Die Neue Hochschule Heft 1/2022
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Employability und Bildung
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12 EMPLOYABILITY UND BILDUNG DNH 1 | <strong>2022</strong><br />
„Studierende müssen in der Lage sein, auf der Basis von<br />
Analysen und Evaluationen Zukunftsbilder zu entwickeln sowie<br />
Werte, Prinzipien und Ziele zu diskutieren und reflektieren, um<br />
selbst Transformationsprozesse gestalten zu können.“<br />
Werthaltung gemäß soll ein Studium daher auch eher<br />
Ausbildungscharakter aufweisen; und jeder Lehrende<br />
kennt und fürchtet die „Killerfrage“, sobald eine<br />
Theorie vermittelt werden muss, die nicht unmittelbar<br />
anschlussfähig an Aufgaben der Praxis erscheint:<br />
„Was kann man damit machen?“ Auf diese Weise<br />
wird für Lehrende die Frage, was einzelne Studieninhalte<br />
zur Beschäftigungsbefähigung beitragen<br />
und warum die theoretischen Anteile für die spätere<br />
Tätigkeit wertvoll sind, zum wichtigen Prüfstein<br />
und gleichsam zur zweiten Natur. Unter Umständen<br />
werden sogar Employability-Strategien für einzelne<br />
Studiengänge erstellt. <strong>Die</strong>s führt dazu, dass Lehrende<br />
ihren Lehrerfolg daran festmachen, wie nutzbringend<br />
ihre Absolventinnen und Absolventen auf<br />
dem Arbeitsmarkt sind. Studierende hingegen sind<br />
durch die Währung der Leistungspunkte, hinterlegt<br />
mit Workload, zunächst in ihrem Studium getaktet.<br />
Erfolg im Studium misst sich an den erreichten Leistungspunkten<br />
und nicht am Bildungsniveau.<br />
Zweck eines Hochschulstudiums, vor allem im<br />
Feld der HAW, ist somit die Erreichung einer Berufsbefähigung.<br />
Institutionell gedacht kann ein Studium<br />
an einer HAW niemals Bildung als reinen Selbstzweck<br />
vermitteln, dafür ist diese zu stark in äußere<br />
Rahmung und ein gesellschaftliches Gefüge eingebunden.<br />
<strong>Die</strong> Frage, die sich stellt, ist allerdings, ob<br />
die Beschäftigungsfähigkeit der oberste Zweck von<br />
Hochschulbildung sein kann. Oder anders gesagt:<br />
Sollen die Absolventinnen und Absolventen nur<br />
beschäftigt sein, oder zu welcher Art Nutzen sollen<br />
sie ihre Kompetenzen einsetzen können?<br />
Kontingenzbeschleunigung – Wie richten<br />
sich <strong>Hochschule</strong>n aus?<br />
<strong>Hochschule</strong>n stehen, nicht zuletzt durch den Digitalisierungsschub<br />
der Corona-Pandemie, vor der<br />
Herausforderung, sich in der Bildungslandschaft zu<br />
positionieren und einen Beitrag dazu zu leisten, die<br />
Transformationsherausforderungen der Zukunft zu<br />
gestalten. <strong>Die</strong>se Profilbildung ist für <strong>Hochschule</strong>n<br />
für angewandte Wissenschaften derzeit besonders<br />
relevant, betrachtet man den Diskurs im Spannungsfeld<br />
zwischen dualen <strong>Hochschule</strong>n und Universitäten<br />
und damit die Frage nach der Praxisorientierung<br />
einerseits und der Debatte um das Promotionsrecht<br />
und damit einer wissenschaftlichen Ausrichtung<br />
andererseits.<br />
<strong>Die</strong> aktuelle Analyse des Centrums für <strong>Hochschule</strong>ntwicklung<br />
CHE zeigt auf, dass die Anzahl<br />
der Studiengänge an deutschen <strong>Hochschule</strong>n einen<br />
neuen Höchststand erreicht hat. Insgesamt hat das<br />
Studienangebot zwischen 2016 und 2021 um rund<br />
2.500 Angebote, d. h. um ca. 14 Prozent, zugenommen.<br />
<strong>Die</strong> in absoluten Zahlen größten Zuwächse<br />
entfallen auf die Fachhochschulen/HAW. Bei der<br />
inhaltlichen Betrachtung zeigt sich, dass nur noch<br />
jedes fünfte seit 2020 neu entstandene Studienangebot<br />
auf ein einziges Fach zugeschnitten ist.<br />
Stattdessen sind u. a. themenzentrierte oder spezialisierte<br />
Studiengänge zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit<br />
im Trend. Viele Studienangebote (40,8<br />
Prozent) beinhalten Teilbereiche von wissenschaftlichen<br />
Disziplinen bzw. die Anwendung einer Disziplin<br />
auf ein bestimmtes Anwendungsfeld oder verbinden<br />
verschiedene Disziplinen miteinander bis hin zur<br />
vollständigen Auflösung des disziplinären Bezugs.<br />
Schlagwörter wie Management, digital, Psychologie<br />
und Nachhaltigkeit/Sustainability sind vermehrt<br />
bei neuen Studienangeboten zu finden (Hachmeister<br />
2021).<br />
<strong>Hochschule</strong>n versuchen also, auf Umweltveränderungen<br />
zu reagieren und den komplexeren Anforderungen<br />
einer sich in Transformation befindlichen<br />
Gesellschaft gerecht zu werden. <strong>Die</strong> Rahmenbedingungen,<br />
Strukturen und auch wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse verändern sich in dieser Transformation<br />
jedoch so schnell, dass durch diese Kontingenzbeschleunigung<br />
möglicherweise ein neues Bildungserfordernis<br />
entsteht – Ausbildung allein erscheint<br />
nicht mehr genug. Einerseits deshalb, weil die eben<br />
noch gelernten und einstmals festgefügten Wissensbestandteile<br />
(etwa im Feld der Automobilindustrie)<br />
entwertet und durch neue Entwicklungen verdrängt<br />
wurden. Andererseits, weil nicht ein neues Wissen<br />
an die Stelle des Alten tritt, sondern vielmehr Fähigkeiten<br />
gefordert werden, den Wandel zu gestalten.<br />
„Changemaker“, die souverän zwischen Berufsbildern<br />
wechseln und neue Bilder zusammensetzen<br />
können, sind gefragt, gleichsam also die philosophischen<br />
Köpfe, welche neues Wissen synthetisieren<br />
können, statt sich in immer feineren Analysen<br />
zu ergehen. Und zur Employability: In Zeiten der<br />
Kontingenzbeschleunigung stellt sich die Frage, auf<br />
welches Berufsziel Studierende denn vorbereitet<br />
werden sollen, wenn nicht auf das des Wandels.<br />
Vor dem Hintergrund der zweiten „Großen Transformation“‘<br />
reichen die im Employability-Konzept