Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt - Technische ...

Schwerhoff, Hexenverfolgung (1996)
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empirischer Beleg für eine besondere Gefährdung der Hebammen durch
Hexereianklagen herangeführt. Dazu passen die bekannten Invektiven des
Hexenhammers gegen die "Hexen–Hebammen", die vor einigen Jahren zwei Bremer
Sozialwissenschaftler zu der sehr populären These von der Verfolgung der "weisen
Frauen" inspirierte. Danach sei es das eigentliche Ziel der Hexenverfolger gewesen,
das Verhütungswissen zu vernichten und infolgedessen eine Vermehrung der
Bevölkerungszahl zu erreichen. 59
Demgegenüber muß erstens betont werden, daß der Kölner Fall, was die Praxis der
Verfolgung angeht, eher eine Ausnahme darstellt. Hebammen stellten europaweit
keineswegs eine bedeutende und klar herausgehobene Zielgruppe der Verfolgung dar.
Für Frankreich etwa ist neuerdings herausgestellt worden, daß die Geburtshelferinnen
unter den Hexenopfern eher unterrepräsentiert waren. 60 Zweitens kann auch das
Kölner Beispiel die nachweisbar völlig absurde und pseudowissenschaftliche These von
der Vernichtung der weisen Frauen keineswegs stützen. Denn die Verhöre und
Zeugenaussagen zeigen hier überdeutlich, daß dieBildung eines Verdachts gegen die
Hebammen keiner Verschwörungslogik 'von oben', von Seiten der Herrschenden und
Gelehrten, folgt, sondern daß es sich um einen langwierigen und komplizierten Prozeß
alltäglicher Zuschreibungen 'von unten', von Seiten der Nachbarn und Klientel der
verdächtigen Frauen, handelt. Das gelehrte Stereotyp mag diesen Zuschreibungen
Nahrung gegeben haben, ursächlich ist es nicht gewesen.
Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensmonate waren nicht nur für die
Neugeborenen eine prekäre Phase, sondern auch für die Mütter. Es gab kaum einen
anderen Lebensabschnitt, der so viele Gefahren für Leib und Leben in sich barg.
Plötzliche Krankheiten und Todesfälle wurden hier, ebenso wie in anderen
Lebenssituationen, gerne auf Schadenszauber zurückgeführt. Das besondere an dieser
Situation bestand aber darin, daß mit der Hebamme eine Spezialistin für diese
Lebensphase vorhanden war, die für eine Zuschreibung der Mißgeschicke geradezu
prädestiniert schien, wobei Unzufriedenheit und Mißmut der Kundschaft sich hier ein
Ventil schaffen konnten. Die Variationsbreite möglicher Mißgeschicke läßt sich
exemplarisch an den Ermittlungen gegen die beiden Hebammen Volmers En und Enn
Konning nachvollziehen. So beschuldigte der Fleischergaffelbote Wilhelm Ellermann
die erstere, daß sie vor acht Jahren mit seiner Frau "in den nothen dergestaltt vnhoflich
vmbgangen daß ihro die waßerblaß zerbrochen vnd das kindt thot zur welt kommen"
(102). Danach habe man sich einer anderen Hebamme bedient, weil man Volmers Enn
nicht mehr traute. Der Vorwurf fachlicher Mängel wird im Kontext des Hexenprozesses
eine andere Bedeutung erlangt haben. Die Hebamme selber leugnet übrigens die