werden, können demgemäß sowohl personal als<br />

auch auktorial sein.<br />

Ich schlage vor, daß man das Begriffspaar ”zukunftsgewiß-zukunftsungewiß” teilweise neu<br />

definiert: Eine zukunftsgewisse Vorausdeutung stammt von einem Erzähler, der das ganze<br />

Geschehen im Erzählwerk überblickt. Eine solche Vorausdeutung nimmt etwas, was kommen<br />

wird, vorweg und kann entweder direkt vom Erzähler ausgesprochen werden oder einer Figur<br />

sozusagen in den Mund gelegt werden. Diesen Typ könnte man auch ”auktoriale<br />

Vorausdeutung” nennen. Eine zukunftsungewisse Vorausdeutung stammt von einer Figur und<br />

wird von dieser geäußert. Sie kann auch ihren Ursprung in einem Erzähler, der den<br />

Wissenshorizont der Romanfiguren nicht durchbricht, haben und von ihm ausgesprochen<br />

werden. Man könnte diesen Typ der Vorausdeutung auch ”personal” nennen. Personale<br />

Vorausdeutungen haben viel weniger als die auktorialen mit der Gesamtarchitektur eines<br />

Erzählwerkes zu tun, weil sie Kommendes nicht wirklich vorwegnehmen, sondern nur aus<br />

Vermutungen oder Hypothesen bestehen.

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