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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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Ende.) oder in Sympathielenkungen, meint Stanzel. Ein wichtiges Element auktorialen<br />

Erzählens ist laut Stanzel auch die Kommentarfunktion des Erzählers.<br />

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist Petersens wiederholte Kritik an Stanzel, weil<br />

dieser auktoriales Erzählen mit der Außenperspektive verknüpft. Außenperspektive in<br />

Stanzels Terminologie bedeutet der Blick von außen überall hin, auch in das Innere der<br />

Figuren. Über ”Perspektive” schreibt Stanzel in ”Theorie des Erzählens” an einer Stelle:<br />

”Innenperspektive hat notwendigerweise eine Beschränkung des Wissenhorizontes [...] der<br />

Erzähler- oder Reflektorfigur zur Folge. Allwissenheit eines Erzählers [...] setzt häufig die<br />

Außenperspektive eines auktorialen Erzählers von seinem olympischen Standort voraus.” 91<br />

Und etwas weiter voran im Text kann man lesen: ”Die der Außenperspektive entsprechende<br />

Form der Innenweltdarstellung ist ein Allwissenheit voraussetzender Gedankenbericht eines<br />

auktorialen Erzählers.” 92 Petersen scheint Stanzels Begriff mißverstanden oder mit seinem<br />

eigenen Begriff ”Außensicht” verwechselt zu haben. Außensicht bei Petersen heißt, daß die<br />

Figuren nur von außen gesehen und beschrieben werden. Petersen kommentiert Stanzels<br />

Außenperspektive u.a. auf folgende Weise: ”Die auktoriale ES verknüpft Stanzel fest mit<br />

einer ’Außenperspektive’, die der ’Innenperspektive’ gegenüberliegt. Daran wird man sich<br />

zunächst nicht stoßen, wohl aber daran, daß er die Außenperspektive ihrerseits fest mit der<br />

Eigenschaft der ’omniscience’ zusammenbindet. Denn ein von außen auf das Geschehen<br />

blickender Narrator besitzt deshalb noch keineswegs den totalen Überblick über das<br />

Geschehen. Wirkliche ’omniscience’ ist nämlich nur erreichbar, wenn Innensicht gerade nicht<br />

ausgeschlossen bleibt; denn ein Narrator, der nur das Äußere der Figuren kennt, ist wahrhaftig<br />

nicht allwissend.” 93 Stanzel hat nie gesagt, daß Außenperspektive Innensicht ausschließen<br />

sollte. Hier tadelt Petersen also Stanzel für etwas, was Stanzel gar nicht behauptet hat.<br />

Petersen und Stanzel scheinen, trotz Petersens scharfer Kritik an Stanzel betreffs der<br />

Außenperspektive, ziemlich Ähnliches unter dem Begriff ”auktorial” zu verstehen. Stanzel<br />

hebt zwar besonders das eigentlich unbegrenzte Potential seines auktorialen Erzählers hervor<br />

(sein Blick kann alle Räume, alle Zeiten und alle Personen von innen und außen fassen),<br />

während Petersen über dergleichen nirgendwo in seinem Buch ”Erzählsysteme” direkt spricht.<br />

Er behauptet nur, daß hier die Sehweise des Erzählers dominiert, aber ohne näher darauf<br />

einzugehen. Petersen seinerseits akzentuiert stärker als Stanzel die kommentierende Funktion<br />

des auktorialen Erzählers. Der größte prinzipielle Unterschied besteht wahrscheinlich darin,<br />

daß Petersen der Meinung ist, daß auch ein Ich-Erzähler ein auktorialer Erzähler sein kann,<br />

während Stanzel in seinem Modell ja die Ich-Erzählsituation der auktorialen (und personalen)<br />

Erzählsituation gegenüberstellt.<br />

4.3 Der Begriff ”neutral” bei Petersen und in einem modifizierten Stanzelmodell<br />

Das neutrale Erzählverhalten bei Petersen ist hier schon kurz angesprochen worden. Das<br />

wichtigste Merkmal ist wohl, daß dabei weder aus der Sicht des Narrators noch aus der Sicht<br />

91 Stanzel 2001 S. 170<br />

92 Stanzel 2001 S. 172<br />

93 Petersen 1993 S. 159

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