I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky
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erkennbar ist.” 144<br />
Der Dialog ist, meiner Meinung nach, immer zuerst und zuinnerst ein Mittel personalen<br />
Erzählens. Die Figuren sprechen immer in erster Linie aus ihrer eigenen Sicht, sonst würde die<br />
Erzählung, in der die Gespräche auftreten, leblos, oder einfach ungeschickt geschrieben<br />
erscheinen. Jedoch können auktoriale Eingriffe in Dialogen sich bemerkbar machen:<br />
unnatürliche oder auffällige Abbrüche gehören zu diesen Operationen. Weiter sind auktoriale<br />
Überlagerungen durch zukunftsgewisse Vorausdeutungen zu nennen. Zu bemerken ist aber,<br />
daß auch solche Dialogstellen, die auktoriale Vorausdeutungen enthalten, gleichzeitig eine<br />
personale Seite haben. Die Figur meint zwar nicht dasselbe wie der auktoriale Erzähler, aber<br />
sie meint auch etwas mit dem Gesagten - solche Textstellen weisen zwei Niveaus auf - ein<br />
personales und ein auktoriales. Im empirischen Teil werde ich anhand von Textbeispielen aus<br />
”Effi Briest” verschiedene Fragen zum Erzählverhalten in Dialogen näher erläutern.<br />
7. Vorausdeutungen<br />
7.1 Einleitung<br />
Da ich vorhabe, im empirischen Teil einige Einblicke in die Rolle der Vorausdeutung in ”Effi<br />
Briest” zu geben, wird in diesem Teil der Abhandlung ein Kapitel dem Begriff<br />
”Vorausdeutung” gewidmet. Ich stelle hier Definitionen des Begriffs von einigen bedeutenden<br />
Erzähltheoretikern zusammen und referiere etwas von ihren Ausführungen dazu. Am Ende<br />
des Kapitels kommentiere ich schließlich das Dargestellte aus meiner Sicht.<br />
7.2 Lämmert: Vorausdeutungen<br />
Zeitliche Inversionen in einem Erzählwerk werden von Eberhard Lämmert in ”Bauformen des<br />
Erzählens” in Rückwendungen und und Vorausdeutungen gegliedert. Bei einer Rückwendung<br />
wird nach Lämmert ”ein Stück Vergangenheit in die Gegenwart” 145 eingeführt, und die<br />
Vorausdeutung klassifiziert er einmal kurz als ”Vorwegnahme des Handlungsausgangs” 146 .<br />
Dieses bedeutet aber nicht, daß Vorausdeutungen nur mit dem Ende eines Werkes zu<br />
verknüpfen seien, sie können genausogut auf die eine oder andere Phase einer Erzählung<br />
hinweisen. Lämmert betrachtet diese Kategorie als ein sehr komplexes Bauelement der<br />
Erzählung und teilt ihr verschiedene wichtige Aufgaben zu: ”Eine Vorausdeutung eröffnet dem<br />
Leser also nicht nur den Sinn und die Richtungnahme der augenblicklichen Situation, sondern<br />
stellt alles künftige Geschehen in ein besonderes Licht. Sie bewirkt im Gegensatz zu<br />
Rückwendung nicht nur eine einmalige, sondern eine fortlaufende und bei jedem Ereignis sich<br />
neu erstellende Synopsis: Sie erzeugt von sich aus eine Kette synthetischer Einzeleindrücke,<br />
indem sie selbst fortlebt bis zu ihrer Auflösung.” 147 Die Vorausdeutung trägt also zur inneren<br />
144 Hamann 1984 S. 95-96<br />
145 Lämmert 1955 S. 102<br />
146 Lämmert 1955 S. 140<br />
147 Lämmert 1955 S. 139-140