02.02.2022 Aufrufe

procontra Recht 2022

Die wichtigsten Artikel für Versicherungsmakler:innen von der Kanzlei Michaelis in unserer Sonderausgabe

Die wichtigsten Artikel für Versicherungsmakler:innen von der Kanzlei Michaelis in unserer Sonderausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FINANZEN<br />

THEMA RECHT<br />

KRISEN-<br />

JAHR<br />

2021<br />

Die wichtigsten Artikel für<br />

Versicherungsmakler:innen<br />

von der Kanzlei Michaelis<br />

in unserer Sonderausgabe<br />

Verlags-Sonderveröffentlichung in Kooperation mit:


<strong>Recht</strong><br />

Wir schaffen innovative und nachhaltige Versicherungskonzepte<br />

KAB – Ihr Partner seit 1999<br />

Der<br />

Maklerpool<br />

an Ihrer<br />

Seite<br />

Volker Kropp, Geschäftsführer<br />

Klaus Bosle, Geschäftsführer<br />

Die KAB Maklerservice GmbH besteht seit 1999 und<br />

ist als Konzeptschmiede schwerpunktmäßig im Bereich Komposit erfolgreich tätig.<br />

Diverse Produktauszeichnungen bestätigen dies.<br />

Den Service der KAB stellen, neben 29 Innendienstmitarbeitern,<br />

auch regional tätige Maklerbetreuer sicher.<br />

Zeitschrift Cash: wachstumsstärkster Maklerpool 2015<br />

Persönliche Ansprechpartner und<br />

KAB-Maklerbetreuer<br />

Kostenloses KAB Maklerverwaltungsportal<br />

mit Angebotsrechner und Schnittstellen<br />

Kostenlose Sachvergleichsrechner<br />

(Gewerbe und Privat)<br />

Kostenloser KFZ-NAFI-Vergleichsrechner<br />

inklusive Kleinflottenrechner mit TOP KAB<br />

Sondervereinbarungen<br />

KFZ Rahmenvereinbarungen Oldtimer,<br />

hochwertige Fahrzeuge, Flotten<br />

Bestandsübertragungstool (online mit nur<br />

3 Klicks) bei mehr als 100 Gesellschaften<br />

Sonderkonzepte / Rahmenvereinbarungen<br />

in den Bereichen:<br />

- Privat: Hausrat, Haftpflicht, Unfall,<br />

Wohngebäude, etc.<br />

- Gewerbe: alle Gewerbe, Hausverwalter;<br />

Heilwesen; etc.<br />

Portfolio Umdeckungsvereinbarungen /<br />

Einzelverträge 1:1 und oder Komplett-Bestände<br />

(Privat + Gewerbe)<br />

Reiseversicherungsportal<br />

Pflegeversicherungsportal und<br />

kostenfreier Top-Pflegevergleichsrechner<br />

Krankenportal & Vorsorge mit integrierten<br />

Vergleichsrechnern KV-Zusatz<br />

Top Courtagezusagen mit<br />

wöchentlicher Abrechnung<br />

KAB-Makler-App mit Übersicht der<br />

Kunden und Verträge<br />

2<br />

www.kab-maklerservice.de<br />

Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

Inhalt<br />

1. Die „Bayerische Lösung“ für die Betriebsschließungsversicherung auf dem Prüfstand geltenden <strong>Recht</strong>s<br />

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski<br />

2. Der Widerruf der Erlaubnis für Versicherungsmakler und Erfolgschancen beim Vorgehen dagegen<br />

RA Stephan Michaelis, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht, & RA Daniel Schönfelder<br />

3. Variable Vergütung im Arbeitsrecht<br />

RA Dr. Jan Freitag, Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

4. Konkrete Handlungsempfehlungen zur Off-VO („Nachhaltigkeits-VO“) und die Fra-gen zur Vermeidung der Maklerhaftung bei<br />

Versicherungsanlageprodukten<br />

RA Stephan Michaelis, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht, & RA Oliver Timmermann<br />

5. Die Haftung bei Insolvenzverschleppung nach der Neuregelung in § 15b Insolvenzordnung<br />

RA Dr. Robert Boels, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht<br />

6. Maklerpflicht auch Direktversicherungen zu berücksichtigen?<br />

RA Stephan Michaelis, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht<br />

7. Die Betriebsschließungsversicherung: Anmerkung zum Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.02.2021 – 7 U 351/20<br />

RA Lars Krohn, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht<br />

8. Verpflichtet Krebs zur Aufgabe des Unternehmens? – Zur abstrakten Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

RAin Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht<br />

9. Corona-Schutzimpfung und Arbeitsrecht<br />

RAin Sarah Kolß<br />

10. Wettbewerbsverbote des Geschäftsführers<br />

RA Dr. Robert Boels, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht<br />

11. Ein kurzer Leitfaden für die Elementarversicherung<br />

RAin Lea Siegmund<br />

12. Abmahnwelle für vermeintlich fehlerhafte Maklerhomepages<br />

Dipl.-Jur. Fabian Kosch<br />

13. Warum Versicherungsleistungen gegenüber Unternehmern mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind<br />

RA Boris-Jonas Glameyer, Fachanwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht und<br />

RA Valerie Schreiber<br />

4<br />

16<br />

20<br />

22<br />

32<br />

34<br />

36<br />

38<br />

40<br />

42<br />

44<br />

46<br />

48<br />

Impressum<br />

Verlags-Sonderveröffentlichung der<br />

Alsterspree Verlag GmbH<br />

in Kooperation mit der Kanzlei<br />

Michaelis <strong>Recht</strong>sanwälte<br />

Postanschrift Verlag:<br />

Kurfürstendamm 173/174<br />

10707 Berlin<br />

Telefon: +49 (0)30 232 56 27 00<br />

www.alsterspree.de<br />

Adresse Kanzlei Michaelis:<br />

Glockengießerwall 2<br />

20095 Hamburg<br />

Telefon: +49 (0)40 888 88 777<br />

Fax: +49 (0)40 888 88 737<br />

www.Kanzlei-Michaelis.de<br />

Layout: Sabine Müller<br />

Lektorat: TextSchleiferei.de<br />

Coverbild: iStock / Ilja Burdun<br />

© 2021 Alle <strong>Recht</strong>e vorbehalten.<br />

Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste,<br />

Internet und Vervielfältigung<br />

auf Datenträger oder durch<br />

andere Verfahren (auch auszugsweise)<br />

nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung des Verlags.<br />

Sonderausgabe<br />

3


<strong>Recht</strong><br />

Die »Bayerische Lösung« für die Betriebsschließungs -<br />

ver sicherung auf dem Prüfstand des geltenden <strong>Recht</strong>s<br />

– TEXT: PROF. DR. HANS-PETER SCHWINTOWSKI –<br />

A. SACHVERHALTE UND FRAGESTELLUNGEN<br />

I. Sachverhalt<br />

1. März 2020: Vertriebsinformation im Internet<br />

Anfang März 2020 veröffentlichte die<br />

Versicherungskammer Bayern im Internet<br />

eine Vertriebsinformation unter dem Titel:<br />

„Corona-Virus-Versicherungsschutz in<br />

der Betriebsschließungsversicherung“.<br />

Darunter hieß es:<br />

„Wir informieren Sie heute über den<br />

aktuellen Stand zum Versicherungsschutz<br />

in der gewerblichen Betriebsschließungsversicherung<br />

Ihrer Bestandskunden, sowie<br />

zur Annahme von neuen Risiken.<br />

Corona-Virus im Deckungsumfang der<br />

bestehenden gewerblichen Betriebsschließungsversicherung<br />

enthalten<br />

Wir stellen den Corona-Virus ‚2019-<br />

nCoV‘ den in unseren Bedingungen für<br />

die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung<br />

[…] namentlich genannten<br />

Krankheitserregern gleich. Als Basis<br />

gilt die Verordnung vom 01.02.2020<br />

durch den Bundesminister für Gesundheit<br />

zur Erweiterung der Meldepflicht<br />

nach dem Infektionsschutzgesetz. Damit<br />

sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen<br />

auf Grund des neuartigen<br />

Corona-Virus in unserer gewerblichen<br />

Betriebsschließungsversicherung mitversichert.<br />

Ab sofort keine Annahme von Neuanträgen<br />

und Summenerhöhungen<br />

Wir bedauern, dass wir auf Grund der<br />

derzeitigen Lage keine neuen Anträge<br />

für gewerbliche Betriebsschließungsversicherungen<br />

annehmen und Angebote<br />

dafür abgeben. Diese Regelung gilt bis auf<br />

Weiteres. Wir informieren über etwaige<br />

Änderungen.“<br />

Diese Vertriebsinformation wurde von<br />

einigen weiteren Versicherern in ähnlicher<br />

Form öffentlich erklärt, jeweils unter Bezugnahme<br />

auf die geltenden AVB für die<br />

Betriebsschließungsversicherung. Teilweise<br />

haben VU ausgesuchte VN und/oder<br />

Vermittler in gleicher Weise (individuell)<br />

informiert.<br />

2. April 2020: Bayerisches Staatsministerium<br />

Am 03.04.2020 gab das Bayerische Staatministerium<br />

für Wirtschaft, Landesentwicklung<br />

und Energie eine Pressemeldung<br />

zur Corona-Pandemie (veröffentlicht im<br />

Internet) heraus. Dort hieß es:<br />

„Gute Nachrichten für Gaststätten und<br />

Hotels in Bayern, die zwar über eine<br />

Betriebsschließungsversicherung verfügen,<br />

deren Anwendbarkeit im Rahmen der Corona-Pandemie<br />

allerdings strittig ist. Das<br />

Bayerische Wirtschaftsministerium hat<br />

nun zusammen mit den Branchenverbänden<br />

und Versicherungsunternehmen eine<br />

Lösung ausgearbeitet. Die gemeinsame<br />

Empfehlung sieht vor, dass die Versicherer<br />

zwischen 10 und 15 Prozent der bei der<br />

Betriebsschließung jeweils vereinbarten<br />

Tagessätze übernehmen und an die Gaststätten<br />

und Hotels auszahlen.<br />

Diese Empfehlung wurde bisher von den<br />

folgenden Organisationen und Versicherungsunternehmen<br />

unterzeichnet:<br />

• Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft,<br />

Landesentwicklung und Energie<br />

• DEHOGA Bayern<br />

• Vereinigung der Bayerischen<br />

Wirtschaft e. V.<br />

• Versicherungskammer Bayern<br />

• Allianz<br />

• Die Haftpflichtkasse VVaG<br />

Weitere Unternehmen haben ihre Unterstützung<br />

bereits signalisiert.“<br />

3. April 2020: Versicherungskammer Bayern:<br />

Pressemitteilung<br />

Ebenfalls am 03.04.2020 hat auch die<br />

Versicherungskammer Bayern eine Pressemitteilung<br />

mit folgendem (verkürztem)<br />

Inhalt herausgegeben:<br />

„Die Corona-Pandemie stellt die deutsche<br />

Wirtschaft vor außerordentliche Herausforderungen<br />

[…] – die Hotel- und Gaststättenbetriebe<br />

sind wirtschaftlich sehr<br />

stark belastet. Die Betriebsschließungsversicherung<br />

findet in diesem Fall jedoch<br />

keine Anwendung. Die Betriebsschließungsversicherung<br />

ist für die Schließung<br />

eines Betriebs, in dem eine entsprechende<br />

Krankheit oder Krankheitserreger aufgetreten<br />

sind, konzipiert. Die Allgemeinverfügungen<br />

der Länder betreffen überwiegend<br />

Betriebe, die nicht von einem<br />

Infektionsfall betroffen sind. Auf eine vorsorgliche<br />

flächendeckende Schließung von<br />

Betrieben sind das Infektionsschutzgesetz<br />

und damit auch die Betriebsschließungsversicherung<br />

nicht ausgerichtet.<br />

Der Konzern Versicherungskammer<br />

nimmt in dieser Ausnahmesituation<br />

gesamtgesellschaftliche Verantwortung<br />

wahr. Unter Federführung mehrerer Versicherer<br />

[…] wurde heute eine gemeinsame<br />

Lösung mit der Bayerischen Staatsregierung<br />

[…] gefunden. […]<br />

Den Kunden der Versicherungskammer<br />

aus dem Hotel- und Gaststättenbereich,<br />

die eine Betriebsschließungsversicherung<br />

bei ihr abgeschlossen haben, zahlt die<br />

Versicherungskammer auf die verbleibenden<br />

durchschnittlichen Einbußen<br />

des Kunden von ca. 30 Prozent die<br />

Hälfte, d. h. 15 Prozent der vereinbarten<br />

Tagesentschädigung, für die Dauer der<br />

Versicherungshaftzeit. Die Zahlung der<br />

Versicherungskammer wird nicht auf die<br />

staatliche Unterstützung angerechnet.“<br />

4 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

4. Angebote an Versicherte: Bayerische Lösung<br />

Ausgehend von dieser mit der Bayerischen<br />

Staatsregierung, Verbänden und mehreren<br />

Versicherern vereinbarten „Bayerischen<br />

Lösung“ sind in der Folgezeit den<br />

Versicherten Angebote, zum Beispiel von<br />

der Allianz, zugegangen, die in der Regel<br />

folgenden Inhalt hatten:<br />

„In Ihrer Schadensmeldung teilen Sie uns<br />

mit, dass Ihr Betrieb auf Grund einer<br />

behördlichen Allgemeinverfügung zur<br />

Vermeidung einer weiteren Ausbreitung<br />

von COVID-19 zu schließen war […].<br />

Die Schließung erfolgte somit aus generalpräventiven<br />

Gründen und nicht, weil von<br />

Ihrem Betrieb eine unmittelbare Gefahr<br />

für die Gesundheit anderer ausgeht […].<br />

Diese […] Einschränkungen und die<br />

daraus entstehenden Einbußen für jeden<br />

Einzelnen und jedes Unternehmen sind<br />

über die Betriebsschließungsversicherung<br />

nicht versichert. Hinzu kommt, dass das<br />

Corona-Virus ein neuer Krankheitserreger<br />

ist, der nicht unter die versicherten, meldepflichtigen<br />

Krankheiten Ihrer Betriebsschließungsversicherung<br />

fällt. Der Katalog<br />

in § 1 Absatz 3 (der jeweiligen AVB) ist in<br />

Bezug auf die versicherten Krankheiten<br />

abschließend.<br />

Wir sind uns dessen bewusst, dass Sie<br />

gerade auch in einer solchen Situation auf<br />

alle nur denkbaren finanziellen Unterstützungen<br />

angewiesen sind. Obwohl wir<br />

Ihnen aus den o. g. Gründen gemäß den<br />

Versicherungsbedingungen keinen Versicherungsschutz<br />

bieten können, haben wir<br />

unter Einbeziehung staatlicher Stellen und<br />

Ihrer Interessenverbände, insbesondere<br />

des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands,<br />

der Vereinigung der Bayerischen<br />

Wirtschaft sowie des Gesamtverbands<br />

der Deutschen Versicherungswirtschaft,<br />

zahlreiche Gespräche geführt und eine<br />

gemeinsame Lösung gefunden […].<br />

Unser Angebot an Sie ist nun, auf den<br />

verbleibenden durchschnittlichen wirtschaftlichen<br />

Schaden von ca. 30 Prozent<br />

die Hälfte, d. h. konkret 15 Prozent der<br />

vereinbarten Tagesentschädigung für die<br />

Dauer der versicherten Schließungszeit<br />

(max. für 30 Tage) zu zahlen […].<br />

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass<br />

wir Sie nicht mit einer höheren Zahlung<br />

unterstützen können und Nachverhandlungen<br />

auch im Interesse einer Gleichbehandlung<br />

aller betroffenen Versicherungsnehmer<br />

nicht möglich sind.<br />

Aus den o. g. Gründen erfolgt die<br />

Zahlung ohne Anerkennung einer<br />

<strong>Recht</strong>spflicht und setzt voraus, dass Sie<br />

Frage 1<br />

Die im Folgenden zu klärenden Fragen<br />

lauten, ob die Versicherer, die ihren VN<br />

im April 2020 die „Bayerische Lösung“<br />

angeboten haben, mit ihnen wirksame<br />

Vergleichsverträge (§ 779 Absatz 1 BGB)<br />

geschlossen haben.<br />

Wenn ja, so würde die daraus resultierende<br />

weitere Frage lauten, ob diese Vergleiche<br />

durch die Vertriebsinformationen der<br />

Versicherer von Anfang März 2020 in<br />

ihrer rechtlichen Wirksamkeit mögim<br />

Nachhinein keine Ansprüche aus der<br />

Betriebsschließungsversicherung erheben.<br />

Insoweit dürfen wir Sie im Falle Ihres<br />

Einverständnisses um Rücksendung der<br />

anliegenden Erklärung bis spätestens drei<br />

Wochen ab Zugang des Angebots bitten<br />

(PDF mit Ihrer eingescannten Unterschrift<br />

ist ausreichend). Wir überweisen das Geld<br />

dann schnellstmöglich auf Ihr Konto.“<br />

In der anliegenden Erklärung, die für den<br />

VN vorbereitet war, hieß es:<br />

„Hiermit nehme ich Ihr Angebot … an.<br />

Mit der Zahlung in Höhe von […] (Tagesentschädigung<br />

[…] x 30 Tage x 15 %)<br />

sind alle Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung<br />

im Zusammenhang<br />

mit ‚Corona-Virus SARS-CoV-2/<br />

Covid-19‘ abschließend erledigt. Dies<br />

gilt auch für etwaige zukünftige Entwicklungen<br />

in direktem oder indirektem<br />

Zusammenhang mit ‚Corona-Virus<br />

SARS-CoV-2/Covid-19‘, z. B. erneute<br />

Verfügungen bzw. Anordnungen, auch<br />

bezüglich Ausbrüchen von Covid-19 oder<br />

Mutationen hiervon.“<br />

Es folgten eine Zeile für den Namen des<br />

VN, seine Bankverbindung und der Hinweis<br />

auf das Datum sowie die Unterschrift<br />

des VN. Eine Reihe von VN haben in der<br />

Vergangenheit diese „Bayerische Lösung“<br />

angenommen und 15 Prozent der vereinbarten<br />

Tagesentschädigung für 30 Tage<br />

ausgezahlt bekommen. Bei einem Teil der<br />

betroffenen VN hatten Versicherer allerdings<br />

Anfang März 2020 eine öffentliche<br />

oder eine individualisierte Vertriebsinformation,<br />

wie oben zitiert, abgegeben.<br />

II. Fragestellungen<br />

Die daraufhin zu klärenden Fragen lauten:<br />

1. ob ein Versicherer, der Anfang März<br />

2020 erklärt hat, dass „behördlich<br />

angeordnete Betriebsschließungen auf<br />

Grund des neuartigen Corona-Virus in<br />

der gewerblichen Betriebsschließungsversicherung<br />

mitversichert“ sind, rechtlich<br />

wirksam an der „Bayerischen Lösung“<br />

aus April 2020 teilnehmen konnte.<br />

2. ob die „Bayerische Lösung“ als solche<br />

rechtlich wirksam war und im bestmög<br />

li chen Interesse der VN lag oder ob<br />

Wirk sam keitshindernisse entgegenstehen,<br />

die ihren Bestand möglicherweise infrage<br />

stellen.<br />

3. ob ein Makler, der seinem Kunden zur<br />

Annahme der „Bayerischen Lösung“ geraten<br />

hat, für daraus resultierende Nachteile<br />

möglicherweise in Anspruch genommen<br />

werden kann.<br />

B. WICHTIGE RECHTSGRUNDLAGEN<br />

1. § 779 BGB „Vergleich“<br />

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder<br />

die Ungewissheit der Parteien über ein<br />

<strong>Recht</strong>sverhältnis im Wege gegenseitigen<br />

Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist<br />

unwirksam, wenn der nach dem Inhalt<br />

des Vertrags als feststehend zugrunde<br />

gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht<br />

entspricht und der Streit oder die Ungewissheit<br />

bei Kenntnis der Sachlage nicht<br />

entstanden sein würde.<br />

(2) Der Ungewissheit über ein <strong>Recht</strong>sverhältnis<br />

steht es gleich, wenn die Verwirklichung<br />

eines Anspruchs unsicher ist.<br />

2. § 123 BGB „Arglistige Täuschung“<br />

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung<br />

durch arglistige Täuschung oder<br />

widerrechtlich durch Drohung bestimmt<br />

worden ist, kann die Erklärung anfechten.<br />

3. § 124 BGB „Anfechtungsfrist“<br />

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 BGB<br />

anfechtbaren Willenserklärung kann nur<br />

binnen Jahresfrist erfolgen.<br />

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen<br />

Täuschung mit dem Zeitpunkt,<br />

in dem der Anfechtungsberechtigte die<br />

Täuschung entdeckt.<br />

4. § 1 a VVG „Vertriebstätigkeit des Versicherers“<br />

(1) Der Versicherer muss bei seiner<br />

Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern<br />

stets ehrlich, redlich und<br />

professionell in deren bestmöglichem<br />

Interesse handeln. Zur Vertriebstätigkeit<br />

gehören […]:<br />

4. Mitwirken bei Verwaltung und Erfüllung<br />

von Versicherungsverträgen, insbesondere<br />

im Schadensfall.<br />

(2) Alle Informationen im Zusammenhang<br />

mit der Vertriebstätigkeit […], die der<br />

Versicherer an Versicherungsnehmer […]<br />

richtet, müssen redlich und eindeutig sein<br />

und dürfen nicht irreführend sein.<br />

C. RECHTSWISSENSCHAFTLICHE BEWERTUNG<br />

DER „BAYERISCHEN LÖSUNG“<br />

Sonderausgabe<br />

5


<strong>Recht</strong><br />

licherweise berührt, vielleicht sogar<br />

unwirksam sind.<br />

I. Die Voraussetzungen für einen Vergleich nach<br />

§ 779 BGB<br />

1. Begriff des Vergleichsvertrages<br />

Der Begriff des Vergleichs ist in § 779 Absatz<br />

1 BGB legal definiert. Ein Vergleich<br />

ist ein Vertrag, durch den der Streit oder<br />

die Ungewissheit der Parteien über ein<br />

<strong>Recht</strong>sverhältnis im Wege gegenseitigen<br />

Nachgebens beseitigt wird. Aus dieser<br />

Legaldefinition folgt, dass es sich bei dem<br />

Vergleich um einen materiell-rechtlichen,<br />

genauer um einen schuldrechtlichen Vertrag<br />

handelt. 1 Wie jeder Vertrag kommt<br />

auch der Vergleichsvertrag durch Angebot<br />

und Annahme zustande. 2<br />

2. Keine Formvorschriften<br />

Der Vergleich als solcher ist nicht formbedürftig,<br />

kann somit auch mündlich geschlossen<br />

werden. 3 Soweit er formbedürftige<br />

Verpflichtungen oder Verfügungen<br />

enthält, sind die gesetzlichen Formvorschriften<br />

einzuhalten. 4 Im vorliegenden<br />

Fall geht es um etwaige Vergleichsverträge<br />

zwischen Versicherern und VN – insoweit<br />

sind keinerlei Formvorschriften weder im<br />

BGB noch im VVG vorgesehen.<br />

Dies bedeutet, zwischen den Versicherern,<br />

die ein Angebot im Sinne der „Bayerischen<br />

Lösung“ gemacht haben, und den<br />

VN, die ihn angenommen haben, könnte<br />

durch Austausch entsprechender, übereinstimmender<br />

Willenserklärung ein Vergleichsvertrag<br />

zustande gekommen sein.<br />

3. Streit oder Ungewissheit über<br />

ein <strong>Recht</strong>sverhältnis<br />

Ein Vertrag ist nur dann ein Vergleichsvertrag,<br />

wenn er darauf gerichtet ist, einen<br />

Streit oder die Ungewissheit der Parteien<br />

über ein <strong>Recht</strong>sverhältnis im Wege<br />

gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen.<br />

Der Begriff <strong>Recht</strong>sverhältnis ist weit zu<br />

fassen. 5 Gemeint sind <strong>Recht</strong>sverhältnisse<br />

jeder Art. 6 Im vorliegenden Fall geht es<br />

um Betriebsschließungsversicherungen,<br />

also um <strong>Recht</strong>sverhältnisse, die in der<br />

Form eines privaten Versicherungsvertrages<br />

entstanden sind. Versicherungsverträge<br />

zählen zu der Gattung der mehrseitigen<br />

<strong>Recht</strong>sgeschäfte. 7<br />

Im Rahmen dieser Versicherungsrechtsverhältnisse<br />

bestand zwischen den<br />

Parteien zumindest Ungewissheit darüber,<br />

ob der bestehende Versicherungsvertrag<br />

das Risiko der präventiven Betriebsschließung<br />

durch behördliche Allgemeinverfügungen<br />

mit Blick auf das Corona-Virus<br />

das Angebot auf Zahlung von 15 Prozent<br />

aus 30 Tagessätzen durch Unterschrift<br />

anzunehmen.<br />

Dies bedeutet, dass die Versicherer zwar<br />

behaupteten, „die Betriebsschließungsversicherung<br />

findet keine Anwendung“<br />

– Corona sei über die Betriebsschließungsversicherung<br />

nicht versichert, dass sie<br />

aber selbst daran offenbar nicht glaubten.<br />

Zwar sollte den Kunden offenbar suggeriert<br />

werden, es bestehe in diesen Fällen<br />

kein Versicherungsschutz, sodass es sich<br />

bei der Zahlung der Versicherer allenfalls<br />

um eine Kulanzzahlung (also um eine<br />

Schenkung) handeln würde.<br />

In einer solchen Situation hätten die Versicherer<br />

ohne Wenn und Aber die 15 Prozent<br />

an die Kunden ausgezahlt. Stattdessen<br />

verlangten sie von den Kunden eine<br />

Erledigungserklärung, und zwar mit einer<br />

Frist von drei Wochen, bezogen auf alle<br />

Ansprüche aus dem ersten Lockdown und<br />

auf alle weiteren Ansprüche aus einem<br />

möglicherweise in Zukunft drohenden<br />

weiteren Lockdown.<br />

Daraus folgt, dass die Versicherer in<br />

Wahrheit nicht sicher waren, dass keine<br />

Deckung im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung<br />

bestand. Um ihre<br />

Unsicherheit über die Frage ihrer Leistungspflicht<br />

ein für alle Mal zu beseitigen,<br />

boten sie die Zahlung von 15 Prozent<br />

innerhalb einer bestimmten Frist an. Ziel<br />

dieses Angebots war, ihre eigene Unsicherheit<br />

bei der Frage, ob die Betriebsschließungsversicherung<br />

Deckung gewährte<br />

oder nicht, zu beseitigen.<br />

Dass diese Einschätzung der Versicherer<br />

völlig berechtigt war, hat die Entwicklung<br />

seit April 2020 vielfältig belegt. Inzwischen<br />

sind Hunderte von Prozessen gegen<br />

Versicherer bei den Gerichten deutschlandweit<br />

anhängig. 8 In vielen Fällen ist<br />

den VN Deckungsschutz gewährt worden<br />

– daneben stehen vielfältige Vergleiche,<br />

die von den VU mit den VN geschlossen<br />

und in der Presse teilweise prominent<br />

dargestellt wurden.<br />

Im Ergebnis kann somit kein Zweifel<br />

daran bestehen, dass die Versicherer, die<br />

an der „Bayerischen Lösung“ mitwirkten,<br />

zwar behaupteten, es bestehe (objektiv) in<br />

der Betriebsschließungsversicherung keine<br />

Deckungsverpflichtung. Ob sie mit dieser<br />

Auffassung letztlich aber bei den Gerichten<br />

wirklich durchdringen würden, war<br />

und ist bis heute unsicher.<br />

Umgekehrt bestand aber auch für alle<br />

VN eine Ungewissheit darüber, ob die Betriebsschließungsversicherung<br />

Deckungsumfasste<br />

oder nicht. Es ging also nicht<br />

nur um moralische oder gesellschaftliche<br />

Verpflichtungen zwischen den Versicherern<br />

und den VN, sondern um die Frage,<br />

ob die Schließung des Betriebs durch<br />

behördliche Allgemeinverfügungen als<br />

Folge von Corona vom Versicherungsschutz<br />

umfasst war. Die Versicherer, die<br />

an der „Bayerischen Lösung“ mitwirkten,<br />

stellten sich auf den Standpunkt, dass sich<br />

der Deckungsschutz auf das in den AVB<br />

nicht namentlich genannte Corona-Virus<br />

nicht beziehe. Außerdem seien Betriebsschließungen<br />

in keinem Fall mitversichert,<br />

wenn sie vorbeugend behördlich verfügt<br />

wurden, etwa um Infektionsketten zu<br />

unterbrechen. Über eine Deckung im<br />

Rahmen der bestehenden Versicherungen<br />

könne überhaupt nur gesprochen werden,<br />

wenn die Schließung auf konkreten<br />

Krankheitsfällen im jeweiligen zu schließenden<br />

Unternehmen beruhte. Schließlich,<br />

ganz generell, erstrecke sich die Deckung<br />

der Betriebsschließungsversicherungen<br />

nicht auf Pandemien, sondern allenfalls<br />

auf punktuelle Infektionsereignisse, um<br />

die es bei Corona aber nicht gehe.<br />

Diese die gesamte Gesellschaft, einschließlich<br />

Wirtschaftsunternehmen, betreffenden<br />

Einschränkungen und die daraus<br />

entstehenden Einbußen für jeden einzelnen<br />

und jedes Unternehmen sind über<br />

die Betriebsschließungsversicherung nicht<br />

versichert. So formulierte es etwa die<br />

Allianz gegenüber ihren Kunden. Ähnlich<br />

formulierten alle anderen Versicherer, die<br />

an der „Bayerischen Lösung“ teilnahmen.<br />

In der Presseerklärung der Versicherungskammer<br />

Bayern hieß es etwa: „Die<br />

Betriebsschließungsversicherung findet in<br />

diesem Fall jedoch keine Anwendung.“<br />

Die Erklärung der Versicherer, es bestehe<br />

aus ihrer Sicht keine Leistungspflicht,<br />

erscheint aus der Perspektive eines<br />

außenstehenden Betrachters zunächst<br />

einmal objektiv. Tatsächlich waren die<br />

Versicherer aber unsicher darüber, ob ihre<br />

<strong>Recht</strong>sauffassung wirklich trägt. Andernfalls<br />

hätte es nahegelegen, nunmehr<br />

ihren Kunden gegenüber die Kulanzzahlung<br />

(15 Prozent von 30 Tagessätzen)<br />

zu veranlassen. Das allerdings taten die<br />

Versicherer nicht. Obwohl sie nach außen<br />

hin erklärten, es bestünde keine Deckung,<br />

verlangten sie von den Kunden, dass diese<br />

im Nachhinein keine Ansprüche aus der<br />

Betriebsschließungsversicherung erheben<br />

würden. Um insoweit völlig sicher<br />

zu gehen, forderten sie die Kunden auf,<br />

innerhalb einer Frist von drei Wochen<br />

6 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

triebsschließungsdeckungen vor Gerichten<br />

geführt worden sind. 11<br />

Aus der Perspektive der VU, die die „Bayerische<br />

Lösung“ entwickelt und/oder angeboten<br />

haben, bestand eine Ungewissheit<br />

über die Frage, ob die zugrunde liegenden<br />

AVB das Risiko der Betriebsschließung<br />

durch Corona-bedingte Maßnahmen abdeckten<br />

oder nicht. Die gleiche Ungewissheit<br />

herrschte und herrscht auch heute<br />

noch bei den betroffenen VN. Insoweit<br />

kann davon ausgegangen werden, dass die<br />

„Bayerische Lösung“ als solche darauf gerichtet<br />

war, die bestehende Ungewissheit<br />

über das Ob und das Wie der Betriebsschließungsdeckung<br />

zu beseitigen.<br />

4. Gegenseitiges Nachgeben<br />

Letzte Voraussetzung für einen Vergleichsvertrag<br />

ist das gegenseitige Nachgeben.<br />

Die Ungewissheit muss hinsichtlich der<br />

Anspruchsverwirklichung durch gegenseitiges<br />

Nachgeben beseitigt werden. 12<br />

Gegenseitigkeit im Sinne des § 779 BGB<br />

ist nicht in einem engen juristischen Sinne,<br />

sondern im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs<br />

zu verstehen. 13 Eine synallagschutz<br />

für die Schließungen im Rahmen<br />

des ersten Lockdowns durch das Corona-<br />

Virus abdeckten und ob der Deckungsschutz<br />

auch weitere Schließungsverfügungen<br />

(zweiter oder dritter Lockdown)<br />

umfassen könnte. Diese Ungewissheit<br />

bestand und besteht auch heute noch für<br />

alle betroffenen VN.<br />

Es geht bei der Ungewissheit um den<br />

subjektiven Standpunkt der Parteien. 9 Ob<br />

ein Dritter, zum Beispiel der BGH, die<br />

<strong>Recht</strong>slage eindeutig beurteilen könnte,<br />

ist insoweit unerheblich. Die objektive<br />

Ungewissheit ist für den Vergleich weder<br />

erforderlich noch ausreichend. Das folgt<br />

schon aus dem Wortlaut von § 779 Absatz<br />

1 BGB („Ungewissheit der Parteien“). Voraussetzung<br />

ist allerdings, dass die Ungewissheit<br />

auf Zweifeln beider Parteien über<br />

das <strong>Recht</strong>sverhältnis beruht. Den Zweck,<br />

die Ungewissheit zu beseitigen, können<br />

die Parteien ernsthaft nur verfolgen, wenn<br />

sie davon ausgehen, dass eine vorliegt.<br />

Gehen sie davon in Wahrheit nicht aus,<br />

oder täuschen sie die Ungewissheit nur<br />

vor, so ist der erforderliche Bereinigungszweck<br />

für den Vergleich nicht gegeben. In<br />

diesem Fall handelt es sich in Wirklichkeit<br />

um einen „Scheinvergleich“ 10 . In einem<br />

solchen Falle würden sich die <strong>Recht</strong>sfolgen<br />

nach § 117 BGB richten. Willenserklärungen,<br />

die mit Einverständnis der<br />

anderen Seite nur zum Schein abgegeben<br />

werden, sind nichtig. Wenn dies nicht der<br />

Fall ist, so finden die für das verdeckte<br />

<strong>Recht</strong>sgeschäft geltenden Vorschriften<br />

Anwendungen – dies könnte dann § 779<br />

BGB sein.<br />

Zu Fragen dieser Art ist im vorliegenden<br />

Zusammenhang nicht vertieft Stellung<br />

zu nehmen, da die „Bayerische Lösung“<br />

ersichtlich von einer Ungewissheit über<br />

das Ob und das Wie der Deckungspflicht<br />

bestehender Betriebsschließungsversicherungen<br />

in Bayern ausging. Sowohl die VN<br />

als auch die VU waren (und sind) unsicher<br />

bei der Frage, ob Deckungsschutz bestand<br />

und besteht und in welchem Umfang dies<br />

der Fall ist. Beredten Ausdruck dieser<br />

bestehenden Unsicherheiten geben die verschiedenen<br />

<strong>Recht</strong>sstreite, die inzwischen<br />

zu Fragen des Ob und des Wie der Be-<br />

matische Verknüpfung derart, dass jeder<br />

Teil gerade nur wegen des Nachgebens<br />

des anderen Teils nachgibt, ist deshalb<br />

nicht erforderlich. 14 Vor allem müssen die<br />

gegenseitigen Zugeständnisse nicht unbedingt<br />

gleichwertig sein. 15 Mit Nachgeben<br />

ist das völlige oder teilweise Aufgeben<br />

eines zuvor eingenommenen Standpunkts<br />

zugunsten des Gegners gemeint. 16 Der Begriff<br />

ist weit auszulegen. Jedes Opfer, das<br />

eine Partei auf sich nimmt, genügt, auch<br />

wenn es nur geringfügig ist. 17<br />

Im vorliegenden Fall waren die VU der<br />

Auffassung, dass sie wegen der Betriebsschließungen<br />

infolge der Corona-Pandemie<br />

keine Deckung aus den geschlossenen<br />

Verträgen schulden, waren aber in<br />

Wahrheit unsicher, ob ihre Auffassung<br />

zutraf. Die betroffenen VN wiederum<br />

waren (und sind es auch heute noch) der<br />

entgegengesetzten Auffassung. Zugleich<br />

allerdings waren sie unsicher, ob sie recht<br />

haben. Sie scheuten mit anderen Worten<br />

den <strong>Recht</strong>sstreit und das damit verbundene<br />

Kostenrisiko.<br />

Beide Seiten haben somit nachgegeben.<br />

Die Versicherer, indem sie bereit waren,<br />

15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung<br />

für 30 Tage zu zahlen. Die VN,<br />

indem sie bereit waren, auf die Differenz<br />

von 85 Prozent zu verzichten, um in den<br />

Genuss der restlichen 15 Prozent schnell,<br />

unbürokratisch und ohne jeden <strong>Recht</strong>sstreit<br />

zu kommen. So gesehen kann kein<br />

Zweifel daran sein, dass beide Seiten<br />

(gegenseitig) nachgegeben haben.<br />

5. Vorläufiges Ergebnis<br />

Hiernach erweist sich die „Bayerische Lösung“<br />

als ein Vertrag, der die Ungewissheit<br />

über das Ob und Wie bestehender<br />

Betriebsschließungspolicen zwischen VU<br />

und VN beseitigen sollte. Es handelt sich<br />

folglich um einen Vergleichsvertrag.<br />

II. Unwirksamkeit des Vergleichsvertrages<br />

In der Literatur wird vertreten, dass<br />

schon dann kein Vergleichsvertrag mehr<br />

vorliegt, wenn nur auf einer Seite eine<br />

bestehende Ungewissheit beseitigt wird. 18<br />

Eine solche Situation könnte in den Fällen<br />

gegeben sein, in denen der Versicherer<br />

(Anfang März 2020) Deckungsschutz in<br />

der Betriebsschließungsversicherung in<br />

Form einer Vertriebsinformation bestätigt<br />

hat. In diesem Fall bestünde beim<br />

Versicherer keine Ungewissheit über seine<br />

Leistungspflicht. Demgegenüber könnte<br />

es bei einem VN jedenfalls dann eine Ungewissheit<br />

geben, wenn er von dieser<br />

Sonderausgabe<br />

7


<strong>Recht</strong><br />

den Vertrieb war somit klar, dass man den<br />

Bestandskunden gegenüber die Mitversicherung<br />

von Corona bestätigen konnte,<br />

und umgekehrt, dass man die Bestandskunden<br />

nicht auf eine eventuell bestehende<br />

Deckungslücke hinzuweisen hatte. Für<br />

die Bestandskunden folgt hieraus, dass sie<br />

die Leistung bei etwaigen behördlichen<br />

Schließungsanordnungen erwarten durften.<br />

Sie mussten sich mit anderen Worten<br />

um eine anderweitige Risikoabsicherung<br />

für diesen (nicht mehr sehr fernliegenden)<br />

Fall nicht mehr bemühen.<br />

Die Erklärung der Versicherer über den<br />

Deckungsschutz bei Corona betraf und<br />

betrifft ihre Vertriebstätigkeit. Die Versicherer<br />

äußerten sich rechtlich nach § 1<br />

a Absatz 1 Nummer 4 VVG und wiesen<br />

darauf hin, dass bei einer Betriebsschließung<br />

wegen Corona im Schadensfall Deckungsschutz<br />

besteht. Sie handelten damit<br />

im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden.<br />

Ihre Erklärung entsprach zugleich den<br />

Grundsätzen der Ehrlichkeit, der Redlichkeit<br />

und der Professionalität. Diese<br />

Erklärung entfaltete folglich mit Blick<br />

auf die versicherten Kunden rechtliche<br />

Wirksamkeit, so wie es der mit Wirkung<br />

13.02.2018 eingeführte § 1 a VVG 20<br />

seitdem vorsieht. Darüber hinaus folgt die<br />

Wirksamkeit dieser Erklärung gegenüber<br />

den Kunden aber auch aus der Adressierung<br />

an die Vertriebe. Die Vertriebe<br />

sind entweder der verlängerte Arm (Auge<br />

und Ohr des VU) oder aber Sachwalter<br />

der VN. In beiden Fällen übermitteln die<br />

Vertriebe die Erklärungen des VU an die<br />

Kunden und sorgen auf diese Weise letztlich<br />

für die Wirksamkeit der Erklärungen<br />

des VU gegenüber den einzelnen Bestandskunden.<br />

Dies bedeutet, die Erklärung der<br />

VU in diesem Sinne hat Anfang März<br />

2020 nicht nur die Ungewissheit der VU<br />

über den Deckungsumfang der Betriebsschließungsversicherung<br />

beseitigt, sondern<br />

auch bei den VN. Denn diese konnten<br />

sich nunmehr, als Folge der eindeutigen<br />

Erklärung der VU, auf den bestehenden<br />

Deckungsschutz bei Betriebsschließungen<br />

durch Corona berufen. 21 Das Gleiche gilt,<br />

wenn ein VU im Einzelfall einem VN die<br />

Deckung individuell bestätigt hat oder<br />

wenn das VU diese Erklärung gegenüber<br />

einem Vermittler für dessen Bestand abgegeben<br />

haben sollte.<br />

2. Keine Ungewissheit bei Kenntnis<br />

dieser Sachlage<br />

Als Folge hiervon wäre die Ungewissheit<br />

über das Ob und das Wie des Deckungsartigen<br />

Corona-Virus in unserer gewerblichen<br />

Betriebsschließungsversicherung<br />

mitversichert.“<br />

Diese Erklärung ist eindeutig. Das<br />

Corona-Virus, so die Verlautbarung, ist<br />

in dem Deckungsumfang der bestehenden<br />

Betriebsschließungsversicherungen enthalten.<br />

Betriebsschließungen aufgrund dieses<br />

Virus sind mitversichert.<br />

Dies bedeutet, der von den Parteien als<br />

feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt<br />

(Ungewissheit über die Deckungspflicht<br />

bei Betriebsschließungen) bestand in<br />

Wirklichkeit nicht. Im Gegenteil, die VU,<br />

die sich in dieser Weise geäußert haben,<br />

waren der Auffassung, dass behördlich<br />

angeordnete Betriebsschließungen<br />

auffrund des neuartigen Corona-Virus<br />

mitversichert waren.<br />

Bei Versicherern, die sich auf diese Weise<br />

geäußert haben, bestand mit anderen<br />

Worten keine Ungewissheit über die Deckungsverpflichtung.<br />

Aus diesen Gründen<br />

haben auch einige Versicherer ohne Wenn<br />

und Aber geleistet, während sich andere<br />

(auch heute noch) auf den Standpunkt<br />

stellen, die Deckungspflicht bestehe nicht.<br />

Entscheidend ist aber, dass Versicherer, bei<br />

denen kein Zweifel über ihre Leistungspflicht<br />

bestand, schon begrifflich nicht in<br />

der Lage waren, einen Vergleichsvertrag<br />

anzubieten, da es nach ihrer eigenen<br />

Einschätzung keine Ungewissheit gab, die<br />

man hätte beseitigen können.<br />

Da es für einen Vergleichsvertrag immer<br />

nur auf die subjektive Ungewissheit für<br />

eine Partei ankommt und niemals auf eine<br />

objektive Tatsache – oder <strong>Recht</strong>slage 19 –,<br />

fehlt es bei den Versicherern, die (subjektiv)<br />

von einer Leistungsverpflichtung<br />

ausgingen, an einer Ungewissheit über<br />

diese Deckungspflicht. Der im April 2020<br />

zugrunde gelegte Sachverhalt (Ungewissheit<br />

über die Deckungsverpflichtung) bestand<br />

in Wirklichkeit nicht, jedenfalls bei<br />

den Versicherern, die Anfang März 2020<br />

genau das Gegenteil erklärt hatten.<br />

Die Erklärung der Versicherer Anfang<br />

März 2020 (Deckungsverpflichtung<br />

besteht) erfolgte teilweise im Internet öffentlich<br />

und teilweise individualisiert. Die<br />

Erklärung war als Vertriebsinformation<br />

gestaltet, sie sollte mit anderen Worten die<br />

Vertreter und Makler oder den VN direkt<br />

darüber informieren, dass für bereits<br />

bestehende Betriebsschließungsversicherungen<br />

Deckung gewährt wird. Daneben<br />

sollten die Vertriebspartner darüber<br />

informiert werden, dass Neuanträge nicht<br />

mehr entgegengenommen werden. Für<br />

Vertriebsinformation keine Kenntnis<br />

gehabt haben sollte. Fälle dieser Art werden<br />

letztlich über § 779 Absatz 1 Halbsatz<br />

2 BGB einer Lösung zugeführt. Danach ist<br />

ein Vergleich unwirksam, wenn der nach<br />

dem Inhalt des Vertrages als feststehend<br />

zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit<br />

nicht entspricht und der Streit<br />

oder die Ungewissheit bei Kenntnis der<br />

Sachlage nicht entstanden sein würde.<br />

1. Der als feststehend zugrunde<br />

gelegte Sachverhalt<br />

Die „Bayerische Lösung“ beruht, wie<br />

eben dargestellt, auf der Ungewissheit<br />

über das Ob und das Wie der Leistungspflicht<br />

aus der Betriebsschließungsversicherung<br />

wegen eines Lockdowns infolge<br />

von Corona. In diesem Sinne haben die<br />

VU Anfang April 2020 die VN informiert<br />

und darauf hingewiesen, dass es nach<br />

ihrer Auffassung keine Leistungsverpflichtung<br />

in den Fällen gäbe, in denen ein Restaurant<br />

oder ein Hotel vorsorglich, also<br />

nicht wegen eines konkret aufgetretenen<br />

Corona-Falls, geschlossen wurde. Aus der<br />

Sicht der VN stellte sich die Frage, ob diese<br />

Auffassung der VU möglicherweise zutrifft<br />

– die VN konnten und können dies<br />

nicht ausschließen. Dies ist der Grund für<br />

die „Bayerische Lösung“ – die Parteien<br />

beseitigten eine Ungewissheit über das Ob<br />

und das Wie der Leistungspflicht der VU.<br />

Völlig anders liegen die Dinge, wenn der<br />

von beiden Seiten zugrunde gelegte Sachverhalt<br />

(Ungewissheit) der Wirklichkeit<br />

nicht entsprach. Dies wäre dann denkbar,<br />

wenn es gar keine Ungewissheit über die<br />

Deckungspflicht der VU gegeben hat,<br />

wenn die VU selbst von ihrer Leistungspflicht<br />

ausgegangen sein sollten, die VN<br />

dies aber möglicherweise nicht wussten.<br />

Dann wäre der als feststehend zugrunde<br />

gelegte Sachverhalt aus Sicht der VU nicht<br />

durch Unsicherheit, sondern durch Sicherheit<br />

(Leistungsverpflichtung) geprägt.<br />

Aus Sicht der VN würde der zugrunde<br />

gelegte Sachverhalt (Ungewissheit über<br />

die Leistungspflicht) wegfallen, weil die<br />

Leistungspflicht in Wirklichkeit bestand.<br />

Genauso stellen sich die Dinge für die<br />

Kunden derjenigen Versicherer dar, die<br />

Anfang März 2020 in einer Vertriebsinformation<br />

öffentlich im Internet oder individualisiert<br />

ausdrücklich erklärt haben:<br />

„Wir stellen den Corona-Virus ‚2019-<br />

nCoV‘ den in unseren Bedingungen<br />

für die gewerbliche Betriebsschließung<br />

namentlich genannten Krankheitserregern<br />

gleich. Somit sind behördlich angeordnete<br />

Betriebsschließungen auf Grund des neu-<br />

8 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

schutzes bei Betriebsschließungsversicherungen<br />

der VU, die Anfang März 2020<br />

Deckungsschutz als bestehend erklärt<br />

haben, beseitigt. Infolgedessen konnte<br />

über diese Deckungsverpflichtung keine<br />

Ungewissheit mehr entstehen. Entscheidend<br />

ist dabei letztlich, dass § 779 Absatz<br />

1 BGB auf den „nach dem Inhalt des<br />

Vertrags zugrunde gelegten Sachverhalt“<br />

Bezug nimmt. Die Vorschrift stellt also<br />

nicht auf die Umstände ab, auf denen der<br />

Vertrag objektiv aufbaut, sondern nur<br />

auf solche, die ihm von den Parteien nach<br />

seinem Inhalt subjektiv zugrunde gelegt<br />

worden sind. 22<br />

3. Ergebnis<br />

Der mit der „Bayerischen Lösung“<br />

angestrebte Vergleichsvertrag ist in jenen<br />

Fällen unwirksam, in denen der Versicherer<br />

im Vorfeld öffentlich erklärt hat,<br />

dass behördlich angeordnete Betriebsschließungen<br />

aufgrund des neuartigen<br />

Corona-Virus in seiner gewerblichen<br />

Betriebsschließungsversicherung mitversichert<br />

sind. In diesen Fällen ist der später<br />

geschlossene Vergleich („Bayerische Lösung“)<br />

rechtlich unwirksam. Er entfaltet<br />

keinerlei Wirkungen. 23 Das ursprüngliche<br />

<strong>Recht</strong>sverhältnis (die Betriebsschließungsversicherung)<br />

besteht fort.<br />

III. Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung<br />

(§ 123 BGB)<br />

Nach § 123 Absatz 1 BGB kann derjenige,<br />

der zur Abgabe einer Willenserklärung<br />

durch arglistige Täuschung bestimmt<br />

worden ist, die Erklärung anfechten.<br />

Dabei ist die Jahresfrist des § 124 BGB zu<br />

beachten. Eine solche Anfechtung wegen<br />

arglistiger Täuschung könnte für jene VN<br />

sinnvoll sein, die nicht sicher sind, ob der<br />

Vergleich („Bayerische Lösung“), den sie<br />

unterzeichnet haben (so wie eben dargestellt),<br />

wirklich unwirksam ist. Sie sollten<br />

über eine hilfsweise Anfechtung ihrer auf<br />

Abschluss des Vergleichsvertrages gerichteten<br />

Willenserklärung nachdenken.<br />

Getäuscht wurden die Kunden derjenigen<br />

Versicherer, die zunächst ihre Leistungsverpflichtung<br />

bekundeten (Anfang März<br />

2020), dann aber Anfang April 2020<br />

gegenüber den betroffenen Kunden<br />

erklärten, sie seien zur Leistung aus der<br />

Betriebsschließungsversicherung nicht<br />

verpflichtet und böten deshalb einen<br />

Vergleich in Höhe von 15 Prozent der<br />

vereinbarten Tagesentschädigung für<br />

maximal 30 Tage an.<br />

Versicherer, die Anfang März 2020 in<br />

einer Vertriebsinformation erklärt haben,<br />

dass behördlich angeordnete Betriebsschließungen<br />

aufgrund des Corona-Virus<br />

in der gewerblichen Betriebsschließungsversicherung<br />

mitversichert seien, wussten,<br />

dass sie dies erklärt hatten. Es handelte<br />

sich in der Regel um (internetbasierte)<br />

Vertriebsinformationen, also vor allem<br />

um Informationen für diejenigen, die für<br />

den Versicherer Kunden informierten, umwarben<br />

und betreuten. Zugleich handelte<br />

es sich um Informationen des Versicherers<br />

selbst im Rahmen seiner Vertriebstätigkeit<br />

nach § 1 a VVG. Er, der Versicherer,<br />

erklärte gegenüber allen Bestandskunden,<br />

dass die bei ihm bestehende Betriebsschließungsdeckung<br />

etwaige Schließungen<br />

infolge des Corona-Virus umfasste. Diese<br />

Erklärung erfolgte im bestmöglichen<br />

Kundeninteresse, ehrlich, professionell<br />

und redlich nach § 1 a Absatz 1 Nummer<br />

4 VVG mit Blick auf den möglicherweise<br />

drohenden Schadensfall.<br />

Es spielt insoweit keine Rolle, ob der<br />

Kunde diese Erklärung wahrgenommen<br />

hat. Dass diese Erklärung rechtliche Wirksamkeit<br />

entfaltet, ergibt sich im Zweifel<br />

aus § 1 a Absatz 1 VVG. Jeder Kunde<br />

konnte sich von nun an gegenüber seinem<br />

VU, das in dieser Weise Erklärungen<br />

gegeben hatte, auf Mitversicherung von<br />

Corona im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung<br />

berufen. Vertriebserklärungen<br />

dieser Art führen somit nach<br />

§ 1 a VVG zu einer Selbstbindung<br />

Sonderausgabe<br />

9


<strong>Recht</strong><br />

des Versicherers, ähnlich wie in den<br />

Fällen der Selbstbindung der Verwaltung<br />

oder bei öffentlichen Werbeaussagen nach<br />

§ 434 Absatz 1 Satz 3 BGB. Dies bedeutet,<br />

der Versicherer wusste im April 2020,<br />

dass bei ihm Corona mitversichert war,<br />

sodass er nicht mehr behaupten konnte,<br />

dass die Betriebsschließungsversicherung<br />

„keine Anwendung“ findet. Seine<br />

Täuschung war arglistig, denn sie diente<br />

der Erregung oder der Aufrechterhaltung<br />

eines Irrtums über die in Wahrheit bestehende<br />

Mitversicherung von Corona.<br />

Diese Täuschung erfordert, im Gegensatz<br />

zum Betrugstatbestand (§ 263 StGB),<br />

weder eine Bereicherungsabsicht des<br />

Täuschenden noch eine Schädigung des<br />

Getäuschten. 24 Der Täuschende (hier VU)<br />

muss nicht mit einer moralisch verwerflichen<br />

Gesinnung handeln. 25 Dies folgt aus<br />

dem Zweck des § 123 BGB, den Schutz<br />

der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit<br />

zu gewährleisten. 26<br />

Zwischen der Täuschung und der irrtumsbedingten<br />

Willenserklärung (hier Annahme<br />

der Vergleichsangebots im Sinne der<br />

„Bayerischen Lösung“) muss ein Kausalzusammenhang<br />

bestanden haben. 27 Der<br />

Irrtum muss auf einer Täuschung (wie<br />

hier) beruhen und seinerseits den Getäuschten<br />

(VN) zur Abgabe der Willenserklärung<br />

„bestimmt“ haben. 28 Es genügt<br />

eine Mitverursachung. 29<br />

In den vorliegenden Fällen haben die VN<br />

die „Bayerische Erklärung“ akzeptiert,<br />

weil sie glaubten, es bestünde möglicherweise<br />

kein Versicherungsschutz. Sie<br />

wollten mit Annahme der „Bayerischen<br />

Lösung“ die Ungewissheit über die bestehende<br />

oder nicht bestehende Deckungsverpflichtung<br />

des Versicherers beseitigen.<br />

Hätte der Versicherer ihnen gegenüber<br />

offengelegt, dass nach seiner eigenen Erklärung<br />

(Anfang März 2020) in Wahrheit<br />

Corona mitversichert war, wären sie also<br />

nicht getäuscht worden, so hätten sie die<br />

„Bayerische Lösung“ nicht akzeptiert,<br />

also den Vergleich nicht unterschrieben.<br />

Sie sind mit anderen Worten von den Versicherern,<br />

die ihre Erklärungen (Anfang<br />

März 2020) kannten, in die Irre geführt<br />

und damit arglistig getäuscht worden.<br />

IV. FRIST (§ 124 BGB)<br />

Nach § 124 BGB kann die Anfechtung<br />

einer nach § 123 BGB anfechtbaren<br />

Willenserklärung nur binnen Jahresfrist<br />

erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der<br />

arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt,<br />

den Verbraucher in der Europäischen<br />

Union einheitlich besser zu schützen als<br />

bisher. 34 Der Versicherer muss bei seiner<br />

Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern<br />

stets ehrlich, redlich und<br />

professionell in deren bestmöglichen<br />

Interesse handeln. Zur Vertriebstätigkeit<br />

gehören nach Nummer 4 auch das „Mitwirken<br />

bei der Verwaltung und Erfüllung<br />

von Versicherungsverträgen, insbesondere<br />

im Schadensfall“.<br />

Die „Bayerische Lösung“ bezieht sich<br />

auf bereits eingetretene oder drohende<br />

Versicherungsfälle infolge von Betriebsschließungen<br />

aufgrund des Corona-Virus.<br />

Insoweit handelt es sich eindeutig um<br />

eine Mitwirkung bei der Verwaltung und<br />

Erfüllung von Betriebsschließungsversicherungen,<br />

insbesondere im Schadensfall.<br />

Darüber hinaus müssen nach § 1 a Absatz<br />

3 VVG alle Informationen im Zusammenhang<br />

mit der Vertriebstätigkeit, die der<br />

Versicherer an bestehende oder potenzielle<br />

Versicherungsnehmer richtet, redlich und<br />

eindeutig sein, sie dürfen nicht irreführen.<br />

Alle Informationen, die die Versicherer<br />

im Zusammenhang mit der „Bayerischen<br />

Lösung“ an die Versicherungsnehmer<br />

gerichtet haben, werden somit von § 1 a<br />

Absatz 3 VVG erfasst und müssen redlich,<br />

eindeutig und nicht irreführend sein.<br />

Die unbestimmten <strong>Recht</strong>sbegriffe<br />

„ehrlich, redlich, professionell“ entsprechen<br />

weitgehend den Grundsätzen von<br />

Treu und Glauben (§ 242 BGB), die das<br />

deutsche Zivilrecht bei vertraglichen<br />

Beziehungen – wie hier – beherrschen,<br />

auch wenn möglicherweise keine völlige<br />

Deckungsgleichheit zwischen den Grundsätzen,<br />

die auf der Basis des § 242 BGB<br />

entwickelt worden sind, und der Regelung<br />

des Artikels 17 Absatz 1 IDD besteht. 35<br />

In der Literatur wird darauf hingewiesen,<br />

dass ehrlich bedeutet, den VN sachlich<br />

richtig zu informieren und Fragen des VN<br />

gegebenenfalls wahrheitsgemäß zu beantworten.<br />

36 Redlich bedeutet, dass der VR<br />

nicht nur formal richtig zu informieren<br />

hat; vielmehr muss er missverständliche<br />

Informationen erläutern und erkennbare<br />

Missverständnisse aufseiten des VN ausräumen.<br />

37<br />

Darüber hinaus besteht die Pflicht des<br />

VR, stets im bestmöglichen Interesse<br />

des VN zu handeln. Gemeint ist, wie die<br />

Sprachfassungen von Artikel 17 Absatz<br />

1 RL (EU) 2016/97 ergeben, das „beste<br />

Interesse“ aus der Sicht des VN. 38<br />

1. Ehrlich, redlich<br />

Im vorliegenden Fall haben die Versiin<br />

dem der Anfechtungsberechtigte die<br />

Täuschung entdeckt (§ 124 Absatz 2<br />

BGB). Der VN muss somit positive Kenntnis<br />

von der Täuschung des VU gehabt<br />

haben. Ein bloßes Kennenmüssen (fahrlässige<br />

Unkenntnis) genügt nicht. 30<br />

Der VN muss somit die Täuschung, die<br />

das VU ihm gegenüber verübt hat, positiv<br />

entdeckt haben. Dabei muss er nicht alle<br />

Einzelheiten der Täuschung kennen oder<br />

die volle Gewissheit des bestehenden<br />

Anfechtungsrechts haben. 31 Vielmehr<br />

entscheidet der Gesamteindruck. 32<br />

Positive Kenntnisse in diesem Sinne liegen<br />

für die betroffenen Kunden erst dann vor,<br />

wenn ihnen bewusst wird, dass sie durch<br />

das Angebot der „Bayerischen Lösung“ in<br />

Wirklichkeit über die bestehende Mitversicherung<br />

von Corona getäuscht wurden.<br />

Sie müssen also Kenntnis erhalten über<br />

die öffentlichen Erklärungen ihrer VU<br />

(Anfang März 2020) und sie müssen<br />

darüber hinaus erfahren haben, dass die<br />

Behauptung der VU (Anfang April 2020),<br />

die im Rahmen der „Bayerischen Lösung“<br />

aufgestellt wurde, um sie, die Kunden,<br />

über die in Wahrheit bestehende Mitversicherung<br />

von Corona zu täuschen.<br />

Diese Zusammenhänge werden die Kunden<br />

in der Regel erst positiv kennen, wenn<br />

sie dieses <strong>Recht</strong>sgutachten oder zumindest<br />

seine wesentlichen Inhalte entweder<br />

selbst zur Kenntnis nehmen können oder<br />

wenn ihnen darüber von dritter Seite<br />

substantiiert berichtet werden sollte. Es<br />

würde nicht reichen, an der Wirksamkeit<br />

der „Bayerischen Lösung“ zu zweifeln,<br />

sondern die positive Kenntnis über die<br />

Täuschung des jeweiligen VU müsste<br />

hinzukommen.<br />

Hiervon ausgehend, dürfte mit Blick<br />

auf die allermeisten betroffenen VN die<br />

Jahresfrist im Februar 2021 noch nicht<br />

begonnen haben, weil sie von der die<br />

Täuschung begründenden Diskrepanz der<br />

Erklärungen ihres VU Anfang März 2020<br />

und später dann April 2020 gar keine<br />

Kenntnis hatten und haben.<br />

Frage 2<br />

Mit der zweiten Frage ist zu klären,<br />

ob die „Bayerische Lösung“ als solche<br />

ehrlich, redlich war und im bestmöglichen<br />

Interesse der VN lag oder ob Wirksamkeitshindernisse<br />

entgegenstehen, die ihren<br />

Bestand möglicherweise infrage stellen.<br />

Diese Frage stellt sich aus der Sicht von<br />

§ 1 a VVG, der am 23.02.2018 in Kraft<br />

getreten ist. 33 Der Norm geht es darum,<br />

das Vertrauen der Kunden zu stärken und<br />

10 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

der „Bayerischen Lösung“ gaben, waren<br />

aber auch nicht redlich. Die Versicherer<br />

informierten nicht nur formal nicht<br />

richtig, sondern sie formulierten auch<br />

missverständlich. Sie erweckten nämlich<br />

den Eindruck, als stünde quasi objektiv<br />

fest, dass Einbußen für Einzelne und Unternehmen<br />

aus Betriebsschließungen nicht<br />

versichert waren. Um diesen Eindruck<br />

zu unterstreichen, wiesen die Versicherer<br />

daraufhin, dass sie zahlreiche Gespräche<br />

unter Einbeziehung staatlicher Stellen und<br />

von Interessenverbänden geführt hatten.<br />

Bei den staatlichen Stellen handelte es<br />

sich um die Bayerische Staatsregierung.<br />

Teilgenommen hatten außerdem die Vereinigung<br />

der Bayerischen Wirtschaft, der<br />

Deutsche Hotel- und Gaststättenverband<br />

sowie der Gesamtverband der Deutschen<br />

Versicherungswirtschaft.<br />

Die Versicherer erweckten den Eindruck,<br />

dass alle Beteiligten unisono davon<br />

ausgingen, dass die zugrunde liegenden<br />

Versicherungsbedingungen für vorsorgliche<br />

Betriebsschließungen keinen<br />

Versicherungsschutz geboten haben. Aus<br />

der Perspektive eines durchschnittlichen,<br />

verständigen Versicherungsnehmers<br />

konnte dies nur bedeuten: Die Bayerische<br />

Staatsregierung und wichtige Wirtschaftsverbände<br />

waren und sind sich mit der<br />

Versicherungswirtschaft einig: Für die<br />

vorsorglichen Betriebsschließungen durch<br />

Corona gab und gibt es in der Betriebsschließungsversicherung<br />

keine Deckung.<br />

Dies war und ist eine objektive Aussage.<br />

Sie erreichte die VN so, als stünde es<br />

quasi unanfechtbar fest, dass für Betriebsschließungen<br />

infolge von Corona keine<br />

Deckung bestehe.<br />

Den Versicherern ging es offenbar darum,<br />

den Eindruck zu erwecken, als bestünde<br />

an ihrer Einschätzung, geprüft von<br />

der Bayerischen Staatsregierung, kein<br />

nennenswerter Zweifel. Es ging darum,<br />

den betroffenen Kunden den Eindruck<br />

zu vermitteln, als lohne es sich nicht, an<br />

dieser Einschätzung auch nur zu zweifeln<br />

oder sie womöglich infrage zu stellen. Die<br />

an der Einschätzung beteiligten Verkehrskreise<br />

waren so bedeutend und, wie es<br />

schien, ohne jedes Eigeninteresse, dass an<br />

der Einschätzung der Versicherer jedwede<br />

Zweifel verstummen sollten. Wer aus dem<br />

Kreise der VN wollte sich schon über das<br />

Urteil der Bayerischen Staatsregierung<br />

und der bayrischen Wirtschaftsverbände<br />

hinwegsetzen?<br />

Diese Art der scheinbar auf objektiven<br />

Fakten beruhenden Information war uncherer<br />

in der „Bayerischen Lösung“ den<br />

Eindruck erweckt, „Einbußen für jeden<br />

Einzelnen und jedes Unternehmen sind<br />

über die Betriebsschließungsversicherung<br />

nicht versichert“ (Wortlaut des Schreibens<br />

der Allianz an ihre Kunden). Die Versicherungskammer<br />

Bayern hat formuliert:<br />

„Die Betriebsschließungsversicherung<br />

findet in diesem Fall jedoch keine Anwendung.“<br />

Andere Versicherer haben ähnlich<br />

formuliert. Im Schreiben der Allianz zur<br />

„Bayerischen Lösung“ hieß es ausdrücklich:<br />

„Obwohl wir Ihnen aus den o. g.<br />

Gründen gemäß den Versicherungsbedingungen<br />

keinen Versicherungsschutz bieten<br />

können, haben wir unter Einbeziehung<br />

staatlicher Stellen und Ihrer Interessenverbände,<br />

insbesondere des Deutschen Hotelund<br />

Gaststättenverbands, der Vereinigung<br />

der Bayerischen Wirtschaft sowie des<br />

Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft,<br />

zahlreiche Gespräche<br />

geführt und eine gemeinsame Lösung<br />

gefunden.“ Ähnliche Formulierungen<br />

finden sich bei allen Versicherern, die an<br />

der „Bayerischen Lösung“ teilgenommen<br />

haben. Im Zentrum der Informationen<br />

an die VN stand der Gedanke, dass „wir<br />

Ihnen gemäß den Versicherungsbedingungen<br />

keinen Versicherungsschutz bieten<br />

können“. Die Einbußen wegen einer<br />

Betriebsschließung sind, so heißt es zuvor,<br />

nicht versichert.<br />

Diese Erklärungen der Versicherer waren<br />

nicht ehrlich und nicht redlich. Die VN<br />

wurden durch die Verlautbarungen zur<br />

„Bayerischen Lösung“ sachlich nicht richtig<br />

informiert. Sachlich richtig, und damit<br />

ehrlich, wäre es gewesen, wenn die Versicherer<br />

darauf hingewiesen hätten, dass sie<br />

Zweifel an ihrer Leistungsverpflichtung<br />

aus der Betriebsschließungsversicherung<br />

hatten. Richtig wäre es gewesen, wenn<br />

sie darauf hingewiesen hätten, dass die<br />

Versicherungsbedingungen möglicherweise<br />

keinen Versicherungsschutz für<br />

das Corona-Risiko enthielten. Richtig<br />

wäre es ferner gewesen, wenn sie die VN<br />

darauf hingewiesen hätten, dass es bisher<br />

keinerlei <strong>Recht</strong>sprechung zu den Leistungs<br />

pflich ten bei Corona gegeben hatte,<br />

sodass zurzeit (April 2020) niemand sagen<br />

könne, ob und wie die Gerichte über die<br />

Auslegung der AVB wohl entscheiden<br />

würden. Diese Zweifel, die die Versicherer<br />

hatten, verdeckten sie durch ihre Formulierung,<br />

wonach angeblich gemäß „den<br />

Versicherungsbedingungen“ kein Versicherungsschutz<br />

bestand.<br />

Die Informationen, die die Versicherer mit<br />

redlich, nämlich zumindest missverständlich.<br />

Die Versicherer hätten darauf hinweisen<br />

müssen, dass die Frage, ob Corona<br />

in der Betriebsschließungsversicherung<br />

mitversichert ist, zumindest damals umstritten<br />

war und heute noch ist. Sie haben<br />

aber genau das Gegenteil getan und damit<br />

ihre überlegene Sach- und <strong>Recht</strong>skenntnis<br />

zum Nachteil des VN ausgenutzt.<br />

Schon vor Inkrafttreten von § 1 a VVG<br />

hat der BGH im Jahr 2017 entschieden,<br />

dass der VR seine überlegene Sach- und<br />

<strong>Recht</strong>skenntnis nicht zum Nachteil des<br />

VN ausnutzen dürfe. 39 Es ging um eine<br />

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.<br />

Dort, so der BGH, handelt der VR<br />

treuwidrig, wenn er „bei naheliegender<br />

Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung<br />

seiner Leistungspflicht durch das Angebot<br />

einer befristeten Kulanzzahlung hinausschiebt<br />

und so das nach Sachlage gebotene<br />

Anerkenntnis unterläuft“. Überträgt<br />

man diese <strong>Recht</strong>sprechung des BGH auf<br />

die „Bayerische Lösung“, so wird man<br />

zu dem Ergebnis kommen müssen, dass<br />

damals wie heute in der Betriebsschließungsversicherung<br />

eine unklare <strong>Recht</strong>slage<br />

vorlag, sodass der VN ausreichend<br />

auf die strittigen Punkte hinsichtlich des<br />

Deckungsschutzes hingewiesen werden<br />

musste. Ein unterlassener Hinweis kann<br />

somit eine Pflichtverletzung des Versicherers<br />

darstellen. 40<br />

Dem könnte man entgegenhalten, dass<br />

die Kunden in der Information über<br />

die „Bayerische Lösung“ durchaus auf<br />

strittige Punkte hingewiesen wurden. Das<br />

ist richtig. Die VU wiesen darauf hin, dass<br />

vorsorgliche Betriebsschließungen nicht<br />

mitversichert seien, vom Betrieb müsse<br />

eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit<br />

anderer ausgehen. Das Corona-Virus<br />

sei im Katalog der AVB nicht benannt,<br />

der Katalog sei abschließend. Aus diesen<br />

Gründen, so die Versicherer, seien Betriebsschließungen<br />

nicht versichert, die<br />

Versicherungsbedingungen böten keinen<br />

Versicherungsschutz.<br />

Die Versicherer haben also durchaus<br />

begründet, warum sie der Meinung sind,<br />

dass kein Versicherungsschutz bestünde,<br />

sie haben aber nicht darauf hingewiesen,<br />

dass dieser Befund weder damals noch<br />

heute durch die <strong>Recht</strong>sprechung, und<br />

schon gar nicht durch eine höchstrichterliche<br />

<strong>Recht</strong>sprechung, objektiviert<br />

ist. Sie haben also bei den Kunden den<br />

Eindruck erweckt, als bestünde objektiv<br />

kein Versicherungsschutz, obwohl sie<br />

genau wussten, dass diese Frage weder<br />

Sonderausgabe<br />

11


<strong>Recht</strong><br />

95 Prozent eines möglicherweise zu 100<br />

Prozent bestehenden Anspruchs verliert,<br />

kann und darf dann, und nur dann geschlossen<br />

werden, wenn geradezu sicher<br />

ist, dass der Kunde bei Nichtannahme<br />

quasi leer ausgehen würde. Genau das<br />

haben die Versicherer auch suggeriert<br />

– deshalb sind diese Vergleiche angenommen<br />

worden.<br />

Bei sachlich genauer Betrachtung ist es<br />

aber völlig abwegig anzunehmen, dass die<br />

Kunden mit Blick auf die typisch geschlossenen<br />

Betriebsschließungsversicherungen<br />

mit allergrößter Sicherheit leer ausgehen.<br />

Heute wissen wir, dass dies nicht der Fall<br />

ist – eine Vielzahl von Urteilen, die den<br />

Kunden 100 Prozent ihrer Ansprüche zuweisen,<br />

sind ergangen. 41 Richtig ist, dass<br />

im April 2020 noch keine Entscheidungen<br />

auf dem Tisch lagen. Ganz grundsätzlich<br />

aber gilt, dass bei unklarer, unsicherer<br />

<strong>Recht</strong>slage die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

man gewinnen oder verlieren kann,<br />

irgendwo zwischen 30 und 60 Prozent<br />

schwankt.<br />

Aus diesen Gründen dürften die Versicherer<br />

auch in der „Bayerischen Lösung“<br />

suggeriert haben, die VN bekämen im ersten<br />

Lockdown mit Sicherheit 70 Prozent<br />

ihrer Ausfälle vom Staat ersetzt, sodass<br />

nur noch eine Lücke von 30 Prozent blieb.<br />

Diese Lücke wurde zur Hälfte durch das<br />

großzügige Angebot der Versicherer geschlossen.<br />

Tatsächlich war es völlig anders<br />

– der Staat hat im ersten Lockdown Unternehmen<br />

zwar unterstützt, aber keineswegs<br />

70 Prozent der Ausfälle im Vergleich<br />

zum Vorjahr ausgeglichen. Im Ergebnis<br />

aber konnte jeder rational Handelnde<br />

den Vergleich im April 2020 („Bayerische<br />

Lösung“) dann und nur dann annehmen,<br />

wenn er sicher davon ausging, dass er ansonsten<br />

völlig leer ausgehen würde. Jeder,<br />

der demgegenüber darüber nachdachte,<br />

welche Chancen für die jeweils geschlossene<br />

Police vor den Gerichten bestünden,<br />

hätte zu dem Ergebnis kommen müssen,<br />

dass die Chancen zu gewinnen zwischen<br />

30 und 60 Prozent lagen, sodass es sehr<br />

viel vernünftiger gewesen wäre, den<br />

Vergleich nicht zu akzeptieren, <strong>Recht</strong>sstreite<br />

abzuwarten und dann möglicherweise<br />

Vergleiche mit Versicherern auf<br />

der Grundlage von 70 bis 80 Prozent des<br />

versicherten Interesses zu schließen. So<br />

machen es heute Unternehmen, die dem<br />

Vergleich nicht beigetreten sind.<br />

Es geht nicht darum herauszustellen, dass<br />

„jeder im Nachhinein klüger“ ist. Es geht<br />

darum klarzumachen, dass die Versichein<br />

<strong>Recht</strong>sprechung noch in Literatur<br />

endgültig geklärt ist.<br />

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von<br />

Urteilen, die aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen den Kunden Versicherungsschutz<br />

aus den Betriebsschließungsversicherungen<br />

zugewiesen haben – einige<br />

allerdings haben den Deckungsschutz<br />

auch abgelehnt. Es ist aber keineswegs<br />

so, dass womöglich objektiv feststeht,<br />

dass die Betriebsschließungsversicherung<br />

keine Deckung gewährt – im Gegenteil,<br />

die allermeisten Gerichte kommen zu dem<br />

Ergebnis, dass die geschlossenen Verträge<br />

auf der Grundlage der vom Gesamtverband<br />

empfohlenen Bedingungen Deckung<br />

gewähren, sodass die Versicherer zur<br />

Leistung verpflichtet sind.<br />

Die Versicherer hätten in der „Bayerischen<br />

Lösung“ somit ehrlich und redlich<br />

darauf hinweisen müssen, dass es über<br />

die Frage des Deckungsumfangs bei der<br />

Betriebsschließungsversicherung große<br />

Unsicherheiten gibt. Sie hätten darauf<br />

hinweisen müssen, dass die Möglichkeit<br />

besteht, vor Gericht zu gewinnen, aber<br />

auch zu verlieren. Sie hätten darauf hinweisen<br />

müssen, dass es keinerlei verbindliche<br />

Grundlagen für die Überlegungen<br />

der Bayerischen Staatsregierung und der<br />

bayerischen Wirtschaft gab, da diese Institutionen<br />

nicht dazu aufgerufen und auch<br />

nicht dazu kompetent waren und sind,<br />

über den Inhalt von Versicherungsbedingungen<br />

zu entscheiden.<br />

2. Bestmögliches Interesse<br />

Sollten aber noch Zweifel daran bestehen,<br />

ob die Versicherer die VN möglicherweise<br />

ehrlich und redlich im Rahmen der<br />

„Bayerischen Lösung“ informiert haben,<br />

so dürfte es keinerlei Zweifel mehr daran<br />

geben, dass die VR jedenfalls nicht im<br />

bestmöglichen Interesse der VN gehandelt<br />

haben. Im bestmöglichen Interesse der VN<br />

hätte es nämlich gelegen, ihnen zu raten,<br />

einen Vergleich im Sinne der „Bayerischen<br />

Lösung“ nicht zu akzeptieren. Genauer<br />

gesagt: Im bestmöglichen Interesse der<br />

Kunden hätte es gelegen, ihnen einen solchen<br />

Vergleich gar nicht erst anzubieten.<br />

Der Vergleich beinhaltete den Verlust von<br />

85 Prozent des möglicherweise zu 100<br />

Prozent bestehenden Anspruchs gegen die<br />

Versicherer. Die 85 Prozent waren auf 30<br />

Tagessätze bezogen – VN, die mehr als<br />

30 Tagessätze versichert hatten, verloren<br />

durch Annahme dieses Vergleichs also<br />

sehr viel mehr als 85 Prozent – wahrscheinlich<br />

fast 95 Prozent.<br />

Ein Vergleich, bei dem ein Kunde 85 bis<br />

rer mit dem Angebot der „Bayerischen<br />

Lösung“ nicht im bestmöglichen Interesse<br />

der VN gehandelt haben können, weil sie<br />

dann einen so schlechten Vergleich, wie<br />

sie ihn präsentiert haben, nicht präsentiert<br />

hätten. Das war ihnen auch bewusst,<br />

denn sonst hätten sie keine drei Wochen<br />

Frist zur Annahme des Vergleichs gesetzt,<br />

sondern „ohne Wenn und Aber“ Zahlung<br />

geleistet, und zwar an alle Kunden, die<br />

mit ihnen eine Betriebsschließungsversicherung<br />

verabredet hatten.<br />

Dies gilt auch dann, wenn man, so wie<br />

der Gesetzgeber es andeutet, den Begriff<br />

des bestmöglichen Interesses im Sinne des<br />

das Schuldrecht beherrschenden Grundprinzips<br />

von Treu und Glauben interpretiert.<br />

42 Zwar ist keine Partei vertraglich<br />

verpflichtet, eigene Interessen gegenüber<br />

dem anderen Teil grundsätzlich zurückzustellen.<br />

43 Im vorliegenden Fall geht es aber<br />

nicht darum, dass die Versicherer ihre<br />

eigenen Interessen zurückstellen müssen,<br />

sondern nur darum, dass sie ehrlich und<br />

redlich ihre Kunden, so wie es Treu und<br />

Glauben verlangt, auf die bestehenden<br />

Zweifel und Unsicherheiten beim Deckungsschutz<br />

in der Betriebsschließungsversicherung<br />

hingewiesen hätten. Damit<br />

handelten sie zugleich auch nicht mehr<br />

im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden,<br />

nämlich treuwidrig.<br />

3. <strong>Recht</strong>sfolgen<br />

Die <strong>Recht</strong>sfolgen bei der Verletzung der<br />

Pflichten aus § 1 a VVG im Schadensfall<br />

– wie hier – enthält nicht § 1 a VVG. Sie<br />

ergeben sich bei fehlerhaften Beratungsverhältnissen<br />

aus § 6 Absatz 5 VVG und<br />

in Fällen der fehlerhaften Vertriebstätigkeit<br />

bei der Schadensbearbeitung – wie<br />

hier – aus § 280 Absatz 1 BGB. 44<br />

Nach § 280 Absatz 1 BGB kann der<br />

Gläubiger (hier: VN) Ersatz des ihm entstehenden<br />

Schadens immer dann verlangen,<br />

wenn der Schuldner (hier: VR) eine<br />

Pflicht aus dem Schuldverhältnis (hier: aus<br />

§ 1 a VVG) verletzt. Dies gilt nur dann<br />

nicht, wenn der Schuldner (hier: VR) die<br />

Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.<br />

Letzteres ist, wie oben gezeigt wurde,<br />

ausgeschlossen. Die Versicherer wussten<br />

von den Unsicherheiten der bestehenden<br />

<strong>Recht</strong>slage und haben jene im eigenen<br />

Interesse beschönigt – also das Gegenteil<br />

dessen getan, was bei ehrlicher und redlicher<br />

Vertriebstätigkeit im bestmöglichen<br />

Interesse des Kunden opportun gewesen<br />

wäre.<br />

Dies bedeutet, dass die Kunden der VU<br />

Anspruch auf Ersatz des entstandenen<br />

12 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

Schadens haben. Sie können somit nach<br />

§ 249 BGB verlangen, den Zustand<br />

wiederherzustellen, der bestehen würde,<br />

wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand<br />

nicht eingetreten wäre (Naturalersatz).<br />

Der zum Ersatz verpflichtende Umstand<br />

liegt darin, dass die VU in der „Bayerischen<br />

Lösung“ die bestehenden rechtlichen<br />

Unsicherheiten verschleiert haben,<br />

sodass die VN glaubten, sie würden<br />

ohne Unterschrift unter diesen Vergleich<br />

leer ausgehen. Denkt man sich diesen<br />

Umstand hinweg, würden die VU also<br />

richtig und angemessen über die bestehenden<br />

Unsicherheiten aufgeklärt haben,<br />

so hätten sie ihren Kunden auf der einen<br />

Seite eine Kulanzleistung in Höhe von 15<br />

Prozent ausgezahlt und auf der anderen<br />

Seite die Möglichkeit eröffnet, wegen der<br />

verbleibenden Differenz möglicherweise<br />

den <strong>Recht</strong>sweg zu suchen. Sie hätten dann<br />

darauf hingewiesen, dass es, wie immer<br />

auf Hoher See und vor Gericht, unsicher<br />

sei, wie man aus der Sache herauskommt.<br />

Aber: Sie hätten auf der einen Seite eine<br />

Kulanzzahlung ohne Wenn und Aber<br />

gezahlt, um den Menschen in einer sehr<br />

schwierigen gesamtgesellschaftlichen Lage<br />

zu helfen (wie sie in der „Bayerischen Lösung“<br />

beschrieben haben), und sie hätten<br />

ihnen die Möglichkeit der Klärung von<br />

Fragen vor den Gerichten gelassen.<br />

Sie hätten auch nicht verlangt, dass man<br />

nicht über Vergleiche im Einzelfall reden<br />

darf. Mit Blick auf diese Vereinbarung<br />

hätten sie vielmehr darauf hingewiesen,<br />

dass eine solche Gleichstellung aller Kunden<br />

im Regulierungsverfahren möglicherweise<br />

gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB)<br />

verstößt und sowieso unwirksam sein<br />

könnte. Es gibt jedenfalls keinen Sachgrund<br />

dafür, die Entschädigungszahlungen<br />

bei unterschiedlichen AVB zwischen vielen<br />

Versicherern gleichförmig auszugestalten<br />

und somit die Auszahlungsquote zu kartellieren.<br />

Dies wäre der Sachgrund dafür gewesen,<br />

dass die Versicherer Individualvergleiche<br />

selbstverständlich eröffnet hätten. Die<br />

Tatsache, dass sie genau das Gegenteil getan<br />

haben, beinhaltet den <strong>Recht</strong>sverstoß,<br />

der zugleich zu dem bei den VN entstandenen<br />

Schaden, nämlich der Unmöglichkeit<br />

geführt hat, Individualvergleiche und<br />

<strong>Recht</strong>sstreite vor den Gerichten über die<br />

angemessene Leistung der Versicherer aus<br />

den jeweiligen Versicherungsverträgen zu<br />

führen.<br />

Kunden, die Schadensersatz nach §§ 280,<br />

249 BGB in Verbindung mit § 1 a VVG<br />

verlangen können, würden also so gestellt,<br />

als hätten sich die VU zutreffend und<br />

richtig verhalten. In diesem Falle hätten<br />

sie eine Kulanzleistung in Höhe von 15<br />

Prozent erhalten und wären ansonsten<br />

an der Geltendmachung berechtigter<br />

Ansprüche nicht gehindert worden. Dies<br />

bedeutet, ein Kunde, der sich auf § 249<br />

BGB (Naturalersatz) heute beruft, wird so<br />

behandelt, als gäbe es den geschlossenen<br />

Vergleich („Bayerische Lösung“) nicht.<br />

Auf der anderen Seite verbleiben ihm die<br />

gezahlten 15 Prozent, denn diese sollten ja<br />

ohnehin (kulanzweise) an ihn fließen.<br />

4. Verjährung<br />

Der Anspruch auf Rückgängigmachung<br />

des Vergleichs („Bayerische Lösung“)<br />

unterliegt der Verjährung (§ 194 Absatz<br />

1 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist<br />

beträgt drei Jahre. Für einige Sonderfälle<br />

gibt es auch längere Verjährungsfristen<br />

(§§ 197, 199 BGB). Im vorliegenden Fall<br />

lautet die Frage, wann die regelmäßige<br />

Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt.<br />

Die Antwort ergibt sich aus § 199 Absatz<br />

1 BGB. Danach beginnt die Verjährungsfrist<br />

mit dem Schluss des Jahres, in dem<br />

der Anspruch entstanden ist und der<br />

Gläubiger von den den Anspruch begründenden<br />

Umständen und der Person des<br />

Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne<br />

grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.<br />

Im vorliegenden Fall („Bayerische<br />

Lösung“) ist der Anspruch auf Rückgängigmachung<br />

mit Unterzeichnung<br />

des Vergleichs entstanden. Die Kunden<br />

(Gläubiger), die den Vergleich angenommen<br />

haben, haben aber bisher keinerlei<br />

Kenntnis von den den Anspruch begründenden<br />

Umständen, da sie erst durch<br />

dieses <strong>Recht</strong>sgutachten erfahren, dass es<br />

diesen Anspruch überhaupt gibt.<br />

Dies bedeutet, dass die Verjährungsfrist<br />

für die betroffenen Kunden frühestens mit<br />

der Kenntnis von diesem Anspruch, nämlich<br />

der Kenntnis von diesem <strong>Recht</strong>sgutachten<br />

oder ähnlichen Veröffentlichungen,<br />

beginnen kann. Geht man einmal davon<br />

aus, dass die Kunden im Jahr 2021<br />

von der Existenz dieses Anspruchs auf<br />

Rückgängigmachung der „Bayerischen<br />

Lösung“ erfahren, so beginnt die Verjährungsfrist<br />

am Schluss des Jahres 2021,<br />

also am 31.12.2021, zu laufen. Damit endet<br />

die Verjährungsfrist drei Jahre später,<br />

nämlich am 31.12.2024, 24 Uhr.<br />

Frage 3<br />

Die Frage 3 bezieht sich auf die Makler,<br />

die ihren Kunden zur Annahme der „Ba-<br />

yerischen Lösung“ geraten haben. Müssen<br />

Makler möglicherweise damit rechnen,<br />

wegen etwaiger Nachteile von ihren Kunden<br />

in Anspruch genommen zu werden?<br />

Richtig ist, dass auch die Makler den Verhaltenspflichten<br />

des § 1 a VVG unterliegen<br />

– dies ergibt sich aus § 59 Absatz 1 Satz 2<br />

VVG. Richtig ist aber auch, dass ein Makler<br />

an der „Bayerischen Lösung“ nicht<br />

mitgewirkt hat. Diese ist ausschließlich<br />

von den Versicherern mit der Bayerischen<br />

Staatsregierung und bayerischen Verbänden<br />

verabredet worden. Die formale und<br />

inhaltliche Konzeption der „Bayerischen<br />

Lösung“ wurde somit von keinem einzelnen<br />

Makler noch von etwaigen Maklerverbänden<br />

oder Maklerpools beeinflusst.<br />

Die einzige Frage, die man sich stellen<br />

kann, lautet deshalb, ob der Makler, der<br />

von seinem Kunden als Sachwalter befragt<br />

wurde, möglicherweise von der Annahme<br />

des Vergleichs hätte abraten müssen.<br />

Mit Blick auf diese Frage, für die es bisher<br />

in Literatur und <strong>Recht</strong>sprechung keinerlei<br />

Vorbilder gibt, wird man zunächst einmal<br />

sagen müssen, dass es an einer dem<br />

Makler vorwerfbaren Pflichtverletzung<br />

fehlt. Eine Pflichtverletzung könnte nur<br />

dann bejaht werden, wenn der Makler<br />

die überlegene Sach- und Fachkunde der<br />

Bayerischen Staatsregierung, der bayerischen<br />

Wirtschaftsverbände und des<br />

Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft<br />

aufgrund seiner Sachwalterstellung<br />

infrage stellen könnte. Das ist<br />

praktisch ausgeschlossen – bei einer derartig<br />

geballten Fach- und Sachkompetenz<br />

der eben erwähnten Institutionen ist jeder<br />

Makler gehalten, dieser genauso zu vertrauen,<br />

wie es auch sein Kunde tun muss.<br />

Er, der Makler, kann nicht an die Stelle<br />

dieser großen Institutionen und Verbände<br />

treten – auf ihn kann das Haftungsrisiko<br />

nicht weiterverlagert werden, weil er<br />

genauso wenig Einschätzungsprärogative<br />

hat wie auch sein Kunde selbst.<br />

In jedem Falle aber fehlt es am Verschulden<br />

des Maklers. Wenn er den großen<br />

Institutionen und Verbänden vertraut,<br />

die sich im Rahmen der „Bayerischen<br />

Lösung“ an seinen Kunden wenden, so<br />

verletzt er auf keinen Fall die im <strong>Recht</strong>sverkehr<br />

erforderliche Sorgfalt, wenn er<br />

dem Kunden zur Annahme des Vergleichs<br />

rät. Denn das tun diese Institutionen<br />

auch. Mit welchen Sachgründen will ein<br />

Makler seinem Kunden erklären, dass er<br />

„klüger ist“ als die geballte Kompetenz<br />

der Bayerischen Staatsregierung, der<br />

gesamten bayerischen Wirtschaft und<br />

Sonderausgabe<br />

13


<strong>Recht</strong><br />

des GDV?<br />

Hiervon abgesehen werden sich diese<br />

Fragen aber in der Praxis nicht stellen,<br />

denn wie eben gezeigt ist die „Bayerische<br />

Lösung“ von den betroffenen Kunden nach<br />

§ 249 BGB (Naturalersatz) zu beseitigen.<br />

Die Kunden können diesen Anspruch, der<br />

aus § 280 Absatz 1 BGB in Verbindung<br />

mit § 1 a VVG erwächst, nunmehr geltend<br />

machen. In Konsequenz fällt die Bindung<br />

an den Vergleich weg – die <strong>Recht</strong>slage ist<br />

wieder offen. Die Kunden können mit ihrem<br />

Versicherer (auch vor Gericht) klären,<br />

ob Deckung für Corona-bedingte Schließungen<br />

besteht oder nicht. Folge: Selbst<br />

dann, wenn ein Makler die Annahme der<br />

„Bayerischen Lösung“ empfohlen haben<br />

sollte, hätte das nicht zu einem Schaden bei<br />

dem Kunden geführt, weil dieser Ver-gleich<br />

im Nachhinein beseitigt werden kann.<br />

D. GESAMTERGEBNIS<br />

Frage 1<br />

1. Die „Bayerische Lösung“ stellt einen<br />

Vergleich nach § 779 BGB dar, da sie<br />

die Ungewissheit zwischen VU und VN<br />

über den Deckungsumfang bestehender<br />

Betriebsschließungsversicherungen im<br />

Rahmen der Corona-Pandemie durch<br />

gegenseitiges Nachgeben beseitigte.<br />

2. VU, die (etwa Anfang März 2020)<br />

erklärt haben, dass behördlich angeordnete<br />

Betriebsschließungen aufgrund<br />

des Corona-Virus in der gewerblichen<br />

Betriebsschließungsversicherung mitversichert<br />

sind, sind an diese Erklärungen nach<br />

§ 1 a Absatz 1 Nummer 4 VVG gebunden.<br />

3. VU, die eine öffentliche Deckungszusage<br />

für Corona-bedingte Betriebsschließungen<br />

abgegeben haben, konnten an der<br />

„Bayerischen Lösung“ nicht mehr wirksam<br />

teilnehmen, da sie die Ungewissheit<br />

über den bestehenden Deckungsschutz<br />

durch ihre öffentliche Deckungszusage<br />

beseitigt hatten.<br />

4. VN, die bei solchen VU die „Bayerische<br />

Lösung“ akzeptiert (unterzeichnet) haben,<br />

haben in Wirklichkeit keinen wirksamen<br />

Vergleichsvertrag geschlossen. Im Gegenteil:<br />

Der Vergleich ist unwirksam. Er<br />

entfaltet keinerlei Bindungswirkungen.<br />

5. VN, die die „Bayerische Lösung“<br />

akzeptiert haben, sollten ihre darauf<br />

gerichtete Willenserklärung (hilfsweise)<br />

wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)<br />

anfechten, wenn sie herausfinden, dass<br />

ihr VU im Vorfeld (zum Beispiel Anfang<br />

März 2020) den Deckungsschutz für<br />

Corona-bedingte Betriebsschließungen<br />

erklärt hatte.<br />

6. In solchen Fällen liegt eine arglistige<br />

Täuschung vor, weil das VU wusste, dass<br />

es Deckungsschutz erklärt hatte, und<br />

dessen ungeachtet mit der „Bayerischen<br />

Lösung“ behauptete, nicht zur Deckung<br />

verpflichtet zu sein.<br />

7. Die (hilfsweise) Anfechtungserklärung<br />

dient nur dem Zweck, etwaige Zweifel<br />

bei der Frage der Unwirksamkeit des Vergleichs<br />

nach § 779 BGB auszuräumen.<br />

8. Die Anfechtung wegen arglistiger<br />

Täuschung ist innerhalb eines Jahres nach<br />

positiver Kenntnis über die arglistige<br />

Täuschung zu erklären (§ 124 Absatz 2<br />

BGB). Die Jahresfrist beginnt mit positiver<br />

Kenntnis zu laufen, also dann, wenn der<br />

VN von der Täuschung durch das VU<br />

positiv Kenntnis hat. Bloßes Nichtwissen<br />

(fahrlässige Unkenntnis) genügt für das<br />

Ingangsetzen der Frist nicht.<br />

9. Da die allermeisten VN erst dann von<br />

der Täuschung Kenntnis erlangen, wenn<br />

sie wesentliche Inhalte dieses Gutachtens<br />

positiv erfahren, dürfte die Jahresfrist bei<br />

praktisch allen Betroffenen im Dezember<br />

2020 noch nicht begonnen haben.<br />

Frage 2<br />

10. Die „Bayerische Lösung“ als solche<br />

war weder redlich noch ehrlich. Sie lag<br />

nicht im bestmöglichen Interesse der<br />

VN. Die Versicherer, die die „Bayerische<br />

Lösung“ angeboten haben, haben damit<br />

zugleich § 1 a VVG verletzt.<br />

11. Die Kunden haben als <strong>Recht</strong>sfolge einen<br />

Schadensersatzanspruch nach §§ 280,<br />

249 BGB.<br />

12. Die Kunden können im Wege des<br />

Naturalersatzes die Wiederherstellung<br />

des Zustandes ohne den schädigenden<br />

Eingriff der VU verlangen. Sie wären also<br />

so gestellt, als wären ihnen 15 Prozent<br />

kulanzweise zugeflossen, während sie wegen<br />

des offenen Rests Individualvergleiche<br />

verhandeln können und dürfen und/oder<br />

vor den Gerichten über den angemessenen<br />

Deckungsumfang streiten könnten. Diesen<br />

Anspruch können sie jederzeit geltend machen<br />

– er ist bisher nicht verjährt.<br />

13. Die Verjährung des Anspruchs auf<br />

Rückgängigmachung der „Bayerischen<br />

Lösung“ beginnt mit Kenntnis dieses<br />

Anspruchs – frühestens im Jahr 2021<br />

mit Kenntnis dieses <strong>Recht</strong>sgutachtens. In<br />

diesem Fall endet die Verjährungsfrist am<br />

31.12.2024.<br />

Frage 3<br />

14. Ein Makler, der seinen Kunden zur Annahme<br />

der „Bayerischen Lösung“ geraten<br />

hat, haftet nicht auf Schadensersatz.<br />

15. Es liegt weder eine Pflichtverletzung<br />

noch ein Verschulden des Maklers vor, da<br />

er genau wie die Kunden auf die Redlichkeit<br />

und Ehrlichkeit des Angebots der<br />

Versicherer im Rahmen der „Bayerischen<br />

Lösung“ vertrauen dürfte.<br />

16. Den Kunden entsteht auch kein Schaden<br />

durch den Rat des Maklers, da sie<br />

die „Bayerische Lösung“ durch Geltendmachung<br />

ihres Anspruchs gegen den<br />

Versicherer beseitigen können.<br />

1<br />

BeckOK BGB, Hau-Poseck, 56. Edition, Stand 01.11.2020, § 779 Rn 9; MüKo/<br />

Habersack, BGB-Kom, 8. Aufl., § 779 Rn 2; jurisPK- BGB, 9. Aufl./Bork § 779 Rn 5.<br />

2<br />

jurisPK-BGB, 9. Auflage/Bork § 779 Rn 5; Staudinger/Hau (2020) BGB § 779<br />

Rn 62.<br />

3<br />

So bereits RGZ 56, 333, 335; 142, 1, 3; RG JW 1905, 721; vertiefend Staudinger/<br />

Hau (2020) BGB § 779 Rn 71.<br />

4<br />

BGH vom 18.12.2007 – XI ZR 76/06 = NJW-RR-2008, 643, 645 Rn 24;<br />

Staudinger/Hau (2020) BGB § 779 ab Rn 72.<br />

5<br />

BGH vom 27.10.1971 – IV ZR 182 /69 = NJW 1972, 157; BGH vom 06.11.1991 –<br />

XII ZR 168/90 = NJW-RR 1992, 363.<br />

6<br />

Staudinger/Hau (2020) § 779 Rn 12; MüKo/Habersack BGB- Kom 8. Aufl. § 779<br />

Rn 3.<br />

7<br />

Palandt/Ellenberger 79 BGB-Kom Überbl. v § 104 Rn 11.<br />

8<br />

Dazu Fortmann, Betriebsschließungsversicherung – ein Update, r+s 2020, 665,<br />

Nachweise in Rn. 1.<br />

9<br />

Staudinger/Hau (2020) BGB § 779 Rn 47.<br />

10<br />

jurisPK- BGB, 9. Aufl./Bork § 779 Rn 10.<br />

11<br />

Beispielsweise LG Mannheim vom 29.04.2020 – II O 6620; OLG Hamm vom<br />

15.07.2020 – 20 W 21/20; LG Bochum vom 15.07.2020 – 4 O 215/ 20; LG<br />

München I vom 22.10.2020 – 12 O 5868/20; LG München I vom 24.11.2020 – 23<br />

O 5937 / 20; LG München vom 01.10.2020 – 120 O 5895 / 20.<br />

12<br />

BGH vom 08.03.2012 – IX ZR 51/11 = NJW 2012, 2099, 2101 Fn. 31; ähnlich<br />

BAG vom 15.09.2009 – 3 AZR 173/08 = NJW 2010 550; 554 Rn. 46.<br />

13<br />

BGH vom 19.09.1963 – III ZR 121/62 NJW 1963, 2316, 2317; vertiefend<br />

Staudinger/Hau (2020) BGB § 779 Rn. 45.<br />

14<br />

Staudinger/Hau (2020) BGB § 779 Rn. 54; einschränkend OLG München,<br />

Beschl. vom 21.04.1969 – 11 W 177/68 = NJW 1969, 1306, 1307.<br />

15<br />

BGH vom 25.05.1964 – II ZR 87/62 = NJW 1964, 1787.<br />

16<br />

RGZ 158, 210, 213; BGH vom 31.01.1963 – III ZR 117/62 = BG- HZ 39, 60, 65.<br />

17<br />

RG JW 1910; 280 Nr. 3; BGH LM § 779 Nr. 1 a.<br />

18<br />

RG SeuffA 95 Nr. 52; Staudinger/Hau (2020) BGB § 779 Rn. 49, jurisPK-BGB;<br />

jurisPK-BGB, 9. Aufl./Bork § 779 Rn. 10; Palandt/Sprau 80 § 779 Rn. 4.<br />

19<br />

Nachweise in Staudinger/Hau (2020), BGB § 779 Rn. 47.<br />

20<br />

Vertiefend BT-Drs. 18/11627, S. 42.<br />

21<br />

Wie hier auch LG München I vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20, S. 17/18.<br />

22<br />

jurisPK – BGB, 9. Aufl./Bork § 779 Rn 15 m. w. N.<br />

23<br />

jurisPK – BGB, 9. Aufl./Bork § 779 Rn. 16.<br />

24<br />

BGH vom 25.10.2007 – VII ZR 205/06 = BGH NJW-RR 2008; 258 Rn. 20; OLG<br />

Köln vom 18.11.2003 – 9 U 32/03 = VersR. 2004, 90; vertiefend Palandt/<br />

Ellenberger 80 § 123 Rn. 2.<br />

25<br />

BGH vom 08.12.1989 – V ZR 246/87 = NJW 1990, 975, 976.<br />

26<br />

MüKo/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 27, jurisPK – BGB, 9. Aufl./Moritz<br />

§ 123 Rn. 14.<br />

27<br />

Staudinger/Singer/Finckenstein (2017) BGB § 123 Rn. 5; Rn. 48.<br />

28<br />

RG JW 1911, 275.<br />

29<br />

RGZ 77, 309, 314; vertiefend Staudinger/Singer/Finckenstein (2017) BGB<br />

§ 123 Rn. 48.<br />

30<br />

BGH vom 26.04.1973 – III ZR 116/71 = BGH WM 1973, 750, 751; OLG Hamm<br />

vom 28.07.2010 – I-20 U 20/10 n = VersR 2011, 793, 794; OLG Braunschweig<br />

vom 06.11.2014 – 8 U 163/13 = BeckRS 2015, 00155.<br />

31<br />

OLG Celle vom 21.12.2010 – 8 U 44/10 = BeckRS 2012, 00631.<br />

32<br />

BGH vom 20.05.2009 – VIII ZR 247/06 = NJW 2009, 2532, 2533; OLG Köln vom<br />

21.11.2008 – 19 Sch 12/08 = MedR 2010, 264, 266.<br />

33<br />

Art. 6 S. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97<br />

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.01.2016 über<br />

Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20.07.2017<br />

(BGBl.I 2789, 2803).<br />

34<br />

Erwägungsgrund 10 der RL (EU) 2016/97.<br />

35<br />

So BT-Drs. 18/11627, S. 42.<br />

36<br />

HK-VVG/Brömmelmeyer, VVG, 4. Aufl., § 1 a Rn. 8.<br />

37<br />

HK-VVG/Brömmelmeyer, a. a. O., § 1 a Rn. 8; ähnlich Prölss/Martin/Armbrüster,<br />

VVG, 31. Aufl. 2021, § 1 a Rn. 2; Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG,<br />

§ 1 a Rn. 5.<br />

38<br />

HK-VVG/Brömmelmeyer, a. a. O., § 1 a Rn. 10.<br />

39<br />

BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – IV ZR 280/15, r+s 2017, 368ff.; zuvor schon<br />

BGH vom 07.02.2007 – IV ZR 244/03, NJW- RR 2007, 753.<br />

40<br />

Wie hier Fortmann, Betriebsschließungsversicherung – ein Update, r+s 2020,<br />

665, 673.<br />

41<br />

Beispiele in Fn. 11 und bei Fortmann, Betriebsschließungsversicherung – ein<br />

Update, r+s 2020, 665 in Fn. 1.<br />

42<br />

BT-Drs. 18/11627, S. 42.<br />

43<br />

BGH LM § 455 Nr. 21 Bl2, § 242 (Be) Nr. 36.<br />

44<br />

VVG/Brömmelmeyer, a. a. O., § 1 a Rn. 18; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31.<br />

Aufl. § 1 a Rn. 9; Rixecker/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 1 a Rn. 1; BT-Dr. 18/11627,<br />

S. 42.<br />

14 Sonderausgabe


ZAHLT IHRE<br />

VERSICHERUNG<br />

NICHT?<br />

KANZLEI MICHAELIS<br />

FRAGEN!<br />

DIE KANZLEI, DIE BUNDESWEIT AUSSCHLIESSLICH<br />

VERSICHERUNGSVERMITTLER UND DEREN<br />

VERSICHERUNGSNEHMER VERTRITT!<br />

BESSER WIR SIND<br />

AUF IHRER SEITE<br />

Kanzlei Michaelis <strong>Recht</strong>sanwälte<br />

Partnerschaftsgesellschaft<br />

Glockengießerwall 2<br />

20095 Hamburg<br />

Tel.: 040/ 888 88 777<br />

Fax: 040/ 888 88 737<br />

info@kanzlei-michaelis.de<br />

www.kanzlei-michaelis.de


<strong>Recht</strong><br />

Der Widerruf der Erlaubnis für<br />

Versiche rungsmakler und Erfolgschancen<br />

beim Vorgehen dagegen<br />

– TEXT: RECHTSANWÄLTE STEPHAN MICHAELIS, LL. M., FACHANWALT FÜR VERSICHERUNGSRECHT, UND DANIEL SCHÖNFELDER –<br />

1. ERLAUBNISPFLICHT UND<br />

WIDERRUFSMÖGLICHKEIT<br />

Der Versicherungsmakler braucht bekanntlich<br />

eine Erlaubnis gemäß § 34d<br />

GewO, um seine Tätigkeit der Vermittnete<br />

Vermögensverhältnisse des Versicherungsmaklers.<br />

Als Anbieter in einem sogenannten<br />

„Vertrauensgewerbe“ 1 haben Versicherungsmakler<br />

nicht nur zivilrechtlich 2 ,<br />

sondern auch öffentlich-rechtlich weitgehende<br />

Pflichten. Während im Zivilrecht<br />

unter anderem Haftungsansprüche drohen,<br />

die jedoch in vielen Fällen von den<br />

einschlägigen Haftpflichtversicherungen<br />

abgedeckt werden, geht es im öffentlichen<br />

<strong>Recht</strong> ums „Eingemachte“, und das ganz<br />

ohne Absicherungsmöglichkeit durch<br />

Haftpflichtversicherungen: die Erlaubnis,<br />

geschäftlich tätig zu werden und<br />

den Kundenbestand betreuen zu dürfen.<br />

Sollte es zu einem öffentlich-rechtlichen<br />

Widerruf der Erlaubnis kommen, ist<br />

jedoch nicht alles verloren. Wie immer<br />

in unserem <strong>Recht</strong>sstaat gibt es strenge<br />

Voraussetzungen für die staatlichen<br />

Maßnahmen und Schutzmöglichkeiten<br />

für den Betroffenen, weil der Entzug<br />

der Erlaubnis existenzbedrohend sein<br />

kann. Dieser Beitrag erörtert anhand von<br />

<strong>Recht</strong>sprechung aus den letzten Jahren die<br />

relevantesten Fallkonstellationen für den<br />

Versicherungsmakler.<br />

lung und der Betreuung ausüben zu dürfen.<br />

Diese erhält er gemäß § 34d Absatz 5<br />

GewO unter anderem dann nicht, wenn er<br />

„unzuverlässig“ ist oder in ungeordneten<br />

Vermögensverhältnissen lebt. Was aber<br />

passiert, wenn nach der rechtmäßigen 3 Erteilung<br />

der Erlaubnis Umstände eintreten,<br />

die die IHK zu der Überzeugung gelangen<br />

lassen können, der Versicherungsmakler<br />

sei „unzuverlässig“ oder Ähnliches? Die<br />

Antwort liefert § 49 Absatz 2 Nummer<br />

3 VwVfG. Danach „kann“ die Erlaubnis<br />

widerrufen werden, wenn nachträglich<br />

Tatsachen auftreten, die es erlaubt hätten,<br />

die Erlaubnis nicht zu erteilen. Also: Der<br />

Widerruf knüpft im Wesentlichen an die<br />

Erteilungsvoraussetzungen an. 4<br />

Nehmen wir nun an, dem Leser als<br />

gestandenem Versicherungsmakler wird<br />

seine Erlaubnis gemäß § 34d Absatz 5<br />

GewO seitens der IHK widerrufen und er<br />

denkt darüber nach, dagegen vorzugehen.<br />

Ob ein derartiges Vorgehen von Erfolg<br />

gekrönt wird, hängt natürlich von unzähligen<br />

Aspekten des jeweiligen Einzelfalls<br />

ab. Aus der <strong>Recht</strong>sprechung lassen sich<br />

jedoch einige Leitlinien ableiten, die im<br />

Folgenden dargestellt werden. Hier setzen<br />

wir den Schwerpunkt vor allem auf die<br />

von der <strong>Recht</strong>sprechung am häufigsten<br />

behandelten Konstellationen: Straftaten<br />

des Versicherungsmaklers und ungeord-<br />

2. ÜBERSICHT ÜBER DIE VORAUSSETZUNGEN<br />

DES WIDERRUFS<br />

Vorab seien kurz die Widerrufsvoraussetzungen<br />

erläutert. Diese umfassen:<br />

• Widerrufsgrund (unter anderem nachträgliche<br />

Tatsachen, die die Erlaubnisverweigerung<br />

erlaubt hätten, Auflagennichterfüllung,<br />

Widerrufsvorbehalt<br />

– § 49 Absatz 2 VwVfG)<br />

• Tätigwerden der Behörde innerhalb eines<br />

Jahres ab ihrer Kenntnis der Tatsachengrundlage<br />

des Widerrufsgrundes (§§ 49<br />

Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit 48<br />

Absatz 4 Satz 1 VwVfG)<br />

• Gefährdung des öffentlichen Interesses<br />

ohne Widerruf<br />

• Fehlerfrei ausgeübtes Ermessen<br />

(vor allem Verhältnismäßigkeit)<br />

a. Unzuverlässigkeit – Straftaten des<br />

Versicherungsmaklers<br />

Dem Versicherungsmakler ist die Erlaubnis<br />

gemäß §§ 49 Absatz 2 Nummer 3<br />

VwVfG in Verbindung mit 34d Absatz<br />

5 GewO zu widerrufen, wenn er unzuverlässig<br />

ist. Als unzuverlässig hat dabei<br />

derjenige Gewerbetreibende zu gelten, der<br />

nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens<br />

nicht die Gewähr dafür bietet, dass er<br />

das von ihm ausgeübte Gewerbe künftig<br />

ordnungsgemäß, das heißt entsprechend<br />

den gesetzlichen Vorschriften und unter<br />

Beachtung der guten Sitten, 5 betreiben<br />

wird, ohne dass es auf Verschuldenstatbestände<br />

ankäme. 6<br />

Das ist laut § 34d Absatz 5 Satz 2 GewO<br />

im Regelfall dann gegeben, wenn er in den<br />

letzten fünf Jahren wegen eines Verbrechens<br />

– also einer Straftat mit einer Mindeststrafe<br />

von einem Jahr – oder wegen<br />

Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung,<br />

Betrugs, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung,<br />

Hehlerei, Wuchers oder einer<br />

Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt<br />

16 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

worden ist.<br />

Erste wichtige Einschränkung: Es handelt<br />

sich um ein sogenanntes „Regelbeispiel“.<br />

Das heißt, selbst wenn es zu einer derartigen<br />

Straftat kam, muss nicht unbedingt<br />

von der Unzuverlässigkeit ausgegangen<br />

werden: nämlich dann, wenn ein untypischer<br />

Fall vorliegt. Das ist eine komplizierte<br />

Frage des Einzelfalls.<br />

Es muss bei der Auslegung berücksichtigt<br />

werden, dass die gesetzliche Regelung den<br />

Zweck verfolgt, den <strong>Recht</strong>sverkehr vor<br />

typischen Gefahren durch unzuverlässige<br />

Versicherungsmakler zu schützen. Typischerweise<br />

im Fokus stehende Gefahren<br />

sind etwa, dass der Versicherungsmakler<br />

zur Gewinngenerierung dem Versicherungsnehmer<br />

Produkte vermittelt, die<br />

dessen Interessen in keiner Weise dienen.<br />

Nach der <strong>Recht</strong>sprechung wird hierbei<br />

davon ausgegangen, dass diese Gefahr<br />

steigt, umso mehr der Versicherungsmakler<br />

unter finanziellem Druck steht. 7 Auch<br />

kann es vorkommen, dass ein Versicherungsmakler<br />

Zugriffs- und Verfügungsmöglichkeiten<br />

zur Manipulation von Versicherungsfällen<br />

und -anträgen 8 ausnutzt.<br />

Eine andere Gefahr ist der umgekehrte<br />

Fall: dass der Versicherungsmakler einen<br />

bestehenden Versicherungsbedarf nicht<br />

erkennt. Unserer Ansicht nach muss nach<br />

teleologischer Auslegung umso eher von<br />

einem atypischen Fall ausgegangen werden,<br />

je weniger aus der gegebenen Straftat<br />

darauf geschlossen werden kann, dass die<br />

beschriebenen Gefahren bei dem betreffenden<br />

Versicherungsmakler besonders<br />

hoch sind.<br />

Diese Logik wird allerdings durch die<br />

pauschale Annahme der Unzuverlässigkeit<br />

bei jedwedem Verbrechen in § 34d Absatz<br />

5 GewO abgeschwächt. Hier reicht es<br />

angesichts der bewussten Entscheidung<br />

des Gesetzgebers, nicht nur die sachnahen<br />

Vermögensdelikte, sondern allgemein<br />

Verbrechen (Straftaten mit mehr als einem<br />

Jahr Mindeststrafe, § 12 StGB) ausreichen<br />

zu lassen, – außer in absoluten Ausnahmefällen<br />

– immer für die Unzuverlässigkeit<br />

– das Kriterium des Gesetzgebers ist<br />

hier Unrechtsgewicht, nicht Sachnähe. 9<br />

Deshalb bejahte das OVG Berlin-Brandenburg<br />

auch bei BTM-Delikten (Drogen)<br />

die Unzuverlässigkeit – jedoch nach näherer<br />

Erörterung des Zusammenhangs zur<br />

beruflichen Tätigkeit, 10 was eine restriktive<br />

Anwendung erkennen lässt.<br />

Jede Annahme eines atypischen Falls –<br />

also die Ablehnung der Unzuverlässigkeit<br />

trotz eines der dargestellten Regelbeispiele<br />

– erfordert eine umfassende Würdigung<br />

des Einzelfalls. 11 Kriterien aus der <strong>Recht</strong>sprechung,<br />

die zur Annahme eines derartigen<br />

untypischen Falls führen können,<br />

sind etwa:<br />

• Zeit zwischen Tat und Verurteilung 12 – je<br />

mehr Zeit verstrich, umso eher besteht<br />

Atypik.<br />

• Deutliche zeitliche Nähe zum Erreichen<br />

des Endes des Fünf-Jahres-Zeitraums 13 –<br />

je mehr Zeit verstrich, umso eher besteht<br />

Atypik.<br />

• Stärke des Bezugs der Straftat zur<br />

Versicherungsbranche; 14 Vermögenskriminalität<br />

15 – insbesondere vor dem Hintergrund<br />

des Artikels 4 Absatz 2 erster<br />

Unterabsatz Satz 2 der der deutschen<br />

Norm zugrunde liegenden RL 2002/92/<br />

EG 16 – je weniger die Straftat mit dem<br />

Versicherungsmaklergewerbe zu tun hat,<br />

umso eher besteht Atypik.<br />

• Hohes Strafmaß, 17 Schwere der Tat,<br />

Höhe des Schadens, 18 besonders hohe<br />

kriminelle Energie, Häufigkeit der<br />

Straftaten 19 – je schwerer Strafe und Tat<br />

wiegen, umso weniger besteht Atypik.<br />

• Nicht nur „Augenblicksversagen“ 20 – je<br />

mehr von einem absoluten Einzelfall auszugehen<br />

ist, umso mehr besteht Atypik.<br />

Im Umkehrschluss führt die Auflistung<br />

der Straftaten dazu, dass andere Vergehen,<br />

die nicht beispielhaft genannt<br />

werden, eben in der Regel nicht zur<br />

Unzuverlässigkeit führen. Hier wird das<br />

Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt.<br />

Sollte ein Versicherungsmakler wegen<br />

einer anderen Straftat als den aufgelisteten<br />

Straftaten verurteilt worden sein, muss die<br />

Behörde explizit und plausibel begründen,<br />

warum er deshalb „unzuverlässig“<br />

ist. Die Gesetzessystematik geht nämlich<br />

davon aus, dass mangels Vorliegens einer<br />

Regelstraftat im Regelfall gerade keine<br />

Unzuverlässigkeit gegeben ist.<br />

b. Andere Fälle der Unzuverlässigkeit:<br />

Weiterbildungspflicht?<br />

Maßgeblich sind alle Umstände des<br />

Einzelfalls und die Gesamtpersönlichkeit<br />

des Antragstellers. Deshalb kann auch<br />

sonstiges Fehlverhalten des Antragstellers<br />

auf seine Unzuverlässigkeit schließen<br />

lassen, sofern ein relevanter Bezug zur<br />

Versicherungsvermittlung vorliegt. 21 Das<br />

kann etwa das Nichterfüllen der Voraussetzungen<br />

zur Weiterbildungspflicht aus<br />

§ 34d Absatz 9 Satz 2 GewO betreffen.<br />

Hierbei sind zuerst Ordnungswidrigkeiten<br />

gemäß § 144 Absatz 2 Nummer 7c<br />

GewO mit Geldbußen bis zu 5.000 Euro<br />

zu befürchten. Bei andauernden Verstößen<br />

ist allerdings damit zu rechnen, dass<br />

die zuständige Behörde auch über eine<br />

nachträgliche Unzuverlässigkeit gemäß<br />

§ 34d Absatz 5 Nummer 1 GewO wegen<br />

Verstoß gegen rechtliche Pflichten oder<br />

von einem Indiz für eine mangelnde Sachkunde<br />

gemäß § 34d Absatz 5 Nummer 4<br />

GewO ausgeht und einen Widerruf nach<br />

erfolgloser Aufforderung zur Wahrnehmung<br />

von Weiterbildungsverpflichtungen<br />

angeht. Denn die Nichterfüllung gesetzlicher<br />

Pflichten ist ein typischer Grund<br />

für die Annahme von Unzuverlässigkeit 22<br />

durch nicht ordnungs- bzw. rechtmäßige<br />

Gewerbeausübung.<br />

c. Ungeordnete Vermögensverhältnisse<br />

Ungeordnete Vermögensverhältnisse im<br />

Sinne des § 34d Absatz 5 Satz 1 Nummer<br />

2 GewO liegen in der Regel vor, wenn<br />

über das Vermögen des Antragstellers<br />

das Insolvenzverfahren eröffnet worden<br />

oder er in das Schuldnerverzeichnis nach<br />

§ 882b der Zivilprozessordnung eingetragen<br />

ist. Vor dem Hintergrund der hohen<br />

Schutzwürdigkeit der betroffenen Berufsfreiheit<br />

(Artikel 12 GG) ist diese Variante<br />

restriktiv auszulegen. 23 Hintergrund dieser<br />

Widerrufsmöglichkeit ist der Gedanke,<br />

dass Versicherungsmakler in finanzieller<br />

Bedrängnis einen besonders hohen Verkaufsdruck<br />

empfinden könnten, der einen<br />

Anreiz zur übermäßigen Vermittlung von<br />

risikomäßig nicht gebotenen Versicherungsvermittlungen<br />

setzt. 24<br />

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gemäß<br />

§ 12 GewO für die Zeitdauer bestimmter<br />

Maßnahmen innerhalb des Insolvenzverfahrens<br />

in Bezug auf das Gewerbe, für das<br />

der Insolvenzantrag gestellt wurde, diese<br />

Widerrufsmöglichkeit keine Anwendung<br />

findet. Hintergrund ist der Gedanke, dass<br />

es im Gläubiger- und Schuldnerinteresse<br />

liegt, die Fortführung des Betriebs zur<br />

Erwirtschaftung von Mitteln zur Schuldenrückzahlung<br />

zu ermöglichen. Das<br />

führt zu dem Ergebnis, dass ein eröffnetes<br />

Insolvenzverfahren über den laufenden<br />

Betrieb eines Versicherungsmaklers keinen<br />

Widerruf zulässt, sondern nur ein Insolvenzverfahren<br />

über einen anderen Betrieb.<br />

Wie bei dem Widerrufsgrund der Straftaten<br />

formuliert § 34d Absatz 5 Satz 1<br />

Nummer 2 GewO ein Regelbeispiel. Trotz<br />

Vorliegen der Voraussetzungen kann<br />

deshalb wiederum in atypischen Fällen ein<br />

Widerrufsgrund abgelehnt werden. 25<br />

In der <strong>Recht</strong>sprechung uneinheitlich<br />

bewertet wird die Phase der Rest-<br />

Sonderausgabe<br />

17


<strong>Recht</strong><br />

schuldbefreiung. Das VG Münster<br />

ließ insoweit die Restschuldbefreiung<br />

angesichts noch nicht abgelaufener<br />

Wohlverhaltensfrist nicht ausreichen<br />

und argumentiert, erst mit Abschluss der<br />

sechsjährigen Wohlverhaltensphase könne<br />

von einer neuerlichen Zuverlässigkeit<br />

ausgegangen werden. 26 Überzeugender<br />

erscheint es, mit dem die Entscheidung<br />

des VG Münster aufhebenden OVG<br />

Münster davon auszugehen, dass die angekündigte<br />

Restschuldbefreiung ausreicht:<br />

Denn damit soll gerade dem Schuldner<br />

nach Abschluss des Insolvenzverfahrens<br />

der Eintritt ins Wirtschaftsleben erleichtert<br />

werden. Ein Zustand geordneter<br />

wirtschaftlicher Verhältnisse ist bereits<br />

mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung<br />

erreicht, 27 denn die abstrakte<br />

Möglichkeit der Schuldbefreiung durch<br />

das Insolvenzverfahren verdichtet sich<br />

hier bereits zu einer konkreten Aussicht. 28<br />

Ein zusätzliches Argument bietet hierzu<br />

Artikel 4 Absatz 2 und Absatz 1 der<br />

Richtlinie 2002/92/EG vom 9. Dezember<br />

2002 über Versicherungsvermittlung, der<br />

durch § 34d GewO umgesetzt wurde.<br />

Demnach sollen Versicherungsvermittler<br />

nie in Konkurs gegangen sein, es sei denn,<br />

sie sind gemäß nationalem <strong>Recht</strong> rehabilitiert<br />

worden. 29 Bei Eintragungen in das<br />

Schuldnerverzeichnis werden wegen der<br />

restriktiven Auslegung hohe Maßstäbe<br />

angelegt. Das VG Berlin ließ acht Eintragungen<br />

zwar ausreichen zur Annahme der<br />

ungeordneten Vermögensverhältnisse, zog<br />

aber ergänzend zusätzliche Umstände heran.<br />

30 Das VG Münster hat sich bei sieben<br />

Eintragungen 31 ausführlich mit möglichen<br />

Umständen der Atypik auseinandergesetzt.<br />

Obwohl im genannten Verfahren vor dem<br />

VG Münster der Versicherungsmakler<br />

einige seiner Schulden bei beachtlichen<br />

Umsätzen tilgte, reichte das nicht zur Wiederlegung<br />

des Regelfalls. 32 Hierbei war für<br />

das Gericht vor allem relevant, dass die<br />

Tilgung jeweils durch den Gerichtsvollzieher<br />

– also unfreiwillig – erfolgte, die<br />

einzelnen Zahlungen nicht genau aufgelistet<br />

werden konnten 33 und dass kein<br />

Tilgungsplan inklusive Aufstellung der<br />

Verpflichtungen mit Angabe der Gläubiger,<br />

ihrer Höhe und wie weit sie noch<br />

durch entsprechende Unterlagen belegt<br />

werden konnte, vorlag 34 Das zeigt, dass<br />

bei einer sorgfältigeren Planung der Schuldentilgung<br />

ein Widerruf durchaus hätte<br />

abgewendet werden können. Für Versicherungsmakler<br />

lässt sich daraus lernen:<br />

Auch bei Eintragungen in das Schuldner-<br />

verzeichnis kann ein Widerruf vermieden<br />

werden, wenn ausreichende Umsätze und<br />

ein nachweisbarer Plan zur Begleichung<br />

der Schulden vorliegen! Das VG Münster<br />

fasst das so zusammen und gibt dem aufmerksamen<br />

Leser damit gleich Tipps zum<br />

richtigen Vorgehen:<br />

„Aufgrund der vorstehend dargestellten<br />

Umstände kann danach weder die Glaubhaftmachung<br />

eines geordneten Verfahrens<br />

noch eines detaillierten Sanierungskonzeptes<br />

angenommen werden, aus dem<br />

ersichtlich würde, dass der Antragsteller<br />

planvoll, nachhaltig und zielgerichtet<br />

die Ablösung seiner Verbindlichkeiten<br />

betreibt. Überdies fehlt es an jeder Art<br />

von Belegen und Unterlagen, die eine<br />

solche Vorgehensweise zur Herstellung im<br />

übrigen geordneter Vermögensverhältnisse<br />

ausweisen.“ 35<br />

d. Gefährdung des öffentlichen Interesses<br />

Die Gefährdung des öffentlichen Interesses<br />

wurde von den entscheidenden<br />

Gerichten jeweils als durch das Vorliegen<br />

der sonstigen Voraussetzungen oder den<br />

Schutz von Verbrauchern vor unzuverlässigen<br />

Versicherungsmaklern 36 indiziert 37<br />

angesehen.<br />

3. ERMESSEN UND VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT<br />

Da § 49 Absatz 2 VwVfG durch die<br />

Formulierung „kann“ der handelnden<br />

Behörde Ermessen einräumt, kann jeder<br />

Widerruf auf Ermessensfehler überprüft<br />

werden. Hierbei lohnt sich vor allem<br />

ein Blick auf eine mögliche Ermessensüberschreitung<br />

durch Verstoß gegen das<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip. Demnach<br />

muss jede Eingriffsmaßnahme einen legitimen<br />

Zweck verfolgen, zu dessen Erreichung<br />

geeignet, erforderlich (keine gleich<br />

wirksame, mildere Maßnahme ersichtlich)<br />

und angemessen sein. Regelmäßig wird<br />

das keine Ansatzpunkte für ein Vorgehen<br />

bieten, da nach der <strong>Recht</strong>sprechung<br />

der Gesetzgeber den mit dem Widerruf<br />

verbundenen Existenzverlust gleichsam<br />

als notwendige Folge der Widerrufsvoraussetzungen<br />

zum Schutz von Verbraucherinteressen<br />

38 indiziert. 39 Im Regelfall<br />

wird daher bei Vorliegen der anderen<br />

Voraussetzungen von besonderen Härten<br />

auszugehen sein. Mögliche Ansatzpunkte<br />

für besondere Härten können etwa sein:<br />

• hohe Zahl von Arbeitnehmern, die am<br />

Betrieb hängen<br />

• lange Dauer der vorherigen beanstandungsfreien<br />

Betriebsausübung, inklusive<br />

großer Investitionen.<br />

4. FAZIT<br />

Festzuhalten bleibt: An den Versicherungsmakler<br />

werden strenge Anforderungen<br />

gestellt. Mit der Verübung von<br />

Straftaten, der Nichteinhaltung von<br />

gesetzlichen Pflichten wie der zur Weiterbildung<br />

oder bei der Eingehung hoher<br />

wirtschaftlicher Risiken begeben sich<br />

Versicherungsmakler in einen gefährlichen<br />

Bereich, da sie neben allen anderen<br />

drohenden Nachteilen straf- und ordnungsrechtlicher<br />

Art auch ihre berufliche<br />

Existenz und die künftigen Bestandseinnahmen<br />

riskieren. Jeder Widerruf<br />

muss allerdings gewisse Hürden nehmen,<br />

bei denen den Behörden durchaus auch<br />

<strong>Recht</strong>sfehler unterlaufen können. Angesichts<br />

des drohenden Existenzverlustes<br />

lohnt sich die gerichtliche Überprüfung<br />

mit anwaltlicher Unterstützung abgesehen<br />

von völlig klaren Fällen 40 deshalb fast<br />

immer – vor allem wenn die Entscheidung<br />

sofort vollzogen werden soll, denn dann<br />

liegen die Hürden für ein behördliches Tätigwerden<br />

angesichts des wirtschaftlichen<br />

Existenzverlustes besonders hoch. 41 <br />

1<br />

VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 40.<br />

2<br />

Siehe etwa Michaelis/Schönfelder, ZfV 2020, S. 335 f.<br />

3<br />

Die deutlich weitreichenderen Voraussetzungen zur Rücknahme einer<br />

ursprünglich rechtswidrig erteilten Erlaubnis werden in diesem Beitrag nicht<br />

erörtert.<br />

4<br />

Andere Widerrufsmöglichkeiten enthält § 49 VwVfG auch, u. a. zu nennen<br />

ist der Verstoß gegen Auflagen, die mit der Erlaubnis verbunden sind. Der<br />

hiesige Beitrag wird die wichtigsten Fallkonstellationen beschreiben. Die im<br />

Beitrag analysierte Ermächtigungsgrundlage §§ 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG iVm 34d<br />

Abs. 5 GewO war Grundlage der Entscheidungen VG Berlin v. 16.09.2016 VG<br />

4 K 466.15, VG Augsburg v. 11.04.2013 AN 4 K 12.1479, VG Ansbach, Urteil v.<br />

21.10.2014 (AN 4 K 14.00288), VG Augsburg, Urteil v. 01.03.2012 (Au 5 K 11.774).<br />

5<br />

BVerwGE 65, 1 = NVwZ 1982, 503; st. Rspr., die in der Literatur allgemein<br />

Anerkennung gefunden hat.<br />

6<br />

VG Augsburg, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 30.<br />

7<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 24.<br />

8<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 24.<br />

9<br />

VG Ansbach, Urteil v. 21.10.2014 (AN 4 K 14.00288), Rn. 25.<br />

10<br />

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 19.08.2010 (1 M 73/10), Rn. 11 f.<br />

11<br />

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 19.11.2013 (1 M 116/13), Rn. 5.<br />

12<br />

VG Ansbach, Urteil v. 21.10.2014 (AN 4 K 14.00288), Rn. 24.<br />

13<br />

VG Ansbach, Urteil v. 21.10.2014 (AN 4 K 14.00288), Rn. 24, angedeutet vom<br />

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 19.11.2013 (1 M 116/13), Rn. 7.<br />

14<br />

Darauf stellt etwa das VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479),<br />

Rn. 31, 33; VG Augsburg, Urteil v. 01.03.2012 (Au 5 K 11.774), Rn. 39, 42;<br />

relativierend aber implizit OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 19.08.2010 (1<br />

M 73/10), Rn. 10 f.<br />

15<br />

VG Augsburg, Urteil v. 01.03.2012 (Au 5 K 11.774), Rn. 42.<br />

16<br />

Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 19.08.2010 (1 M 73/10), Rn. 10.<br />

17<br />

VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 34.<br />

18<br />

VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 34.<br />

19<br />

VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 32.<br />

20<br />

VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 34 a. E.<br />

21<br />

Emde, ZVertriebsR 2018, 292 (299).<br />

22<br />

Siehe Definition BVerwG. Fn 5.<br />

23<br />

VG Berlin, Urteil v. 16.09.2016 (VG 4 K 466.15), Rn. 18 mwN.<br />

24<br />

VG Berlin, Urteil v. 16.09.2016 (VG 4 K 466.15), Rn. 20.<br />

25<br />

Vgl. VG Berlin, Urteil v. 16.09.2016 (VG 4 K 466.15), Rn. 19.<br />

26<br />

VG Münster, Urteil v. 14.04.2010 (9 K 320/09), Rn. 23.<br />

27<br />

OVG Münster, Urteil v. 08.12.2011 (4 A 1115/10), Rn. 51.<br />

28<br />

OVG Münster, Urteil v. 08.12.2011 (4 A 1115/10), Rn. 55.<br />

29<br />

VG Berlin, Urteil v. 16.09.2016 (VG 4 K 466.15), Rn. 20.<br />

30<br />

VG Berlin, Urteil v. 16.09.2016 (VG 4 K 466.15), Rn. 18.<br />

31<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 12 ff.<br />

32<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 22.<br />

33<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 20.<br />

34<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 20.<br />

35<br />

VG Münster, Beschluss v. 05.06.2009 (9 L 242/09), Rn. 21; ähnlich OVG<br />

Münster, Urteil v. 08.12.2011 (4 A 1115/10), Rn. 61.<br />

36<br />

VG Berlin, Urteil v. 16.09.2016 (VG 4 K 466.15), Rn. 22; VG Augsburg ab, Urteil<br />

v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 37.<br />

37<br />

VG Ansbach, Urteil v. 21.10.2014 (AN 4 K 14.00288), Rn. 28; OVG Sachsen-<br />

Anhalt, Beschluss v. 19.11.2013 (1 M 116/13), Rn. 9.<br />

38<br />

VG Ansbach, Urteil v. 21.10.2014 (AN 4 K 14.00288), Rn. 30.<br />

39<br />

VG Augsburg ab, Urteil v. 11.04.2013 (Au 5 K 12.1479), Rn. 40; OVG Sachsen-<br />

Anhalt, Beschluss v. 19.11.2013 (1 M 116/13), Rn. 10.<br />

40<br />

Ein solcher lag etwa angesichts der Verurteilung wegen Untreue in 61 Fällen<br />

in VG Augsburg, Urteil v. 01.03.2012 (Au 5 K 11.774), ganz eindeutig vor.<br />

41<br />

BayVGH, Beschluss v. 10.11.2011 (22 CS 11.1928), Rn. 16.<br />

18 Sonderausgabe


ALL RISK MICHAELIS COVER<br />

VERSICHERT VON CGPA<br />

DIE ERSTE ALL RISK VERMÖGENSSCHADEN-<br />

HAFTPFLICHTVERSICHERUNG<br />

FÜR VERSICHERUNGSMAKLER<br />

Konzipiert von RA Stephan Michaelis<br />

in Kooperation mit CGPA Europe<br />

Wenn Deutschlands berühmteste Anwaltskanzlei für Maklerrecht und Europas<br />

größter VSH-Versicherer für Versicherungsmakler/innen gemeinsam eine Berufshaftpflichtversicherung<br />

konzipieren, kommt etwas ganz Besonderes für Sie dabei raus.<br />

Alle Informationen zum einzigartigen All Risk Michaelis Cover finden Sie unter:<br />

WWW.VERMITTLERDECKUNG.DE<br />

INKLUSIVE VSH-ONLINERECHNER<br />

CGPA Europe Underwriting GmbH<br />

Internet: www.vermittlerdeckung.de<br />

Telefon: 089 277 954 65<br />

Ihr Ansprechpartner:<br />

Christian Henseler<br />

E-Mail: info@vermittlerdeckung.de


<strong>Recht</strong><br />

Variable Vergütung im Arbeitsrecht<br />

– TEXT: RA DR. JAN FREITAG, FACHANWALT FÜR ARBEITSRECHT –<br />

Im Vertrieb von Finanzdienstleistungsprodukten<br />

spielt, wie im Vertrieb jeder<br />

Branche, das Thema variable Vergütung<br />

eine große Rolle. Vertriebsmitarbeiter<br />

sollen motiviert werden, möglichst<br />

erfolgreich die Produkte, zum Beispiel<br />

die Finanzdienstleistungsprodukte des<br />

Arbeitgebers, zu verkaufen oder diese für<br />

ihn zu vermitteln.<br />

Eine übliche Vorgehensweise von Arbeitgebern<br />

ist dabei die Gewährung variabler<br />

Vergütung. Neben einem arbeitsrechtlich<br />

notwendigen Grundgehalt (Untergrenze:<br />

Mindestlohngesetz) soll und darf ein<br />

Mitarbeiter darüber motiviert werden,<br />

von erfolgreichen Vertriebsleistungen<br />

finanziell zu profitieren. Arbeitsrechtliche<br />

Instrumente sind die Vereinbarungen von<br />

Provisionen bzw. Provisionsvorschüssen,<br />

generell oder für einen bestimmten<br />

Zeitraum.<br />

In der Ausgestaltung gibt es Modelle, die<br />

zum Beispiel bei Stornierungen Rückforderungsmöglichkeiten<br />

der Provisionen<br />

zulasten des Arbeitnehmers vorsehen.<br />

Eine andere Variante der variablen Vergütung<br />

ist die arbeitsvertragliche Einigung<br />

auf eine Zielvereinbarung zwischen<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer.<br />

Dieser Artikel ist sowohl für Arbeitgeber,<br />

die solche Regelungen in Arbeitsverträgen<br />

gestalten möchten, als auch für Arbeitnehmer,<br />

die prüfen möchten, ob ihre Regelungen<br />

im bestehenden Arbeitsvertrag<br />

tatsächlich wirksam sind, interessant. Es<br />

gab in den letzten Jahren und gibt auch<br />

aktuell Entwicklungen in der Arbeitsrechtsrechtsprechung:<br />

I. PROVISIONEN<br />

Der Unterzeichner hat im Jahr 2015 unter<br />

dem Aktenzeichen BAG 10 AZR 84/14<br />

ein höchstrichterliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts<br />

(BAG) in Erfurt erwirkt,<br />

welches im Kern in zwei wichtigen Punkten<br />

Vorgaben für die arbeitsvertragliche<br />

Gestaltung von Klauseln im Bereich von<br />

Provisionsvereinbarungen festlegt.<br />

Das BAG hat die Auffassung vertreten,<br />

dass ein Arbeitgeber bei einer Rückforderung<br />

von Vergütung vom Arbeitnehmer<br />

auch darlegen und beweisen müsse, wie<br />

er konkret die Provisions- und Stornohaftungsbedingungen<br />

dem Arbeitnehmer<br />

nähergebracht habe. Die Vorlage und<br />

Kenntnisnahme (inklusive Einverständnis)<br />

der Provisions- und Stornohaftungsbedingungen<br />

durch den Arbeitnehmer seien<br />

danach für das BAG Teil der geforderten<br />

Transparenz, wenn der Arbeitgeber<br />

Provisionsvergütung in Form von an den<br />

Arbeitnehmer ausgezahlten Provisionsvorschüssen<br />

vom Arbeitnehmer zurückerlangen<br />

möchte. Es sind die §§ 305 ff.<br />

BGB („AGB-<strong>Recht</strong>“), mit denen das BAG<br />

rechtlich argumentiert.<br />

Das BAG hat außerdem sehr hohe<br />

Schlüssigkeitsanforderungen für Arbeitgeber,<br />

die Provisionen vom Arbeitnehmer<br />

zurückfordern, aufgestellt. Jene werden<br />

als deutliche Erhöhung der Bearbeitungsund<br />

Dokumentationslast für Arbeitgeber<br />

bei Stornierungen von vom Arbeitnehmer<br />

vermittelten Produkten interpretiert.<br />

Der Arbeitgeber darf sich zwar grundsätzlich<br />

über Stornoreservekonten absichern.<br />

Er darf aber nicht mit dem Arbeitnehmer<br />

vereinbaren, dass dieser über die Provision<br />

erst dann verfügen dürfe, wenn sich<br />

kein Vertrag mit einem Kunden mehr in<br />

der Stornohaftungszeit befinde und auch<br />

sonst keine Rückforderungsansprüche des<br />

Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer<br />

bestünden. Spätestens nach Ablauf<br />

der jeweils vereinbarten Stornohaftungszeit<br />

eines vom Arbeitnehmer vermittelten<br />

Vertrages ist die vom Arbeitgeber<br />

einbehaltene Stornoreserve für diesen<br />

Vertrag an den Arbeitnehmer auszukehren.<br />

Anderslautende Klauseln in Arbeitsverträgen<br />

machten die Vereinbarung einer<br />

Stornoreserve unwirksam.<br />

Möchte der Arbeitgeber nach Stornierungen<br />

von vom Arbeitnehmer vermittelten<br />

Verträgen oder (Finanz-)Produkten<br />

die an den Arbeitnehmer (vorschüssig)<br />

ausgezahlte Provision (Arbeitsvergütung)<br />

zurückerhalten, muss er dies im Arbeitsvertrag<br />

präzise regeln.<br />

Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass<br />

er spätestens im Streitfall kritisch schauen<br />

sollen, ob seine Regelungen im Arbeitsvertrag<br />

zu den Provisionen bzw. zu Rückforderungen<br />

von Provisionen überhaupt<br />

wirksam sind. Dabei geht es häufig um<br />

einen erheblichen Teil des Gehalts.<br />

In der Praxis wird in der Arbeitsvertragsgestaltung<br />

in diesem Zusammenhang<br />

vorgeschlagen, Provisionen in Arbeitsverträgen<br />

nicht mehr generell, sondern nur<br />

mit kurzen Laufzeiten (zum Beispiel Jahr<br />

für Jahr) zu vereinbaren. Dies ist jedenfalls<br />

für den Arbeitgeber flexibler.<br />

In der Praxis beliebt sind in der Arbeitsvertragsgestaltung<br />

auch sogenannte Verfallklauseln,<br />

bei denen man allerdings eine<br />

Gesetzesänderung aus dem Jahr 2016 in<br />

der Vertragsformulierung zu beachten hat.<br />

Verfallklauseln sollen <strong>Recht</strong>sstreitigkeiten<br />

vermeiden, indem sie Ansprüche aus dem<br />

Arbeitsverhältnis schon frühestens nach<br />

drei Monaten arbeitsvertraglich verfallen<br />

lassen.<br />

II. ZIELVEREINBARUNGEN<br />

Eine andere übliche Variante, Vertriebsmitarbeiter<br />

zu motivieren, ist, Zielvereinbarungen<br />

zu formulieren. Viele Arbeitsverträge<br />

sehen die jährliche Einigung auf<br />

Zielvereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien<br />

vor, nennen häufig sogar<br />

Vergütungshöhen, die mit den Zielvereinbarungen<br />

(mindestens) zu erreichen seien.<br />

Hinter dem Begriff Zielvereinbarung<br />

steckt allerdings die Problematik, dass<br />

sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in<br />

jedem Jahr einigen müssen, damit eine<br />

Regelung zustande kommt.<br />

20 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

Es ist dabei erst einmal der Arbeitgeber,<br />

der im Rahmen seiner Vertriebsziele Zielvereinbarungen<br />

vorschlagen darf. Wenn<br />

es arbeitsvertraglich vereinbart ist, muss<br />

er dies aber auch. In der Ausgestaltung ist<br />

der Arbeitgeber im Grundsatz frei. Es dürfen<br />

aber keine willkürlichen, den Arbeitnehmer<br />

etwa erheblich benachteiligenden<br />

Zielvereinbarungen vom Arbeitgeber<br />

vorgeschlagen werden. Es muss für den<br />

Arbeitnehmer möglich sein, die üblichen<br />

variablen Vergütungsbestandteile über die<br />

(arbeitsvertraglich vereinbarte) Zielvereinbarung<br />

zu erreichen.<br />

Was ist aber, wenn sich Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer nicht einigen können?<br />

Was muss der Arbeitgeber, was muss der<br />

Arbeitnehmer arbeitsvertraglich leisten,<br />

damit eine Zielvereinbarung zustande<br />

kommt?<br />

Kann der Arbeitnehmer Schadensersatz<br />

verlangen, wenn eine Zielvereinbarung<br />

nicht zustande gekommen ist?<br />

Das Arbeitsgericht Köln hat sich in einem<br />

aktuellen, vom Unterzeichner erwirkten<br />

Urteil vom 03.05.2018 unter dem Aktenzeichen<br />

5 Ca 8594/17 mit dieser Frage<br />

beschäftigt. Das Arbeitsgericht hat in der<br />

mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung<br />

einen hilfreichen Überblick über die BAG-<br />

<strong>Recht</strong>sprechung in diesem Themenfeld<br />

vorgelegt. Es hat dabei Schadensersatz bei<br />

nicht geschlossenen Zielvereinbarungen<br />

nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280<br />

Absatz 1 und Absatz 3 BGB in Verbindung<br />

mit den §§ 283 Satz 1, 252 BGB<br />

für grundsätzlich möglich gehalten (zum<br />

Beispiel BAG vom 12.12.2007 und vom<br />

10.12.2008, 10 AZR 97/07, 10 AZR<br />

889/07).<br />

Der Arbeitgeber habe, wenn im Arbeitsvertrag<br />

Zielvereinbarungen vorgesehen<br />

sind, die Pflicht, ein Gespräch mit dem<br />

Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung<br />

anzuberaumen und ein Angebot vorzulegen,<br />

„Verhandlungspflicht des Arbeitgebers“<br />

(BAG vom 12.05.2010, 10 AZR<br />

390/09).<br />

Die Pflicht des Arbeitnehmers ist es wiederum,<br />

auf diese Angebote zu reagieren.<br />

Wenn der Arbeitnehmer nicht reagiert,<br />

also zum Beispiel keine eigenen Angebote<br />

vorgelegt hat oder nicht offenbart,<br />

weshalb er die Angebote des Arbeitgebers<br />

nicht für annahmefähig hält, kann er den<br />

Arbeitgeber nicht in Verzug setzen. Ein<br />

solches Verhalten sei widersprüchlich und<br />

verstoße gegen den Grundsatz von Treu<br />

und Glauben. Denn der Arbeitgeber muss<br />

lediglich alles aus seiner Sicht Notwendige<br />

in die Wege geleitet haben, um eine Zielvereinbarung<br />

zu erreichen (BAG, ArbG<br />

Köln, a. a. O.).<br />

In diesem Spannungsfeld bewegen sich<br />

die wechselseitigen Verpflichtungen bei<br />

Zielvereinbarungen zwischen Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer.<br />

Wenn Zielvereinbarungen in einem Arbeitsvertrag<br />

vorgesehen sind, muss mithin<br />

sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer<br />

sehr gründlich die rechtlichen<br />

Schritte abwägen.<br />

Durch die Vermeidung einer arbeitsvertraglichen<br />

Pflicht zur Verhandlung einer<br />

Zielvereinbarung kann jedoch insbesondere<br />

der Arbeitgeber in diesem Punkt<br />

flexibler werden. Auch bei Zielvereinbarungen<br />

könnte der Arbeitgeber es arbeitsvertraglich<br />

so gestalten, dass er Jahr für<br />

Jahr „nur“ freiwillig dem Arbeitnehmer<br />

Angebote für Zielvereinbarungen vorlegt.<br />

Und auch bei Zielvereinbarungen spielt<br />

das Thema Verfallklausel (siehe oben)<br />

eine große Rolle.<br />

III. FAZIT<br />

Variable Vergütung ist ein sehr wichtiges<br />

arbeitsvertragliches Instrument im<br />

Vertrieb, auch und besonders im Finanzvertrieb.<br />

Es kann sowohl für den Arbeitgeber<br />

als auch für den Arbeitnehmer um<br />

erhebliche Beträge gehen.<br />

Eine gründliche, möglichst arbeitsrechtlich<br />

geprüfte arbeitsvertragliche<br />

Vereinbarung über variable Vergütung<br />

(Provisionen, Umgang mit Stornierungen,<br />

Zielvereinbarungen etc.) sollte daher für<br />

jedes Unternehmen und für jeden Arbeitnehmer<br />

eine Selbstverständlichkeit sein. <br />

Sonderausgabe<br />

21


<strong>Recht</strong><br />

Konkrete Handlungsempfehlungen zur<br />

Off-VO (»Nachhaltigkeits-VO«) und die Fragen<br />

zur Vermeidung der Maklerhaftung<br />

bei Versicherungsanlageprodukten<br />

– TEXT: RA OLIVER TIMMERMANN UND STEPHAN MICHAELIS, LL. M., FACHANWALT FÜR VERSICHERUNGSRECHT –<br />

Im folgenden Beitrag geben wir eine<br />

klare Handlungsorientierung bezüglich<br />

der derzeit bekannten Einzelheiten zu der<br />

Off-VO 1 . Unter<br />

1. wird auf den regulativen Gesamtzusammenhang<br />

der supranationalen Vorschriften<br />

eingegangen, unter<br />

2. die Vorgaben der Normen genannt und<br />

unter<br />

3. derzeit mögliche Handlungsempfehlungen<br />

gegeben.<br />

ZU 1. REGELUNGSKONTEXT –<br />

SINNZUSAMMENHANG<br />

Im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte<br />

hat sich uns in Europa ein Bild von<br />

Privatrecht eingeprägt, das gekennzeichnet<br />

ist durch die Staatlichkeit der Normen,<br />

durch die Existenz grundsätzlich nur<br />

einer Regelungsebene, der Vorstellung,<br />

dass sich das Privatrecht vom öffentlichen<br />

<strong>Recht</strong> als eigenständiger Bereich abtrennen<br />

lässt und dass es sich dabei um ein<br />

nach innerer Widerspruchsfreiheit strebendes<br />

System handelt, das bestimmten<br />

methodischen Prinzipien folgt.<br />

Durch die europäische Integration sieht<br />

sich dieses Bild von Privatrecht in zunehmendem<br />

Maße infrage gestellt. Dabei<br />

Jüngst ist ein weiterer Grund hinzugekommen,<br />

nämlich die unvollständige<br />

individuelle Rationalität. Die ersten drei<br />

genannten Gründe beziehen sich auf die<br />

gesellschaftliche Interaktion von Individuen.<br />

Ausgrenzungen führen beispielsweise<br />

zu einer ineffizienten Allokation<br />

von Ressourcen, aber fast immer auch zu<br />

einem Konflikt zwischen Verursacher und<br />

Betroffenen. In einer Welt mit positiven<br />

Transaktionskosten, in der beide Parteien<br />

diesen Konflikt nicht ohne Weiteres unter<br />

sich lösen können, kann der staatliche<br />

Eingriff effizient sein.<br />

Ähnliches gilt für die Umverteilung von<br />

Einkommen, die Individuen aufgrund<br />

ihrer divergierenden Interessen naturgemäß<br />

kaum dezentral und freiwillig regeln<br />

können, sowie für die konjunkturelle<br />

Stabilisierung, welche die Funktionsbedingungen<br />

der Marktwirtschaft insgesamt<br />

verbessern soll und insoweit ein öffentliches<br />

Gut darstellt.<br />

Anders sieht es beim vierten Grund aus.<br />

Hier geht es, zumindest vordergründig,<br />

darum, individuelle Entscheidungsdefizite<br />

auf der Ebene des einzelnen Entscheidungsträgers<br />

so zu korrigieren, dass das<br />

Ergebnis für ihn selbst besser ist.<br />

Die <strong>Recht</strong>fertigung für eine Intervention<br />

liegt also gerade nicht in Konflikten<br />

zwischen Individuen oder in über-indistanden<br />

die Entwicklungen zunächst im<br />

Schlaglicht sogenannter „edukatorischer<br />

Gesetzgebung“. 2 Von edukatorischem<br />

Charakter im weiteren Sinne kann gesprochen<br />

werden, sobald eine Regelung ihrer<br />

Intention nach zur Einübung bestimmter,<br />

vom Gesetzgeber als erwünscht betrachteter<br />

Verhaltensweisen führt. 3 Einer explizit<br />

– etwa in der Gesetzesbegründung – vom<br />

Gesetzgeber formulierten Regelungsintention<br />

wird man es gleichstellen müssen,<br />

wenn der verhaltenssteuernde Effekt<br />

faktisch bewirkt wird und sich bruchlos<br />

in den objektiv verstandenen Regelungszweck<br />

einer Norm einfügt.<br />

Von edukatorischem Charakter im<br />

engeren Sinne kann gesprochen werden,<br />

wenn <strong>Recht</strong>snormen auf die Herbeiführung<br />

eines Bewusstseinswandels hinwirken.<br />

Vereinfacht ausgedrückt: Wenn sie<br />

bewirken sollen, dass der Normadressat<br />

ein bestimmtes Verhalten nicht nur zur<br />

Herbeiführung vorteilhafter und zur Vermeidung<br />

nachteilhafter <strong>Recht</strong>sfolgen übt,<br />

sondern deswegen, weil er es als „richtiges“<br />

Verhalten verinnerlicht hat. 4<br />

Hierher gehört nun unseres Erachtens<br />

durchaus die sogenannte paternalistische<br />

Privatrechtsgesetzgebung. Diese basiert<br />

ebenfalls auf der verhaltenstheoretischen<br />

Grundlage.<br />

Die ökonomische Theorie kannte in ihrer<br />

neoklassischen Ausprägung traditionell<br />

drei Gründe, die ein staatliches Eingreifen<br />

in den Marktprozess rechtfertigen:<br />

• eine Verbesserung der Allokation von<br />

Ressourcen<br />

• eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen<br />

Wohlfahrt durch Umverteilung von<br />

Einkommen und Vermögen<br />

• makroökonomische Stabilisierung. 5<br />

22 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

viduellen, gesellschaftlichen Wohlfahrtskriterien<br />

und unterscheidet sich damit<br />

wesentlich von den bisher regelmäßig<br />

herangezogenen Argumenten für korrigierende<br />

Eingriffe in die dezentralen Entscheidungen<br />

von Marktteilnehmern. Es<br />

geht hier tatsächlich um paternalistische<br />

Eingriffe, also um solche, bei denen der<br />

Eingreifende mit Sicherheit oder zumindest<br />

hoher Wahrscheinlichkeit davon<br />

ausgeht, angeblich besser als Betroffene<br />

zu wissen, welches Verhalten in dessen<br />

eigenem Interesse wäre.<br />

Warum erlauben der Staat und die supranationale<br />

Einrichtung EU sich nun diese<br />

Anmaßung? Moderne demokratische<br />

Verfassungsstaaten sind vom Leitbild des<br />

normativen Individualismus bestimmt:<br />

Der Einzelne ist frei, seinen Neigungen<br />

und Interessen zu folgen. Staatliche<br />

Behinderungen dieser Freiheit müssen<br />

gerechtfertigt werden. Eine solche <strong>Recht</strong>fertigung<br />

gelingt relativ unproblematisch<br />

nach dem „no harm“-Prinzip: Die eigene<br />

Freiheitsausübung darf <strong>Recht</strong>e Dritter<br />

nicht verletzten.<br />

Staatlicher Paternalismus, der Schutz eines<br />

Dritten vor sich selbst, lässt sich hingegen<br />

aus Sicht des normativen Individualismus<br />

nur unter sehr eingeschränkten<br />

Bedingungen begründen. Für John Stuart<br />

Mill, den Ahnherrn des Utilitarismus,<br />

war klar, dass Kinder und Geisteskranke<br />

vor sich selbst geschützt werden müssen.<br />

Gegenüber dem vernunftbegabten<br />

Normalbürger hingegen sollten allenfalls<br />

retardierende Interventionen gestattet<br />

werden, um Informationsmängel auszugleichen.<br />

Genau an dieser Stelle setzen<br />

Befürworter des modernen Paternalismus<br />

ein: Auch das Handeln der sogenannten<br />

„Normal-Bürger“ folgt oft nicht der<br />

pareto-Rationalität, sondern muss unter<br />

den Bedingungen begrenzter Rationalität<br />

entscheiden. 7 Wir handelten eben oft<br />

nicht vernünftig, sondern im Grunde wie<br />

Kleinkinder; dies auch im Wirtschaftsleben.<br />

Mag diese Beobachtung der Verhaltensökonomik<br />

wohl richtig sein, doch<br />

genügt sie auch, um die Grundannahmen<br />

des normativen Individualismus auszuhebeln?<br />

8<br />

Ist es aus Sicht einer normativen politischen<br />

Theorie sinnvoll, unter Rückgriff<br />

auf die Einsichten der „Behavioural Economics“<br />

die Interventionsgründe für den<br />

Staat unbegrenzt auszuweiten? Staatliches<br />

Nudging will menschliches Verhalten<br />

bevormundend steuern. Das gilt es zunächst<br />

einmal festzuhalten. Es muss sich<br />

als paternalistische Intervention deshalb<br />

unseres Erachtens besonders hohen <strong>Recht</strong>fertigungsanforderungen<br />

stellen. 9<br />

Moral wird immer dann aktiviert, wenn<br />

die aktuellen Probleme sich nicht mehr im<br />

Rahmen herkömmlicher rechtlicher und<br />

sozialer Muster lösen lassen. Im Hintergrund<br />

dieses nun anrollenden Regulierungs-Instrumentariums<br />

der EU im Zuge<br />

des „Green Deals“ 10 steht die Erkenntnis,<br />

dass die (inzwischen) überschuldeten<br />

Wohlfahrtsstaaten mit einem bloß weiteren<br />

Aufblähen der Gesetzesproduktion<br />

keine Antwort mehr auf die modernen,<br />

globalen Probleme geben können. 11 Der<br />

erreichte Grad sozialer und wirtschaftlicher<br />

Komplexität schafft eine Netzwerk-<br />

Gesellschaft und verlangt zur Problemlösung<br />

nicht nur nach einem quantitativen,<br />

sondern nach einem qualitativen Anstieg<br />

der Modellbildung und rechtlicher Problemlösung.<br />

ZU 2. NACHHALTIGKEIT<br />

Die beiden Regelwerke stehen künftig bei<br />

der Regulierung der „Nachhaltigkeit“ im<br />

Vordergrund:<br />

• die VO (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene<br />

Offenlegungspflichten im<br />

Finanzdienstleistungssektor („Disclosure-<br />

VO“), die auf den Finanzsektor gerichtet<br />

ist und neue Transparenzpflichten<br />

begründet;<br />

• die VO (EU) 2020/852 über die Errichtung<br />

eines Rahmens zur Erleichterung<br />

nachhaltiger Investitionen („Taxonomie-<br />

VO“), die an die Wirtschaftstätigkeit von<br />

Unternehmen anknüpft und fragt, ob<br />

diese ökologisch nachhaltig ist.<br />

Hintergrund der neuen Regeln sind aus<br />

Sicht des EU-Gesetzgebers bestehende Informationsasymmetrien,<br />

die derzeit nach<br />

wie vor verhindern, dass Investoren sich<br />

über die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen<br />

hinreichend informieren können.<br />

Es fehle an einer harmonisierten Offenlegung.<br />

Neben der bereits praktizierten<br />

Offenlegung zu finanziellen Risiken sind<br />

daher künftig auch nachhaltigkeitsbezogene<br />

Informationen zu berichten. Damit<br />

sollen Kapitalflüsse verstärkt zu nachhaltigen<br />

Investitionen gelenkt werden. 12<br />

Schon seit einiger Zeit gelten zahlreiche<br />

qualitative Vorgaben zur Nachhaltigkeit.<br />

Im Vordergrund steht dabei die (vollständige)<br />

Erfassung von Nachhaltigkeitsrisiken,<br />

das heißt von Risiken für die Vermögens-,<br />

Finanz- und Ertragslage sowie<br />

Reputation infolge von Umwelt- und gegebenenfalls<br />

sozialen Risiken. Weniger Be-<br />

achtung finden hingegen die tatsächlichen<br />

Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren<br />

(das heißt Umwelt-, Sozialbelange<br />

inklusive Arbeitnehmerbelangen, Achtung<br />

der Menschenrechte und Bekämpfung von<br />

Korruption und Bestechung). So stellt die<br />

Klimaerwärmung zum Beispiel ein Nachhaltigkeitsrisiko<br />

für Investoren in Agrarbetriebe<br />

dar. Die BaFin veröffentlichte<br />

bereits 2019 ein Merkblatt zum Umgang<br />

mit Nachhaltigkeitsrisiken. 13 Es verpflichtet<br />

von der BaFin beaufsichtigte Unternehmen,<br />

Nachhaltigkeitsrisiken umfassend zu<br />

ermitteln und zu bewerten. Im November<br />

2020 erschienen parallel auch die Leitlinien<br />

der EZB zu Klima- und Umweltrisiken,<br />

die auf von der EZB beaufsichtigte,<br />

bedeutende Institute Anwendung finden.<br />

Im Wesentlichen bilden diese Regeln<br />

jedoch weitgehend lediglich die Inhalte<br />

des oben genannten sektorübergreifenden<br />

BaFin-Merkblatts bzw. der EZB-Leitlinien<br />

ab und werden als eigenständige Anforderungen<br />

keine größeren Auswirkungen auf<br />

die Marktpraxis der deutschen Finanzindustrie<br />

mehr haben. 14<br />

a) Nachhaltigkeitsbegriff<br />

Die Disclosure-VO folgt einem weiten<br />

Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffs.<br />

Nachhaltig sind demnach Investitionen in<br />

eine wirtschaftliche Tätigkeit,<br />

• die zur Erreichung eines Umweltziels<br />

(ökologisches Ziel) oder<br />

• die zur Erreichung eines sozialen Ziels<br />

beiträgt (vergleiche Artikel 2 Nummer<br />

17 Disclosure-VO).<br />

Zu unterscheiden ist damit die ökologische<br />

und die soziale Nachhaltigkeit. Der<br />

Begriff der ökologischen (nicht jedoch der<br />

sozialen) Nachhaltigkeit wird in der Taxonomie-VO<br />

weiter konkretisiert. Damit<br />

soll „Greenwashing“, also die Vermarktung<br />

eines Finanzprodukts als umweltfreundlich,<br />

obwohl es grundlegenden Umweltstandards<br />

nicht entspricht, verhindert<br />

werden. Die Taxonomie-VO legt künftig<br />

EU-weit verbindlich fest, ob und inwieweit<br />

eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch<br />

nachhaltig einzustufen ist. Diese<br />

Nachhaltigkeitseinstufung wird dann von<br />

anderen Regelwerken übernommen, etwa<br />

von der Disclosure-VO. Zudem enthalten<br />

die Disclosure- und Taxonomie-VO Mindestanforderungen<br />

unter anderem an die<br />

Unternehmensführung (Governance) und<br />

an soziale Standards.<br />

b) Adressaten<br />

Die Disclosure- und Taxonomie-VO richten<br />

sich an unterschiedliche Adressaten.<br />

Sonderausgabe<br />

23


<strong>Recht</strong><br />

(1) Adressaten der Disclosure-VO<br />

Verpflichtete der Disclosure-VO sind<br />

„Finanzmarktteilnehmer“ (vergleiche<br />

Artikel 2 Nummer 1 Disclosure-VO) und<br />

„Finanzberater“ (vergleiche Artikel 2<br />

Nummer 11 Disclosure-VO) in Bezug auf<br />

sogenannte „Finanzprodukte“ im Sinne<br />

des Artikels 1 Nr. 1, 11 und insbesondere<br />

12 Disclosure-VO. 15<br />

• Finanzberater nach Maßgabe der Disclosure-VO<br />

ist ein Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitut<br />

sowie ein Versicherungsvermittler<br />

und -unternehmen,<br />

„der Versicherungsberatung für IBIP<br />

erbringt“, vergleiche Artikel 2 Nummer<br />

11 Buchstabe a) und b) Disclosure-VO; 16<br />

• Finanzmarktteilnehmer sind Kredit- und<br />

Finanzdienstleistungsinstitute als Finanzportfolioverwalter,<br />

Manager kollektiver<br />

Vermögensanlagen (Fonds), Einrichtungen<br />

der betrieblichen Altersvorsorge<br />

und Hersteller von Altersvorsorgeprodukten<br />

sowie Versicherungsunternehmen<br />

in Bezug auf das Angebot von Versicherungsanlageprodukten<br />

(sogenannten<br />

IBIP).<br />

Damit erhebt die Disclosure-VO nicht<br />

den Anspruch, umfassende Transparenzvorschriften<br />

für alle Finanzprodukte über<br />

alle Vertriebskanäle zu begründen. Erfasst<br />

werden primär Beratungsfälle. Ferner<br />

erfasst die Disclosure-VO für den Versicherungsvermittler<br />

nur die dort genannten<br />

Finanzprodukte der IBIP.<br />

(2) Finanzprodukte<br />

Die Disclosure-VO unterscheidet zwischen<br />

Finanzprodukten, die ein nachhaltiges<br />

Investment anstreben, und solchen,<br />

auf die dies nicht zutrifft.<br />

Artikel 2 Nummer 12 Disclosure-VO<br />

nennt als Finanzprodukte explizit:<br />

• ein Portfolio, das verwaltet wird<br />

• einen alternativen Investmentfonds (AIF)<br />

• ein IBIP<br />

• ein Altersvorsorgeprodukt<br />

• ein Altersversorgungssystem<br />

• einen Organismus für gemeinsame Anlagen<br />

in Wertpapieren (OGAW)<br />

• ein PEPP.<br />

In Artikel 4 Nummer 2 PRIIP-VO – auf<br />

die die Disclosure-VO Bezug nimmt –<br />

werden „Versicherungsanlageprodukte“<br />

als Versicherungsprodukte definiert, die<br />

„einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert<br />

bieten, der vollständig oder<br />

teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen<br />

ausgesetzt“ ist. In den<br />

Anwendungsbereich der PRIIP-VO fallen<br />

somit auch LV-Verträge und innerhalb<br />

dieser Sparte vornehmlich die kapital-<br />

bildende LV in ihren unterschiedlichen<br />

Erscheinungsformen. Angesichts der weit<br />

gefassten Definition und des bezweckten<br />

Kleinanlegerschutzes soll es grundsätzlich<br />

keinen Unterschied machen, in welcher<br />

Art und Weise der Versicherer das ihm zur<br />

Verfügung gestellte Kapital anlegt, insbesondere<br />

ob es sich bei dem Vertrag um<br />

eine fondsgebundene oder eine konventionelle<br />

Kapital-LV handelt. 17 Wurden gemäß<br />

Artikel 2 Absatz 2 PRIIP-VO wiederum<br />

bestimmte Versicherungsprodukte vom<br />

Anwendungsbereich ausgenommen, darunter<br />

Altersvorsorgeverträge, sind diese<br />

durch Artikel 2 Nummer 12 Disclosure-<br />

VO wieder aufgenommen.<br />

c) Anzugebende Informationen<br />

Im Detail begründet die Disclosure-VO<br />

folgende Transparenzpflichten:<br />

• Veröffentlichung der Unternehmensstrategie<br />

zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken<br />

– unterschieden werden muss hier<br />

aber nach den Anforderungen, die an<br />

Finanzmarktteilnehmer und an Finanzberater<br />

zu stellen sind. Die Finanzmarktteilnehmer<br />

haben sich zur Einbeziehung von<br />

Nachhaltigkeitsrisiken in Investitionsentscheidungsprozesse<br />

zu äußern (vergleiche<br />

Artikel 3 Absatz 1 Disclosure-VO) und<br />

Finanzberater hierzu im Rahmen ihrer Beratungsdienstleistung<br />

(vergleiche Artikel 3<br />

Absatz 2 Disclosure-VO).<br />

• Veröffentlichung von Informationen<br />

zu den wichtigsten nachteiligen Auswirkungen<br />

auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Die<br />

Regelung unterscheidet inhaltlich wieder<br />

zwischen Finanzmarktteilnehmern und<br />

Finanzberatern.<br />

Finanzmarktteilnehmer sind verpflichtet<br />

eine Erklärung „über Strategien zur<br />

Wahrung der Sorgfaltspflicht im Zusammenhang<br />

mit den nachteiligen Auswirkungen<br />

von Investitionsentscheidungen“<br />

im Internet zu veröffentlichen (vergleiche<br />

Artikel 4 Absatz 1 Disclosure-VO). Gegenstand<br />

ist damit die Darlegung interner<br />

Organisations- und Verhaltensvorgaben,<br />

die sicherstellen sollen, dass wichtige,<br />

nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren<br />

bei Investitionsprozessen<br />

zutreffend erkannt und bewertet werden.<br />

Finanzmarktteilnehmer müssen dann ihre<br />

Entscheidung jedoch im Internet begründen<br />

und gegebenenfalls mitteilen, ob<br />

und wann erstmals die Berücksichtigung<br />

nachteiliger Auswirkungen geplant ist<br />

(vergleiche Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe<br />

b) Disclosure-VO).<br />

Der Umfang der Offenlegung für Finanzberater<br />

ist dagegen erheblich begrenzter<br />

(vergleiche Artikel 4 Absatz 5 Disclosure-<br />

VO): Insoweit ist lediglich zu veröffentlichen,<br />

„ob“ die wichtigsten nachteiligen<br />

Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren<br />

berücksichtigt werden, und falls dies<br />

nicht der Fall ist, muss eine Begründung<br />

hierzu abgegeben werden.<br />

• Vergütungspolitik – Finanzmarktteilnehmer<br />

und -berater werden durch die<br />

Disclosure-VO verpflichtet zu veröffentlichen,<br />

inwiefern ihre Vergütungspolitik<br />

mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken<br />

im Einklang steht (vergleiche<br />

Artikel 5 Disclosure-VO).<br />

• Transparenz auf Produktebene – schließlich<br />

begründet die Disclosure-VO<br />

produktbezogene Transparenzpflichten,<br />

die primär über vorvertragliche<br />

Informationen gegenüber Kunden zu<br />

erfüllen sind. Das konkret einschlägige<br />

vorvertragliche Informationsdokument<br />

wird in der Disclosure-VO nach Art<br />

des Finanzprodukts bzw. der einschlägigen<br />

Finanzdienstleistung konkretisiert<br />

(Artikel 6 Absatz 3 Disclosure-VO). In<br />

vorvertraglichen Informationen sind<br />

gemäß Artikel 6 Disclosure-VO Erläuterungen<br />

zur Art und Weise zu geben,<br />

wie Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen<br />

(für Finanzmarktteilnehmer)<br />

bzw. wie Nachhaltigkeitsrisiken<br />

bei Anlage- oder Versicherungsberatung<br />

(für Finanzberater) einbezogen werden.<br />

Des Weiteren sind die Ergebnisse der<br />

Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen<br />

von Nachhaltigkeitsrisiken auf<br />

die Rendite der Finanzprodukte, die<br />

sie zur Verfügung stellen (für Finanzmarktteilnehmer)<br />

bzw. die Gegenstand<br />

ihrer Beratung sind (für Finanzberater),<br />

anzugeben. Erachten Finanzmarktteilnehmer<br />

und Finanzberater Nachhaltigkeitsrisiken<br />

als nicht relevant, so haben<br />

die Erläuterungen eine klare und knappe<br />

Begründung dafür zu enthalten.<br />

Die Disclosure-VO unterscheidet insoweit<br />

zwischen Nachhaltigkeitsrisiken<br />

und nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen.<br />

• Nachhaltigkeitsrisiken sind ein „Ereignis<br />

oder eine Bedingung im Bereich Umwelt,<br />

Soziales oder Unternehmensführung (…)<br />

dessen bzw. deren Eintreten erhebliche<br />

negative Auswirkungen auf den Wert der<br />

Investition haben könnte“ (vergleiche<br />

ErwG 12, 14 Disclosure-VO).<br />

• Nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen<br />

stellen hingegen negative Auswirkungen<br />

auf Nachhaltigkeitsfaktoren<br />

selbst dar (das heißt Umwelt-, Sozial-<br />

24 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

und Arbeitnehmerbelange, die Achtung<br />

der Menschenrechte und die Bekämpfung<br />

von Korruption und Bestechung).<br />

vertreter kann also derzeit offen angeben,<br />

keine eigenständige Nachhaltigkeitsstrategie<br />

zu verfolgen. Er kann insofern auf § 23<br />

Absatz 1c VAG 22 rekurrieren und zusätzlich<br />

erwähnen, dass jedoch selbstverständlich<br />

bei der Auswahl von Versicherungsgesellschaften<br />

und Versicherungsprodukten<br />

die von diesen Versicherern zur Verfügung<br />

gestellten Informationen Beachtung finden.<br />

Über die jeweilige Berücksichtigung<br />

von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen<br />

hat der jeweilige<br />

Versicherer – wie dargelegt – mit seinen<br />

vorvertraglichen Informationen den VN<br />

selbst zu informieren. Auch ein Makler<br />

ohne Nachhaltigkeitsstrategie wird diese<br />

aber für die Zukunft entwickeln müssen<br />

und die Aspekte dieser Strategie bei der<br />

künftigen Beratung beachten.<br />

Versicherer, die erkennbar keine Strategie<br />

zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken<br />

in ihre Investitionsentscheidungen<br />

haben, sollte der Makler dennoch per se<br />

ausschließen.<br />

Es sollte dies vielmehr offen komgreift<br />

die Ausnahme des Artikels 17<br />

Absatz 1 Disclosure-VO, das heißt, diese<br />

wäre nicht anzuwenden. Es wäre dann<br />

zu beobachten, ob Deutschland von der<br />

Mitgliedsstaatenoption (vergleiche Artikel<br />

17 Absatz 2 Disclosure-VO) Gebrauch<br />

macht und trotzdem auch kleinere Vermittlerbetriebe<br />

zur Anwendung der VO<br />

verpflichtet.<br />

Abzuwarten sein wird auch, wie der<br />

Begriff „Beschäftigte“ in Artikel 17<br />

Absatz 1 Disclosure-VO auszulegen ist.<br />

ZU 3. KONKRETE HANDLUNGSANWEISUNGEN<br />

Zur Konkretisierung der Disclosure-VO<br />

lag ein gemeinsames Konsultationspapier<br />

der ESAs mit dem Entwurf einer delegierten<br />

VO („Disclosure-DelVO“) vor. 18 Es<br />

enthielt sehr weitreichende Vorgaben an<br />

den Aufbau, Inhalt und die Ausgestaltung<br />

der Offenlegungsanforderungen. Die Vorgaben<br />

richteten sich hier jedoch primär<br />

an Finanzmarktteilnehmer und nur sehr<br />

eingeschränkt auch an Finanzberater.<br />

Der Entwurf liegt im Moment auf Eis 19<br />

und scheint zumindest in der ursprünglichen<br />

Fassung nicht weiterverfolgt zu<br />

werden. So teilte die Kommission ausgewählten<br />

Verbänden schon im Oktober<br />

2020 mit: „Um den Finanzmarktteilnehmern<br />

und Finanzberatern sowie den<br />

Aufsichtsbehörden Zeit für die Umsetzung<br />

zu geben, werden die technischen<br />

Regulierungsstandards zu einem späteren<br />

Zeitpunkt anwendbar“, 20 das heißt<br />

nicht schon mit Geltung der Disclosure-<br />

VO. Betroffene Unternehmen sollen die<br />

Disclosure-VO nunmehr (zunächst nur)<br />

prinzipienbasiert umsetzen.<br />

Aufgrund dieser „ungefähren“ Anordnung<br />

der EU-Kommission selbst können<br />

derzeit nur folgende Handlungsangaben<br />

getroffen werden:<br />

a) Ausnahme-Regel<br />

Wenn weniger als drei Beschäftigte in<br />

einem Vermittlerbetrieb vorhanden sind,<br />

Orientiert man sich am englischen Begriff<br />

des „employers“ aus dem Original der<br />

Verordnung, dürften nur Festangestellte<br />

gemeint sein. Dies dann allerdings<br />

unabhängig davon, ob sie einen Bezug zur<br />

Produktberatung aufweisen, das heißt,<br />

auch Reinigungspersonal etc. wäre dann<br />

mitzuberücksichtigen.<br />

b) Anwendungsbereich<br />

Wie erörtert, greift die Disclosure-VO nur<br />

bei Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten<br />

(zum Beispiel ungeförderte<br />

Lebens- und Rentenversicherungen) ein.<br />

c) Einzelheiten<br />

(1) Nachhaltigkeitsstrategie –<br />

Homepage (vergleiche Artikel 3 Disclosure-VO)<br />

Besteht derzeit keine eigene Nachhaltigkeitsstrategie<br />

(Strategien zur Einbeziehung<br />

von Nachhaltigkeitsrisiken bei Ihrer beratenden<br />

Tätigkeit, zum Beispiel zur Befragung<br />

nach Wünschen und Bedürfnissen,<br />

zur Versicherer- und zur Produktauswahl,<br />

zur Bewertung der Angebote etc.), hat der<br />

Vermittler hierauf auf der Internetseite<br />

hinzuweisen. 21 Als Grund dafür kann<br />

zurzeit noch problemlos auf das Fehlen<br />

der technischen Regulierungsstandards<br />

der Europäischen Aufsichtsbehörden (sogenannte<br />

RTS) sowie Informationen der<br />

Versicherungsgesellschaften hingewiesen<br />

werden. Der Vermittler allein kann ohne<br />

diese Vorgaben gar nicht detailliert prüfen,<br />

welche Nachhaltigkeitsrisiken bzw.<br />

nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren<br />

bestehen und wie diese in<br />

die Beratung einbezogen werden könnten.<br />

Ein Versicherungsmakler bzw. Mehrfach-<br />

Sonderausgabe<br />

25


<strong>Recht</strong><br />

muniziert und der Kundenwunsch<br />

abgewartet bzw. hierzu eingeholt werden.<br />

Alles andere würde zu einem Problem<br />

bezüglich der angemessenen Beratungsgrundlage<br />

(vergleiche § 60 VVG) und<br />

damit gegebenenfalls zu weitreichenden<br />

Haftungsproblemen führen können. 23<br />

(2) Vergütungspolitik (vergleiche Artikel 5<br />

Disclosure-VO)<br />

Der Kunde soll erfahren, ob die Vergütungspolitik<br />

mit der Einbeziehung von<br />

Nachhaltigkeitsrisiken in Einklang steht.<br />

Es ist deshalb durch einen entsprechenden<br />

Hinweis auf der Homepage ferner anzugeben,<br />

ob unterschiedlich hohe Vergütungen<br />

(Provisionen, Courtagen, Bonifikationen<br />

etc.) für Versicherungsanlageprodukte<br />

erwirtschaftet werden, je nachdem ob sie<br />

nachhaltig sind oder nicht.<br />

Es ist anzugeben, ob eine Vermittlungsvergütung<br />

von Versicherern unterschiedlich<br />

ausfällt, je nachdem, ob das empfohlene<br />

Versicherungsanlageprodukt Nachhaltigkeitsrisiken<br />

bzw. Nachhaltigkeitsauswirkungen<br />

berücksichtigt oder nicht.<br />

Wenn Versicherer die Berücksichtigung<br />

von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionen<br />

durch eine höhere Vergütung für die<br />

Vermittlung fördern, ist vom Vermittler<br />

anzugeben, wenn sich dies auch in einer<br />

höheren Vergütung auswirkt.<br />

Es ist auch anzugeben, ob der Vermittler<br />

selbst bei der Vergütung seiner Mitarbeiter<br />

oder Untervermittler die „Nachhaltigkeit“<br />

mitberücksichtigt oder nicht.<br />

(3) Vorvertragliche Informationen (vergleiche §<br />

6 Absatz 2 Disclosure-VO)<br />

Schließlich sind durch entsprechenden<br />

Hinweis in der Beratung (und der Beratungsdokumentation)<br />

Nachhaltigkeitsrisiken<br />

in die Beratung sowie zu erwartende<br />

Auswirkungen auf die Rendite in die<br />

Bewertung einzubeziehen.<br />

Es muss klar angegeben werden, wenn<br />

bei einer Beratung zu Versicherungsanlageprodukten<br />

Nachhaltigkeitsrisiken für<br />

nicht relevant erachtet werden. Als Grund<br />

könnte angegeben werden, dass diese bereits<br />

durch den Versicherer selbst berücksichtigt<br />

und in dessen vorvertraglichen<br />

Informationen dargelegt werden.<br />

Soll die Nachhaltigkeit für den Vermittler<br />

selbst eine Rolle spielen, hat auch<br />

dies zum Ausdruck zu kommen. Für die<br />

Berücksichtigung dieser Nachhaltigkeitsrisiken<br />

sollte hinsichtlich der Informationsgrundlage<br />

dann auf die vorvertraglichen<br />

Informationen der Versicherer verwiesen<br />

werden. Bezüglich der auszusprechenden<br />

Empfehlung (Rat) sollte dann der Hinweis<br />

erfolgen, dass bei einer pflichtgemäßen<br />

Einschätzung einer vergleichbaren oder<br />

besseren Rendite das Produkt, das Nachhaltigkeitsrisiken<br />

berücksichtigt, vorrangig<br />

empfohlen wird.<br />

4. ERGEBNIS<br />

Will man dem Menschen Würde zuerkennen,<br />

kann man ihm schwerlich seine<br />

Autonomie absprechen. Mark D. White<br />

hat diesen Aspekt in die Paternalismus-<br />

Diskussion eingeführt, indem er an die auf<br />

Kant zurückgehende interne Autonomie<br />

erinnerte. 24 Von dieser ist dann die Rede,<br />

wenn Menschen die Fähigkeit haben, ihre<br />

eigenen Entscheidungen selbst kritisch zu<br />

reflektieren, und sich die innere Freiheit<br />

bewahren, nicht immer den ersten<br />

Impulsen scheinbar nutzenmaximierenden<br />

Handelns zu folgen. Dies impliziert also<br />

die Fähigkeit zur Selbstkontrolle in alltäglichen<br />

Entscheidungssituationen, aber vor<br />

allem auch die Fähigkeit zur kritischen<br />

Reflexion der eigenen Ziele, Wertvorstellungen<br />

und Lebenspläne. Es geht hier um<br />

die Fähigkeit, Autor des eigenen Lebens<br />

zu sein. Wiederum würden Befürworter<br />

des neuen Paternalismus argumentieren,<br />

dass sie gerade dies ermöglichen wollen,<br />

und auf den Unterschied zwischen kurzund<br />

langfristigen Präferenzen verweisen. 25<br />

Jedoch impliziert die Autorenschaft am eigenen<br />

Leben die Möglichkeit, die Gewichtung<br />

zwischen möglichen Zielen, Werten<br />

und auch Präferenzen für Konsumgüter<br />

selbst vorzunehmen und auch immer<br />

wieder neu zu justieren. Dies entspricht<br />

der klassischen liberalen Vorstellung von<br />

individueller Freiheit. Genau dem wirkt<br />

eine Politik des neuen Paternalismus allerdings<br />

systematisch entgegen, indem sie<br />

den manipulativen Entscheidungsdesigner<br />

zumindest zum einflussreichen Mitautor<br />

von für ihn fremdem Leben macht. Dass<br />

die Verfasser diesem verhaltenssteuernden<br />

„new deal“, der auch den EU-Regularismus<br />

antreibt, sehr kritisch gegenüberstehen,<br />

dürfte deutlich geworden sein.<br />

Die Disclose-VO ist jedoch auch vor dem<br />

Hintergrund eines prinzipiengesteuerten<br />

EU-Sekundärrechts zu sehen, 26 das die<br />

netzförmigen Strukturen der komplexen<br />

Wirtschaftsbeziehungen anders abbildet,<br />

als noch die linear-systemkonformen<br />

nationalen Gesetze es konnten.<br />

Für den Versicherungsvermittler gibt es<br />

bis zum Erlass der RTS bislang nur übersichtlichen<br />

Handlungsbedarf. Gedanken<br />

über die neuen Vorgaben sind aber besser<br />

„zu früh“ als zu spät anzustellen. Jeder<br />

wird sich hier positionieren müssen.<br />

Das setzt auch den geübten Umgang mit<br />

anderen neuen <strong>Recht</strong>sinstituten voraus:<br />

Als Makler muss man gegenüber seinem<br />

Produktgeber den Anspruch aus § 23 Absatz<br />

1c VAG (bzw. Artikel 8 Absatz 2 EU<br />

2017/2358) einzufordern verstehen.<br />

Ob bzw. welche Haftungen im Zuge der<br />

Nachhaltigkeits-Offensive der EU auf die<br />

Vermittler von Versicherungsanlageprodukten<br />

noch anrollen, bleibt den weiteren,<br />

geplanten Änderungen vorbehalten.<br />

Thematisieren Sie aber den Nachhaltigkeitsaspekt<br />

auf der Internetseite, in der<br />

Beratung und vor allem in der Dokumentation.<br />

1<br />

Vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32019R2088.<br />

2<br />

Vgl. Lüdemann, „Edukatorisches Staatshandeln. Steuerungstheorie und<br />

Verfassungsrecht am Beispiel der staatlichen Förderung von Abfallmoral“,<br />

2002, S. 98 f.<br />

3<br />

Vgl. Zippelius, „Verhaltenssteuerung durch <strong>Recht</strong> und kulturelle Leitideen“,<br />

2004; Raiser, „Grundlagen der <strong>Recht</strong>ssoziologie“, 2009, S. 185 f. Ganz radikal ist<br />

in dieser Hinsicht die Strömung der „ökonomischen Theorie des <strong>Recht</strong>s“, die die<br />

<strong>Recht</strong>snormen als die zur Steuerung des menschlichen Verhaltens dienenden<br />

Anreize betrachtet. Dazu Schäfer/Ott, „Lehrbuch der ökonomischen Analyse<br />

des Zivilrechts“, 2005, S. 3, 58 ff.<br />

4<br />

Vgl. Raiser (Fn. 3), S. 254; ders., „<strong>Recht</strong>sgefühl, <strong>Recht</strong>sbewusstsein,<br />

<strong>Recht</strong>skenntnis und <strong>Recht</strong>sakzeptanz“, in: Pichler (Hrsg.),„<strong>Recht</strong>sakzeptanz und<br />

Handlungsorientierung“, 1998, S. 109 ff.<br />

5<br />

Vgl. Musgrave, „The Theory of Public Finance: A Study in Public Economy“,<br />

New York 1959.<br />

6<br />

Vgl. zu den Einzelheiten der Kantschen Freiheits-Deontik: Eller, „Das <strong>Recht</strong> der<br />

Verantwortungsgesellschaft“, RW 2019, S. 5 ff.<br />

7<br />

Vgl. Schimank, „Die Entscheidungsgesellschaft: Komplexität und<br />

Rationalität“, 2012, S. 121 ff., 173 ff.; zur „bounded rationality“ auch: Göbel,<br />

„Entscheidungstheorie“, 2. Aufl. 2018, S. 179 ff.<br />

8<br />

Vgl. dass die „Nachhaltigkeit“ sogar als Prinzip mit Verfassungsrang<br />

ausgestattet werden soll, siehe https://www.insm-oekonomenblog.<br />

de/21546-nachhaltigkeit-als-verfassungsprinzip-warum-wir-einegrundgesetzaenderung-brauchen/.<br />

9<br />

Vgl. Volkmann, „Darf der Staat seine Bürger erziehen?“, in: Würzburger<br />

Vorträge zur <strong>Recht</strong>sphilosophie und <strong>Recht</strong>ssoziologie, 2012, S. 37 ff.<br />

10<br />

Vgl. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europeangreen-deal_de.<br />

11<br />

Vgl. Bock, „Die Eigendynamik der Verrechtlichung in der modernen<br />

Gesellschaft“, in: Lampe (Hg.),„Zur Entwicklung von <strong>Recht</strong>sbewußtsein“, 1997,<br />

403 ff.; Galanter, „Law Abounding: Legalisation Around the North Atlantic“, 55<br />

MOD. L. REV. 1 (1992); Schmidt, „Verrechtlichung von Intimbeziehungen“, in:<br />

Lampe (Hg.),„Zur Entwicklung von <strong>Recht</strong>sbewußtsein“, 1997, 429 ff.<br />

12<br />

Vgl. ErwG 17 Disclosure-VO.<br />

13<br />

Vgl. https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_<br />

Nachhaltigkeits- risiken.html.<br />

14<br />

Allerdings sind ferner Anpassungen der Delegierten-VO EU<br />

2017/593 (zum Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden,<br />

Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung bzw.<br />

Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen) und der RL<br />

2014/65/EU (MiFID II) nebst Erweiterungen der Geeignetheitsprüfung) geplant.<br />

15<br />

Hierauf wird ausführlich unter (2) eingegangen werden.<br />

16<br />

Wobei IBIP, sog. insurance-based investment products, wiederum unter Art. 2<br />

Nr. 3 Disclosure-VO definiert werden.<br />

17<br />

Vgl. Baroch Castellvi, „Zum Anwendungsbereich der PRIIP-Verordnung auf<br />

Produkte von Lebensversicherern – was ist ein Versicherungsanlageprodukt?“,<br />

VersR 2017, 129 ff.<br />

18<br />

Vgl. Europäische Aufsichtsbehörden, Joint Consultation Paper, ESG disclosure,<br />

JC 2020/16 vom 23.04.2020.<br />

19<br />

Das von der Europäischen Kommission beauftragte Joint Committee of<br />

European Supervisory Authorities (ESAs), bestehend aus den drei europäischen<br />

Aufsichtsorganen EBA, EIOPA und ESMA, veröffentlichte am 04.02.2021 seinen<br />

Abschlussbericht mit den finalen „Regulatory Technical Standards“ („Draft-<br />

RTS“). Der finale RTS-Entwurf der ESAs kann nun entweder von der Kommission<br />

innerhalb von drei Monaten gebilligt und dem Europäischen Rat und dem<br />

Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt oder aber zurückgewiesen<br />

und den europäischen Aufsichtsbehörden zur erneuten Überarbeitung<br />

delegiert werden. Es ist derzeit also davon auszugehen, dass der finale RTS-<br />

Draft sich bis <strong>2022</strong> verschiebt.<br />

20<br />

Vgl. Europäische Kommission, Brief vom 20.10.2020 an die ESAs, Application<br />

of Regulation (EU) 2020/2088.<br />

21<br />

Empfohlen wird, dies an der Stelle der sonstigen Statusangaben zu ergänzen.<br />

22<br />

Darin heißt es: „Unternehmen, die Versicherungsprodukte konzipieren,<br />

haben allen Vertreibern sämtliche sachgerechten Informationen zu dem<br />

Versicherungsprodukt und dem Produktfreigabeverfahren, einschließlich des<br />

bestimmten Zielmarkts des Versicherungsprodukts, zur Verfügung zu stellen.“<br />

Außerdem wird auf Art. 8 Abs. 2 Delegierten-VO EU 2017/2358 hingewiesen.<br />

2 3<br />

Vgl. Timmermann, Urteilskritik: Entscheidung OLG Zweibrücken, Urt. v.<br />

12.12.2018 – 1 U 167/14 –„Zur Schadensersatzpflicht des Versicherungsmaklers<br />

für unterlassene Beratung über ein ‚naheliegendes Risiko‘“, ZfV 2019, 701 ff.<br />

2 4<br />

Vgl. White, „The Manipulation of Choice. Ethics and Libertarian Paternalism“,<br />

2013, S. 123 ff.; Frey/Stutzer, „Beyond Outcomes: Measuring Procedural Utility“,<br />

Oxford Economic Papers 57, 2005, S. 90 ff.<br />

2 5<br />

Vgl. Thaler/Sunstein, „Nudge. Improving Decisions about Health, Wealth and<br />

Happiness“, 2008.<br />

26<br />

Vgl. Wandt, „Prinzipienbasiertes <strong>Recht</strong> und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“,<br />

2012, S. 14 ff.<br />

27<br />

Vgl. Fn. 14.<br />

26 Sonderausgabe


Thomas Koppisch<br />

Das ist eine Klasse-Veranstaltung,<br />

sehr informativ und hoch wertig.<br />

Bis nächste Woche!<br />

Jens Oberbeck<br />

Absolutes Kongress-Highlight! Praxisnahe<br />

Informationen auf Höchstniveau!<br />

Machen Sie noch lange weiter so.<br />

Jörg Aplers<br />

Danke, umfassende und<br />

sehr informtive Darstellung<br />

eines schwierigen Themas.<br />

Alexandra Thormann, profino-Team<br />

Danke, dass Sie dabei waren! Die<br />

nächs ten spannenden Webinare finden<br />

Sie in der profino Live-Akademie:<br />

https://messe.profino-online.de/<br />

live-academy<br />

Der neue Maßstab<br />

PROFINO 3.0


EINLADUNG<br />

NEU:<br />

Das All-Risk<br />

Michaelis Cover für<br />

Makler*innen<br />

ONLINE-<br />

FACHTAGUNG<br />

27.01.‘22<br />

13.30-18.30 Uhr<br />

Ist eine All-Risk-Berufshaftpflichtversicherung<br />

für Versicherungsmakler*innen<br />

sinnvoll und möglich?<br />

Liebe Mandantinnen und Mandanten,<br />

liebe Versicherungsmaklerinnen und<br />

Versicherungsmakler,<br />

wir wollen Ihre hohen beruflichen Haftungsrisiken etwas<br />

sicherer gestalten. Der Fokus unserer diesjährigen<br />

Jahrestagung beschäftigt sich mit der Fragestellung:<br />

Wie sieht die optimale Berufshaftpflichtversicherung<br />

des Versicherungsmaklers aus?<br />

Es gibt auf dem Markt bereits viele interessante<br />

und erweiterte Deckungskonzepte für die Berufs-<br />

haftpflichtversicherung (VSH) des Versicherungsmaklers.<br />

Was es aber bislang noch nicht gibt, ist<br />

eine All-Risk Deckung als Berufshaftpflichtversicherung.<br />

Ein solches Produkt hat aber die Kanzlei<br />

Michaelis in Zusammenarbeit mit dem Versicherer<br />

CGPA Europe S.A.<br />

für Versicherungsmakler*innen neu entwickelt.<br />

Mit freundlicher Unterstützung durch:


Überzeugt Sie folgender Wortlaut aus den Bedingungen<br />

in Ziff. 2:<br />

Versicherungsschutz besteht im Rahmen einer Allgefahrendeckung<br />

(All Risk Cover) für die Vermögensschaden-<br />

Haftpflichtversicherung. Versicherungsschutz besteht<br />

demnach für alle Gefahren und Risiken, die nicht explizit<br />

ausgeschlossen sind (siehe Ziff. 4).<br />

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es damit gelungen<br />

ist, den derzeit bestmöglichen Versicherungsschutz<br />

für Versicherungsmakler*innen zu entwickeln. Ich<br />

würde meinen guten Namen nicht für das All-Risk<br />

Michaelis Cover hergeben, wenn ich nicht persönlich<br />

davon überzeugt wäre, dass dies derzeit das beste<br />

Deckungskonzept am freien Markt für Versicherungsmakler*innen<br />

ist.<br />

Zum besonderen und einzigartigen Leistungsumfang<br />

dieses Covers zählen weitere außergerichtliche<br />

<strong>Recht</strong>sdienstleistungen der Kanzlei Michaelis in der<br />

Unterstützung Ihrer berufsrechtlichen Interessen,<br />

damit Sie nicht die existenzbedeutende Berufszulassung<br />

verlieren. Außergerichtlich unterstützen wir Ihre<br />

Interessen kostenfrei bei <strong>Recht</strong>sstreitigkeiten gegenüber<br />

der IHK, dem Versicherungsombudsmann, der<br />

BaFin, bei berufsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten<br />

oder auch gegenüber der Staatsanwaltschaft. Damit<br />

wird auch Ihr Risiko, die Berufszulassung zu verlieren,<br />

durch unsere außergerichtliche anwaltliche Begleitung<br />

in gute Hände gegeben. Natürlich bieten wir auch ein<br />

kostenloses Beratungstelefon für alle Versicherungsnehmer<br />

an.<br />

Neben diesen Sonderleistungen haben Sie sogar freie<br />

Anwaltswahl im Haftungsprozess, aber auch das <strong>Recht</strong>,<br />

auch unser Haus beauftragen zu dürfen.<br />

Besonders erwähnenswert empfinde ich z.B. auch die<br />

Tatsache, dass ein Leistungsanspruch auch besteht,<br />

wenn Sie keine Beratungsdokumentation vorweisen<br />

können. Trotzdem genießen Sie den Deckungsumfang<br />

einer All-Risk Deckung mit den schon genannten<br />

Michaelis-Sonderleistungen.<br />

Auch mit der Klausel „Bestleistungs-Garantie“ erhalten<br />

Sie eine erhebliche Deckungserweiterung, der von allen<br />

frei zugänglichen Deckungskonzepten die möglichen<br />

Sonderleistungen gleichermaßen beinhaltet.<br />

Erfahren Sie mehr über die vielen weiteren Highlights<br />

eines umfassenden Deckungskonzeptes:<br />

Eigenschadendeckung, Reputationsschäden und Mediationsverfahren<br />

bis 100.000 €, außergerichtliche Kostenübernahme,<br />

der Kündigungsverzicht im Schadenfall, die<br />

Innovationsklausel, die Mitversicherung als Tippgeber,<br />

Schäden in häuslicher Gemeinschaft, Versicherungsschutz<br />

für gutachterliche Beurteilung, Einschluss der<br />

erlaubten <strong>Recht</strong>sberatung, Abwehrschutz unterhalb<br />

eines Selbstbehaltes, die Versehensklausel, die Vorversicherungsgarantie,<br />

die Tarifoptimierung, Mitversicherung<br />

von berufsbezogenen Nebentätigkeiten und Servicedienstleistungen<br />

(App-RIORI.de), Kostenübernahme bei unlauterem<br />

Wettbewerb bis maximal 10.000 €, Kostenschutz<br />

nach dem Geldwäschegesetz und Urheberrechtsverletzungen<br />

(bis 3.000 €), Versicherungsschutz für eigene<br />

Broschüren und Flyer, Prospekthaftung und zu guter<br />

Letzt auch ein Versicherungsschutz bei Bestandsübernahme<br />

- kauf runden die vielen Leistungserweiterungen<br />

Mit freundlicher Unterstützung durch:


dieses All-Risk Michaelis Cover ab (siehe bitte Ziff. 2).<br />

Wir sind sehr gespannt auf Ihre fachmännische Bewertung!<br />

Denn niemand kann es besser beurteilen als Sie!<br />

Die Moderation der Fachtagung erfolgt wie gewohnt<br />

durch Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler. Sponsor der Veranstaltung<br />

ist die CGPA Europe Underwriting GmbH.<br />

Der Underwriter Herr Christian Henseler wird Ihnen<br />

persönlich alle Produkthighlights referieren. Unsere<br />

Fachreferenten (siehe Agenda) werden Ihnen neben den<br />

typischen Haftungsgefahren gerne die Vor- und Nachteile<br />

dieser All-Risk Michaelis Cover Deckung darlegen und<br />

rechtlich bewerten.<br />

Zur Begründung meiner Einschätzung beziehe ich mich<br />

nicht nur auf die Einschätzungen meiner referierenden<br />

Fachkollegen, sondern auch auf die Bewertung von<br />

Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski (Humboldt-<br />

Universität zu Berlin), der ebenfalls über die Feinheiten<br />

in der Optimierung Ihres Versicherungsschutzes aus<br />

wissenschaftlicher Sicht für Sie nachgedacht hat und<br />

bringt interessante Erkenntnisse mit.<br />

Darum sollten Sie die Teilnahme an dieser Live-<br />

Veranstaltung am<br />

Donnerstag, den 27. Januar <strong>2022</strong> ab 13:30 Uhr<br />

auf keinen Fall verpassen. Denn für Sie kann es nichts<br />

Wichtigeres geben, als selbst über einen möglichst<br />

umfassenden Versicherungsschutz zu verfügen!<br />

Wenn Sie sich schon vorher in das Deckungs-<br />

konzept einarbeiten wollen, finden Sie hier die<br />

Versicherungsbedingungen des<br />

All-Risk-Michaelis Covers<br />

Wir bitten um großes Verständnis, dass wir Sie wegen<br />

der anhaltenden Corona-Situation leider nicht in die<br />

Universität in Hamburg persönlich einladen können.<br />

Wir freuen uns aber umso mehr, wenn Sie an dem angebotenen<br />

Live-Streaming über unsere Internetseite<br />

www.Kanzlei-Michaelis.de<br />

teilnehmen und sich damit auch Ihre Weiterbildungszeit<br />

direkt zum Jahresbeginn aufbauen. Bei der Teilnahme<br />

erhalten Sie nach der erfolgreichen Registrierung<br />

Ihre technisch dokumentierte Anwesenheitszeit<br />

als Download-Zertifikat angeboten.<br />

Eine vorherige Anmeldung zur Veranstaltung ist nicht<br />

erforderlich. Ihre Fragen können Sie uns gern vor oder<br />

während der Veranstaltung schicken:<br />

info@kanzlei-michaelis.de<br />

Bleiben Sie gesund! Wir freuen uns auf Sie!<br />

Herzliche Grüße!<br />

Ihr,<br />

Stephan Michaelis LL.M.<br />

Fachanwalt für Versicherungsrecht<br />

Mit freundlicher Unterstützung durch:


Das Bessere<br />

ist der Feind<br />

des Guten!<br />

AGENDA Vortragsveranstaltung<br />

Ein Versicherungsmakler sollte immer die beste Versicherung eindecken. Erfahren Sie mehr über das All-Risk<br />

Michaelis Cover, der neuen Berufshaftpflichtversicherung für Versicherungsmaklerinnen und -makler.<br />

13:30 Uhr<br />

–<br />

13:45 Uhr<br />

13:45 Uhr<br />

–<br />

14:15 Uhr<br />

Begrüßung durch<br />

Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler,<br />

Unternehmensberater<br />

Versichert oder nicht? Was<br />

können Sie oder Ihre Mitarbeiter<br />

richtig falsch machen?<br />

Ein Vortrag von <strong>Recht</strong>sanwalt<br />

Dr. Jan Freitag,<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

16:00 Uhr<br />

–<br />

16:30 Uhr<br />

16:30 Uhr<br />

–<br />

16:45 Uhr<br />

Die exklusiven<br />

Sonderleistungen der Kanzlei<br />

Michaelis und weitere Vorteile<br />

im All-Risk Michaelis Cover<br />

Ein Vortrag von <strong>Recht</strong>sanwalt<br />

Fabian Kosch<br />

PAUSE<br />

(Interview Prof. Dr.<br />

Hans-Wilhelm Zeidler<br />

mit Herrn Christian Henseler)<br />

14:15 Uhr<br />

–<br />

15:00 Uhr<br />

Die aktuelle Haftungsbrisanz<br />

des Versicherungsmaklers<br />

Ein Vortrag von <strong>Recht</strong>sanwalt<br />

Stephan Michaelis LL.M.,<br />

Fachanwalt für<br />

Versicherungsrecht<br />

16:45 Uhr<br />

–<br />

17:15 Uhr<br />

Achtung Ausschlüsse: Die<br />

wissentliche Pflichtverletzung<br />

und vieles mehr…<br />

Ein Vortrag von<br />

Lars Krohn LL.M., Fachanwalt<br />

für Versicherungsrecht<br />

15:00 Uhr<br />

–<br />

15:15 Uhr<br />

15:15 Uhr<br />

–<br />

16:00 Uhr<br />

PAUSE<br />

(Interview Prof. Dr.<br />

Hans-Wilhelm Zeidler<br />

mit <strong>Recht</strong>sanwalt<br />

Stephan Michaelis LL.M.)<br />

Wie sieht die beste<br />

Berufshaftpflichtversicherung<br />

für Versicherungsmakler aus?<br />

Ein Vortrag von<br />

Christian Henseler (Underwriter<br />

Deutschland für die CGPA S.A.)<br />

17:15 Uhr<br />

–<br />

18:00 Uhr<br />

18:00 Uhr<br />

–<br />

18:20 Uhr<br />

18:20 Uhr<br />

–<br />

18:30 Uhr<br />

Sinn oder Unsinn der<br />

All- Risk Michaelis Cover Deckung<br />

Ein Vortrag von Professor<br />

Dr. Hans-Peter Schwintowski<br />

Fragen der Zuschauer<br />

von Vincent Jacobsen LL.B.<br />

eingebracht<br />

Zusammenfassung der<br />

Fachtagung von Prof. Dr.<br />

Hans-Wilhelm Zeidler<br />

Ende der Tagung<br />

Fragen Sie sich, Ihren Makler, Berater oder Versicherer, ob Ihr eigener, wichtiger<br />

Versicherungsschutz jetzt versicherbare Deckungslücken hat?<br />

Kanzlei Michaelis<br />

<strong>Recht</strong>sanwälte<br />

Glockengießerwall 2<br />

20095 Hamburg<br />

T: +49 (0)40 / 888 88-777<br />

F: +49 (0)40 / 888 88-737<br />

E-Mail: info@kanzlei-michaelis.de<br />

www.kanzlei-michaelis.de<br />

Mehr Infos: www.kanzlei-michaelis.de


<strong>Recht</strong><br />

Die Haftung bei Insolvenzverschleppung nach<br />

der Neuregelung in § 15b Insolvenzordnung<br />

– TEXT: RA DR. ROBERT BOELS, FACHANWALT FÜR BANK- UND KAPITALMARKTRECHT –<br />

I. NEUREGELUNGEN DES SanInsFoG<br />

UND StaRUG<br />

Das Sanierungs- und Insolvenzanfechtungsgesetz<br />

(SanInsFoG) vom 22. Dezember<br />

2020 wurde am 29. Dezember 2020<br />

im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl.<br />

I, Seite 3256 ff.) und ist in weiten Teilen<br />

am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Mit<br />

Artikel 1 des SanInsFoG trat auch das Unternehmensstabilisierungs-<br />

und -restrukturierungsgesetz<br />

(StaRUG) zum 1. Januar<br />

2021 in weiten Teilen in Kraft.<br />

Hintergrund der Regelungen ist, dass seit<br />

Ablauf des Jahres 2020 überschuldete<br />

Unternehmen grundsätzlich wieder der<br />

Insolvenzantragspflicht unterliegen, da die<br />

temporäre Aussetzung der Antragspflicht<br />

wegen einer Überschuldung, die zunächst<br />

über den 30. September 2020 hinaus<br />

verlängert wurde, zum Jahresende auslief.<br />

Mit den Neuregelungen soll sichergestellt<br />

werden, dass insbesondere die von der<br />

Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen,<br />

die (rechnerisch) überschuldet,<br />

aber nicht zahlungsunfähig sind, von den<br />

im Gesetz vorgesehenen Erleichterungen<br />

profitieren und von der Möglichkeit<br />

einer außerhalb des Insolvenzverfahrens<br />

stattfindenden Restrukturierung Gebrauch<br />

machen können.<br />

II. ANTRAGSPFLICHT DER GESCHÄFTSLEITUNG<br />

Wird eine juristische Person zahlungsunfähig<br />

oder überschuldet, haben die<br />

Mitglieder des Vertretungsorgans oder<br />

die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern<br />

einen Eröffnungsantrag zu stellen (§ 15a<br />

Absatz 1 InsO). Neben der Zahlungsunfähigkeit<br />

ist nach § 18 Absatz 1 InsO auch<br />

die drohende Zahlungsunfähigkeit ein<br />

Eröffnungsgrund. Der Prognosezeitraum<br />

für die Beurteilung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />

wurde auf 24 Monate<br />

(§ 18 Absatz 2 Satz 2 InsO) und der<br />

Zeitraum für die Fortführungsprognose<br />

im Rahmen der Überschuldung auf nur<br />

12 Monate (§ 19 Absatz 2 Satz 1 InsO)<br />

festgelegt. Geschäftsführer/Vorstände<br />

müssen daher spätestens 24 Monate vor<br />

dem prognostizierten Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit<br />

Restrukturierungsmaßnahmen<br />

einleiten. Droht der Eintritt einer<br />

Zahlungsunfähigkeit binnen Jahresfrist,<br />

müssen sie einen Insolvenzantrag wegen<br />

Überschuldung stellen.<br />

Ergänzend hierzu wurde mit § 1 StaRUG<br />

ein Instrument zur Krisenfrüherkennung<br />

installiert. Danach sind Geschäftsleiter<br />

verpflichtet, fortlaufend über Entwicklungen<br />

zu wachen, welche den Fortbestand<br />

der Gesellschaft gefährden können,<br />

gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu<br />

ergreifen und den zur Überwachung der<br />

Geschäftsleitung berufenen Organen<br />

unverzüglich Bericht zu erstatten. Der<br />

Regierungsentwurf sah in diesem Zusammenhang<br />

eine weitergehende Reorganisationsverschleppungshaftung<br />

vor, die<br />

jedoch im Gesetzgebungsverfahren als<br />

nicht praktikabel kritisiert und in der Folge<br />

auch nicht gesetzlich geregelt wurde.<br />

III. ERSATZPFLICHT DER GESCHÄFTSLEITER<br />

Bezüglich der vorstehenden Insolvenzantragspflichten<br />

der Geschäftsführer/<br />

Vorstände tritt neben der Thematik eines<br />

möglicherweise strafrechtlich relevanten<br />

Verhaltens (§ 266a StGB) auch die Frage<br />

auf, ob sie einer eigenen Haftung gegenüber<br />

der insolventen Gesellschaft bzw.<br />

dem Insolvenzverwalter ausgesetzt sind.<br />

Denn die Geschäftsführer/Vorstände<br />

haben nach wie vor grundsätzlich alles<br />

zu ersetzen, was nach einer Insolvenzreife<br />

aus dem Vermögen der Gesellschaft<br />

abgeflossen ist.<br />

Mit dem Inkrafttreten des SanInsFoG<br />

wurden auch die Regelungen zur Haftung<br />

von Vertretungsorganen juristischer<br />

Personen verändert. Bis Ende 2020 war<br />

die Haftung der GmbH-Geschäftsführer<br />

in § 64 Satz 1 GmbHG a. F., der AG-Vorstände<br />

in § 92 Absatz 2 AktG a. F. und<br />

weitere Haftungsgrundlagen in §§ 130a<br />

und 177a HGB geregelt. Seit dem 1.<br />

Januar 2021 gilt nun § 15b Absatz 1 Satz<br />

1 InsO einheitlich für antragspflichtige<br />

Mitglieder der Vertretungsorgane und die<br />

Abwickler juristischer Personen. Danach<br />

dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit<br />

oder der Überschuldung einer<br />

juristischen Person grundsätzlich keine<br />

Zahlungen mehr für diese vorgenommen<br />

werden.<br />

Zu diesem Zahlungsverbot formuliert<br />

§ 15b Absatz 1 Satz 2 InsO die bereits<br />

aus § 64 Satz 2 GmbHG a. F. bekannte<br />

Ausnahmeregelung: „Dies gilt nicht für<br />

Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines<br />

ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters<br />

vereinbar sind.“ Nach einem<br />

in § 15b Absatz 2 Satz 1 InsO eingefügten<br />

Anwendungsbeispiel wird nun eine Beachtung<br />

der Sorgfalt insbesondere für alle<br />

Zahlungen vermutet, die der Aufrechterhaltung<br />

des Geschäftsbetriebs dienen.<br />

Zu begrüßen ist, dass damit eine Differenzierung<br />

in privilegierte Zahlungen,<br />

denen von Gläubigern sinnvoll verwertbare<br />

Gegenleistungen gegenüberstehen,<br />

und nicht privilegierte Zahlungen nicht<br />

mehr vorgenommen wird. Damit entfällt<br />

eine Verunsicherung der Geschäftsleiter.<br />

Unschädlich sind jedoch nur solche Zahlungen,<br />

die innerhalb der in § 15a Absatz<br />

1 Satz 2 InsO eingefügten Insolvenzantragsfrist<br />

von spätestens drei Wochen<br />

nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit<br />

und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung<br />

erfolgen, soweit in dieser Zeit<br />

Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung<br />

der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung<br />

32 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

des Insolvenzantrags betrieben werden.<br />

Als Geschäftsleiter dürften Sie in dieser<br />

Situation also nicht untätig bleiben!<br />

In dem Zeitraum zwischen der Antragstellung<br />

und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

gelten Zahlungen nur dann als<br />

mit der Sorgfalt eines ordentlichen und<br />

gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar,<br />

wenn sie mit Zustimmung des vorläufigen<br />

Insolvenzverwalters erfolgen. Lassen Sie<br />

sich also in einer solchen Situation Zahlungen<br />

stets vom vorläufigen Insolvenzverwalter<br />

freigeben! Bezüglich der steuerlichen<br />

Zahlungspflichten regelt § 15b<br />

Absatz 8 InsO ausdrücklich, dass mit der<br />

Nichterfüllung nach einer Antragstellung<br />

keine (strafbare) Verletzung steuerlicher<br />

Zahlungspflichten verbunden ist.<br />

Stellt der Geschäftsleiter innerhalb der<br />

drei- bzw. sechswöchigen Insolvenzantragsfrist<br />

keinen Insolvenzantrag, gelten<br />

nach § 15b Absatz 3 InsO alle Zahlungen<br />

regelmäßig als nicht mit der Sorgfalt<br />

eines ordentlichen und gewissenhaften<br />

Geschäftsleiters vereinbar. Damit entfällt<br />

künftig auch hier eine Unterscheidung<br />

nach privilegierten und nicht privilegierten<br />

Zahlungen. Ausnahmen sind allenfalls<br />

in absoluten Einzelfällen im Rahmen einer<br />

Notgeschäftsführung zur Vermeidung<br />

größerer konkreter Schäden denkbar.<br />

Das Zahlungsverbot betrifft auch bisher<br />

von der <strong>Recht</strong>sprechung anerkannte<br />

Zahlungen an Sozialversicherungsträger<br />

oder Finanzbehörden. Wird der Insolvenzantrag<br />

lediglich verspätet gestellt und<br />

werden dadurch bis zur Bestellung des<br />

vorläufigen Insolvenzverwalters fällig werdende<br />

Ansprüche aus dem Steuerverhältnis<br />

nicht beglichen, ergibt sich aus § 15b<br />

Absatz 8 Satz 2 InsO, dass eine (strafbare)<br />

Verletzung steuerlicher Zahlungspflichten<br />

vorliegt. Ohne eine pflichtgemäße Antragstellung<br />

haftet der Geschäftsleiter also für<br />

Zahlungen persönlich oder macht sich bei<br />

Zahlungsverzug strafbar!<br />

IV. UMFANG DER ERSATZPFLICHT<br />

Die <strong>Recht</strong>sprechung des Bundesgerichtshofs<br />

zum bisherigen § 64 GmbHG a. F.<br />

stellte allein auf den Vermögensabfluss<br />

bei der Gesellschaft ab und gewährte<br />

dem Insolvenzverwalter umfassenden<br />

Ersatz. Eine differenzierte Betrachtung des<br />

konkret entstandenen Schadens erfolgte<br />

nicht. Der neue § 15 Absatz 4 Satz 2 InsO<br />

lässt nun eine Gesamtbetrachtung zu:<br />

„Ist der Gläubigerschaft der juristischen<br />

Person ein geringerer Schaden entstanden,<br />

beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den<br />

Ausgleich des Schadens.“ Der Geschäftsführer<br />

ist jedoch beweisbelastet für den<br />

Umstand, dass der Schaden der Gläubigerschaft<br />

tatsächlich geringer als die<br />

Gesamthöhe der geleisteten Zahlungen ist.<br />

Angesichts des Umstands, dass § 15b<br />

Absatz 4 InsO von einem „Schaden“ der<br />

Gläubigerschaft spricht, ist gut vertretbar,<br />

dass die Ersatzpflicht als Schadensersatz<br />

im Sinne von D&O-Versicherungsbedingungen<br />

ausgestaltet ist und somit<br />

gegebenenfalls von einer D&O-Versicherung<br />

gedeckt ist. Diese Ansicht hat der<br />

Bundesgerichtshof bereits jüngst in seinem<br />

Urteil vom 18.11.2020 – IV ZR 217/19 –<br />

zum § 64 GmbHG a. F. vertreten. Sollte<br />

die <strong>Recht</strong>sprechung diese Ansicht auch<br />

zum § 15b InsO bestätigen, wird dies<br />

voraussichtlich zu einer Anpassung von<br />

Versicherungsbedingungen und -prämien<br />

führen. Geschäftsleiter sollten also darauf<br />

achten, dass diese Risiken nicht ausdrücklich<br />

ausgeschlossen werden!<br />

Angesichts des Umstands, dass der Insolvenzverwalter<br />

möglicherweise auf die<br />

Kooperation des Geschäftsleiters angewiesen<br />

ist, wird er den Geschäftsleiter erst<br />

im späteren Verlauf des Insolvenzverfahrens<br />

in Anspruch nehmen. Dann wird es<br />

dem Geschäftsleiter jedoch nicht leichter<br />

fallen (ohne einen Zugriff auf Unterlagen)<br />

nachzuweisen, dass und in welcher Höhe<br />

ein geringerer Schaden entstanden ist. Vor<br />

diesem Hintergrund sollte der Geschäftsleiter<br />

einen mit der Zahlung verbundenen<br />

Vermögenszuwachs (zum Beispiel eine<br />

Maschine mit einem Wert X ist mit der<br />

Zahlung in das Vermögen der Gesellschaft<br />

gelangt) gegebenenfalls zeitnah dokumentieren.<br />

Ficht der Insolvenzverwalter die Zahlungen<br />

des Geschäftsleiters erfolgreich an,<br />

fällt der Schaden der Gläubigerschaft (und<br />

damit der Umfang der Ersatzpflicht des<br />

Geschäftsleiters) ebenfalls geringer aus.<br />

Aus diesem Grund kann die Neuregelung<br />

auch dazu führen, dass die Kooperationsbereitschaft<br />

der betroffenen Geschäftsleiter<br />

(zulasten der Geschäftspartner) durch<br />

die Einführung einer Gesamtbetrachtung<br />

steigt.<br />

V. VERZICHT ODER VERGLEICH<br />

ÜBER ERSATZANSPRÜCHE<br />

Grundsätzlich ist ein Verzicht der Gesellschaft<br />

auf Erstattungs- oder Ersatzansprüche<br />

gegenüber dem Geschäftsleiter oder<br />

ein Vergleich mit der Gesellschaft über<br />

diese Ansprüche nach § 15b Absatz 4 Satz<br />

4 InsO unwirksam. Ausnahmen bestehen<br />

zum einen, wenn der Geschäftsleiter selbst<br />

zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung<br />

eines eigenen Insolvenzverfahrens<br />

mit seinen Gläubigern vergleicht, und<br />

zum anderen, wenn ein Vergleich über die<br />

Ersatzansprüche in einem Insolvenzplan<br />

geregelt oder mit dem Insolvenzverwalter<br />

vereinbart wird. In jedem Fall wird<br />

der Geschäftsleiter künftig nachweisen<br />

müssen, dass ein Verzicht oder Vergleich<br />

zur Abwendung einer eigenen Insolvenz<br />

erforderlich ist.<br />

VI. FAZIT<br />

Die neue Haftungsnorm des § 15b InsO<br />

zeigt dem Geschäftsleiter seine Pflichten<br />

wesentlich deutlicher als die alten Regelungen<br />

auf. Die Neuregelung definiert eine<br />

einheitliche Insolvenzantragsfrist und regelt<br />

die Haftung des Geschäftsleiters übersichtlich<br />

für die Zeiträume vor, während<br />

und nach Ablauf der Frist. Zahlungen<br />

nach versäumter Antragstellung sind nun<br />

ausdrücklich nicht mit der Sorgfalt eines<br />

ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters<br />

vereinbar und führen zur Ersatzpflicht<br />

des Geschäftsleiters. Dies sollte<br />

für alle Geschäftsleiter Anlass genug sein,<br />

ihre Antragspflichten sorgfältig zu prüfen<br />

und einen Insolvenzantrag gegebenenfalls<br />

rechtzeitig zu stellen.<br />

Auch wenn die Neuregelungen bezüglich<br />

des Umfangs der Ersatzpflicht nun eine<br />

Gesamtbetrachtung ermöglichen, die zu<br />

einer Reduzierung der Ersatzpflicht führen<br />

kann, bleibt festzuhalten, dass Geschäftsleiter<br />

gut daran tun, Insolvenzanträge<br />

rechtzeitig zu stellen, damit sich die<br />

weiterhin hohe Gefahr ihrer Inanspruchnahme<br />

gar nicht erst realisiert.<br />

Die <strong>Recht</strong>sanwaltskanzlei Michaelis steht<br />

Ihnen für eine gesellschaftsrechtliche Beratung<br />

zum Thema der Geschäftsleiterhaftung<br />

gerne zur Verfügung.<br />

Sonderausgabe<br />

33


<strong>Recht</strong><br />

Maklerpflicht, auch Direktversicherungen<br />

zu berücksichtigen?<br />

– TEXT: RA STEPHAN MICHAELIS, LL. M., FACHANWALT FÜR VERSICHERUNGSRECHT –<br />

Hat das Landgericht Konstanz im<br />

Urteil vom 21.01.2021 (Me 4 O<br />

90/19) wirklich recht? Ein Versicherungsmakler<br />

hatte bei einer Beratung für den<br />

Versicherungsschutz des Wohnwagens<br />

zur Vollkaskoversicherung keine Direktversicherer<br />

berücksichtigt. Aufgrund der<br />

preislichen Angebote hatte sich der Kunde<br />

dann nur für eine Teilkaskoversicherung<br />

entschieden. Der dann eingetretene<br />

Versicherungsfall wäre aber nur über die<br />

Vollkaskoversicherung gedeckt gewesen.<br />

Nun argumentiert der Kunde, dass er bei<br />

der günstigen Prämie des Direktversicherers<br />

die Vollkasko genommen hätte.<br />

Der Makler habe ihn aber nicht auf diese<br />

günstige Möglichkeit hingewiesen.<br />

Das LG Konstanz hatte den Versicherungsmakler<br />

zum Ersatz des (nicht<br />

versicherten) Vollkaskoschadens verurteilt.<br />

Nach der richterlichen Einschätzung<br />

hätte der Versicherungsmakler bei der<br />

Beratung darauf hinweisen müssen, dass<br />

er keine Direktversicherer in seine Beratungsgrundlage<br />

(vergleiche § 60 VVG)<br />

einbezieht. Es sei auch nicht ausreichend,<br />

dass dieser Hinweis nur im Maklervertrag<br />

gestanden habe.<br />

Tipp: Um auf Nummer sicher zu gehen,<br />

kann ich jedem/r Versicherungsmakler*in<br />

nur empfehlen, eine solche Regelung<br />

ausdrücklich im Rahmen der Beratungsdokumentation<br />

bei der Beratung mit dem<br />

Kunden zu besprechen und zu dokumentieren.<br />

So jedenfalls auch die Vorstellung<br />

des Landgerichts Konstanz.<br />

Aus meiner Sicht überspannt das Gericht<br />

die Beratungspflichten des Versicherungsmaklers.<br />

Es ist meines Erachtens<br />

richtig und ausreichend, wenn der<br />

Versicherungsmakler schon in seinem<br />

Versicherungsmaklervertrag deutlich<br />

und hervorgehoben darauf hinweist,<br />

dass er keine Direktversicherer in seine<br />

Beratungsgrundlage einbezieht und nur<br />

Produktgeber einbezieht, die eine übliche<br />

Courtage zahlen. Ebenso muss es einem<br />

Versicherungsmakler auch gestattet sein,<br />

diejenigen Versicherer auszugrenzen, die<br />

überhaupt nicht mit einem Versicherungsmakler<br />

zusammenarbeiten. Selbiges gilt<br />

auch für exklusive Deckungskonzepte,<br />

auf die ein Versicherungsmakler mangels<br />

Zugang zum Produkt nicht zugreifen<br />

kann, oder ausländische Versicherer.<br />

Faktisch hat der Versicherungsmakler<br />

eben nicht die Möglichkeit, alle Versicherungsprodukte<br />

anzubieten und auch dann<br />

fortlaufend zu betreuen. Wie soll das ein<br />

Versicherungsmakler bei einem Direktversicherer<br />

gewährleisten, der zumeist eine<br />

Korrespondenzpflicht aus „technischen<br />

Gründen“ verweigert? Warum will ein<br />

Gericht von zwei Parteien, die beide nicht<br />

miteinander zusammenarbeiten wollen,<br />

das verlangen? Nur Verbraucherschutz?<br />

Wo bleibt unsere freie Privatautonomie,<br />

sich die eigenen Vertragspartner aussuchen<br />

zu dürfen?<br />

34 Sonderausgabe


Juni / Juli 2018 – D: 4,80 € • I: 6,50 € • E: 6,50 €<br />

<br />

Cyber-Risiken dekodiert | Wandelanleihen | Fondspolicen boomen | Riester-Reform | Betrieblicher BU-Schutz | VSH für Wohnimmobilienverwalter | Renaissance des Bausparens<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de<br />

FINANZEN<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

Das freie Finanzmagazin<br />

{<br />

[Titelthema]<br />

<br />

[Subline]Datenklau.<br />

Betriebsunterbrechung<br />

& digitale.<br />

Erpressung<br />

}<br />

2018<br />

#03<br />

Für alle, die bei Malware nicht an<br />

Buntstifte denken.<br />

<br />

Bestellbar unter:<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de/printarchiv<br />

#03 | 2018<br />

Juni / Juli 2018<br />

Rendite-Reiz<br />

Warum das Rentenspiel nur mit<br />

Garantieverzicht und fondsgebundenen<br />

Produkten zu gewinnen ist<br />

Riester-Reform<br />

Warum ein standardisiertes<br />

Riester-Produkt (k)eine Lösung<br />

sein kann<br />

Im Gespräch<br />

Experten-Roundtable<br />

– Wie Makler die<br />

Arbeitskraft ihrer<br />

Kunden sichern<br />

<strong>procontra</strong> – Das freie Finanzmagazin


<strong>Recht</strong><br />

Die Betriebsschließungsversicherung:<br />

Anmerkung zum Urteil des Oberlandesgerichts<br />

Stuttgart vom 15.02.2021 – 7 U 351/20<br />

Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.05.2020 – 314 O 109/18 (rechtskräftig)<br />

– TEXT: RA LARS KROHN, LL.M., FACHANWALT FÜR VERSICHERUNGSRECHT –<br />

I.<br />

1. Mit Urteil vom 15.02.2021 hat das<br />

OLG Stuttgart zum Aktenzeichen 7 U<br />

351/20 als erstes Oberlandesgericht über<br />

einen Anspruch aus der Betriebsschließungsversicherung<br />

unter Zulassung der<br />

Revision zum Bundesgerichtshof entschieden.<br />

Der Entscheidung lagen Versicherungsbedingungen<br />

zugrunde, die im Hinblick auf<br />

versicherte Krankheiten und Erreger eine<br />

Kombination aus Liste und Verweis auf<br />

das Infektions(schutz)gesetz vorsehen.<br />

2. Nach dem bei beck-online veröffentlichten<br />

Obersatz hat das OLG Stuttgart<br />

folgendermaßen entschieden: „Eine<br />

Regelung in den Bedingungen, nach der<br />

meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger<br />

‚die folgenden, im Infektionsschutzgesetz<br />

in den §§ 6 und 7 namentlich<br />

genannten Krankheiten und Krankheitserreger‘<br />

sind, stellt einen abschließenden<br />

Verweis auf die folgende Aufzählung dar.<br />

Diese Regelung ist auch nicht mehrdeutig,<br />

sie ist ferner transparent und höhlt den<br />

Versicherungsschutz nicht aus.“<br />

3. Tatsächlich lauteten die zugrunde liegenden<br />

Allgemeinen Versicherungsbedingungen<br />

der Betriebsschließungsversiche-<br />

rung (Stand: 01.07.2016) laut Tatbestand<br />

des Urteils wie folgt:<br />

„1. Betriebsschließung<br />

1.1 Der Versicherer leistet Entschädigung,<br />

wenn die zuständige Behörde aufgrund<br />

des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung<br />

von Infektionskrankheiten beim<br />

Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG)<br />

beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten<br />

oder Krankheitserreger<br />

a) den versicherten Betrieb oder eine<br />

versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung<br />

der Verbreitung von meldepflichtigen<br />

Krankheiten oder Krankheitserregern bei<br />

Menschen schließt;<br />

Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebs<br />

angehörige eines Betriebes oder<br />

einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung<br />

gleichgestellt;<br />

…<br />

1.2 Meldepflichtige Krankheiten und<br />

Krankheitserreger<br />

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger<br />

im Sinne dieser Bedingungen<br />

sind die folgenden, im Infektionsgesetz<br />

in den §§ 6 und 7 namentlich genannten<br />

Krankheiten und Krankheitserreger:<br />

a) Krankheiten<br />

…<br />

b) Krankheitserreger<br />

…<br />

1.3 Nicht versicherte Schäden<br />

Nicht versichert sind, ohne Rücksicht auf<br />

mitwirkende Ursachen, Schäden<br />

...<br />

e) von Prionenerkrankungen oder dem<br />

Verdacht hierauf;<br />

…“<br />

Nicht in Ziffer 1.2 genannt sind die<br />

Corona-Virus-Krankheit-2019 (Covid-19)<br />

oder das Severe Acute Respiratory Syndrome<br />

– Corona-Virus (SARS-CoV) und<br />

das Severe Acute Respiratory Syndrome –<br />

Corona-Virus-2 (SARS-CoV-2).<br />

II.<br />

1. Wie Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski<br />

bereits in seiner Anmerkung zu dem hier<br />

behandelten Urteil des OLG Stuttgart in<br />

der Zeitschrift für Versicherungswesen<br />

07/20, 21, Seite 213 ff. zutreffend dargestellt<br />

hat, lautet das Leistungsversprechen<br />

des Versicherers, Entschädigung bei<br />

einer Betriebsschließung beim Auftreten<br />

meldepflichtiger Krankheiten/Krankheitserreger<br />

nach dem Infektionsschutzgesetz<br />

zu leisten. Dieses Leistungsversprechen<br />

findet sich in Ziffer 1.1 der AVB niedergeschrieben<br />

und regelt die Leistung bei einer<br />

Betriebsschließung aufgrund meldepflichtiger<br />

Krankheiten/Krankheitserreger<br />

nach dem Infektionsschutzgesetz in der<br />

jeweils geltenden Fassung. Schwintowski<br />

zeigt ferner auf, dass die vom OLG<br />

Stuttgart so eingeordnete Konkretisierung<br />

des Leistungsversprechens in Ziffer 1.2<br />

dann aber in einem Widerspruch gegen<br />

das in Ziffer 1.1 formulierte klare und<br />

eindeutige Leistungsversprechen steht, es<br />

sogar ins Gegenteil verkehrt, letztlich mit<br />

dem Leitbild des geschlossenen Vertrages<br />

unvereinbar und diese leistungsverkürzende<br />

Klausel insgesamt ungewöhnlich<br />

und überraschend sei, weswegen sie nach<br />

§ 305c Absatz 1 BGB nicht Vertragsbestandteil<br />

werde; dem kann im Ergebnis<br />

nur zugestimmt werden, da der verständige<br />

durchschnittliche Versicherungsnehmer,<br />

dessen Verständnis für die Auslegung<br />

von Versicherungsbedingungen nach ständiger<br />

höchstrichterlicher <strong>Recht</strong>sprechung<br />

ausschlaggebend ist, nicht erkennen kann,<br />

dass das ursprüngliche Leistungsversprechen<br />

des Versicherers durch die Regelung<br />

in Ziffer 1.2 eingeschränkt werden soll.<br />

Aus diesem Grund ist eine solche Klausel<br />

aber nicht nur widersprüchlich und damit<br />

überraschend, sondern auch unklar im<br />

Sinne des § 305c Absatz 2 BGB.<br />

36 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

Da Ziffer 1.2 AVB nicht als Risikoausschluss<br />

bzw. als leistungsverkürzend<br />

gekennzeichnet ist, wird sie – da sie für<br />

den VN überraschen und unklar ist –<br />

nicht Vertragsbestandteil und ist unklar,<br />

sodass Auslegungszweifel zulasten des<br />

Verwenders gehen und die versicherungsnehmerfreundlichste<br />

Auslegung greift, die<br />

die Klausel als bloße Information über<br />

mögliche meldepflichtige Krankheiten und<br />

Krankheitserreger interpretiert.<br />

Folgte man dagegen der Interpretation des<br />

OLG Stuttgart, ist die Klausel unter Ziffer<br />

1.2 aber auch als intransparent gemäß<br />

§ 307 Absatz 1 Satz 2 BGB unwirksam,<br />

weil sie verschleiert, dass der ursprünglich<br />

gewährte Versicherungsschutz für<br />

alle meldepflichtigen Krankheiten und<br />

Krankheitserreger im Sinne des Infektionsschutzgesetzes<br />

eingeschränkt wird.<br />

2. Diesen von Prof. Schwintowski in seiner<br />

vorgenannten Anmerkung herausgearbeiteten<br />

Ergebnissen ist zuzustimmen, ebenso<br />

der Konsequenz, dass Versicherungsschutz<br />

nach Ziffer 1.1 der Versicherungsbedingungen<br />

uneingeschränkt dann zu gewähren<br />

ist, wenn die zuständige Behörde<br />

aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und<br />

Bekämpfung von Infektionskrankheiten<br />

beim Menschen (Infektionsschutzgesetz<br />

– IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger<br />

Krankheiten oder Krankheitserreger den<br />

versicherten Betrieb schließt, wobei das<br />

Infektionsschutzgesetz in § 6 meldepflichtige<br />

Krankheiten und in § 7 meldepflichtige<br />

Krankheitserreger auflistet, die Liste<br />

der meldepflichtigen Krankheiten aber<br />

nicht abschließend ist, weil nach § 6 Absatz<br />

1 Nummer 5 IfSG auch der Verdacht<br />

einer Erkrankung, die nicht bereits nach<br />

den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist,<br />

die Meldepflicht auslöst, was parallel für<br />

Krankheitserreger nach § 7 Absatz 2 IfSG<br />

vorgesehen ist, wenn Hinweise auf eine<br />

schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit<br />

bestehen, so wie es vorliegend<br />

für Covid-19 und SARS-CoV über die Corona-Meldeverordnung<br />

bereits im Februar<br />

2020 auch umgesetzt wurde.<br />

III.<br />

1. Vorstehendes Ergebnis kann aber noch<br />

weitergehend – Schwintowskis Anmerkung<br />

ergänzend – begründet werden, da<br />

sich der Versicherer in der vorzitierten<br />

Klausel Ziffer 1.2 des Bedingungswerks –<br />

warum auch immer – auf „die folgenden,<br />

im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7<br />

namentlich genannten Krankheiten und<br />

Krankheitserreger“ bezieht. Ein Infekti-<br />

onsgesetz gab und gibt es nicht.<br />

Dass der Versicherer hier nicht das Infektionsschutzgesetz<br />

wie in Ziffer 1.1 nennt,<br />

sondern (abweichend) von einem Infektionsgesetz<br />

spricht, hat das OLG Stuttgart<br />

nicht behandelt, sondern ausweislich der<br />

Gründe zum Urteil außer Acht gelassen,<br />

obwohl sich die Intransparenz und<br />

infolgedessen die Unwirksamkeit der<br />

Regelung nach Ziffer 1.2 AVB aus dem<br />

dortigen Verweis auf ein „Infektionsgesetz“<br />

ergibt, das es gar nicht gibt, sodass<br />

eine Kenntnis oder eine Kenntnisnahme<br />

einem Versicherungsnehmer verwehrt<br />

ist. Da das Infektionsschutzgesetz in<br />

Ziffer 1.1 AVB aber bereits ausdrücklich<br />

genannt ist, erkennt der Versicherungsnehmer<br />

den begrifflichen Unterschied und<br />

wird es nicht mit dem „Infektionsgesetz“<br />

gleichsetzen oder gleichsetzen müssen.<br />

Ein hinreichend transparenter Verweis auf<br />

das Infektionsschutzgesetz liegt in Ziffer<br />

1.2 AVB damit nicht vor, die Intransparenz<br />

führt zur Unwirksamkeit und damit<br />

zu dem Ausschluss der Annahme einer<br />

abgeschlossenen Aufzählung bzw. Liste,<br />

vergleiche Landgericht Darmstadt – 28 O<br />

168/20.<br />

2. Nicht nur diesbezüglich sind die zutreffenden<br />

Ausführungen Prof. Dr. Schwintowskis<br />

zum Urteil des OLG Stuttgart – 7<br />

U 351/20 – zu ergänzen, sondern auch<br />

hinsichtlich des ausdrücklichen Ausschlusses<br />

für Prionenerkrankungen (beim<br />

Menschen: Creutzfeldt-Jakob-Krankheit)<br />

unter Ziffer 1.3 AVB. Bereits die Existenz<br />

dieses Ausschlusses steht einem Verständnis,<br />

dass die Auflistung unter Ziffer 1.2<br />

AVB abschließend sein könnte, diametral<br />

entgegen. Der Ausschluss für Prionenerkrankungen<br />

in den AVB wäre dann<br />

nämlich völlig gegenstandslos und machte<br />

keinen Sinn, wenn die Liste unter Ziffer<br />

1.2 AVB bereits abschließend wäre. Im<br />

Falle einer abschließenden Liste bedürfte<br />

es keines zusätzlichen Ausschlusses für<br />

eine Krankheit oder einen Krankheitserreger,<br />

denn dann wäre ohnehin alles, was<br />

nicht gelistet ist, ausgeschlossen.<br />

Vielmehr wird der Versicherungsnehmer<br />

seine Versicherungsbedingungen derart<br />

lesen, dass er zunächst das Leistungsversprechen<br />

in Ziffer 1.1 entdeckt und dann<br />

bei einer Suche nach etwaigen Leistungseinschränkungen<br />

auf die Überschrift der<br />

Ziffer 3 AVB und den dort gemachten<br />

Ausschluss für Schäden „von Prionenerkrankungen<br />

oder dem Verdacht hierauf“<br />

stößt, wodurch er den unzweideutigen<br />

Rückschluss ziehen darf und ziehen wird,<br />

dass die Liste unter Ziffer 1.2 im Hinblick<br />

auf meldepflichtige Krankheiten und<br />

Krankheitserreger gar nicht abschließend<br />

sein kann, weil hier ein expliziter Ausschluss<br />

einer (meldepflichtigen) Krankheit<br />

erfolgt, der bei einer abgeschlossenen<br />

Liste keinen Sinn machte, vergleiche<br />

Landgericht München I – 12 O 5868/20;<br />

Armbrüster VersR 2020, 577; Fortmann<br />

ZFV 2020, 300 Armbrüster in Prölss/<br />

Martin, VVG, 31. Aufl., BSV Rn. 10.<br />

Das OLG Stuttgart ist der Auffassung,<br />

dass „ein Rückschluss von dieser Ausnahme<br />

auf den Umfang der Leistungspflicht<br />

... für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer<br />

gerade nicht nahe“ läge und<br />

dass „schon gar nicht hieraus bei verständiger<br />

Betrachtung der Schluss gezogen<br />

werden“ könne, „der in Ziffer 1.2 AVB<br />

erkennbar abschließend formulierte Katalog<br />

solle wieder geöffnet werden“.<br />

Insoweit begeht das OLG aber einen<br />

Denkfehler, da es auf eine „Wiedereröffnung“<br />

des „erkennbar abschließend<br />

formulierten Katalogs in Ziffer 1.2 AVB“<br />

abstellt. Der Senat setzt also das Erkennen<br />

einer unterstellten Abgeschlossenheit des<br />

Katalogs in Ziffer 1.2 AVB voraus, gerade<br />

das Erkennen einer Abgeschlossenheit<br />

bzw. einer Abgeschlossenheit selbst wird<br />

aber durch den Ausschluss für Prionenerkrankungen<br />

verhindert, da er einer solchen<br />

Erkenntnis diametral entgegensteht.<br />

Insofern ist es unzutreffend, auf eine Wiedereröffnung<br />

eines Katalogs abzustellen,<br />

der eben nie geschlossen war, und zwar<br />

unter anderem deshalb, weil der Annahme<br />

eines geschlossenen Katalogs gerade der<br />

Ausschluss für Prionenerkrankungen zwingend<br />

entgegensteht. Die Erkennbarkeit<br />

der Abgeschlossenheit des formulierten<br />

Katalogs ist mithin durch den Ausschluss<br />

für Prionenerkrankungen einerseits ausgeschlossen<br />

und kann nicht wie vom OLG<br />

Stuttgart schlicht vorausgesetzt werden;<br />

es kann mithin nicht um die Wiedereröffnung<br />

eines geschlossenen Katalogs gehen,<br />

denn der Katalog war nie geschlossen.<br />

3. All dies führt – wie gesagt – dazu,<br />

dass sich der Versicherer entgegen der<br />

Auffassung des OLG Stuttgart an sein<br />

Leistungsversprechen, Entschädigung bei<br />

einer Betriebsschließung beim Auftreten<br />

meldepflichtiger Krankheiten/Krankheitserreger<br />

nach dem Infektionsschutzgesetz<br />

zu leisten, halten muss, und zwar im<br />

Sinne einer dynamischen Verweisung auch<br />

bei hinzukommenden meldepflichtigen<br />

Krankheiten und Krankheitserregern und<br />

damit auch bei „Corona“.<br />

Sonderausgabe<br />

37


<strong>Recht</strong><br />

Verpflichtet Krebs zur Aufgabe des<br />

Unternehmens? - Zur abstrakten Verweisung in<br />

der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

– TEXT: RA KATHRIN PAGEL, FACHANWÄLTIN FÜR VERSICHERUNGSRECHT –<br />

OLG KARLSRUHE,<br />

BESCHLUSS VOM 06.05.2020 – 9 U 54/18<br />

Verstirbt der Versicherungsnehmer in<br />

der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung,<br />

bevor er seine Berufsunfähigkeitsleistungen<br />

erhalten hat, besteht der<br />

Anspruch auf Leistungen fort und geht<br />

auf die Erben über. Die mentalen sowie<br />

rechtlichen Herausforderungen für die<br />

Hinterbliebenen bestehen darin, nun die<br />

Auseinandersetzung mit dem Versicherer<br />

zu führen. In einem solchen Prozess<br />

hatte das OLG Karlsruhe unter anderem<br />

darüber zu entscheiden, ob der Versicherer<br />

einen selbstständigen mitarbeitenden<br />

Kfz-Werkstatt-Besitzer bei Berufsunfähigkeit<br />

wegen eines Pankreaskarzinoms<br />

mit Lebermetastasen auf eine abhängige<br />

Tätigkeit als Kfz-Service-Berater verweisen<br />

durfte, um dadurch der Leistungsverpflichtung<br />

aus einem privaten Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag<br />

zu entgehen.<br />

MÖGLICHKEIT EINER<br />

»ABSTRAKTEN VERWEISUNG«<br />

Grundsätzlich ist an einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag<br />

die<br />

Absicherung der tatsächlich zuletzt in<br />

gesunden Tagen ausgeübten beruflichen<br />

Tätigkeit vereinbart. Kann der Versicherungsnehmer<br />

diese aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht mehr ausüben, erhält er<br />

Versicherungsleistungen aus dem Vertrag.<br />

Einige ältere Versicherungsverträge<br />

in der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

enthalten jedoch noch Vertragsklauseln<br />

über eine sogenannte „abstrakte Verweisung“.<br />

Eine solche Klausel kann es dem<br />

Versicherer unter Umständen sehr viel<br />

weitergehend gestatten, den Versicherungsnehmer<br />

im Falle der Berufsunfähigkeit<br />

in seinem alten Beruf auf eine andere<br />

berufliche Tätigkeit zu verweisen. Nach<br />

dem Gesetz dürfen solche Verweisungen<br />

auf eine andere Tätigkeit grundsätzlich<br />

vertraglich vereinbart werden. Es muss<br />

sich nach § 172 Absatz 3 VVG um eine<br />

Tätigkeit handeln, zu der die versicherte<br />

Person aufgrund ihrer Ausbildung und<br />

Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer<br />

bisherigen Lebensstellung entspricht. Will<br />

der Versicherer den Versicherungsnehmer<br />

im Versicherungsfall tatsächlich auf<br />

einen Vergleichsberuf verweisen, muss er<br />

umfassend und detailreich den avisierten<br />

Vergleichsberuf zunächst aufzeigen. Die<br />

lediglich allgemeine Verweisung auf ein<br />

Berufsbild, wie zum Beispiel „Servicetechniker“<br />

oder „Bäcker“, genügt dann nicht.<br />

In dem Fall des OLG Karlsruhe enthielt<br />

der Vertrag eine abstrakte Verweisung und<br />

diese wurde vom Versicherer für eine abhängige<br />

Tätigkeit als Kfz-Service-Berater<br />

38 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

liert nicht geprüft, denn ein Berufswechsel<br />

setzt zudem voraus, dass er auch für den<br />

Versicherten zumutbar wäre.<br />

ZUMUTBARKEIT DES BERUFSWECHSELS<br />

Zur Frage der Zumutbarkeit wurde<br />

weiter ermittelt. Im Zusammenhang mit<br />

der Pankreaskarzinom-Diagnose wurde<br />

ein Sachverständiger gehört, der eine Prognose<br />

zur Überlebenswahrscheinlichkeit<br />

gestellt hatte. Die Chancen des Versicherten<br />

für die Fortführung seines Unternehmens<br />

wurden bei einer von dem Sachverständigen<br />

festgestellten nicht mehr als<br />

20-prozentigen Ein-Jahres-Überlebensrate<br />

als relativ gering angesehen. Das OLG<br />

Karlsruhe befand dennoch, dass es von<br />

dem Versicherten nicht zu verlangen wäre,<br />

seinen Betrieb aufzugeben, nur um bis zu<br />

seinem voraussichtlichen Tod noch eine<br />

ungewisse Zeit von wenigen Monaten gegebenenfalls<br />

eine abhängige Beschäftigung<br />

bei einem Drittunternehmen ausüben zu<br />

können.<br />

FAZIT<br />

Bei einem BU-Vertrag mit einer abstrakten<br />

Verweisung ist generell mit Verzögerungen<br />

in der Leistungsabwicklung zu rechnen.<br />

Der Versicherer wird immer versuchen,<br />

einen anderen Vergleichsberuf zu finden<br />

und damit die Leistungsverpflichtung abzuwenden.<br />

Versicherungsnehmer müssen<br />

ohnehin in der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

besondere Herausforderungen<br />

der Leistungsbeantragung bewältigen,<br />

die Verknüpfung von versicherungsrechtlichen<br />

Fragestellungen mit medizinischen<br />

und berufskundlichen Fragen. Dabei<br />

benötigt der Versicherungsnehmer Hilfe.<br />

Jeder Einzelfall ist anders gelagert und<br />

muss individuell behandelt werden. Der<br />

Leistungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

ist anspruchsvoll, aufwendig<br />

und für Versicherungsmakler ohne<br />

entsprechende Expertise haftungsträchtig.<br />

Mit einer professionellen Leistungsfallbegleitung,<br />

einem Service von <strong>Recht</strong>sanwältin<br />

Pagel in der Kanzlei Michaelis, können<br />

von Beginn an viele Fallstricke überwunden<br />

werden.<br />

In fallende Messer<br />

greift man nicht.<br />

Diese und weitere Weisheiten im<br />

täglichen <strong>procontra</strong>-Nachrichtenupdate.<br />

<strong>procontra</strong>-online.de/newsletter<br />

Sonderausgabe<br />

ausgesprochen. Der Kfz-Werkstatt-Besitzer<br />

hatte nach seiner Diagnose zunächst auf<br />

die Wiederherstellung seiner Gesundheit<br />

gehofft und darauf, dass er seinen bereits<br />

seit 20 Jahren bestehenden und von ihm<br />

selbst aufgebauten Kfz-Werkstattbetrieb<br />

aufrechterhalten könnte. Daher wurde<br />

der Betrieb nicht eingestellt. Es folgten die<br />

Operation und längere Chemotherapie.<br />

Die fortschreitende Verschlechterung des<br />

Gesundheitszustands und letztlich der Tod<br />

konnten nicht verhindert werden, aber<br />

seine Hoffnung behielt der Versicherte<br />

über den gesamten Zeitraum. Daher gab<br />

er den Betrieb seiner Werkstatt bis zum<br />

Ende nicht auf. Die Erben stritten sich mit<br />

dem Versicherer darüber, ob der Versicherte,<br />

trotz der Hoffnung auf die Fortsetzung<br />

seiner Tätigkeit, sein Unternehmen<br />

und die Selbstständigkeit hätte aufgeben<br />

müssen. Der Versicherer war der Ansicht,<br />

stattdessen hätte der Versicherte auf die<br />

Tätigkeit als Kfz-Service-Berater abstrakt<br />

verwiesen werden können. Das wäre der<br />

Fall, wenn es sich um einen vergleichbaren<br />

Beruf handelt und der Versicherte über die<br />

Ausbildung und Fähigkeiten sowie ausreichende<br />

gesundheitliche Voraussetzungen<br />

zur Ausübung verfügt. Dies wurde detail<strong>procontra</strong><br />

– Das freie Finanzmagazin<br />

39


<strong>Recht</strong><br />

Corona-Schutzimpfung und Arbeitsrecht<br />

– TEXT: RA SARAH KOLSS –<br />

Vor einigen Wochen haben die Unternehmen<br />

Facebook und Google<br />

angekündigt, dass künftig nur Mitarbeiter<br />

in den Büros vor Ort arbeiten<br />

dürfen, wenn sie gegen das Corona-Virus<br />

geimpft sind. 1 Es stellt sich die Frage, ob<br />

eine solche Anordnung auch hierzulande<br />

möglich wäre und in welchen anderen<br />

Bereichen des Arbeitsverhältnisses sich<br />

der Impfstatus von Arbeitnehmern auswirken<br />

kann. Es beginnt schon mit der<br />

Frage, ob der Arbeitgeber überhaupt den<br />

Impfstatus seiner Arbeitnehmer erfragen<br />

darf. Weiter stellt sich die Frage, welche<br />

Folgen es im laufenden Arbeitsverhältnis<br />

für Arbeitnehmer haben kann, ob ein<br />

Mitarbeiter geimpft ist oder nicht, und ob<br />

der Arbeitgeber eine Impfung anordnen<br />

darf. Schließlich ist danach zu fragen, ob<br />

ein Arbeitgeber nur geimpfte Personen<br />

einstellen kann oder gar ungeimpften<br />

Mitarbeitern kündigen darf.<br />

Vorweggeschickt werden soll, dass es in<br />

Deutschland derzeit keine Impfpflicht für<br />

die Corona-Schutzimpfung gibt, wie sie<br />

etwa für Masern gemäß § 20 Absatz 8<br />

bis 12 Infektionsschutzgesetz (IfSG) für<br />

bestimmte Personengruppen besteht. Die<br />

Bundesregierung betont immer wieder,<br />

dass es keine Impfpflicht geben soll, 2<br />

auch wenn die Einführung als <strong>Recht</strong>sverordnung<br />

unter den Voraussetzungen des<br />

§ 20 Absatz 6 IfSG bzw. entsprechend<br />

den Regelungen zur Masernimpfpflicht<br />

durch Gesetz möglich wäre. Dies ist bei<br />

der Beantwortung der Fragen genauso zu<br />

berücksichtigen wie die Tatsache, dass<br />

es sich bei allen diesen Fragen um neue<br />

<strong>Recht</strong>sfragen handelt, zu denen bisher<br />

keine oder zumindest keine höchstrichterliche<br />

<strong>Recht</strong>sprechung existiert. Es bleibt<br />

also abzuwarten, wie sich die Arbeitsgerichte<br />

zu diesen Fragen verhalten werden.<br />

HAT DER ARBEITGEBER EIN<br />

FRAGERECHT ZUM IMPFSTATUS?<br />

Beim Impfstatus handelt es sich um<br />

Gesundheitsdaten und damit um besondere<br />

persönliche Daten gemäß Artikel<br />

9 Absatz 1 DSGVO. Deren Erhebung<br />

ist nach § 26 Absatz 3 BDSG nur unter<br />

strengen Voraussetzungen zulässig, und<br />

zwar wenn sie zur Ausübung von <strong>Recht</strong>en<br />

oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten<br />

aus dem Arbeitsverhältnis, dem <strong>Recht</strong> der<br />

sozialen Sicherung und des Sozialschutzes,<br />

erforderlich ist und kein Grund zu der<br />

Annahme besteht, dass das schutzwürdige<br />

Interesse der betroffenen Person an dem<br />

Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.<br />

Trotzdem wird die Ansicht vertreten,<br />

dass ein Fragerecht besteht. Dies ergäbe<br />

sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers<br />

gegenüber anderen Arbeitnehmern.<br />

Außerdem spreche dafür auch § 23a IfSG,<br />

der Arbeitgebern bestimmter Branchen<br />

erlaube, Angaben zum Impfstatus der Beschäftigten<br />

zu verarbeiten. 3 Die besseren<br />

Argumente sprechen jedoch gegen ein<br />

Fragerecht. Es muss im Rahmen der Interessenabwägung<br />

berücksichtigt werden,<br />

dass derzeit keine Impfpflicht besteht. 4<br />

Die Schaffung von § 23a IfSG spricht eher<br />

dafür, dass der Gesetzgeber eine Erfassung<br />

des Impfstatus in anderen Fällen<br />

nicht durch den Arbeitgeber ermöglichen<br />

wollte. 5 Etwas anderes ergibt sich auch<br />

nicht aus der Gesetzesbegründung. 6 Auch<br />

das Bundesministerium für Arbeit und<br />

Soziales verneint eine Auskunftspflicht. 7<br />

DARF DER ARBEITGEBER EINE IMPFUNG<br />

ANORDNEN?<br />

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber,<br />

dass in den meisten Arbeitsverhältnissen<br />

eine Corona-Impfung nicht durch den<br />

Arbeitgeber angeordnet werden darf,<br />

solange es keine allgemeine Impfpflicht<br />

gibt. Eine Anordnung der Corona-Schutz-<br />

impfung kommt lediglich in besonderen<br />

Arbeitsverhältnissen in Betracht. Als<br />

Beispiele sind Beschäftigungsverhältnisse<br />

in Krankenhäusern oder Pflegeheimen<br />

zu nennen. Dies gilt insbesondere für<br />

Beschäftigte, die direkten Kontakt zu<br />

vulnerablen Gruppen haben. Nur in diesen<br />

speziellen Arbeitsverhältnissen wird<br />

die Anordnung der Impfung durch das<br />

Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß §<br />

106 Satz 1 GewO 8 als gedeckt angesehen<br />

sowie die Einführung einer Impfpflicht<br />

durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung,<br />

Arbeitsvertrag oder Treuepflicht für möglich<br />

gehalten. 9 Teilweise wird die Ansicht<br />

dadurch eingeschränkt, dass eine Anordnung<br />

durch den Arbeitgeber nicht mehr<br />

verhältnismäßig sei, wenn genug Impfstoff<br />

zur Verfügung stehe und deshalb jeder<br />

selbst entscheiden könne, ob er auf eine<br />

Impfung verzichte und somit ein erhöhtes<br />

Risiko einer Corona-Erkrankung bzw.<br />

eines schweren Verlaufs dieser eingehe. 10<br />

Gegen eine arbeitsrechtliche Impfpflicht<br />

spricht aber in allen Fällen, dass eine<br />

solche nicht weitergehen kann als eine<br />

allgemeine Impfpflicht. Für eine allgemeine<br />

Impfpflicht gilt der Gesetzesvorbehalt.<br />

Bei einer Impfpflicht handelt es sich um<br />

einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff<br />

in das Grundrecht des Einzelnen auf<br />

körperliche Unversehrtheit nach Artikel<br />

2 Absatz 2 GG. In dieses kann auch nicht<br />

zum Schutz anderer ohne gesetzliche<br />

Grundlage eingegriffen werden. 11 Solange<br />

eine allgemeine Impfpflicht nicht besteht,<br />

kann eine Impfung also nicht durch den<br />

Arbeitgeber vorgegeben werden.<br />

VORTEILE FÜR GEIMPFTE –<br />

NACHTEILE FÜR UNGEIMPFTE?<br />

Dies bedeutet jedoch nicht, dass deshalb<br />

alle Maßnahmen, die die Impfbereitschaft<br />

der Beschäftigten fördern sollen, gleichermaßen<br />

unzulässig sind.<br />

Maßnahmen zur gesundheitlichen Aufklärung<br />

der Arbeitnehmer, 12 die bezahlte<br />

Freistellung zur Wahrnehmung von Impfterminen<br />

und auch finanzielle Anreize wie<br />

Impfboni werden für zulässig erachtet.<br />

Eine Ungleichbehandlung nach dem<br />

allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

40 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

sei gerechtfertigt, da sachliche Gründe für<br />

die Ungleichbehandlung vorlägen. Durch<br />

die Förderung der empfohlenen Impfung<br />

werde Schutzpflichten gegenüber anderen<br />

Mitarbeitern genügt 13 und sie entspreche<br />

den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers.<br />

14<br />

Gleiches gelte für Zutritts- und Teilhaberechte<br />

15 bzw. Ausschluss von sozialen<br />

Kontaktpunkten wie Kantine oder Sozialräumen,<br />

jedenfalls solange die vertraglich<br />

geschuldete Tätigkeit noch ausgeübt<br />

werden könne. 16<br />

Andere haben zumindest hinsichtlich der<br />

Zulässigkeit von Impfboni Zweifel, da die<br />

<strong>Recht</strong>sprechung beim Ausschluss einzelner<br />

Arbeitnehmer von Sonderleistungen<br />

vergleichsweise restriktiv sei. 17<br />

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie die<br />

Arbeitsgerichte diese Fragen beantworten.<br />

Jedenfalls ist höchst fraglich, ob am Arbeitsplatz<br />

strengere Regeln gelten dürfen<br />

als im Alltag, wo auch zukünftig für den<br />

Zutritt öffentlicher Einrichtungen in der<br />

Regel die 3G-Regel (geimpft, genesen oder<br />

getestet) gelten soll. 18<br />

DARF DIE ENTGELTFORTZAHLUNG BEI CORONA-<br />

ERKRANKUNG NACH VERWEIGERTER IMPFUNG<br />

VERWEIGERT WERDEN?<br />

Zwar gibt es auch Stimmen, welche die<br />

Entgeltfortzahlung im Falle einer Corona-<br />

Erkrankung nach verweigerter Impfung<br />

verweigern wollen, wenn die Impfung<br />

nicht aus religiösen Motiven verweigert<br />

wurde. 19 Dem ist jedoch nicht zuzustimmen,<br />

zumindest solange keine allgemeine<br />

Impfplicht besteht. Die Entgeltfortzahlungspflicht<br />

nach § 3 Absatz 1 EFZG<br />

besteht nur dann nicht, wenn den Arbeitnehmer<br />

bezüglich der Krankheit Verschulden<br />

gegen sich selbst trifft. Dieses ist nur<br />

dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer<br />

in erheblichem Maße gegen die von<br />

einem verständigen Menschen im eigenen<br />

Interesse zu erwartende Verhaltensweise<br />

verstößt. Erforderlich ist ein grober oder<br />

gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse<br />

eines verständigen Menschen und<br />

damit ein besonders leichtfertiges oder<br />

vorsätzliches Verhalten. 20 Dazu kommt,<br />

dass die derzeitigen Corona-Schutzimpfungen<br />

keinen vollständigen Impfschutz<br />

bieten. 21 Es ergibt sich aber bereits aus<br />

dem Wortlaut des § 3 I 1 EFZG, dass das<br />

Risiko der Unaufklärbarkeit der Ursachen<br />

einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit<br />

und eines möglichen Verschuldens des<br />

Arbeitnehmers daran beim Arbeitgeber<br />

liegt. 22 Im Entgeltfortzahlungsgesetz findet<br />

sich außerdem keine Regelung entsprechend<br />

§ 56 Absatz 1 Satz 3 IfSG, der die<br />

Entschädigungszahlung bei behördlich<br />

angeordneter häuslicher Quarantäne von<br />

einer Impfung abhängig macht. 23<br />

IST EINE KÜNDIGUNG WEGEN VERWEIGERTER<br />

IMPFUNG MÖGLICH?<br />

Wie auch die Anordnung der Corona-<br />

Schutzimpfung durch den Arbeitgeber,<br />

dürfte eine Kündigung wegen verweigerter<br />

Impfung ebenfalls nicht in Betracht kommen,<br />

solange keine Impfpflicht besteht.<br />

Dies gilt jedenfalls für alle gewöhnlichen<br />

Arbeitsverhältnisse. Anders könnte die<br />

Frage hinsichtlich der oben genannten<br />

besonderen Arbeitsverhältnisse zu beantworten<br />

sein. Es wird angenommen, dass<br />

eine Kündigung in den oben genannten<br />

besonderen Arbeitsverhältnissen, insbesondere<br />

zum Schutz vulnerabler Personengruppen,<br />

in Erwägung gezogen werden<br />

kann. 24 Aber eine Kündigung darf immer<br />

nur das letzte Mittel sein. Stehen mildere<br />

Mittel zur Auswahl, müssen diese gewählt<br />

werden. Als solche kommen regelmäßige<br />

Corona-Tests oder die Versetzung auf<br />

einen Arbeitsplatz in Betracht, an dem<br />

die Arbeitnehmer nicht mit vulnerablen<br />

Gruppen in Kontakt kommen.<br />

HOMEOFFICE: KANN DER ARBEITGEBER HOME-<br />

OFFICE ANORDNEN? HAT DER ARBEITNEHMER<br />

EINEN ANSPRUCH?<br />

Eindeutig ist die <strong>Recht</strong>slage, was die<br />

Anordnung von Homeoffice durch den<br />

Arbeitgeber sowie den Anspruch des Arbeitnehmers<br />

auf Homeoffice angeht. Auch<br />

wenn das Homeoffice viele Vorteile mit<br />

sich bringt, gibt es keine „Homeoffice-<br />

Pflicht“, auch nicht für Arbeitnehmer, die<br />

eine Impfung verweigern. 25 Wegen der Unverletzlichkeit<br />

der Wohnung gemäß Artikel<br />

13 GG ist die Homeoffice-Anordnung<br />

nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers<br />

nach § 106 Satz 1 GewO umfasst. 26 <br />

1<br />

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/usa-googleimpfpflicht-101.html<br />

(abgerufen: 13.08.2021, 16:43 Uhr).<br />

2<br />

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/pressekonferenz-vonbundeskanzlerin-merkel-buergermeister-mueller-und-ministerpraesidentsoeder-nach-der-besprechung-der-bundeskanzlerin-mit-denregierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-1949588<br />

(abgerufen:<br />

17.08.2021, 16:43 Uhr).<br />

3<br />

Fuhlrott/Fischer: Impfpflicht im Arbeitsverhältnis, in: NJW 2021, 657, 661.<br />

4<br />

Wittek: COVID-19 Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?, in: ArbRAktuell 2021,<br />

61, 63 f.<br />

5<br />

So auch Naber/Schulte: Können Arbeitnehmer zu einer Corona-Impfung oder<br />

einem Impfnachweis verpflichtet werden?, in: NZA 2021, 81, 84.<br />

6<br />

BT-Drs. 18/10938, S. 66.<br />

7<br />

https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-<br />

Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html#doc89168596-e024-487b-980fe8d076006499bodyText1<br />

(abgerufen: 17.08.2021, 16:43 Uhr).<br />

8<br />

Fuhlrott/Fischer a. a. O. S. 659; Müller/Ahrendt: Arbeitsrechtliche Impfpflicht<br />

für jedermann oder Gleichbehandlung für alle?, in: ArbRAktuell 2021, 309, 310.<br />

9<br />

Naber/Schulte: Können Arbeitnehmer zu einer Corona-Impfung oder einem<br />

Impfnachweis verpflichtet werden?, in: NZA 2021, 81, 83.<br />

10<br />

Müller/Ahrendt: Arbeitsrechtliche Impfpflicht für jedermann oder<br />

Gleichbehandlung für alle?, in: ArbRAktuell 2021, 309, 311.<br />

11<br />

Wittek: COVID-19 Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?, in: ArbRAktuell 2021,<br />

61, 61.<br />

12<br />

Wittek a .a. O. S. 63.<br />

13<br />

Fuhlrott/Fischer a. a. O. S. 660.<br />

14<br />

Wittek a. a. O. S. 63.<br />

15<br />

Fuhlrott/Fischer a. a. O. S. 660.<br />

16<br />

Wittek a. a. O. S. 63.<br />

17<br />

Naber/Schulte a. a. O. S. 85.<br />

18<br />

https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1949532/d3f1d<br />

a493b643492b6313e8e6ac64966/2021-08-10-mpk-data.pdf?download=1<br />

(abgerufen: 17.08.2021; 16:44 Uhr)<br />

19<br />

Krainbring: Entgeltfortzahlung bei Corona-Infektion nach verweigerter<br />

Schutzimpfung, in: NZA, 2021, 247, 251.<br />

20<br />

BAG, Urteil vom 18.3.2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801, 801.<br />

21<br />

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit.<br />

html (abgerufen: 17.98.2021, 16:44 Uhr).<br />

22<br />

BAG, Urteil vom 18.3.2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801, 803.<br />

23<br />

So auch: Naber/Schulte a. a. O. S. 86.<br />

24<br />

Fuhlrott/Fischer a. a. O. S. 659 f.; Wittek, a. a. O. S. 63; Stück: Abmahnung und<br />

Kündigung im Zusammenhang mit Corona, in: ArbRAktuell 2021, 70.<br />

25<br />

https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-<br />

Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html#doc89168596-e024-487b-980fe8d076006499bodyText4<br />

(abgerufen: 17.98.2021, 16:44 Uhr); eine solche<br />

Pflicht gab es auch während der Geltung der Corona-ArbSchV und des<br />

§ 28b Abs. 7 IfSG bis 30.06.2021 nicht, denn auch in dieser Zeit war Arbeit im<br />

Homeoffice an die Zustimmung des Arbeitnehmers geknüpft.<br />

26<br />

ErfK/Preis, 21. Aufl. 2021, GewO § 106 Rn. 28a; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil<br />

vom 14.11.2018 - 17 Sa 562/18.<br />

Sonderausgabe<br />

41


<strong>Recht</strong><br />

Wettbewerbsverbote des Geschäftsführers<br />

– TEXT: RA DR. ROBERT BOELS, FACHANWALT FÜR BANK- UND KAPITALMARKTRECHT –<br />

Wettbewerbsverbote spielen immer dann<br />

eine besondere Rolle, wenn sich mehrere<br />

Personen als Gesellschafter und/oder<br />

Geschäftsführer an einem Unternehmen<br />

beteiligen.<br />

Mehrheitsgesellschafter von Mehrpersonengesellschaften<br />

haben maßgeblichen<br />

Einfluss auf die Geschäftsführung oder<br />

sind zugleich Geschäftsführer. Sie können<br />

der Versuchung unterliegen, zulasten der<br />

Mitgesellschafter der gleichen wirtschaftlichen<br />

Betätigung wie die der Gesellschaft<br />

nachzugehen. Sie unterliegen daher in ihrer<br />

Treuepflicht begründeten gesetzlichen<br />

Wettbewerbsverboten, die in der Praxis<br />

durch vertragliche Wettbewerbsklauseln,<br />

Beteiligungsverbote, Mitarbeiterabwerbeverbote<br />

und Kunden- oder Wissensschutzklauseln<br />

in den Gesellschaftsverträgen<br />

konkretisiert werden. Entsprechende<br />

Wettbewerbsverbote bestehen auch für<br />

Nichtgesellschafter, die etwa als Treugeber,<br />

stille Gesellschafter, Unterbeteiligte<br />

oder mit vereinbarten Sonderrechten<br />

einen maßgeblichen Einfluss auf die<br />

Gesellschaft ausüben können. Für Minderheitsgesellschafter<br />

ohne einen maßgeblichen<br />

Einfluss auf die Gesellschaft und<br />

deren Geschäftsführung kann ein Wettbewerbsverbot<br />

hingegen im Einzelfall zu<br />

verneinen sein. Die Wettbewerbsverbote<br />

gelten schon in der Vorgründungsgesellschaft<br />

bzw. ab dem späteren Beitritt eines<br />

Gesellschafters bis zu dessen Austritt.<br />

Wird die Gesellschaft liquidiert und stellt<br />

ihre werbende Tätigkeit ein, kann der<br />

Zeitpunkt der Beendigung des Wettbe-<br />

werbsverbots unter den Gesellschaftern<br />

ohne eine konkrete vertragliche Regelung<br />

streitig werden.<br />

Alleingesellschafter-Geschäftsführer<br />

unterliegen mangels einer Treuepflicht<br />

gegenüber ihrer Gesellschaft weder als<br />

Gesellschafter noch als Geschäftsführer<br />

Wettbewerbsverboten.<br />

Wird ein Minderheitsgesellschafter als<br />

Gesellschafter-Geschäftsführer tätig oder<br />

bestellt die Gesellschaft einen Fremdgeschäftsführer,<br />

stellt sich die Frage, ob,<br />

in welchem Zeitraum und in welchem<br />

Umfang gesetzliche Wettbewerbsverbote<br />

des Geschäftsführers bestehen oder ob<br />

mit diesem konkretisierende vertragliche<br />

Wettbewerbsverbote vereinbart werden<br />

können.<br />

I. WETTBEWERBSVERBOT<br />

DES AKTIVEN GESCHÄFTSFÜHRERS<br />

Jeder Geschäftsführer unterliegt grundsätzlich<br />

für die Dauer seiner Geschäftsführerbestellung<br />

und seines gegebenenfalls<br />

vereinbaren Dienstverhältnisses einem<br />

Wettbewerbsverbot. Das Wettbewerbsverbot<br />

folgt aus seiner, dem Dienstherrn<br />

gegenüber bestehenden, Treuepflicht. Er<br />

darf die Ressourcen der Gesellschaft nicht<br />

für eigene Geschäftszwecke (zum Beispiel<br />

um sich selbstständig zu machen) verwenden<br />

und ist zudem nach § 85 GmbHG<br />

strafbewehrt zur Verschwiegenheit über<br />

Angelegenheiten der Gesellschaft Dritten<br />

gegenüber verpflichtet. Ferner darf der<br />

Geschäftsführer sich nicht maßgeblich<br />

an Unternehmen beteiligen oder diese<br />

leitend (als Geschäftsführer, Vorstand<br />

oder persönlich haftender Gesellschafter)<br />

unterstützen, wenn sie mit der Gesellschaft,<br />

deren Geschäftsführer er ist, im<br />

Wettbewerb stehen.<br />

Dementsprechend sieht § 60 Absatz 1<br />

HGB vor, dass Handlungsgehilfen (Geschäftsführer)<br />

ohne die Einwilligung des<br />

Prinzipals (Gesellschafterversammlung)<br />

weder ein Handelsgewerbe betreiben noch<br />

im Handelszweig des Prinzipals für eigene<br />

oder fremde Rechnung Geschäfte machen<br />

dürfen. Entsprechend regelt § 88 Absatz<br />

1 Satz 1 AktG für den Vorstand einer<br />

Aktiengesellschaft, dass dieser nicht ohne<br />

Einwilligung des Aufsichtsrates mit der<br />

Gesellschaft in Wettbewerb treten darf.<br />

Der Umfang des Wettbewerbsverbots des<br />

Geschäftsführers richtet sich nach dem<br />

im Gesellschaftsvertrag bezeichneten<br />

Unternehmensgegenstand, auch wenn die<br />

dort benannte Tätigkeit vom Unternehmen<br />

nicht vollständig ausgeübt wird. Der<br />

Geschäftsführer darf Vertragsbeziehungen<br />

des Unternehmens durch eigene Geschäfte<br />

nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der<br />

Geschäftsführer unterliegt damit einem<br />

weitreichenden Wettbewerbsverbot, auch<br />

wenn es weder im Gesellschaftsvertrag<br />

noch im Dienstvertrag ausdrücklich geregelt<br />

ist. Übliche Wettbewerbsklauseln sind<br />

nur klarstellender und konkretisierender<br />

Natur. Der Fremd-Geschäftsführer gilt<br />

als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB.<br />

Deswegen unterliegt sein Dienstvertrag als<br />

Verbrauchervertrag im Sinne des § 310<br />

Absatz 3 BGB der AGB-Kontrolle. Die<br />

Unwirksamkeit einer Wettbewerbsklausel<br />

führt nicht dazu, dass der Geschäftsführer<br />

(während seiner aktiven Tätigkeit) mit der<br />

Gesellschaft in Wettbewerb treten darf.<br />

II. KEIN WETTBEWERBSVERBOT BEI KAPITAL-<br />

BETEILIGUNG AN KONKURRENZGESELLSCHAFT?<br />

Der Geschäftsführer darf wie vorstehend<br />

erläutert kein konkurrierendes Gewerbe<br />

betreiben. Ist er lediglich Mitgesellschafter<br />

einer konkurrierenden Kapitalgesellschaft,<br />

liegt weder ein vertragliches noch<br />

ein gesetzliches Wettbewerbsverbot vor,<br />

wenn er in diesem Unternehmen nicht in<br />

leitender Position tätig ist und mit seiner<br />

Beteiligung auch keinen Einfluss auf unternehmerische<br />

Entscheidungen und/oder<br />

die Geschäftsführung nehmen kann. Ob<br />

eine Einflussnahme möglich ist, kann im<br />

Einzelfall streitig werden. Daher wird die<br />

Höhe der zulässigen Beteiligung regelmäßig<br />

im Geschäftsführer-Dienstvertrag<br />

festgelegt.<br />

III. BEFREIUNGEN VOM WETTBEWERBSVERBOT<br />

DES GESCHÄFTSFÜHRERS<br />

Betreibt der Geschäftsführer bereits vor<br />

dem Abschluss des Geschäftsführer-<br />

Dienstvertrages bzw. vor seiner Bestellung<br />

zum Geschäftsführer ein konkurrierendes<br />

42 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

Handelsgewerbe, gilt die Einwilligung<br />

des Prinzipals (der Gesellschafterversammlung)<br />

entsprechend § 60 Absatz<br />

2 HGB als erteilt, wenn der Betrieb des<br />

Gewerbes bekannt ist und dessen Aufgabe<br />

im Geschäftsführer-Dienstvertrag nicht<br />

ausdrücklich vereinbart wird. Daher sollte<br />

ein Geschäftsführer seine Tätigkeiten im<br />

Eigeninteresse spätestens zum Vertragsschluss<br />

nachweislich offenlegen.<br />

Die Gesellschafterversammlung kann<br />

auch beschließen, den Geschäftsführer<br />

während seiner Tätigkeit für die Gesellschaft<br />

für einzelne Geschäfte vom Wettbewerbsverbot<br />

zu befreien.<br />

Eine grundsätzliche Befreiung vom Wettbewerbsverbot<br />

ist für eine bestimmte Art<br />

von Geschäften durch ausdrückliche Bestimmung<br />

in der Satzung oder im Dienstvertrag<br />

möglich. Aber Achtung: Lässt sich<br />

ein Gesellschafter-Geschäftsführer von<br />

seinem Wettbewerbsverbot befreien, kann<br />

seine Konkurrenztätigkeit im Einzelfall als<br />

verdeckte Gewinnausschüttung im steuerlichen<br />

Sinne betrachtet werden, wenn die<br />

Befreiung üblicherweise nur gegen eine<br />

Gegenleistung zu erwarten ist.<br />

IV. NACHVERTRAGLICHES WETTBEWERBS-<br />

VERBOT DES GESCHÄFTSFÜHRERS<br />

Geschäftsführer unterliegen grundsätzlich<br />

keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.<br />

Ein nachvertragliches<br />

Wettbewerbsverbot entsteht nur, wenn es<br />

vertraglich vereinbart wird. Dann muss<br />

es zum einen den berechtigten Interessen<br />

der Gesellschaft dienen. Ein berechtigtes<br />

Interesse liegt regelmäßig darin begrün-<br />

ternehmen verboten werden. Wird durch<br />

die Vereinbarung etwa eine Tätigkeit in<br />

der Buchhaltung oder als Hausmeister des<br />

Konkurrenzunternehmens ausgeschlossen,<br />

führt dies zur Unwirksamkeit des<br />

Verbots, sodass dann auch eine Stellung<br />

als Geschäftsführer angenommen werden<br />

kann. Die örtliche Einschränkung darf<br />

weiter sein, je spezieller die verbotene<br />

gegenständliche Tätigkeit ist.<br />

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot<br />

kann in dem Dienstvertrag des Geschäftsführers<br />

auch ohne eine Karenzentschädigung,<br />

wie diese etwa in § 74 Absatz 2<br />

HGB für Arbeitnehmer vorgesehen ist,<br />

ausdrücklich vereinbart werden. Soll ein<br />

anderweitiger Erwerb auf die Karenzentschädigung<br />

angerechnet werden, ist<br />

auch dies ausdrücklich zu vereinbaren.<br />

Allerdings werden Geschäftsführer einen<br />

Dienstvertrag mit solchem Wettbewerbsverbot<br />

kaum unterzeichnen, es sei denn,<br />

die Geschäftsführer beabsichtigen sich<br />

nach Vertragsende zur Ruhe zu setzen<br />

oder die Konditionen sind im Übrigen<br />

so großzügig gestaltet, dass sie auf eine<br />

Karenzentschädigung verzichten.<br />

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote<br />

können mangels Anwendbarkeit des<br />

§ 74 Absatz 1 HGB auch separat in<br />

Textform (zum Beispiel Fax oder Brief<br />

ohne Unterschrift, Kopie des Originals<br />

und E-Mail oder SMS) vereinbart werden<br />

und es bedarf keiner Aushändigung einer<br />

unterzeichneten Vertragsurkunde. Aus<br />

Nachweisgründen ist jedoch die Schriftform<br />

zu empfehlen.<br />

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot<br />

stellt keine verbotene wettbewerbsbeschränkende<br />

Vereinbarung im Sinne des<br />

§ 1 GWB dar, weil es der Absicherung<br />

des dem Dienstvertrag innewohnenden<br />

Zwecks dient.<br />

Wurde ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot<br />

wirksam vereinbart, kann<br />

es durch ein Verhalten der Gesellschafterversammlung,<br />

aufgrund dessen der<br />

Geschäftsführer fristlos kündigt, entfallen.<br />

Dann ist es der Gesellschaft nach Treu<br />

und Glauben verwehrt, den Geschäftsführer<br />

an einen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot<br />

festzuhalten.<br />

Wurde kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot<br />

vereinbart, könnte die Gesellschaft<br />

versuchen, den Geschäftsführer<br />

abzuberufen, den Dienstvertrag ordentlich<br />

zu kündigen und ihn für die verbleibende<br />

Vertragslaufzeit freizustellen, um ihm<br />

auf diese Weise unter Aufrechterhaltung<br />

des Wettbewerbsverbots eine Zudet,<br />

dass sich das Dienstverhältnis ohne<br />

ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot<br />

nicht durchführen lässt. Denn es wird<br />

sich kaum vermeiden lassen, dass der<br />

Geschäftsführer mit Daten von Kunden<br />

und sonstigen Vertragspartnern sowie<br />

Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen<br />

in Kontakt kommt. Dadurch entsteht<br />

die Gefahr, dass er dieses Wissen ohne<br />

ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot<br />

verwertet. Die Vereinbarung eines<br />

nachvertraglichen Wettbewerbsverbots<br />

ist daher zulässig, um die Gesellschaft<br />

vor einer missbräuchlichen Ausnutzung<br />

der Berufsfreiheit des Geschäftsführers zu<br />

schützen. Fehlt es an einem berechtigten<br />

Interesse der Gesellschaft, ist ein nachvertragliches<br />

Wettbewerbsverbot ohne eine<br />

geltungserhaltende Reduktion, also in<br />

vollem Umfang, unwirksam.<br />

Bei der Abfassung eines nachvertraglichen<br />

Wettbewerbsverbots müssen zum anderen<br />

die „guten Sitten“ im Sinne des § 138<br />

BGB beachtet werden. Das bedeutet,<br />

dass insbesondere die Berufsausübung<br />

des Geschäftsführers nach Ort, Zeit und<br />

Gegenstand nicht unbillig erschwert werden<br />

darf. Der Umfang des Wettbewerbsverbots<br />

ist auf das notwendige Maß zu<br />

beschränken. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot<br />

darf zwei Jahre nicht überschreiten.<br />

Bei einer Überschreitung ist eine<br />

geltungserhaltende Reduktion auf zwei<br />

Jahre möglich. Gegenständlich muss sich<br />

das Verbot nach dem Unternehmenszweck<br />

und der konkret ausgeübten Geschäftsführertätigkeit<br />

bestimmen. Es darf nicht<br />

jegliche Tätigkeit für ein Konkurrenzun-<br />

Sonderausgabe<br />

43


<strong>Recht</strong><br />

griffsmöglichkeit auf Geschäfts- und<br />

Betriebsgeheimnisse zu entziehen. Will<br />

der Geschäftsführer bereits vor Ablauf<br />

der Vertragslaufzeit wieder beruflich aktiv<br />

werden, ohne gegen sein Wettbewerbsverbot<br />

zu verstoßen, könnte er eventuell<br />

seinerseits den Vertrag außerordentlich<br />

kündigen. Eine solche außerordentliche<br />

Kündigung kann jedoch unwirksam sein,<br />

wenn er seinerseits Anlass zur ordentlichen<br />

Kündigung gegeben hat oder der<br />

Zeitraum zum Vertragsende nur wenige<br />

Monate beträgt, sodass sein <strong>Recht</strong> zur<br />

Teilnahme am Berufsleben nicht unzumutbar<br />

beeinträchtigt ist.<br />

sungsverfügung im Wege des einstweiligen<br />

<strong>Recht</strong>sschutzes erwirken und wahlweise<br />

Schadensersatz oder die Herausgabe der<br />

Erlöse aus den wettbewerbswidrigen<br />

Geschäften verlangen.<br />

Bei einer außerordentlichen Kündigung<br />

ist zu beachten, dass der Geschäftsführer<br />

ohne ein vertraglich vereinbartes nachvertragliches<br />

Wettbewerbsverbot den Wettbewerb<br />

infolge der Kündigung – nunmehr<br />

sanktionslos – fortsetzen könnte.<br />

Ein Unterlassungsanspruch kann im<br />

Rahmen des einstweiligen <strong>Recht</strong>sschutzes<br />

geltend gemacht und auf das vertragliche<br />

und/oder gesetzliche Wettbewerbsverbot<br />

gestützt werden. Dabei ist glaubhaft<br />

zu machen, dass die Durchsetzung des<br />

Wettbewerbsverbots ohne die Unterlassungsverfügung<br />

vereitelt oder wesentlich<br />

erschwert werden könnte. Schwierigkeiten<br />

können darin bestehen, glaubhaft zu<br />

machen, dass ein effektiver <strong>Recht</strong>sschutz<br />

V. FOLGEN VON VERSTÖSSEN<br />

GEGEN DAS WETTBEWERBSVERBOT<br />

Verstößt der Geschäftsführer gegen sein<br />

Wettbewerbsverbot, kann die Gesellschaft<br />

den Geschäftsführer-Dienstvertrag<br />

außerordentlich kündigen, eine Unterlasnicht<br />

bereits durch die Möglichkeit einer<br />

Verfolgung von Schadensersatzansprüchen<br />

gewährleistet ist.<br />

Damit eine Entscheidung getroffen<br />

werden kann, ob vom Geschäftsführer<br />

Schadensersatz oder eine Herausgabe der<br />

Erlöse aus dem wettbewerbswidrigen Verhalten<br />

verlangt wird, sollte der Geschäftsführer<br />

zunächst zur Auskunft über den<br />

erzielten Gewinn aufgefordert werden.<br />

Ansprüche aus Verstößen des Geschäftsführers<br />

gegen das Wettbewerbsrecht<br />

können nicht nur durch die Gesellschaft<br />

selbst, sondern auch im Wege der sogenannten<br />

actio pro socio durch einen Mitgesellschafter<br />

für die Gesellschaft geltend<br />

gemacht werden.<br />

Die Kanzlei Michaelis <strong>Recht</strong>sanwälte<br />

steht Ihnen für eine gesellschaftsrechtliche<br />

Beratung rund um das Thema der Wettbewerbsverbote<br />

von Geschäftsführern gerne<br />

zur Verfügung.<br />

Ein kurzer Leitfaden für die<br />

Elementarversicherung<br />

– TEXT: RA LEA SIEGMUND –<br />

Die Elementarversicherung deckt Schäden<br />

durch bestimmte Naturgewalten<br />

ab und ist angesichts der vielen Unwetter<br />

aktueller denn je. Erfasst sind zumeist<br />

Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsch,<br />

Schnee druck, Eisdruck und vor allem die<br />

momentan so wichtigen Überschwemmungsschäden.<br />

Doch was meinen die so beschriebenen<br />

Schäden eigentlich genau und worauf ist<br />

zu achten?<br />

I. ÜBERSCHWEMMUNG<br />

Nach den gängigen Versicherungsbedingungen<br />

ist eine Überschwemmung die<br />

„Überflutung von Grund und Boden des<br />

Versicherungsgrundstücks mit erheblichen<br />

Mengen von Oberflächenwasser. Dies gilt<br />

nur, wenn<br />

1. eine Ausuferung von oberirdischen<br />

(stehenden oder fließenden) Gewässern,<br />

2. Witterungsniederschläge<br />

oder<br />

ein Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche<br />

als Folge von 1. oder 2.<br />

die Überflutung verursacht haben.“<br />

Diese Beschreibung an sich lässt an der<br />

Transparenz der Klausel zweifeln. So<br />

ergibt sich doch aus der Formulierung an<br />

sich noch nicht für den Versicherungsnehmer,<br />

ab wann es sich beispielsweise um<br />

„erhebliche“ Mengen von Oberflächenwasser<br />

handelt. Dennoch arbeitet auch die<br />

<strong>Recht</strong>sprechung mit diesen Begriffen. Dies<br />

birgt für den Versicherungsnehmer eine<br />

gewisse <strong>Recht</strong>sunsicherheit. Ein Überblick<br />

über die derzeitige <strong>Recht</strong>sprechung hilft,<br />

die Schäden besser einzuordnen:<br />

Grundsätzlich verlangt eine Überschwemmung,<br />

dass das Wasser über die Oberfläche<br />

hinaustritt und nicht mehr erdgebunden<br />

ist.<br />

Nicht ausreichend ist es für eine Überschwemmung<br />

nach dem Oberlandesgericht<br />

Hamm, wenn das Wasser zwar die<br />

Erde bis zur Sättigungsgrenze anreichert,<br />

aber nicht auf der Geländeoberfläche<br />

steht.<br />

Das Landgericht Kiel hat beispielsweise<br />

entschieden, dass es nicht ausreichend ist,<br />

wenn Rasen- und Bepflanzungsflächen<br />

unmittelbar vor Eintritt des Schadens<br />

„derart matschig“ gewesen seien, dass<br />

„ein Betreten ohne Gummistiefel nicht<br />

möglich gewesen ist“. Ein matschiger<br />

Boden, der nach längeren Regenfällen<br />

sicherlich nicht unüblich sei, habe nichts<br />

44 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

mit einer Überflutung zu tun und müsse<br />

nicht durch eine solche bedingt sein.<br />

Die Abgrenzung von Überschwemmung<br />

zu Grundwasser stellt das Erfordernis<br />

des Austritts von Grundwasser an die<br />

Erdoberfläche dar. Hierzu passend entschied<br />

das Oberlandesgericht Köln, eine<br />

bedingungsgemäße Überschwemmung<br />

sei nicht anzunehmen, wenn nur in den<br />

Keller des versicherten Gebäudes Wasser<br />

eingedrungen sei. Vielmehr müsse sich<br />

das schadensstiftende Wasser infolge der<br />

Ausuferung von oberirdischen Gewässern<br />

oder von Witterungsniederschlägen auch<br />

außerhalb des Gebäudes, nämlich auf<br />

dem umgebenden Grund und Boden, auf<br />

welchem das Gebäude liegt, angesammelt<br />

haben.<br />

Grundwasser an sich stellt keine in der<br />

Elementarversicherung versicherte Gefahr<br />

dar.<br />

Nicht ausreichend ist es, wenn das Wasser<br />

ausschließlich Gebäudeteile (beispielsweise<br />

eine Terrasse) bedeckt.<br />

Für die Voraussetzung der „Witterungsniederschläge“<br />

ist zu beachten, dass es<br />

nicht auf den Aggregatzustand ankommt,<br />

in dem der Witterungsniederschlag auf<br />

die Erde trifft. Auch Schnee und Hagel<br />

können Witterungsniederschlag in diesem<br />

Sinne sein, wenn sie den flüssigen Aggregatzustand<br />

im Zeitpunkt des schadensauslösenden<br />

Moments erreicht haben.<br />

Auch eine mittelbare Schadensverursachung<br />

durch Überflutung des Versicherungsgrundstücks<br />

kann zu einem<br />

Versicherungsschutz für Überschwemmungsschäden<br />

führen. Dies entschied<br />

der BGH bereits im Jahr 2005. Für den<br />

Versicherungsnehmer sei es nach den<br />

Bedingungen nicht ersichtlich, dass Ersatz<br />

nur geleistet wird, wenn Wasser oberirdisch<br />

direkt in das Gebäude eindringt.<br />

II. ERDBEBEN<br />

Erdbeben sind zumeist als naturbedingte<br />

Erschütterungen des Erdbodens, die durch<br />

geophysikalische Vorgänge im Erdinneren<br />

ausgelöst werden, definiert. Demnach<br />

sollen ausschließlich naturbedingte<br />

Erschütterungen versichert sein. Schäden,<br />

die beispielsweise durch Bergbau oder<br />

Sprengung ausgelöst wurden, sind nicht<br />

erfasst. Eine bestimmte Stärke des Erdbebens<br />

fordern die Bedingungen zumeist<br />

nicht. Der in der Beweispflicht stehende<br />

Versicherungsnehmer kann den Beweis<br />

durch Ergebnisse des seismologischen<br />

Messnetzes erbringen, das natürliche<br />

Bodenerschütterungen von künstlichen<br />

unterscheiden kann.<br />

III. ERDSENKUNG<br />

Die Erdsenkung beschreibt eine natürlich<br />

bedingte Absenkung des Erdbodens über<br />

naturbedingten Hohlräumen. Natürliche<br />

Hohlräume sind nur solche Räume, die<br />

vom Erdreich völlig umschlossen sind und<br />

nach oben mit einer natürlichen Decke<br />

aus einer Erdschicht enden. Das OLG<br />

Jena verlangt für eine Eintrittspflicht des<br />

Versicherers, dass es zu einem Schaden an<br />

der Sachsubstanz gekommen ist. Der auf<br />

Sicherheitsgründen beruhende Ausschluss<br />

der Nutzung solle demnach nicht ausreichen.<br />

Zu beachten sind Ausschlüsse für<br />

„Trockenheitsschäden“. Bei diesen kann<br />

es aufgrund anhaltender Trockenheit<br />

zu einem Zusammenziehen der Erde<br />

kommen, infolgedessen sich der Boden<br />

insgesamt absenkt. Ob die Absenkung<br />

trocknungsbedingt ist, wird sich häufig<br />

nur durch einen Sachverständigen klären<br />

lassen.<br />

IV. ERDRUTSCH<br />

Das naturbedingte Abrutschen oder<br />

Abstürzen von Erd- oder Gesteinsmassen<br />

ist im Gegensatz zur Erdsenkung ein an<br />

der Oberfläche stattfindendes Ereignis, bei<br />

dem sich ein Teil der Erdoberfläche aus<br />

einem natürlichen Zusammenhang löst<br />

und in Bewegung übergeht. Dabei wird<br />

mitunter angenommen, dass es sich dabei<br />

um einen für den Versicherungsnehmer<br />

wahrnehmbaren Vorgang handeln muss.<br />

Anders hat es das OLG Koblenz gesehen.<br />

Demnach liegt ein Erdrutsch auch dann<br />

vor, „wenn in dem Hanggelände, in dem<br />

das versicherte Haus steht, teilweise der<br />

Boden auf einer tieferliegenden Bodenschicht<br />

(hier: 3. Schichtlage aus organischen<br />

Tonen) nur ‚langsam‘ abgleitet<br />

und hierdurch Rissbildungen verursacht<br />

werden“.<br />

V. SCHNEEDRUCK UND EISDRUCK<br />

Hierfür muss die Belastung einer Sache<br />

durch das Gewicht von Schnee oder Eis<br />

vorliegen. Häufiger Streitpunkt ist, ob<br />

Schnee oder Eis infolge „Ruhens“ auf<br />

der Sache den Schaden hervorgerufen<br />

haben muss oder ob auch der durch eine<br />

Bewegung erhöhte Druck (beispielsweise<br />

durch Herunterfallen) vom Versicherungsschutz<br />

umfasst ist. Nach der herrschenden<br />

Meinung sollen durch zusätzliche Kräfte<br />

verursachte Schäden zwar nicht versichert<br />

sein, jedoch spricht die Auslegung des<br />

Wortes „Druck“ ohne weitere Spezifikationen<br />

für ein versicherungsfreundliches<br />

weites Verständnis des Wortes.<br />

VI. FAZIT<br />

Die dargestellten Urteile und Definitionen<br />

können nur der groben Orientierung<br />

dienen.<br />

Lehnt der Versicherer die Regulierung<br />

ab, sollte der Einzelfall stets von einem<br />

kompetenten Anwalt geprüft werden. <br />

1<br />

Thomas Behrens, Die Naturgefahr Überschwemmung in den Allgemeinen<br />

Bedingungen der Sachversicherung.<br />

2<br />

Robert-Joachim Wussow, Versicherung gegen die Folgen von<br />

Naturereignissen in der erweiterten Elementarschadenversicherung.<br />

3<br />

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.08.2005, Az. 20 U 103/05.<br />

4<br />

LG Kiel, Hinweisbeschluss vom 31.03.2008, Az. 8 S 130/07.<br />

5<br />

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 9.4.2013 (Aktenzeichen 9 U 198/12).<br />

6<br />

BGH, Urteil vom 20.04.2005, Az. IV ZR 252/03.<br />

7<br />

Langheid/Wandt, 2. Teil. Systematische Darstellungen 3. Kapitel.<br />

Versicherungssparten 230. Elementarschadenversicherung Rn. 56.<br />

8<br />

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 15.11.2006, Az. 8 O 6517/05.<br />

9<br />

OLG Jena, Urteil vom 03.09.2013, Az. 4 U 997/12.<br />

10<br />

Langheid/Wandt, 2. Teil. Systematische Darstellungen 3. Kapitel.<br />

Versicherungssparten 230. Elementarschadenversicherung Rn. 77.<br />

11<br />

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 03.02.2014, Az. 10 U 1268/13.<br />

Sonderausgabe<br />

45


<strong>Recht</strong><br />

Abmahnwelle für vermeintlich fehlerhafte<br />

Maklerhomepages<br />

– TEXT: DIPL.-JUR. FABIAN KOSCH –<br />

Maklerhomepages wurden in der<br />

Vergangenheit immer wieder durch<br />

vermeintliche Verbraucherschützer oder<br />

Mitbewerber abgemahnt. Der vorliegende<br />

Beitrag soll die größten drei Abmahnfallen<br />

skizzieren und dem Leser kurze<br />

Mechanismen an die Hand geben, diese<br />

zu umgehen.<br />

1. IMPRESSUM<br />

Ein Impressum ist gemäß § 5 TMG für<br />

geschäftliche Websites vorgeschrieben.<br />

Aufgrund der nicht unerheblichen Bedeutung<br />

des Impressums empfiehlt sich daher<br />

einen sogenannten Impressums-Generator<br />

zu nutzen. Hierfür sind mehrere Anbieter<br />

auf dem Markt. Auch ein Vergleich mit<br />

anderen Maklerhomepages ist dabei empfehlenswert.<br />

Unbedingt enthalten muss<br />

das Impressum Namen und Anschrift<br />

sowie <strong>Recht</strong>sform des Maklers, die Mail-<br />

Adresse, unter der mit ihm Kontakt aufgenommen<br />

werden kann, und den Verweis<br />

auf die behördliche Zulassung bzw. auf<br />

die Erstinformation.<br />

2. ERSTINFORMATION<br />

Die zweite spannende Frage ist, ob tatsächlich<br />

immer eine Pflicht zur Mitteilung<br />

der Erstinformation auf der Homepage<br />

eines Maklers besteht. Das Urteil in Sachen<br />

BVK gegen Check24 (OLG Mün­<br />

chen – 29 U 3139/16) sorgt nach wie vor<br />

für einige Unsicherheiten. In jedem Fall<br />

sollte eine Erstinformation dann erfolgen,<br />

wenn eine Beratungssituation entsteht<br />

bzw. ein Rechner genutzt wird. Eine Erstinfopflicht<br />

sehen wir jedoch dort nicht,<br />

wo der Makler sich und seine Leistungen<br />

lediglich präsentiert, wo er Werbung<br />

betreibt. <strong>Recht</strong>ssicherheit besteht hier<br />

ausdrücklich aber nicht.<br />

3. MAKLERVERTRÄGE MIT AGB ONLINE STELLEN<br />

Das im Ergebnis wohl einschneidendste<br />

Risiko für Abmahnungen ist das Onlinestellen<br />

von Makler-AGB. So hat etwa das<br />

LG Leipzig (Urteil vom 16.12.2016 – 8<br />

O 321/16) zwölf Klauseln für unwirksam<br />

und damit abmahnfähig erachtet. Dabei<br />

waren unter anderem Klauseln wie: Der<br />

Makler berücksichtigt bei seiner Tätigkeit<br />

keine Direktversicherer oder Unternehmen,<br />

welche dem Makler keine marktübliche<br />

Vergütung zahlen, oder der Kunde<br />

willigt ein, dass der Makler ihm per Fax,<br />

Telefon, SMS bzw. auch per E-Mail Informationen<br />

jedweder Art zukommen lässt.<br />

4. AUSBLICK<br />

Gerade der Kampf mit Verbraucherschutzorganisationen<br />

ist, selbst wenn man<br />

das <strong>Recht</strong> auf seiner Seite hat, aufgrund<br />

des Kostenumfangs wenig lohnend. Da<br />

diese ihre Vergütung kaum über solche<br />

Abmahnungen generieren, wird man sie<br />

durch das Protekt-Siegel kaum abschrecken.<br />

Ganz anders sieht das jedoch bei<br />

den klassischen Abmahnanwälten aus. Da<br />

diese schnelles Geld wollen, haben sie in<br />

der Regel kein Interesse daran, sich mit<br />

gegnerischen <strong>Recht</strong>sanwälten abzukämpfen.<br />

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund,<br />

dass durch das „Anti-Abmahn-<br />

Gesetz“ die Hürden für Abmahnungen<br />

nach oben gesetzt worden sind. Ein Risiko<br />

besteht dennoch fort.<br />

46 Sonderausgabe


ERFOLGREICH<br />

DURCH GESUNDE<br />

BELEGSCHAFT?<br />

Einfach machen.<br />

Damit Gesundheit zum Erfolgsfaktor wird, brauchen<br />

Unternehmen einen erfahrenen Partner, der Arbeitnehmer<br />

und Arbeitgeber gleichermaßen fit für die Zukunft macht.<br />

Das einzigartige Gesundheits- und Vorsorgekonzept der<br />

SDK GESUNDWERKER bietet für jeden Bedarf die<br />

passende Lösung.<br />

Unterstützung<br />

in <strong>Recht</strong>sfragen?<br />

Einfach appRIORI nutzen.<br />

Mehr erfahren unter<br />

www.makler.sdk.de/appriori<br />

www.sdk-gesundwerker.de


<strong>Recht</strong><br />

Warum Versicherungsleistungen gegenüber<br />

Unternehmern mit 9 Prozentpunkten über dem<br />

Basiszinssatz zu verzinsen sind<br />

– TEXT: RA BORIS-JONAS GLAMEYER, FACHANWALT FÜR BANK- & KAPITALMARKTRECHT, FACHANWALT FÜR HANDELS-<br />

& GESELLSCHAFTSRECHT, UND RA VALERIE SCHREIBER –<br />

ropäischen Parlaments und des Rates (RL<br />

2000/35/EG vom 29. Juni 2000).<br />

Ziel der Richtlinie 2000/35/EG ist die<br />

Bekämpfung des Zahlungsverzugs im<br />

Geschäftsverkehr, der als einer der Hauptgründe<br />

für die Insolvenzen von Unternehmen<br />

angesehen wird (Erwägungsgrund 7).<br />

Die Richtlinie ist demgemäß „auf die als<br />

Entgelt für Handelsgeschäfte geleis teten<br />

Zahlungen beschränkt und umfasst weder<br />

Geschäfte mit Verbrauchern noch die<br />

Zahlung von Zinsen im Zusammenhang<br />

mit anderen Zahlungen, z. B. unter das<br />

Scheck- und Wechselrecht fallende Zahlungen<br />

oder Schadensersatzzahlungen einschließlich<br />

Zahlungen von Versicherungsgesellschaften“<br />

(Erwägungsgrund 13).<br />

Allein die Erwähnung der Zahlungen von<br />

Versicherungsgesellschaften in diesem<br />

Zusammenhang sieht der BGH als Ausschluss<br />

dieser aus dem Anwendungsbereich<br />

des § 288 Absatz II BGB an.<br />

Dem kann nicht zugestimmt werden. Die<br />

Nennung der Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

erfolgt in einem völlig<br />

anderen Kontext, sodass ein Ausschluss<br />

von Versicherungsleistungen im Rahmen<br />

von § 288 Absatz II BGB hierauf nicht<br />

gestützt werden kann.<br />

Richtigerweise sind Entgeltforderungen<br />

nach der allgemeinen Definition zu<br />

Über die Höhe der Verzugszinsen einer<br />

verspäteten Versicherungsleistung, die an<br />

einen Unternehmer zu leisten ist, besteht<br />

aktuell Uneinigkeit. Im Rahmen der<br />

Betriebsschließungsversicherungen hat das<br />

Landgericht München I jüngst entschieden,<br />

dass die Verzugszinsen bei Versicherungsleistungen<br />

dem erhöhten Zinssatz<br />

des § 288 Absatz II BGB unterliegen. 1 Diese<br />

Auffassung wird auch in der Literatur<br />

teilweise vertreten. 2 Der BGH vertritt die<br />

Auffassung, dass Versicherungsleistungen<br />

vom Anwendungsbereich des § 288<br />

Absatz II BGB ausgeschlossen sind. 3 Eine<br />

tragfähige Begründung führt er nicht an.<br />

Der <strong>Recht</strong>sstreit ist in der Praxis von<br />

großer Bedeutung, da es sich bei Versicherungsleistungen<br />

an Unternehmer häufig<br />

um Summen im sechsstelligen Bereich<br />

handelt und sich die Prozesse über Jahre<br />

erstrecken können.<br />

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom<br />

21. April 2010 im Zusammenhang mit<br />

einer Streitigkeit über Garantiezahlungen<br />

im Rahmen eines Mietgarantievertrags<br />

in einem Halbsatz beiläufig festgestellt,<br />

dass Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

nicht der erhöhten Verzinsung<br />

des § 288 Absatz II BGB unterfallen. 4 Er<br />

stützt sich dabei auf den Erwägungsgrund<br />

13 der Zahlungsverzugs-Richtlinie des Eubestimmen.<br />

Demnach liegt eine Entgeltforderung<br />

vor, wenn die Forderung auf<br />

die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung<br />

für eine vom Gläubiger erbrachte<br />

oder zu erbringende Leistung gerichtet ist.<br />

Darunter fällt insbesondere die Lieferung<br />

von Gütern oder die Erbringung<br />

von Dienstleis tungen, wobei der Begriff<br />

Dienstleistung sich nicht nach § 611 BGB<br />

bestimmt, sondern weiter gefasst ist. Zudem<br />

bedarf es keiner synallagmatischen<br />

Verknüpfung zwischen der Leistung des<br />

Gläubigers und der Zahlung durch den<br />

Schuldner. Vielmehr reicht eine konditionale<br />

Verknüpfung in dem Sinne aus, dass<br />

die Leistung des einen Teils Bedingung<br />

für die Entstehung der Verpflichtung des<br />

anderen Teils ist. 5 Entscheidend ist, ob die<br />

Leistung im wirtschaftlichen Sinne abgegolten<br />

werden soll. 6 Einen ausdrücklichen<br />

Ausschluss von Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

gibt es nicht.<br />

Die Versicherungsleistung ist konditional<br />

mit den Zahlungen des Versicherungsnehmers<br />

verknüpft. Die Zahlung<br />

der Versicherungsprämien durch den<br />

Versicherungsnehmer ist Bedingung für<br />

die Entstehung der Verpflichtung der<br />

Versicherungsgesellschaft zur Zahlung<br />

der Versicherungsleistung. Sie ist zu einer<br />

durch den Eintritt des Versicherungsfalls<br />

aufschiebend bedingten Versicherungsleistung<br />

verpflichtet. Die Zahlung der<br />

Versicherungsleistung durch die Versicherungsgesellschaft<br />

fällt damit unter<br />

die allgemein anerkannte Definition der<br />

Entgeltforderung.<br />

Diese Definition deckt sich mit der Legaldefinition<br />

der Entgeltforderung im UStG.<br />

Gemäß § 10 Absatz I Satz 2 UStG ist Entgelt<br />

alles, was den Wert der Gegenleistung<br />

bildet, die der leistende Unternehmer<br />

vom Leistungsempfänger oder von einem<br />

anderen als dem Leistungsempfänger für<br />

die Leistung erhält oder erhalten soll,<br />

einschließlich der unmittelbar mit dem<br />

48 Sonderausgabe


<strong>Recht</strong><br />

Preis dieser Umsätze zusammenhängenden<br />

Subventionen, jedoch abzüglich der für<br />

diese Leistung gesetzlich geschuldeten<br />

Umsatzsteuer. Der BFH stellte konkretisierend<br />

fest, dass Entgelt alles ist, was der<br />

Leistungsempfänger aufwendet, um die<br />

Leistung zu erhalten. Entscheidend sei,<br />

dass zwischen Leistendem und Leistungsempfänger<br />

ein <strong>Recht</strong>sverhältnis besteht,<br />

in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen<br />

ausgetauscht werden und zwischen der<br />

erbrachten Leistung und dem hierfür<br />

erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer<br />

Zusammenhang besteht. 7<br />

Auch in diesem Zusammenhang wird<br />

maßgeblich darauf abgestellt, dass es sich<br />

um eine vertragliche Beziehung handelt,<br />

bei der – genau wie beim Versicherungsvertrag<br />

– ein Leistungsaustausch stattfindet.<br />

Die Versicherungsleistung bildet den<br />

Wert der Gegenleistung, die der Versicherer<br />

vom Versicherungsnehmer durch<br />

die Zahlung der Versicherungsprämien<br />

erhalten hat.<br />

Für den Ausschluss von Leistungen von<br />

Versicherungsgesellschaften im Rahmen<br />

des § 288 Absatz II BGB, wie ihn der<br />

BGH ohne jegliche tragfähige Begründung<br />

jeweils in einem Halbsatz in seinen<br />

Entscheidungen vom 21. April 2010 8<br />

und vom 4. Juli 2018 9 und infolgedessen<br />

– ebenfalls ohne jegliche Begründung – einige<br />

weitere Gerichte vornehmen, besteht<br />

keine Veranlassung. Die begründungslosen<br />

Entscheidungen des BGH sind nicht<br />

tragfähig und es ist davon auszugehen,<br />

dass der BGH, wenn er sich mit der Problematik<br />

argumentativ auseinandersetzt,<br />

zu einem anderen Ergebnis kommen wird.<br />

Seine Herkunft hat der Begriff der<br />

Entgeltforderung im Rahmen des § 288<br />

Absatz II BGB zwar in der Zahlungsverzugs-Richtlinie<br />

des Europäischen Parlaments<br />

und des Rates (RL 2000/35/EG<br />

vom 29. Juni 2000), der Ausschluss von<br />

Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

kann hieraus entgegen der begründungslosen<br />

Behauptung des BGH aber<br />

nicht geschlossen werden. Die Richtlinie<br />

2000/35/EG ist gemäß Artikel 1 auf alle<br />

Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr<br />

zu leisten sind, anzuwenden. Der<br />

Begriff Entgelt wird hierbei nicht definiert.<br />

Insbesondere findet kein Ausschluss<br />

von Leistungen von Versicherungsgesellschaften<br />

statt. Eine Konkretisierung<br />

des Begriffs Entgelt findet sich lediglich<br />

in Erwägungsgrund 13 der Richtlinie.<br />

Dort wird der Begriff der Zahlungen von<br />

Versicherungsgesellschaften wie oben<br />

gezeigt erwähnt. Indem „Schadensersatzzahlungen<br />

einschließlich Zahlungen von<br />

Versicherungsgesellschaften“ aufgezählt<br />

werden, wird der Begriff hierbei als<br />

Unterfall von Schadensersatzzahlungen<br />

verwendet, die vom Geltungsbereich der<br />

Richtlinie ausgeschlossen sind, und bezieht<br />

sich mithin nach dem grammatikalisch<br />

eindeutigen Wortlaut ausschließlich<br />

auf Schadensersatzzahlungen. Somit sind<br />

Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

nur dann ausgeschlossen, wenn sie<br />

Schadensersatzzahlungen sind.<br />

Vertragliche Versicherungsleistungen<br />

von Versicherungsgesellschaften sind<br />

keinesfalls gleichzusetzen mit Schadensersatzzahlungen.<br />

Durch einen Versicherungsvertrag<br />

übernimmt der Versicherer<br />

die Absicherung eines bestimmten Risikos<br />

des Versicherungsnehmers. Die Absicherung<br />

besteht in der Verpflichtung des<br />

Versicherers, für den Fall des Eintritts des<br />

vertraglich bestimmten Versicherungsfalls<br />

die vertraglich versprochene Leistung zu<br />

erbringen. 10 Die Versicherungsleistung<br />

basiert mithin auf einem gegenseitigen<br />

Vertrag eigener Art, dem Versiche-<br />

Hilft.<br />

Hilft weiter.<br />

Jeder Mensch braucht sauberes Trinkwasser. Darum setzen wir uns<br />

in Ländern wie Burkina Faso für Brunnenbau und eine nachhaltige<br />

Wasserpolitik ein. Denn wer sich selbst versorgen kann, führt ein<br />

Leben in Würde. brot-fuer-die-welt.de/wasser<br />

Sonderausgabe<br />

49


<strong>Recht</strong><br />

Richtlinie vorgenommen. Zwar legen<br />

die Gesetzesmaterialien nahe, dass eine<br />

überschießende Umsetzung nicht intendiert<br />

war, 13 eine solche hat aber in jedem<br />

Fall stattgefunden, indem die Richtlinie<br />

für alle <strong>Recht</strong>sgeschäfte, an denen ein<br />

Verbraucher nicht beteiligt ist, umgesetzt<br />

wurde.<br />

Zunächst wird in Artikel 2 der Richtlinie<br />

der Ausdruck „Geschäftsverkehr“ als<br />

„Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen<br />

oder zwischen Unternehmen und<br />

öffentlichen Stellen“ definiert, auf die die<br />

Richtlinie Anwendung finden soll. Erwägungsgrund<br />

13 der Richtlinie nimmt darüber<br />

hinaus eine Einschränkung des Anwendungsbereichs<br />

auf Handelsgeschäfte<br />

vor. Trotzdem wurde die Richtlinie für<br />

alle Geschäfte, an denen kein Verbraucher<br />

beteiligt ist – also lediglich Unternehmer<br />

im Sinne des § 14 BGB handeln –,<br />

umgesetzt. Der dadurch in § 288 Absatz II<br />

BGB entstandene Regelungsgehalt umfasst<br />

weit mehr Geschäfte als nur Handelsgeschäfte.<br />

Der Begriff des Unternehmers ist<br />

weit umfassender als die Einschränkung<br />

auf Handelsgeschäfte, da er jeden erfasst,<br />

der in Ausübung seiner gewerblichen<br />

oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit<br />

handelt. Für Handelsgeschäfte ist gemäß<br />

§ 343 Absatz I HGB das Handeln eines<br />

Kaufmanns, das zum Betrieb seines Handelsgewerbes<br />

gehört, erforderlich.<br />

Indem die Richtlinie für alle Geschäfte<br />

umgesetzt wurde, bei denen ein Verbraucher<br />

nicht beteiligt ist, wurde sie bereits<br />

weit überschießend umgesetzt. Genauso<br />

hat der deutsche Gesetzgeber – sollte<br />

man Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

in Erwägungsgrund 13 entgegen<br />

dessen Wortlaut für ausgenommen halten<br />

– die Richtlinie in Bezug auf Versicherungsleistungen<br />

überschießend umgesetzt,<br />

indem diese nicht explizit ausgenommen,<br />

vom Begriff der Entgeltzahlungen nach<br />

der allgemeinen Definition aber umfasst<br />

sind.<br />

Diese Betrachtung steht insbesondere im<br />

Einklang mit dem Zweck des § 288 Absatz<br />

II BGB, Unternehmen vor der Gefahr<br />

einer Insolvenz durch den verspäteten<br />

Eingang von Zahlungen zu schützen. 14<br />

Diese Schutzbedürftigkeit besteht für<br />

gewerbliche Versicherungsnehmer, die<br />

einen versicherten betrieblichen Schaden<br />

erlitten haben, ebenso wie für Gläubiger,<br />

die Waren geliefert oder Dienstleistungen<br />

im klassischen Sinne erbracht haben. 15<br />

Primärziel der Zahlungsverzugsrichtlinie<br />

ist, Unternehmen vor absichtlich verzörungsvertrag,<br />

in dem die Leistungen<br />

des Versicherungsnehmers und des Versicherers<br />

festgelegt werden.<br />

Schadensersatz dagegen ist der Anspruch,<br />

der entsteht, wenn durch schuldhafte Verletzung<br />

eines <strong>Recht</strong>s Schaden entstanden<br />

und zu ersetzen ist. Der Ersatzpflichtige<br />

hat im Fall des Schadensersatzes aufgrund<br />

von Gesetz oder Vertrag für einen<br />

Schaden und seine Folgen einzustehen.<br />

Ersatzpflichtiger ist beim Schadensersatz<br />

in der Regel der Schädiger.<br />

Anders ist dies bei Versicherungsleistungen.<br />

Bei Versicherungsleistungen leistet<br />

die vertraglich verpflichtete Versicherung<br />

und nicht der für den schädigenden<br />

Umstand Verantwortliche. Die Leistung<br />

der Versicherung stellt gerade keinen<br />

Schadensersatz, sondern eine Ausgleichsleistung<br />

aufgrund einer vertraglichen<br />

Vereinbarung dar. Mit ihr werden die im<br />

Gegenzug regelmäßig gezahlten Versicherungsprämien<br />

abgegolten. 11<br />

Bei der Summenversicherung muss für den<br />

Eintritt der Fälligkeit der Versicherungsleistung<br />

dem Versicherungsnehmer nicht<br />

einmal ein Schaden bzw. kein Schaden in<br />

Höhe der fällig werdenden Versicherungsleistung<br />

entstanden sein, es reicht, dass<br />

die im Versicherungsvertrag definierten<br />

Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls<br />

eingetreten sind, um die<br />

im Versicherungsvertrag definierte Summe<br />

fällig werden zu lassen. 12<br />

Nachdem die Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

aufgrund eines Versicherungsvertrages<br />

wie aufgezeigt keine<br />

Schadensersatzzahlungen darstellten,<br />

sind sie nicht vom Anwendungsbereich<br />

des § 288 Absatz II BGB ausgeschlossen.<br />

Auch die Versicherungsleistung stellt eine<br />

Gegenleistung für Leistungen (Versicherungsprämien)<br />

des Versicherungsnehmers<br />

dar.<br />

Selbst wenn man Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

in Erwägungsgrund<br />

13 der Richtlinie für ausgenommen<br />

halten sollte, findet diese Ausnahme keine<br />

Anwendung im deutschen <strong>Recht</strong>, denn<br />

ein solcher Ausschluss hat im Gesetz<br />

gerade keinen Ausdruck gefunden. § 288<br />

Absatz II BGB enthält genauso wie § 286<br />

Absatz III Satz 1 BGB keine Definition<br />

der Entgeltforderung; insbesondere<br />

keinen Ausschluss von Zahlungen von<br />

Versicherungsgesellschaften. Sollte man<br />

Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

in Erwägungsgrund 13 für ausgenommen<br />

halten, hat der Bundesgesetzgeber<br />

eine überschießende Umsetzung der<br />

gerter Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen<br />

der Großunternehmen und der<br />

öffentlichen Hand zu schützen. 16 Dieses<br />

Ziel kann nur umfassend umgesetzt<br />

werden, indem Versicherungsleistungen<br />

miteinbezogen werden. Besonders Versicherungsgesellschaften<br />

stellen solche<br />

Großunternehmen dar, vor deren vorsätzlichem<br />

Zahlungsverzug gerade kleinere<br />

und mittlere Unternehmen geschützt<br />

werden sollen. Genau wie Unternehmen<br />

auf Zahlungen im Gegenzug zur<br />

Lieferung von Waren angewiesen sind,<br />

sind Unternehmen darauf angewiesen,<br />

Versicherungsleistungen von den Versicherungsgesellschaften<br />

zu erhalten, für die sie<br />

jahrelang Versicherungsprämien gezahlt<br />

haben, um gegebenenfalls eine mögliche<br />

Insolvenz abzuwenden.<br />

Im Ergebnis ist ein Ausschluss von<br />

Zahlungen von Versicherungsgesellschaften<br />

außerdem nicht sachgerecht.<br />

Zahlungen an Versicherungsgesellschaften<br />

– etwa Versicherungsprämien – stellen<br />

Entgeltleis tungen dar und unterfallen<br />

im Verzugsfall der höheren Verzinsung<br />

nach § 288 Absatz II BGB. Zahlt aber<br />

eine Versicherungsgesellschaft Versicherungsprämien<br />

an einen Rückversicherer,<br />

wären diese Zahlungen als Zahlungen<br />

von Versicherungsgesellschaften keine<br />

Entgeltleis tungen und damit von § 288<br />

Absatz II BGB ausgeschlossen. Für eine<br />

derartige Unterscheidung besteht keine<br />

Veranlassung.<br />

Es besteht weder eine Veranlassung noch<br />

eine gesetzliche Grundlage, Zahlungen<br />

von Versicherungsgesellschaften vom<br />

Anwendungsbereich des § 288 Absatz II<br />

BGB auszunehmen. Deshalb beträgt der<br />

Verzugszinssatz gemäß § 288 Absatz II<br />

BGB bei Versicherungsnehmern, die keine<br />

Verbraucher sind, 9 Prozentpunkte über<br />

dem Basiszinssatz der EZB. 17 <br />

1<br />

LG München I 23 O 5937/20, Urteil vom 24.11.2020.<br />

2<br />

Fausten in Langheidt/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 14 VVG, Rn. 128; Johannsen<br />

in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. § 14 Rn 33.<br />

3<br />

BGH XII ZR 10/08, Urteil vom 21.04.2010; BGH VIII ZR 259/09 vom 16.06.2010.<br />

4<br />

BGH XII ZR 10/08, Urteil vom 21.04.2010.<br />

5<br />

BAG 8 AZR 26/18, Urteil vom 25.09.2018.<br />

6<br />

Palandt/Grüneberg § 286 Rn. 27; MüKo § 286 Rn. 82; Lorenz in BeckOK BGB,<br />

Stand 01.08.2021 § 286 Rn. 40; BGH XII ZR 10/08 vom 21.04.2010; BGH VIII ZR<br />

259/09 vom 16.06.2010.<br />

7<br />

Urteil des BFH V R 36/01 vom 16.01.2003; so auch EuGH C-16/93 vom<br />

03.03.1994.<br />

8<br />

BGH XII ZR 10/08, Urteil vom 21.04.2010.<br />

9<br />

BGH IV ZR 297/16, Urteil vom 04.06.2018.<br />

10<br />

Looschelders in Langheidt/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 1 Rn. 8; BT-Drucks.<br />

16/3945 S. 56.<br />

11<br />

Vgl. Treiber in Sölch/Ringleb, UstG 92. EL § 10 Rn. 101; Looschelders in<br />

Langheidt/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 1 Rn. 25.<br />

12<br />

Looschelders in Langheidt/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 1 Rn. 26.<br />

13<br />

BT-Drucks. 14/6857, S. 14.<br />

14<br />

Palandt/Heinrichs, BGB, § 288, Rn. 3; RL 2000/35/EG, Erwägungsgrund 7.<br />

15<br />

Johannsen in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 14 VVG, Rn. 33.<br />

16<br />

Schulte-Nölke in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht § 288 Rn. 9.<br />

17<br />

Fausten in Langheidt/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 14 VVG, Rn. 128; LG<br />

München I 23 O 5937/20, Urteil vom 24.11.2020.<br />

50 Sonderausgabe


ERFOLGREICH<br />

DURCH GESUNDE<br />

BELEGSCHAFT?<br />

Einfach machen.<br />

Damit Gesundheit zum Erfolgsfaktor wird, brauchen<br />

Unternehmen einen erfahrenen Partner, der Arbeitnehmer<br />

und Arbeitgeber gleichermaßen fit für die Zukunft macht.<br />

Das einzigartige Gesundheits- und Vorsorgekonzept der<br />

SDK GESUNDWERKER bietet für jeden Bedarf die<br />

passende Lösung.<br />

Unterstützung<br />

in <strong>Recht</strong>sfragen?<br />

Einfach appRIORI nutzen.<br />

Mehr erfahren unter<br />

www.makler.sdk.de/appriori<br />

www.sdk-gesundwerker.de


................................................................<br />

..............................................<br />

VERSICHERUNGSSUMME GRATIS<br />

für Sie als aktiver Nutzer von appRIORI auf Ihre<br />

Pflichtversicherung als Versicherungsmakler. *<br />

mehr unter: app-riori.de<br />

*Hierbei handelt es sich um eine Exzedentenversicherung, die allen aktiven Nutzern von appRIORI<br />

gemeinschaftlich einmalig pro Jahr kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Dieser zusätzliche<br />

Versicherungsschutz im Rahmen der Versicherungsvermittlung des app-RIORI Nutzers greift erst, wenn<br />

die eigene Versicherungssumme des Versicherungsmaklers vorhanden und vollständig aufgebraucht ist.<br />

Powerd by:

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!