Informationen 2004 - WSD Mitte - Wasser- und ...
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100 Jahre <strong>Mitte</strong>llandkanal 1905-2005<br />
16<br />
ser Wilhelm I. <strong>und</strong> auch später Kaiser Wilhelm II. als Unterstützer<br />
der von Sympher vorangetriebenen Ideen <strong>und</strong><br />
technischen Planungen.<br />
Gegner des Kanalbauprojektes, allen voran die vorwiegend<br />
landwirtschaftlich geprägten Ostprovinzen (östlich<br />
Berlins) sahen in dem Kanal vor allem eine Bedrohung<br />
ihrer Interessen, da das Eindringen fremden Getreides<br />
<strong>und</strong> Holzes vom Rhein her <strong>und</strong> eine Verdrängung ihrer<br />
Erzeugnisse aus angestammten westlichen Märkten befürchtet<br />
wurden. Mit – aus heutiger Sicht – bemerkenswerter<br />
Offenheit sorgte man sich ferner um „unges<strong>und</strong>e"<br />
Lohnentwicklungen im landwirtschaftlichen Sektor durch<br />
einen vom Kanalbau zurecht prognostizierten Nachfragesog<br />
nach Arbeitskräften.<br />
Der industrielle Westen dagegen wollte vor allem seine<br />
Absatzchancen durch eine preisgünstige Transportmöglichkeit<br />
nach Osten verbessern. Die westdeutsche<br />
Schwerindustrie steigerte damals ihre Produktion mit bis<br />
dato unbekannten Steigerungsraten. Im Ruhrgebiet nahm<br />
die Kohleförderung von 1840 bis 1890 von einer Mio. t<br />
auf 35 Mio. t jährlich zu; die Produktion von Rohstahl<br />
steigerte sich im gleichen Zeitraum von 0,2 Mio. t auf 2<br />
Mio. t/Jahr. Nicht ganz zu Unrecht befürchteten die ost-<br />
<strong>und</strong> mitteldeutschen Stein- <strong>und</strong> Braunkohlereviere, durch<br />
eine über den günstigen <strong>Wasser</strong>weg in den mittel- <strong>und</strong><br />
ostdeutschen Markt eindringende Ruhrkohle, von den<br />
westlichen Märkten verdrängt zu werden.<br />
Andererseits existierten auch schon damals reale finanzielle<br />
Interessen privater wie gewerblicher Verbraucher.<br />
Der Kanal sollte u.a. der damals noch auf dem Land-<br />
Seeweg über Emden <strong>und</strong> Stettin in die Reichshauptstadt<br />
beförderten Ruhrkohle einen deutlichen Frachtvorsprung<br />
gegenüber der noch in Berlin vorherrschenden englischen<br />
Kohle verschaffen <strong>und</strong> damit zur Senkung des<br />
Kohlepreises beitragen.<br />
Der Entwurf eines Gesetzes für „den Bau eines Schifffahrtskanals<br />
von Dortm<strong>und</strong> nach der unteren Ems zur<br />
Verbindung des westfälischen Kohlegebietes mit dem<br />
Emshafen" vom 24. März 1882 wurde vom Abgeordnetenhaus<br />
angenommen, vom Herrenhaus dagegen abgelehnt.<br />
Die wirtschaftliche Notwendigkeit für einen günstigen<br />
Transportweg zwischen dem wirtschaftlich prosperierenden<br />
Westen <strong>und</strong> der (damaligen) <strong>Mitte</strong> Deutschlands bestand<br />
aber nach wie vor. Folgerichtig wurde am 13. März<br />
1886 eben dieser Gesetzentwurf in modifizierter Form<br />
erneut im Preußischen Landtag eingebracht. Um die äußerst<br />
einflussreichen Interessenvertreter der östlichen<br />
Landesteile, vor allem die ostelbischen Großagrarier, zusammengeschlossen<br />
im konservativen „B<strong>und</strong>e der<br />
Landwirte“, wohlgesinnt zu stimmen, wurde dieser Gesetzentwurf<br />
um den Bau des Oder-Spree-Kanals, welcher<br />
als Friedrich-Wilhelm-Kanal aus dem Jahr 1668 bereits<br />
in Gr<strong>und</strong>zügen existierte, erweitert. Dieses Gesetz<br />
wurde nunmehr am 9. Juli 1886 angenommen <strong>und</strong> beinhaltete,<br />
den Dortm<strong>und</strong>-Ems-Kanal als Teil eines Schifffahrtskanals<br />
zu bauen, „welcher bestimmt sei, den Rhein<br />
mit der Ems <strong>und</strong> in einer den Interessen der mittleren <strong>und</strong><br />
unteren Weser <strong>und</strong> Elbe entsprechenden Weise mit diesen<br />
Strömen zu verbinden." Nach nur siebenjähriger<br />
Bauzeit wurde der Dortm<strong>und</strong>-Ems-Kanal 1899 – wohlgemerkt<br />
noch ohne Anschluss an den Rhein – fertig gestellt.<br />
<strong>WSD</strong> <strong>Mitte</strong> <strong>2004</strong><br />
Es müssen in diesem Zusammenhang auch die Pläne<br />
der damaligen Zeit für die Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse<br />
auf der Weser, insbesondere der Oberweser,<br />
erwähnt werden. Im beginnenden 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
wurden die Forderungen, die Weser als Schifffahrtsweg<br />
besser nutzbar zu gestalten <strong>und</strong> nach einheitlichen technischen<br />
Regeln zu unterhalten, zunehmend intensiver.<br />
Diese mündeten u.a. in die Denkschrift von 1814 <strong>und</strong> die<br />
Weserschifffahrtsakte von 1823. So wurden nach den<br />
großen Überschwemmungen an der Weser, insbesondere<br />
im Jahre 1841, <strong>und</strong> dem etwa zeitgleich beginnenden<br />
Übergang von der Treidel- zur Dampfschifffahrt die ersten<br />
Maßnahmen zur Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse<br />
auf der Oberweser durchgeführt. In den Folgejahren<br />
erfuhr die Weser weitere Ausbaumaßnahmen, mit<br />
denen die Hoffnung auf eine konstantere <strong>Wasser</strong>führung<br />
verb<strong>und</strong>en war <strong>und</strong> eine Fahrwassertiefe von einem Meter<br />
angestrebt wurde. Weitere Bemühungen, festgehalten<br />
in den Denkschriften von 1879 – „Betr. Regulierung der<br />
Oberweser von Münden bis Bremen“ – sowie von 1884,<br />
1890 <strong>und</strong> 1893, in denen die bis dahin erfolgten Regulierungsmaßnahmen<br />
beschrieben waren, mündeten<br />
schließlich in der Gründung der aus Wirtschaftskreisen<br />
zusammengesetzten „Freien Vereinigung der Weserschifffahrts-Interessenten“.<br />
Diese forderte 1895 schließlich,<br />
die Oberweser zwischen Münden <strong>und</strong> Hameln zu<br />
kanalisieren, was jedoch von der Preußischen Regierung<br />
abgelehnt wurde. Dennoch wurde 1897 von der Preußischen<br />
Strombauverwaltung über die Projektierung von 26<br />
Staustufen mit Nadelwehren berichtet. Bis Bremen sollten<br />
sich noch 24 weitere Staustufen anschließen. Wenngleich<br />
die Planungen nicht umgesetzt wurden, da zu viel<br />
Zeitverlust durch die Schleusungsvorgänge <strong>und</strong> damit eine<br />
Unattraktivität des Verkehrsweges befürchtet worden<br />
war, so beinhalteten diese doch bereits Überlegungen,<br />
mit Hilfe eben dieser Staustufen die <strong>Wasser</strong>versorgung<br />
für den technisch nun schon mehrfach projektierten MLK<br />
zu gewährleisten. Alternativ entstand der Plan, mit Hilfe<br />
von Talsperren im oberen Einzugsgebiet der Weser den<br />
MLK mit ausreichend <strong>Wasser</strong> zu versorgen. Insofern griffen<br />
die Überlegungen zur Kanalisierung der Weser <strong>und</strong><br />
zum Bau des MLK an dieser Schnittstelle bei Minden ineinander.<br />
In der logischen Weiterführung des auf den Denkschriften<br />
von 1856 <strong>und</strong> 1877 basierenden <strong>und</strong> mit der Fertigstellung<br />
des Dortm<strong>und</strong>-Ems-Kanals eingeleiteten Vorhabens<br />
zur Realisierung eines Verkehrsweges zwischen Rhein<br />
<strong>und</strong> Oder, plante die preußische Regierung nun den<br />
westlichen Anschluss des Dortm<strong>und</strong>-Ems-Kanals an den<br />
Rhein <strong>und</strong> den östlichen Anschluss zur Weser <strong>und</strong> zur<br />
Elbe. Die für den Bau des MLK erforderlichen <strong>Mitte</strong>l wurden<br />
allerdings noch 1899 vom Abgeordnetenhaus mit der<br />
Mehrheit der konservativen Parteien abgelehnt. Die Kanalgegner<br />
begründeten ihre Entscheidung im Wesentlichen<br />
in der Erwartung negativer Auswirkungen auf die<br />
Eisenbahn, wenngleich Sympher diese 1899 in der<br />
Denkschrift „Die wirtschaftliche Bedeutung des Rhein-<br />
Elbe-Kanals“ widerlegt hatte [17]. Darüber hinaus fürchtete<br />
die schlesische Kohleindustrie <strong>und</strong> der mitteldeutsche<br />
Braunkohletagebau die Konkurrenz des rheinischwestfälischen<br />
Industriegebietes. Die einflussreiche<br />
Landwirtschaft Ostdeutschlands sah nach wie vor große<br />
finanzielle Einbußen durch billiges Getreide aus Übersee<br />
(Kanada, Argentinien) voraus <strong>und</strong> befürwortete daher ei-