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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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Wahrnehmung und Beschreibung von Außenwelt fungiert” 100 , also auch von ihm wird die<br />

Wiedergabe von Bewußtseinsprozessen bei neutralem Erzählen abgelehnt.<br />

Gehen wir nun zu Petersens Auffassung von neutralem Erzählen zurück. Unterscheidet sie<br />

sich auf irgendeine Weise von dem, was der Terminus ”neutral” in dem modifizierten<br />

Stanzelmodell bezeichnet? Ja, wenigstens eins fällt direkt auf: Petersen meint, daß Innensicht<br />

bei einem neutralen Erzählverhalten sehr wohl möglich sei, während Genette und etwas<br />

weniger deutlich auch Vogt ja das Gegenteil behaupten.<br />

5. Der Begriff ”neutral”/”externe Fokalisierung” - weitere Untersuchung<br />

5.1 Vorbemerkungen<br />

Die Erzähltheoretiker, auf die ich mich in dieser Untersuchung berufe, sind sich ziemlich einig<br />

über die charakteristischen Merkmale auktorialen Erzählens, und niemand stellt dessen<br />

Existenz in Frage oder findet die Begriffsklasse überflüssig. Dasselbe gilt mit einiger<br />

Einschränkung für personales Erzählen. Ganz anders verhält es sich mit neutralem<br />

Erzählverhalten, wie schon im vorigen Kapitel deutlich wurde. Stanzel hat bekanntlich diese<br />

Kategorie in seinen späteren Werken aus seinem System entfernt. Cohn hat keine neutrale<br />

Erzählsituation in ihrem modifizierten Stanzelmodell. Für Vogt ist neutrales Erzählverhalten eine<br />

Variante personalen Erzählverhaltens. Nur Petersen und Genette haben neutrales Erzählen (in<br />

Genettes Terminologie ”externe Fokalisierung”) als eigenständige Kategorie in ihren<br />

narratologischen Modellen, aber ihre Definitionen von dem Begriff unterscheiden sich<br />

teilweise. Neutrales Erzählverhalten kann also als eine etwas problematische Kategorie<br />

betrachtet werden, und aus diesem Grund werde ich in diesem Kapitel die verschiedenen<br />

Definitionen genauer prüfen und die Ergebnisse diskutieren.<br />

5.2 Petersen: neutrales Erzählverhalten<br />

Am Anfang des Kapitels ”Erzählverhalten” in seinem Buch ”Erzählsysteme” definiert Petersen<br />

kurz diesen Begriff: ”’Erzählverhalten’ faßt in erster Linie das Verhalten des Narrators zum<br />

Erzählten, und zwar nicht im Sinne einer Wertung, sondern im Sinne der Präsentation der<br />

Geschichte.” 101 Auktoriales Erzählverhalten bedeutet, daß der Erzähler das Geschehen<br />

beherrscht und überblickt, es jederzeit kommentieren und sich überall einmischen kann. Bei<br />

personalem Erzählverhalten erzählt der Narrator aus der Perspektive einer Figur oder<br />

mehrerer Figuren. Neutrales Erzählen ”bildet sozusagen die Nullstelle im Koordinatensystem<br />

der Verhaltensweisen des Erzählers” 102 , schreibt Petersen. Bei neutralem Erzählen spreche<br />

der Erzähler ”weder aus der Sicht der Figuren noch aus seiner eigenen.” 103 Schauen wir uns<br />

dieses letzte Zitat etwas näher an: Nicht aus der Sicht der Figur wird also gesprochen und<br />

100 Vogt 1998 S. 55<br />

101 Petersen 1993 S. 68<br />

102 Petersen 1993 S. 74<br />

103 Petersen 1993 S. 76-77

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