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Materialmappe_Die Wand_Endfassung

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DIE WAND ALS METAPHER<br />

<strong>Die</strong> <strong>Wand</strong> bildet in Marlen Haushofers Roman eine zwiespältige Metapher. Sie kann als Schutz aber<br />

auch als Grenze angesehen werden, die ausschließt und trennt. Haushofers Protagonistin beschreibt<br />

die <strong>Wand</strong> bei ihrer ersten Begegnung wie folgt: „Luchs fing sofort wieder zu winseln an und drängte<br />

sich an meine Beine. Verdutzt streckte ich die Hand aus und berührte etwas Glattes und Kühles: einen<br />

glatten kühlen Widerstand an einer Stelle, an der doch gar nichts sein konnte als Luft. Zögernd versuchte<br />

ich es noch einmal, und wieder ruhte meine Hand wie auf einer Scheibe eines Fensters. Dann<br />

hörte ich lautes Pochen und sah um mich, ehe ich begriff, dass es mein eigener Herzschlag war, der<br />

mir in den Ohren dröhnte. Mein Herz hatte sich schon gefürchtet, ehe ich es wusste.“ (Marlen Haushofer,<br />

<strong>Die</strong> <strong>Wand</strong>, List Taschenbuch 2006, S. 15)<br />

Im November 1960 begann Marlen Haushofer bereits mit den ersten Skizzen für ihren Roman. Den<br />

Umschlagkarton des ersten Schreibheftes beschriftete sie mit DIE GLÄSERNE WAND I. Bereits auf dem<br />

zweiten von insgesamt fünf Schreibheften ist der Titel DIE WAND zu lesen. Das Gläserne fällt dabei<br />

nicht nur aus dem Titel, sondern auch aus der Darstellung der <strong>Wand</strong> an sich raus. <strong>Die</strong> Erzählerin untersucht<br />

die Beschaffenheit der <strong>Wand</strong> dabei jedoch nicht weiter, sondern nimmt diese als gegeben an.<br />

Marlen Haushofer beschreibt die <strong>Wand</strong> in einem Interview 1968 wie folgt: „Ob die <strong>Wand</strong> je über die<br />

Menschheit kommt, jene äußerliche <strong>Wand</strong> nämlich, von der die Apokalyptiker unter den Technikern<br />

gerne reden, kann ich nicht sagen. Aber vorstellen könnte ich es mir schon. Aber, wissen Sie, jene<br />

<strong>Wand</strong>, die ich meine, ist eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird. Haben<br />

wir nicht überall Wände aufgerichtet? Trägt nicht jeder von uns eine <strong>Wand</strong>, zusammengesetzt aus<br />

Vorurteilen, vor sich her?“ (Vgl. Lackenbucher, Raimund: „In jener fernen Wirklichkeit ...“ In: Neue Illustrierte<br />

Wochenschau, 29.12.1968). Haushofer führt hier eine Zivilisationskritik an. <strong>Die</strong> wie bereits am Anfang<br />

erwähnte zwiespältige Metapher der <strong>Wand</strong> kann auch als Symbol für das Trennende zwischen den<br />

Menschen verstanden werden.<br />

Theaterpädagogisches Begleitmaterial I Klara Ring I Telefon: 03981 277170 I E-Mail: k.ring@tog.de

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