I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky
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Vorliebe auf das Instrument der erlebten Rede zurückgreift.” 39<br />
Die direkte Rede wird von Genette keinem Fokalisierungstyp direkt zugeordnet. Ein Grund<br />
dafür könnte sein, daß Genette wie Stanzel, den Dialog als corpus alienum in erzählender<br />
Prosa betrachtet. Er sagt es zwar nicht so deutlich wie Stanzel, aber manche Textstellen<br />
deuten in diese Richtung, z.B. diese: ”[D]enn zufällig sind die Fragen des Modus im engeren<br />
Sinne des Wortes am charakteristischsten für den narrativen Modus im weiten Sinne und es<br />
ist auch die, in denen sich - da die Erzählung fast immer eine Mischform ist - der Gegensatz<br />
zwischen den rein narrativen Aspekten der Erzählung (Diegesis) und, durch den Dialog, ihren<br />
dramatischen Aspekten (Mimesis im Platonischen Sinn) noch einmal im Kleinen, gleichsam en<br />
abyme ausprägt.” 40 Oder eine andere Stelle, wo die direkte Rede besprochen wird: ”Der<br />
Erzähler erzählt den Satz des Helden nicht, und auch daß er ihn nachahmt, ist eigentlich zuviel<br />
gesagt: er kopiert ihn einfach, und insofern kann man hier nicht von Erzählung sprechen.” 41<br />
Der Erzählerkommentar kann wohl kaum anders als auktorial bzw. nicht-fokalisiert betrachtet<br />
werden, aber es kann trotzdem interessant sein zu sehen, wie der jeweilige Literaturforscher<br />
die Sache formuliert. Genette äußert sich dazu u.a. auf diese Weise: ”Die extra-narrativen<br />
Funktionen treten stärker im ’narratorialen’ oder, wie wir ihn nennen würden, nicht-fokalisierten<br />
Typ auf: eine strenge Fokalisierung, ob intern wie in The Portrait of the Artist oder extern wie<br />
bei Hemingway schließt im Prinzip jede Einmischung des Erzählers aus, der sich darauf<br />
beschränkt, zu erzählen, ja sogar so tut, um die alte Formel aufzugreifen, als erzählte die<br />
Geschichte sich selber; der kommentierende Diskurs ist eher das Privileg des ’allwissenden’<br />
Erzählers.” 42<br />
3.3 Stanzels Erzählsituationen und die narrativen Sprechweisen<br />
Der Übersichtlichkeit wegen kommt hier zuerst ein kurzer Rückblick auf Stanzels Definitionen<br />
von seinen drei typischen Erzählsituationen: ”Ich-Erzählsituation” - der Erzähler ist Charakter<br />
der fiktionalen Welt der Romanfiguren. ”Auktoriale Erzählsituation” - der Erzähler steht<br />
außerhalb der Welt der Romanfiguren. ”Personale Erzählsituation” - hier tritt an die Stelle des<br />
Erzählers ein Reflektor. Der Leser blickt mit den Augen dieser Reflektorfigur auf die fiktionale<br />
Welt.<br />
Die Ich-Erzählung lasse ich hier aus, weil sie im Gegensatz zu den anderen Erzählsituationen<br />
die Kategorie ”Person” als Hauptkriterium hat und daher als solche keine bestimmte<br />
Beziehung zu den narrativen Sprechweisen hat.<br />
Nach Stanzels Auffassung ist der Roman keine einheitliche Gattung ”sondern eine Mischform<br />
aus diegetisch-narrativen und mimetisch-dramatischen Teilen.” 43 Er teilt dabei die<br />
verschiedenen Sprechweisen in vorzugsweise narrative und hauptsächlich dramatische<br />
39 Genette 1998 S. 227<br />
40 Genette 1998 S. 219<br />
41 Genette 1998 S. 121<br />
42 Genette 1998 S. 279<br />
43 Stanzel 2001 S. 94