I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky
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Begriffsbestimmung habe finden können. Außerdem stellt keiner von ihnen eindeutige<br />
Verknüpfungen zwischen dem Erzählerbericht und einem bestimmten Erzählverhalten her.<br />
”Erzählerbericht” bedeutet aber auch in den Schemen in 3.8 genau das, was in der Definition<br />
in Teilkapitel 3.1 ausgesagt wird.<br />
4. Vergleiche einiger narratologischer Begriffsdefinitionen<br />
4.1 Vorbemerkungen<br />
Um einen ersten konkreten Schritt in meiner Untersuchung vom Erzählverhalten in ”Effi Briest”<br />
zu tun, habe ich mich entschlossen, verschiedene Definitionen von zwei zentralen<br />
narratologischen Begriffen einander gegenüberzustellen. Es handelt sich um die Begriffe<br />
”auktorial” und ”neutral”. Das Erzählverhalten in ”Effi Briest” wird von den zwei<br />
Erzähltheoretikern Franz K. Stanzel und Jürgen H. Petersen ganz unterschiedlich beurteilt und<br />
zwar so, daß Stanzel es als vorwiegend auktorial betrachtet, während Petersen es als<br />
hauptsächlich neutral einstuft. (Im Kapitel ”Erzähltheoretische Kommentare zu ’Effi Briest’”<br />
werden verschiedene erzähltheoretische Einschätzungen und Bemerkungen zu ”Effi Briest”<br />
eingehender dargestellt.) Auf Grund dieser auffallenden Diskrepanz der Beurteilungen ist es<br />
von Interesse, Näheres über die jeweiligen Definitionen dieser zwei Begriffe zu erfahren.<br />
4.2 Der Begriff ”auktorial” bei Petersen und bei Stanzel<br />
Ein auktoriales Erzählverhalten bedeutet für Petersen, daß die Sehweise des Erzählers<br />
vorherrscht. Was er aber vor allem in seinem Buch ”Erzählsysteme” bei diesem<br />
Erzählverhalten betont, ist die Kommentarfunktion des Erzählers. ”Verhält sich der Narrator<br />
auktorial, so bringt er sich selbst ins Spiel, indem er das erzählte Geschehen keineswegs auf<br />
sich beruhen läßt, sondern eigene Meinungen, zusätzliche Überlegungen, Kommentare, also<br />
eine Subjektivität wirksam werden läßt. [Welcher Art diese Stellungnahmen sind, bleibt dabei<br />
offen; dergleichen erfaßt die Kategorie der Erzählhaltung.] Aber daß das epische Medium sich<br />
überhaupt einmischt, bezeichne ich - hier durchaus in etwa Stanzel folgend - als auktoriales<br />
Erzählverhalten.” 90 So schreibt Petersen am Anfang des Kapitels ”Erzählverhalten”. Weiter<br />
behauptet er, daß nicht nur ein Er-Erzähler, sondern genausogut ein Ich-Erzähler sich auktorial<br />
verhalten kann.<br />
Im Teilkapitel ”Zusammenfassung von Stanzels Theorie” habe ich Stanzels auktoriale<br />
Erzählsituation kurz beschrieben. Hier dann noch kürzer: Stanzel sieht die Außenperspektive<br />
als wichtigstes Merkmal auktorialen Erzählens und das bedeutet, daß der Erzähler außerhalb<br />
der Welt der Charaktere steht und daß sein Blickwinkel deshalb weder raum-zeitlich noch<br />
psychologisch eingeschränkt wird. Wenn der Erzähler diese unbegrenzten Möglichkeiten in<br />
den konkreten Texten trotzdem nicht alle ausnutzt, hat dieses seine Erklärung in z.B. der<br />
sogenannten Erzählökonomie (Wenn man wirklich alles erzählt, nimmt die Erzählung kein<br />
90 Petersen 1993 S. 68