Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt - Technische ...

Schwerhoff, Hexenverfolgung (1996)
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gab, die von einer selbstläufigen Dynamik gekennzeichnet waren. 75
Genau hier liegt die Differenz zu Köln. Der Ansatz zu einem Massenprozeß am Ende
der 1620er Jahre unterscheidet die Rheinmetropole von anderen Städten ihrer
Größenordnung. 76 Sie besitzt insofern eine gewisse Sonderstellung, selbst wenn der
Massenprozeß in Relation zu ihrer Bevölkerungszahl immer noch bescheiden anmutet.
Andererseits läßt sich auch eine deutliche Scheidelinie zu besonders
verfolgungsintensiven Gemeinwesen nachweisen. Unter diesen ragen neben den
berühmt–berüchtigten fränkischen Hochstiften oder auch den kurkölnischen Territorien
auch etliche kleinere, aber keineswegs kleine Städte heraus. Darunter befinden sich
z.b. einige südwestdeutsche Reichsstädte wie Rottweil mit über 130 Hexenexekutionen
oder das kürzlich von Günter Jerouschek untersuchte Esslingen, wo der zeitliche
Schwerpunkt der 75 Prozesse in die 1660er Jahre fällt. 77 Als "Hexennest" in das
populäre Bewußtsein eingegangen ist die lippische Stadt Lemgo, wo über 200
Hexenprozesse geführt wurden;mindestens ebenso intensiv waren die Verfolgungen
aber im niedersächsischen Osnabrück. 78 Somit läuft die Grenze zwischen
verfolgungsintensiven und verfolgungsarmen Regionen nicht prinzipiell parallel zur
Unterscheidung zwischen Stadt und Land. Vielmehr müssen den eher zurückhaltenden
'Großstädten' tendenziell ebenfalls prozeßarme territoriale Großterritorien an die Seite
gestellt werden wie Jülich–Kleve–Berg, die welfischen Gebiete, Kurbrandenburg,
Kursachsen und Bayern. 79 Kleinere, zersplitterte, weniger gut administrierte Territorien
bildeten auf der anderen Seite zusammen mit den genannten Städten die Kernzone der
Verfolgungen.
Noch einmal und im Licht dieser Vergleichswerte gefragt: Was waren die hemmenden
Faktoren für eine Eskalation der Hexenverfolgungen in Köln? Gab es unterm Strich
doch eine weltläufigere, aufgeklärtere Haltung in der Großstadt, bändigte das urbane
Leben die Verfolgungsbereitschaft? Befunde aus anderen süddeutschen Städten
könnten durchaus auf eine veränderte städtische Mentalität hinweisen. In Augsburg, in
Esslingen oder in Rottweil kam die Masse der Angeklagten von außerhalb, von den
Dörfern und Weilern des Umlandes. 80 Mögen also dort ein Gutteil der verhandelten
Prozesse eigentlich ländlichen Ursprunges sein, so trifft dieser Befund nicht auf den
Kettenprozeß in Köln zu. Dieser zeigt in seiner Konzentration auf eine bestimmte, in der
Stadt wirkende Berufsgruppe, die Hebammen nämlich, ein sehr urbanes Gepräge. 81
Ohne also ein gewisses Maß an alltagspraktischer Skepsis leugnen zu wollen – ihre
Relevanz für die gerichtliche Verfolgung ist kaum konkreter zu gewichten und sicherlich
nicht als entscheidend einzustufen.
Ein anderer möglicher Grund: Gab es in Köln vielleicht nicht die zur Verfolgung