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I Allgemeine Erzähltheorie - Bodil Zalesky

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Stanzelkritik, die er für die wichtigsten hält, folgendermaßen zusammen: ”eine erste, die<br />

Stanzels Typenbildung als analytisch unzureichend tadelt, eine zweite, die im Rahmen dieser<br />

Typologie Veränderungen vorschlägt, und eine dritte, die ihre Einbettung in eine<br />

übergreifende historische Dimension einklagt.” 19<br />

Vogt geht auch näher auf diese Positionen der Kritik ein und wählt dabei Gérard Genette zum<br />

Vertreter der ersten Gruppe. Genette meint, daß Stanzel vor allem synthetisch vorgehe und<br />

daß sein Modell mit den Erzählsituationen auf eine Anzahl empirischer Beobachtungen von<br />

einzelnen Erzählwerken baue und nicht auf eine präzise Zerlegung der Bausteine der<br />

Erzähltexte. Seiner Meinung nach ist die Grundidee mit den typischen Erzählsituationen sehr<br />

fruchtbar. Wenn Stanzel aber aus diesen Erzählsituationen ein System mit Hilfe der drei<br />

Kategorien ”Person”, ”Modus” und ”Perspektive” zu konstruieren versucht, findet er das<br />

weniger überzeugend. U.a. halte er, meint Vogt, die Kategorie der Perspektive nicht für<br />

ebenbürtig mit den zwei anderen. Vogt schreibt dazu genauer: ”Im Blick auf Stanzel bewertet<br />

er [Genette], [...], Person, Modus als grundlegend, die Kategorie der Perspektive als eher<br />

sekundär.” 20<br />

Als repräsentativ für die zweite kritische Position betrachtet Vogt die amerikanische<br />

Germanistin Dorrit Cohn. Sie hat eine hohe Wertschätzung von Stanzels Werk und hat sich<br />

viel mit seinen erzähltheoretischen Ideen beschäftigt. Was sie aber besonders bemängelt,<br />

ist die Perspektivenachse in Stanzels Modell. Sie meint, daß Außenperspektive mit<br />

auktorialer Erzählhaltung zusammenfalle und Innenperspektive mit personaler. In ihrem<br />

”modifizierten Stanzelsystem” gibt es also nur die zwei Achsen der Person und des Modus.<br />

Weiterhin betont sie stärker als Stanzel den Unterschied zwischen den zwei Haupttypen von<br />

Ich-Erzählungen, d.h. den Unterschied zwischen Ich-Erzählungen, wo aus der Sicht des<br />

”erlebenden Ich” erzählt wird und solchen, wo das ”erzählende Ich” die Optik bestimmt.<br />

Die dritte kritische Position läßt Vogt Robert Weimann, Anglist und Literaturtheoretiker aus der<br />

DDR, vertreten. Wie Cohn und Genette hält Weimann Stanzels Typologie für sehr gut<br />

verwendbar für z.B. Romaninterpretationen, aber er bemängelt wie sie die theoretischsystematische<br />

Seite der Arbeit. Als Marxist findet Weimann außerdem, daß Stanzels Modell<br />

sich zu wenig mit der geschichtlichen Entwicklung der Literatur befasse.<br />

Zusammenfassend könnte man hier behaupten, daß die Kritik an Stanzels Typologie, so wie<br />

Vogt sie in ”Aspekte erzählender Prosa” darstellt, hauptsächlich darin besteht, daß man meint,<br />

sie sei kein eigentliches System und daß sie theoretisch unzureichend untermauert sei. Vor<br />

allem wird die Art wie Stanzel die drei typischen Erzählsituationen mit den Kategorien<br />

”Person”, ”Modus” und ”Perspektive” kombiniert, als wenig einleuchtend angesehen.<br />

2.3 Gérard Genettes Kritik<br />

Wie oben schon erwähnt, beurteilt Genette einerseits Stanzels Idee mit den drei typischen<br />

19 Vogt 1998 S. 84<br />

20 Vogt 1998 S. 85

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