Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt - Technische ...
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Schwerhoff, <strong>Hexenverfolgung</strong> (1996)<br />
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Praktiken. Hoch im Kurs standen alle Arten desHilfszaubers. Wer die Zukunft erfahren<br />
wollte, konnte sich schlicht aus der Hand lesen lassen; andere kundige Wahrsager<br />
bedienten sich e<strong>in</strong>er Kristallkugel oder e<strong>in</strong>es Zaubersiebes. Gefragt waren Leute, die<br />
gestohlene oder verlorene Gegenstände wiederzubeschaffen versprachen. E<strong>in</strong> zweiter<br />
großer Bereich des illegalen kölnischen Dienstleistungssektors betraf die heilende<br />
Magie. Mit Segenssprüchen und gesundmachenden Ritualen rückten viele<br />
professionelle und auch Gelegenheitsheiler den verschiedensten Krankheiten zu Leibe.<br />
Robert Jütte hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Untersuchung über "Ärzte, Heiler und Patienten" im<br />
<strong>frühneuzeitlichen</strong> Köln die E<strong>in</strong>bettung derartiger Praktiken <strong>in</strong> das allgeme<strong>in</strong>e<br />
Gesundheitssystem betont. Trotz zunehmender Kritik gelehrter Ärzte koexistierten<br />
natürliche und übernatürliche Behandlungsmethoden nicht nur mite<strong>in</strong>ander, sie<br />
verzahnten und verstärkten sich gegenseitig. Die Patienten hielten es pragmatisch und<br />
konsultierten oft gleichzeitig den Apotheker, Mediz<strong>in</strong>er oder Bader auf der e<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>en<br />
kundigen Heiler oder e<strong>in</strong>e Segenssprecher<strong>in</strong> auf der anderen Seite. 9 Auch die<br />
Apotheker oder Ärzte selber anerkannten übernatürliche Ursachen als möglich. Wenn<br />
Wundärzte deshalb bei der Überprüfung von verdächtigen Todesfällen zu dem Schluß<br />
kommen, es liege e<strong>in</strong> natürlicher Schaden und ke<strong>in</strong>eswegs Zauberei vor 10 , so handelt<br />
es sich dabei nicht unbed<strong>in</strong>gt um die Artikulation von pr<strong>in</strong>zipieller Skepsis, sondern um<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelfallbezogene Stellungnahme. Magie, so können wir daraus sehen, konnte<br />
nach zeitgenössischer Ansicht durchaus mit vernüftigem Denken koexistieren.<br />
Die enge Verknüpfung der religiösen Sphäre mit den magischen Praktiken des Alltages<br />
wird aus der Tatsache deutlich, daß viele niedere Geistliche die<br />
Abgrenzungsbemühungen der gelehrten Theologie von superstitiösen Praktiken 11 nicht<br />
nachvollzogen. Sie gaben den <strong>in</strong>krim<strong>in</strong>ierten Magiern und Magier<strong>in</strong>nen<br />
Rückendeckung 12 oder bedienten sich sogar selber derartiger Mittel. Magische Sprüche<br />
oder Handlungen verweisen denn auch nicht etwa auf Reste heidnischer oder<br />
germanischer Glaubenselemente; Beschwörungen und Segnungen erfolgten vielmehr<br />
im Namen Marias, der Dreifaltigkeit oder vielfältiger Heiliger. Erst die Verb<strong>in</strong>dung von<br />
Wort und Tat, etwa die Ansicht, mittels e<strong>in</strong>iger Wachskerzen und der Anrufung von<br />
Heiligen verlorene Gegenstände wieder herbeizw<strong>in</strong>gen zu können, machte daraus<br />
e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den Augen der gelehrten Theologie der Zeit verbotenen Aberglauben.<br />
Segenssprüche, Beschwörungsformeln, Amulette und dergleichen konnte potentiell<br />
jeder <strong>in</strong> prekären Lebenssituationen zurAnwendung br<strong>in</strong>gen. Es existierten aber auch<br />
Experten und Expert<strong>in</strong>nen, die man bei Problemen um Rat fragen konnte. Die Kölner<br />
Quellen zeigen, daß meist ärmliche Existenzen am Rande der Gesellschaft derartige<br />
Dienstleistungen anboten. Die Kundschaft dagegen konnte sich durchaus aus den