Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt - Technische ...
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Schwerhoff, <strong>Hexenverfolgung</strong> (1996)<br />
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dem Turm nicht erfolgreich vorführen, erzählte dafür umso plastischer von Zeremonien<br />
zur Abschwörung Gottes und von Sabbatbesuchen, wo es viel Fleisch und Röggelchen,<br />
jedoch ke<strong>in</strong> Salz gegeben habe (160). Nach fast drei Jahren Haft wurde er durch das<br />
Schöffengericht zum Tode verurteilt und enthauptet. Er war damit neben Gerhard<br />
Sudtlo 1630 die e<strong>in</strong>zige Person männlichen Geschlechts, die der <strong>Hexenverfolgung</strong> zum<br />
Opfer fiel, obwohl immer wieder auch Männer – z.b. unter dem Verdacht, e<strong>in</strong> Werwolf<br />
zu se<strong>in</strong> – verhaftet worden waren. 68<br />
Auch die wahrsche<strong>in</strong>lich letzte <strong>in</strong> Köln h<strong>in</strong>gerichtete Hexe war e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d. Die zehnjährige<br />
Entgen war vor e<strong>in</strong>igen Jahren nach dem Tod ihres Vaters zusammen mit ihren<br />
Geschwistern von der Mutter <strong>in</strong> Köln zurückgelassen worden und schlug sich mit<br />
Betteln durchs Leben (204ff.). Offenbar hatte sie sich freiwillig selbst als Hexe<br />
bezichtigt. Ihre widersprüchlichen Erzählungen von Blocksbergfahrten und<br />
Hexensabbaten bilden e<strong>in</strong>en auffallenden Kontrast zu dieser tristen Lebensrealität.<br />
Gleichzeitig schlug die Hexenphantasie e<strong>in</strong>e Brücke zur abwesenden Mutter, die sie<br />
nach ihren Angaben zuerst auf e<strong>in</strong>en "Tanz" mitgenommen hatte (205) und die sie<br />
regelmäßig <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>er Katze oder e<strong>in</strong>es Hundes besuchte, nicht ohne sie vorher<br />
zu warnen, um ihr ke<strong>in</strong>en Schreck e<strong>in</strong>zujagen (210). Für den modernen Leser kommt<br />
die Ambivalenz von Entgens Gefühlen zu ihrer Mutter überdeutlich zum Ausdruck; die<br />
Inquisitoren <strong>in</strong>teressierten sich dafür weniger, störten sich auch nicht an wirren<br />
Erzählungen über e<strong>in</strong>enHexentanz, der bei hellichtem Tage zwischen 11 und 12 Uhr <strong>in</strong><br />
der Sternengasse gehalten worden sei; die Passanten, so bekannte Entgen auf<br />
Nachfrage, seien "vber Ihre tischen hergegangen, vnd hetten nichts gesehen konnen"<br />
(208). Auch sie wird fast zwei Jahre, offenbar bis zur Volljährigkeit gefangengehalten,<br />
bevor sie am 18. Februar 1655 h<strong>in</strong>gerichtet wird. K<strong>in</strong>derhexenprozesse waren vielerorts<br />
e<strong>in</strong>e typische Ersche<strong>in</strong>ung der Spätzeit der Verfolgungen. Den freiwilligen<br />
Geständnissen der K<strong>in</strong>der wurde allgeme<strong>in</strong> hohe Glaubwürdigkeit zugeschrieben, sie<br />
bildeten oft e<strong>in</strong>e Basis für letzte Todesurteile <strong>in</strong> Sachen Hexerei vor dem endgültigen<br />
Ende der Hexenprozesse. 69<br />
Mit dieser letzten H<strong>in</strong>richtung war die Hexen<strong>in</strong>quisition <strong>in</strong> Köln nicht zu den Akten<br />
gelegt. Das Hexenprotokoll verzeichnet noch zum Jahr 1662 die Selbstbezichtigung der<br />
22jährigen Anne Toer, die vom Teufel, der ihr <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>es untreuen Geliebten<br />
erschienen war, gequält wurde. Ihre Selbstanklage hatte den e<strong>in</strong>deutigen Charakter<br />
e<strong>in</strong>es gerichtlichen Selbstmordes, sie begehrte nach eigenen Worten "vom leben<br />
geholffen zu werden" (212; 218). Das Gericht, dem sie schließlich geliefert wurde, tat<br />
ihr diesen Gefallen nicht, aber es war doch weit entfernt davon, den Fall als unerheblich<br />
zurückzuweisen. Offenbar begann man <strong>in</strong> Köln zunächst, zur vorher gepflegten Praxis