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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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Matias Martinez und Michael Scheffel u.a. die Umstellung der chronologischen Ordnung in<br />

Erzählwerken ausgehend von sowohl Genettes Modell als auch von Lämmerts Ideen zum<br />

Thema.<br />

Martinez und Scheffel fassen dort zusammen, was Lämmert über Vorausdeutungen und<br />

Genette über Prolepsen schreibt. Dann kommentieren sie einige Aspekte der jeweiligen<br />

Theorien. Sie meinen, daß manche Ideen Lämmerts, im Gegensatz zum Modell von<br />

Genette, aus der Perspektive einer modernen Narratologie als überholt oder wenigstens<br />

problematisch betrachtet werden können: ”[Ähnlich wie Müller] bleibt allerdings Lämmert einer<br />

deutschen Tradition verhaftet, die sich auf Goethes Morphologiebegriff beruft und die ein<br />

besonderes Interesse für formale Fragen der Erzählkunst mit einem, aus heutiger Sicht,<br />

problematischen Verständnis von Dichtung als etwas organisch Gewachsenem verbindet [...].<br />

Im Anschluß an das [von Müller und] Lämmert entworfene analytische Vokabular hat<br />

schließlich der Strukturalist Gérard Genette seit 1972 ein Modell entwickelt, das auf alle<br />

organizistischen Vorstellungen verzichtet” 157 . (Mich mutet in diesem Zusammenhang die<br />

Tatsache, daß gerade Genette Begriffe wie ”Keim” und ”Geist” in seinen Ausführungen zu<br />

den Anachronien benutzt, etwas befremdend an, aber vielleicht liegt das an der<br />

Übersetzung...)An einer anderen Stelle hingegen weisen Martinez und Scheffel darauf hin,<br />

daß Lämmerts Modell mehr Aspekte der Vorausdeutung erörtert als Genettes:<br />

”Berücksichtigt man auch die Stellung, die Funktion und den Status von Anachronien im<br />

Rahmen der Erzählung, so lassen sich mit Hilfe von Lämmerts älterem Ansatz schließlich noch<br />

einige Typen benennen, die Genettes analytisches Modell in dieser einfachen Form nicht<br />

erfaßt.” 158 Hier frage ich mich nur, was mit der ”einfachen Form” gemeint ist. Gibt es vielleicht<br />

eine komplexere, die von Martinez und Scheffel nicht diskutiert wird?<br />

Lämmerts zukunftsgewisse Vorausdeutungen werden, soviel ich sehen kann, als auktorial<br />

eingestuft: ”Solche zukunftsgewissen Vorausdeutungen sind an die Perspektive eines<br />

Erzählers gebunden, der sozusagen über dem Geschehen steht und eine zeitliche Position<br />

jenseits der in der erzählten Geschichte umfaßten Zeit einnimmt.” 159 Die zukunftsungewissen<br />

Vorausdeutungen beurteilen Martinez und Scheffel wenigstens implizit als personal:<br />

”Zukunftsungewissen Vorausdeutungen [...] begegnet man in der Rede des Erzählers nur<br />

dann, wenn dieser auf einen übergeordneten Standpunkt verzichtet und sich auf den<br />

begrenzten Wahrnehmungshorizont der in das erzählte Geschehen verwickelten Figuren<br />

beschränkt. [...] So gesehen ist der ’natürliche’ Ort dieser Form von Vorausdeutung die Rede<br />

oder das Denken von Figuren, d.h. zu diesem Typ von Anachronie zählen Prophezeiungen,<br />

scheinbar zukunftsweisende Träume und alle möglichen Arten von Wünschen und Ängsten,<br />

die sich auf die Zukunft beziehen.” 160<br />

7.5 Vogt: Vorausdeutungen<br />

Vogt widmet einige Seiten in ”Aspekte erzählender Prosa” der chronologischen Abfolge in<br />

157 Martinez/Scheffel 1999 S. 31<br />

158 Martinez/Scheffel 1999 S. 35-36<br />

159 Martinez/Scheffel 1999 S. 37<br />

160 Martinez/Scheffel 1999 S. 37

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