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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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sein.<br />

Im letzten Kapitel in ”Theorie des Erzählens” schreibt Stanzel, daß sein Modell in dem Sinne<br />

offen ist, daß es eine unendliche Zahl von Zwischen- und Übergangsformen zwischen den<br />

typischen Erzählsituationen beherbergen kann; er nennt es das Formenkontinuum des<br />

Typenkreises. Er meint auch, daß sein Modell Platz für neue Erzählformen hat, Erzählformen,<br />

die wir heute noch nicht kennen.<br />

1.3 Zusammenfassung von Genettes Theorie<br />

In seinem erzähltheoretischen Werk ”Diskurs der Erzählung” untersucht der französische<br />

Erzähltheoretiker Gérard Genette besonders genau die zeitlichen Aspekte erzählender Prosa.<br />

Dies hat seinen Grund darin, daß er Marcel Prousts ”A la recherche du temps perdu” als<br />

Ausgangspunkt für seine Arbeit nimmt. Genette sagt selbst dazu: ”Der systematische<br />

Rückgriff auf das Beispiel Proust ist offenkundig für gewisse Verzerrungen verantwortlich: zum<br />

Beispiel für eine übermäßige Betonung der Zeitprobleme (Ordnung, Dauer, Frequenz), die<br />

weit mehr als die Hälfte der Abhandlung für sich beanspruchen, und andererseits für eine zu<br />

geringe Aufmerksamkeit für ’modale’ Sachverhalte wie den inneren Monolog oder die erlebte<br />

Rede, die in der Recherche ja so gut wie keine Rolle spielen.” 8 In ”Neuer Diskurs der<br />

Erzählung”, von Genette eine Art Postskriptum zum ersteren Buch genannt, werden auch<br />

andere erzähltheoretische Aspekte in den Vordergrund gerückt.<br />

Für diese Arbeit interessieren mich in erster Linie Genettes Darlegungen der Kategorien<br />

”Modus” und ”Stimme”. Seine Untersuchung von den verschiedenen zeitlichen Kategorien<br />

lasse ich deswegen hier mit einer Ausnahme, der des narrativen Tempos, außer acht.<br />

Genette benutzt die von deutschen Erzähltheoretikern stammenden Begriffe ”erzählte Zeit”<br />

und ”Erzählzeit”, um die Zeit der Geschichte und die Zeit der Erzählung auseinanderzuhalten.<br />

Das Verhältnis zwischen diesen beiden Kategorien, ich meine damit hier das Verhältnis<br />

zwischen der zeitlichen Dauer der Geschichte und der Länge des Textes, macht das narrative<br />

Tempo aus. Genette identifiziert vier Grundformen des narrativen Tempos, deren Alternieren<br />

oder Zusammenspiel einer Erzählung einen bestimmten Rhythmus geben. Diese vier Tempi<br />

sind ”Ellipse”, ”Summary”, ”Szene” und ”Pause”.<br />

Die Geschwindigkeit der Ellipse ist unendlich und die Dauer der ausgesparten Zeitspanne<br />

wird entweder im Erzähltext angegeben oder auch nicht. Das Summary ist das einzige<br />

Erzähltempo, das keine klar festgelegte Geschwindigkeit hat. Das Tempo hier liegt zwischen<br />

demjenigen in der erzählten Geschichte (dem ”Tempo der Wirklichkeit”) und dem der Ellipse.<br />

Die Geschwindigkeit der Szene, die meistens aus einem Dialog besteht, stimmt mit jener der<br />

erzählten Geschichte überein, wenn man nicht Unterschiede im Sprechtempo mithineinzieht.<br />

Die Pause besteht normalerweise aus Beschreibungen, die der Erzähler vornimmt und die<br />

die Handlung zum Stillstand bringen. Die Geschwindigkeit ist für die Pause gleich null. Im<br />

klassischen Erzählwerk besteht der Grundrhythmus aus einem Wechsel zwischen<br />

undramatischen Summaries und dramatischen Szenen.<br />

8 Genette 1998 S. 197-198

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