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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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als nicht-narratives Bauelement einer Erzählung kann, für sich genommen, nicht maßgeblich die<br />

Einordnung eines Werkes auf dem Typenkreis determinieren.” 5 Andererseits behauptet er<br />

folgendes über dialogreiche narrative Werke in der Er-Form: ”Es gibt auch eine stattliche Zahl<br />

von Erzählungen und Romanen, in denen der Dialog den weitaus größeren Teil in Anspruch<br />

nimmt. Solche Werke haben ihren Platz auf dem Typenkreis ungefähr in der Mitte zwischen<br />

der auktorialen und der personalen ES, weil in ihnen die Präsenz des auktorialen Erzählers auf<br />

knappe, unpersönliche Regieanweisungen beschränkt ist, andererseits aber auch kein<br />

personales Medium in ihnen aufscheint.” 6 Über dialogreiche Erzählwerke in der Ich-Form<br />

schreibt er: ”In Entsprechung zu den dialogisierten Erzählungen auf der Seite des auktorialpersonalen<br />

Kontinuums ist auch auf der Ich-Seite des Typenkreises die dialogisierte<br />

Erzählung ungefähr in der Mitte zwischen Ich-ES und personaler ES anzunehmen.” 7<br />

Das Gegensatzpaar innerhalb der Kategorie ”Person” besteht aus der Ich-Erzählung, wo die<br />

Seinsbereiche des Erzählers und der Romanfiguren identisch sind und der Er-Erzählung, wo<br />

die Seinsbereiche des Erzählers und der Romanfiguren nicht identisch sind. Der Ich-Erzähler<br />

unterscheidet sich vom auktorialen Er-Erzähler dadurch, daß er in der fiktionalen Welt rein<br />

körperlich verankert ist. Die Erzählmotivation eines Ich-Erzählers ist existentiell, diejenige eines<br />

Er-Erzählers hingegen ist ästhetischer Art. In der Bewußtseinsdarstellung ist die Opposition<br />

zwischen Ich- und Er-Bezug oft ohne strukturelle Tragweite.<br />

”Perspektive” bedeutet: der Standpunkt, von dem aus die fiktionale Welt wahrgenommen<br />

oder geschildert wird. Innenperspektive herrscht vor, wenn dieser in der Hauptfigur oder im<br />

Zentrum des Geschehens liegt; Außenperspektive herrscht vor, wenn dieser außerhalb der<br />

Hauptfigur oder an der Peripherie des Geschehens liegt. Innenperspektive findet man in der<br />

autobiographischen Form der Ich-Erzählung, im Briefroman, im inneren Monolog und in der<br />

personalen Erzählsituation. Außenperspektive findet man in der auktorialen Erzählsituation und<br />

in Erzählungen mit einem peripheren Ich-Erzähler. Die Abgrenzung zwischen<br />

Wahrnehmendem und Erzählendem ist schwieriger bei einer Außenperspektive als bei einer<br />

Innenperspektive. Innenweltdarstellung aus der Position der Außenperspektive hat die Form<br />

des Gedankenberichts von seiten eines allwissenden Erzählers. Ein peripherer Ich-Erzähler<br />

muß seine Kenntnis der Gedanken anderer Figuren vor dem Leser motivieren. Die Formen<br />

der Innenweltdarstellung aus der Innenperspektive sind der innere Monolog, die erlebte<br />

Rede und überhaupt die personale Erzählsituation.<br />

Die Opposition ”Modus” drückt den Gegensatz zwischen der Vermittlung durch eine<br />

Erzählerfigur und der Vermittlung durch eine Reflektorfigur aus. Eine Erzählerfigur ist sich immer<br />

bewußt, daß sie erzählt; sie hat oft ein persönliches Verhältnis zum Leser, versucht dessen<br />

Sympathien zu lenken und kommentiert hin und wieder ihr eigenes Erzählen. Eine<br />

Reflektorfigur spiegelt Vorgänge der fiktionalen Welt in ihrem Bewußtsein, sie erzählt nicht und<br />

sie weiß nichts von einem Leser. Der Leser bekommt den Eindruck, daß er die Romanwelt<br />

unmittelbar durch den Reflektor erlebt. Ich-Erzähler können entweder Erzählerfiguren (das<br />

erzählende Ich steht im Zentrum) oder Reflektorfiguren (das erlebende Ich steht im Zentrum)<br />

5 Stanzel 2001 S. 95<br />

6 Stanzel 2001 S. 244<br />

7 Stanzel 2001 S. 270

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