Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt - Technische ...

Schwerhoff, Hexenverfolgung (1996)
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gefährliche Tempo geöffnet, mit dem das um sich greifende Hexereigerücht das soziale
Leben zu zersetzen drohte. Bestrafungen leichtfertiger Beschuldigungen, wie sie
vereinzelt vorkamen, gewinnen vor diesem Hintergrund ihren Sinn. 50 Kann man aber,
wie es Schormann tut, einem eher skeptischen Rat einen verfolgungsgierigen
Kurfürsten entgegensetzen? Diese Einschätzung basiert vor allem auf den Anklagen
des Erzbischofs gegen die Kölner Ratsherren als "patroni veneficarum", als
Schutzherren der Hexen, auf den Vorwurf, die Stadt betreibe die Hexenverfolgungen
nicht ernst genug, sondern biete auswärts berüchtigten Personen Sicherheit und
Unterschlupf. 51 Der Stellenwert dieser Anklagen muß allerdings abgewogen werden
gegen die Tatsache, daß städtische und kurkölnische Seite in einigen Fällen durchaus
gemeinsam agierten. Im Fall Henot hatten beide Seiten, warum auch immer, alle
Verteidigungsbemühungen zunichte gemacht. Und auch im Fall Plum zogen sie
schließlich an einem Strick, indem nach langwierigen Verhandlungen alle Aktenstücke
über diesen Prozeß in einem symbolischen Akt in eine eiserne Kiste niedergelegt
wurden. Der Erzbischof hatte sogar mit Hinweis auf die vielen unschuldig denunzierten
Personen eine Verbrennung der Akten angeregt. Seine Anklagen gegen den Rat als
Hexenpatron wiederholte er nach Abschluß des Verfahrens nicht. 52 Insgesamt neige ich
dazu, diese Vorwürfe weniger vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Hexenpolitik
zu sehen – die es durchaus gegeben haben mag – als vor dem der
Kompetenzstreitigkeiten zwischen Rat und Hochgericht. Daß die Schöffen ohne die
vorgeschaltete Entscheidung des Rates über eine Verhaftung und Lieferung keinerlei
Ermittlungsmöglichkeiten in Kriminalsachen besaßen, war der kurfürstlichen Seite
schon seit jeher ein Dorn im Auge gewesen. Auch der Vorwurf, die Justiz zu behindern
undKriminelle straflos davonkommen zu lassen, wurde seit jeher hin und her
geschoben. Die Auseinandersetzung über die Hexenjustiz scheint also lediglich als
neue Runde einer alten und damit auch keineswegs abgeschlossenen
Auseinandersetzung. 53
Die eigentlichen Antreiber der Hexenprozesse saßen jedoch im Schöffenkollegium und
in der Geistlichkeit. Dabei ist fraglich, inwieweit das Gerichtskollegium insgesamt zu
den Hardlinern gehörte, denn vom Rat Gelieferte hatten auch auf dem Höhepunkt der
Massenverfolgung Chancen, freigesprochen zu werden, wie etwa das Beispiel der von
Christina Plum standhaft besagten Elßbeth von Schwelm zeigt. 54 Unter Umständen sind
hier Spannungen zwischen dem Gerichtsvorsitzenden, dem Greven, und seinen
Urteilern ins Kalkül zu ziehen. Daß aber die Herren Blanckenberg und Romesswinckel,
wohl auch ihre Kollegen Aldenhoven und Birkmann, die Verfolgungen voran trieben,
scheint sicher.