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Vom kleinen Prinzen

Vom kleinen Prinzen, dem die Aussicht fehlte. Ein Märchen aus dem Cuxland.

Vom kleinen Prinzen, dem die Aussicht fehlte.
Ein Märchen aus dem Cuxland.

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<strong>Vom</strong> <strong>kleinen</strong> <strong>Prinzen</strong>,<br />

Ein Märchen aus dem Cuxland<br />

dem die Aussicht fehlte<br />

SCHÜNEMANN<br />

Renate Schiller<br />

Illustrationen Lea Fröhlich


Der König und die<br />

Königin waren aber<br />

sehr vorsichtige<br />

Leute, und sie wollten den<br />

lieben <strong>kleinen</strong> <strong>Prinzen</strong> vor<br />

allem Unglück schützen<br />

und ließen die Mauern rund<br />

um ihr Schloss viele, viele<br />

Meter hoch bauen.


Der kleine Prinz wurde größer, und jeden<br />

Morgen, nachdem er seinen Haferbrei<br />

gegessen hatte, lief er zur Tür hinaus in<br />

den Schlossgarten und spielte dort bis zum<br />

Mittagessen und danach bis zum Abendbrot.<br />

Bald kannte er jeden Winkel, jeden Baum und<br />

jeden Strauch, und die Schlossgartentiere<br />

waren seine Spielgefährten.


Aber eines Tages, und das lag wohl an dem Wind, der immer frisch im<br />

Cuxland wehte, hörte der kleine Prinz das Kreischen der Möwen und<br />

dann – das Rauschen der Wellen – und dann – das Tuten der großen<br />

Dampfer, und dann atmete er den salzigen Duft des rauen Meeres ein.<br />

Dem <strong>kleinen</strong> <strong>Prinzen</strong> wurde ganz wehmütig ums Herz, aber er konnte nicht<br />

sagen warum, denn er hörte und atmete ja nur und sah ja nichts, weil doch<br />

seine Eltern die Schlossmauern so hoch hatten bauen lassen.


Von nun an saß der kleine Mann jeden Tag<br />

im Schlossgarten, ganz mucksmäuschenstill,<br />

und hörte und atmete das nahe Meer<br />

ein. Von Tag zu Tag wurde er trauriger,<br />

und bald konnte er sich gar nicht mehr<br />

freuen, und sein Haferbrei schmeckte ihm<br />

auch nicht mehr. Manchmal versuchten<br />

die Schlossgartentiere ihn froh zu machen,<br />

aber da war nichts zu machen: Der kleine<br />

Prinz blieb traurig.


Eines Morgens wurden die Cuxländer in aller Herrgottsfrühe<br />

durch ein furchtbar lautes Dampfertuten geweckt.<br />

In der Ferne sahen sie ein großes weißes Schiff.<br />

Sie sahen, wie ein riesengroßer, bärenstarker Seemann über<br />

die Reling sprang, – platsch ins Meer – und das Meerwasser<br />

spritzte den Cuxländern bis vor die Küchentüren.


Ängstlich sahen sie sich in den Häusern an und fragten:<br />

„Was will der wilde Seemann?“ Sie sahen, wie der riesengroße,<br />

bärenstarke Seemann durchs Wasser stapfte,<br />

an Land ging und schnurstracks zum Schloss lief. Energisch<br />

klingelte er an der königlichen Türglocke.


Den Diener, der ihm das schwere Tor öffnete<br />

und nach seinen Papieren fragen wollte,<br />

schubste der Seemann unsanft zur Seite, denn<br />

er hatte keine Zeit zu verlieren, das sah man wohl.<br />

„Stehen geblieben!“, brüllte der Diener. Andere Diener<br />

kamen herbeigelaufen, und auch der König und die<br />

Königin waren aufmerksam geworden.

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